Meldungen nach dem 10. Juli
2003
10. Juli 2003: 135. Prozesstag
Tabula rasa – Gericht zieht durch
Zwanzig Minuten, die es in sich hatten - länger dauerte die heutige
Hauptverhandlung nicht. Mit den vier verkündeten Beschlüssen dokumentierte
das Kammergericht nicht nur, dass sich die VerteidigerInnen von
Matthias B. ihre heute präsentierten Stellungnahmen zu den Erklärungen
der Bundesanwaltschaft (BAW) vom letzten Verhandlungstag hätten
sparen können. Es macht auch klar, dass es nicht weiter gewillt
ist, irgendwelchen Beweisanträgen überhaupt noch nach zu gehen.
Zu Beginn der Verhandlung hatten Rechtsanwältin Lunnebach und ihr
Kollege Kaleck auf Stellungnahmen der BAW vom letzten Verhandlungstag
reagiert. Der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts hatte damals
sowohl den Nachbau des angeblich von dem Kronzeugen Tarek Mousli
1995 in einem Seegraben im Norden Berlins versenkten Sprengstoffpakets
abgelehnt, wie auch die Zeugenbefragung des Präsidenten des Bundesamtes
für Verfassungsschutz (BfV) zu einem Spitzel innerhalb der RZ sowie
der Einbindung von Mousli in operative Maßnahmen des Dienstes. Die
beiden Anwälte zeigten sich von den Ausführungen der BAW wenig überzeugt.
Ein Nachbau des Sprengstoffpakets sei durchaus möglich, so Frau
Lunnebach, existierten doch Fotos des Pakets, die nach dem Fund
im August 2000 aufgenommen worden seien. Der Interpretation der
BAW, die Hauptverhandlung habe "keinen auch noch so entfernten Anhaltspunkt
für eine bewusste, gesteuerte Verzögerung" der Ermittlungen nach
dem Sprengstofffund bei Daniel S. ergeben, hielt RA Kaleck entgegen,
dass die Beweisaufnahme durchaus "eine Vielzahl von Merkwürdigkeiten"
ergeben habe, wie etwa ein Vergleich der eingeleiteten Ermittlungen
des Bundeskriminalamts (BKA) beim Fund eines angeblichen RZ-Depots
bei Bielefeld gezeigt habe. Ohnehin gebiete es Rechtstaatlichkeit
und Sachaufklärungspflicht jeglichem Hinweis auf Geheimdienst-Operationen
nachzugehen.
Unbeeindruckt von diesen Ausführungen zeigte sich das Kammergericht.
Weder der bislang verheimlichte Sprengstofffund von angeblichem
RZ-Sprengstoff im Mai 1998 in Kempen, noch der Nachbau des im Seegraben
geborgenen Sprengstoffpakets, geschweige denn die Zeugenvernehmung
des BfV-Präsidenten oder die Ladung von drei Zeugen, von denen sich
Aufklärung versprochen wurde, warum ein Magdeburger Polizist im
Zuge der Ermittlungen nach dem Fund von Gelamon 40 bei Daniel S.
seine Berliner Kollegen darüber informierte, dass der im Seegraben
gefundene Sprengstoff aus der ehemaligen DDR nicht nach Westdeutschland
exportiert worden war, sondern an so genannte Sonderbedarfsträger
(Nationale Volksarmee bzw. Ministerium für Staatssicherheit) gegangen
sei, – all diesen ungeklärten Fragen meinte das Gericht – unter
ständigem Verweis auf die BAW-Stellungnahmen vom letzten Prozesstag
– nicht nachgehen zu müssen; alle Anträge wurden abgelehnt.
Und damit auch dem letzten klar wurde, dass das Gericht diesen
Prozess bald zu beenden gedenkt, erklärte die Vorsitzende Richterin
Gisela Hennig, dass ab sofort alle Beweisanträge noch am gleichen
Tag währende der Hauptverhandlung entschieden würden. Insofern sollten
sich die Prozessbeteiligten darauf einstellen, fügte die Vorsitzende
Richterin hinzu, dass es nach der Sommerpause zu längeren Verhandlungstagen
kommen könnte. Zwar hat dieser Verhandlungstag genug Beispiele gegeben,
wie diese Beschlüsse ausfallen werden, doch glauben wir Frau Hennig
gerne, dass nun ein hartes Stück Arbeit auf sie und ihre Kollegen
zukommt - muss doch das Gericht nun selbst, ohne Hilfe und schriftliche
Vorarbeiten der BAW seine Beschlüsse formulieren.
Die anscheinend letzte Etappe in diesem Verfahren vor dem 1. Strafsenat
des Kammergerichts Berlin beginnt am Donnerstag, 7. August, zur
gewohnten Zeit um 9.15 Uhr im Saal 500 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
4. Juli 2003: 134. Prozesstag
Augen zu und durch - der Senat will zu Ende kommen
Vier Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW) und zwei Beschlüsse
der Kammer zu verschiedenen Anträgen der Verteidigung waren heute
Inhalt des rund 45 Minuten andauernden Prozesstages.
Wie zu erwarten erteilte die Bundesanwaltschaft dem Antrag der
Verteidigung von Matthias B. zum Nachbau des Sprengstoffpakets eine
Absage. Das Gericht verfüge über genügend "eigene Sachkunde", um
sich über die Frage der Sinkbarkeit ein Urteil bilden zu können.
Eine Zurückweisung empfahl die BAW auch bezüglich zweier weiterer
Anträge der Verteidigung von Matthias B. vom 27. Juni. Darin war
zum einen die Ladung des Präsidenten des Bundesverfassungsschutz
(BfV) und die Herbeiziehung von weiteren zurückgehaltenen Akten
gefordert worden. Zum anderen sollten neue Zeugen vernommen werden,
um der Herkunft des RZ-Sprengstoffs Gelamon 40 nachzugehen. Nicht
besser erging es dem Antrag der Verteidigung von Harald G. vom letzten
Verhandlungstag, der die Herbeiziehung von Akten über einen bisher
unbekannten Sprengstofffund gefordert hatte. Diese Akten, die der
BAW offensichtlich bekannt sind, böten keine Anhaltspunkte zur hiesigen
Strafsache. Nach Ansicht der BAW soll den übrigen Prozessbeteiligten
eine Einsicht in diese Akten verwehrt bleiben.
Diesen etwas trocken und recht leidenschaftslos vorgetragenen Stellungnahmen
der BAW folgte die Verlesung gerichtlicher Beschlüsse. Mehrere Anträge
der Verteidigung aus den Jahren 2001, 2002 und 2003 wurden zurückgewiesen,
die darauf abgezielt hatten, die Rolle des BfV und verschiedener
Verfassungsschutzämter der Länder bei der Aussageentwicklung des
Kronzeugen herauszuarbeiten. Offensichtlich hat der Senat daran
kein Interesse.
Ebenfalls unter das Motto "Augen zu und durch" dürfte die Ablehnung
der Anträge der Verteidigung durch das Gericht fallen, die eine
Aussetzung der Hauptverhandlung gefordert hatten, um ein anstehende
Verwaltungsgerichtsurteil abzuwarten. "Prozessökonomie", die "Rücksichtnahme
auf die Belange der Angeklagten" und die Ansicht, dass die Verwaltungsgerichtsklage
der Verteidigung von Harald G. "keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg hat", sind dem Gericht gewichtige Gründe genug den Prozess
weiterzuführen. Bei so viel Chuzpe des Senats darf man auf die Reaktion
der Verteidigung gespannt sein.
Letzter Verhandlungstag vor der Sommerpause ist der 10. Juli; Verhandlungsbeginn
wie immer: 9.15 Uhr.
ausführlicher
Bericht
27.06.2003: 133. Prozesstag
Feuerwerk der Verteidigung
In der heutigen Hauptverhandlung legte die Verteidigung von Matthias
B. und die Verteidigung von Harald G. in Sachen Sprengstoff nach.
In umfangreichen Beweisanträgen wurde zum wiederholten Male die
Version des Kronzeugen Tarek Mousli in Sachen RZ-Sprengstoff Gelamon
40 und ins besondere seiner Beseitigung in Zweifel gezogen sowie
die mögliche Verquickung von Geheimdiensten in dieser Angelegenheit
erörtert.
Durch einen Nachbau des Sprengstoffpakets, das im August 1999 in
einem Seegraben im Norden Berlins gefunden wurde, soll bewiesen
werden, dass das Paket, wenn es nicht so beschädigt wurde, dass
Wasser eindringen konnte, mindestens einige Wochen an der Wasseroberfläche
geschwommen haben muss. Vor dem Hintergrund anderer Gutachten, die
im Lauf des Verfahrens eingebracht wurden, wäre damit bewiesen,
dass Mousli das Paket erst unmittelbar nach seiner Haftentlassung
im Juli 1999 im Seegraben versenkt haben kann - und nicht, wie von
ihm behauptet, bereits 1995.
Zweitens wurde die Ladung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes
(BfV) beantragt. Die Verteidigung von Matthias B. geht davon aus,
dass die erst im Herbst 1997 erfolgte RZ-Zuordnung des angeblich
von dem Berliner Kleinkriminellen Daniel S. 1995 aus dem Keller
von Mousli gestohlenen Sprengstoffes der Marke Gelamon 40 im Zusammenhang
mit operativen Maßnahmen des BfV steht. Sie geht ebenfalls davon
aus, dass der BfV einen Informanten über die RZ gewinnen konnte,
der mindestens in der Zeit von 1983 bis 1995 Informationen über
die RZ an den Geheimdienst geliefert hat.
In einem dritten Antrag wurde die Vernehmung eines ehemaligen Polizisten
verlangt, der 1995 im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Daniel
S. Erkundigungen zu dem gefunden Sprengstoff bei der Herstellerfirma
des Gelamon 40 anstellte, und zweier Mitarbeiter dieser Firma. Durch
die Befragung dieser Zeugen wird sich nach Auffassung der Verteidigung
ergeben, dass der bei Daniel S. sichergestellte Sprengstoff nie
nach Salzhemmendorf geliefert wurde, wo 1987 Sprengstoff der Marke
Gelamon 40 entwendet worden war, sondern an so genannte Sonderbedarfsträger
(Nationale Volksarmee der DDR bzw. Ministerium für Staatsicherheit)
gegangen ist.
Die Verteidigung von Harald G. verlangte Auskunft über einen bislang
den Prozessbeteiligten vorenthaltenen Sprengstofffund der Marke
Gelamon 40 im Mai 1998 in Kempen (NRW), wie er sich aus Akten des
Verfassungsschutzes unter Verweis auf das BKA ergibt.
Der Termin am 3. Juli ist aufgehoben. Die Hauptverhandlung wird
am Freitag, den 4. Juli um 9.15 Uhr fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
132. Prozesstag. 20. Juni 2003
Amnesie als Berufskrankheit anerkannt?
Die wohl kürzeste Zeugenvernehmung des bisherigen Verfahrens wurde
heute mit der Befragung des Richters am Kammergericht Libera, Mitglied
des Senats, der Tarek Mousli im Dezember 2000 zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt hatte (siehe auch vorangegangene Prozessberichte) vollzogen.
Ganze vier Minuten benötigte das Gericht um ihm die Antwort zu
entlocken, dass er sich an Aussagen Mouslis zu konspirativen Wohnungen
überhaupt nicht erinnern könne und das ihm zwar der Spitzname Drogentod
erinnerlich sei, aber sich bei ihm ansonsten keinerlei Erinnerung
mit diesem Spitznamen verbinden würde. Danach wurden zwei Beschlüsse
des Senats zu Anträgen der Verteidigung des Angeklagten G. vom 25.10.2001
bzw. der Angeklagten E. vom 8.11.2001 verkündet, in denen festgestellt
wurde, das sich diese Anträge durch diverse Zeugenvernehmungen erledigt
hätten. Die deutlich gereizte Stimmung des Senats zeigte sich das
erste Mal, als sich die RichterInnen weigerten, einen dieser Beschlüsse
in Kopie auszuhändigen.
Der Rest des insgesamt einstündigen Verhandlungstages wurde dann
wieder durch die Verteidigung mit dem Verlesen mehrerer Schriftsätze
bestritten. Die Verteidigung des Angeklagten B. untermauerte mit
zwei Stellungnahmen ältere Anträge zur Beiziehung von weiteren Ermittlungsakten
des BKA, sowie der vollständigen Herausgabe der über Tarek Mousli
geführten Akten beim Bundesamt bzw. bei mehreren Landesämtern für
Verfassungsschutz. Die anschließende Frage der Rechtsanwältin Lunnebach,
wann denn der Senat über den seit längerem anhängigen Aussetzungsantrag
zu entscheiden gedenke, weil die Verteidigung beabsichtige weitere
Sachanträge zu stellen, wurde von der schlecht gelaunten Vorsitzenden
mit einem überaus aussagekräftigen "demnächst" abgefertigt.
Die Verteidigung des Angeklagten Sch. beantragte die Vernehmung
einer früheren Freundin des Kronzeugen Tarek Mousli, die u.a. bekunden
würde, das sie im Jahr 1987 - vermittelt durch Mousli - die damals
in der Illegalität lebende Angeklagte E. kennen gelernt habe.
Die Vorsitzende weigerte sich anschließend energisch, über den
Antrag der Verteidigung des Angeklagten H. auf Aufhebung des Haftbefehls
in der heutigen Hauptverhandlung zu verhandeln und Stellungnahmen
dazu entgegenzunehmen, und beharrte darauf, dies in einem Haftprüfungsverfahren
außerhalb der Hauptverhandlung durchzuführen. Daraufhin beantragte
die Verteidigung einen rechtlichen Hinweis darauf, ob der Senat
davon ausgehe, das die Verteidigung in ihrem Antrag Zeugenaussagen
unzutreffend wiedergegeben habe.
Rechtsanwältin Studzinsky beantragte
zum Abschluß wiederholt die Herausgabe von Ermittlungsunterlagen,
die durch die Bundesanwaltschaft vorenthalten werden. Diese sind
in sogenannte Strukturverfahren aussortiert (oder besser: versteckt?)
worden.
Der Termin am 26. Juni wurde aufgehoben. Weiter geht es am 27.
Juni 2003 um 9.15 Uhr mit der Verkündung von Beschlüssen.
Der ausführliche Prozessbericht entfällt (4. Richterbefragung ist
nu wirklich ziemlich dünn). Die Anträge demnächst hier auf www.freilassung.de.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
13.06.2003: 131. Prozesstag
Ein Richter a.D. gräbt in seinen Erinnerungen
Einziger Zeuge des heutigen Verhandlungstages war der Richter a.D.
Eckart Dietrich, der kurz vor seiner Pensionierung den 2. Strafsenat
des Berliner Kammergerichts angeführt hatte, welcher im Dezember
2000 Tarek Mousli zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte. Trotz
der großen Gedächtnislücken konnte sich der ehemalige Richter zumindest
an die Absprachen mit der Bundesanwaltschaft (BAW) erinnern. Dabei
war im Vorfeld des Prozesses ausgehandelt worden, dass Mousli eine
Bewährungsstrafe erhalten solle.
Die Vorsitzende Richterin kündigte heute an, anstehende Beweisanträge
der Verteidigung nun zügig abarbeiten zu wollen und damit die "Warteschleife"
in der sich das Verfahren zur Zeit befindet, zu beenden. Die Schlussvorträge
könnten, nach Ansicht des Gerichts, dann nach der Sommerpause gehalten
werden. Die Verteidigung kündigte ihrerseits weitere Beweisanträge
an.
Die Verteidigung von Axel H. forderte in einem ausführlichen Beweisantrag
die Aufhebung des weiterhin gegen ihren Mandanten existierenden
Haftbefehls. Dieser beruhe im Kern auf den Aussagen von Mousli,
Axel H. habe ein Sprengstoffdepot im Mehringhof verwaltet. Dieses
Depot, so habe der Prozess inzwischen gezeigt, habe es jedoch nie
gegeben.
ausführlicher
Bericht
130. Prozesstag: 6. Juni 2003
Was spricht er - Herr Richter?
Chemisch frei von Wissen über den von ihnen selbst geführten Prozess,
präsentierten sich heute zwei Richter vom 2. Strafsenats des Kammergerichtes.
Über Aussagen des damals selbst Angeklagten Mousli zu den Themen
'Drogentod' und 'konspirative Wohnungen' der RZ hatten die Herren
Richter Scharf und Heiter angeblich keine Erinnerung mehr.
Im Dezember 2000 gehörten sie dem Gericht an, das den jetzt als
Kronzeugen tätigen Tarek Mousli in einem dreitägigen Kurzprozess
zu einer Bewährungsstrafe verurteilte. Das Strafmaß war seinerzeit
bereits vor Prozessbeginn von der Bundesanwaltschaft (BAW) - im
Einvernehmen mit Gericht und Verteidigung - festgelegt worden.
Die Richter bestätigten heute eindrucksvoll ihr damals schon offenkundiges
Desinteresse an jeglicher wirklich ernsthaften Verfahrensführung
gegen den jetzigen Kronzeugen. Warum die sog. 'Kronzeugenregelung'
bei der Strafzumessung nicht im Urteilstenor erwähnt wurde und ob
die Inanspruchnahme dieser Regelung überhaupt von der Kammer geprüft
wurde, daran konnten sie sich angeblich nicht mehr erinnern. Selbst
an die mögliche Beantragung einer entsprechenden Strafreduzierung
für den Angeklagten Mousli seitens der BAW sei ihnen nicht erinnerlich.
"Das haben wir damals nicht gebraucht!" sagte Richter Scharf, "...dem
Gedanken nach wurde sie angewendet..." so Richter Heiter. Nur ganz
kurz flackerte die Erinnerung messerscharf auf. Ein Vorgespräch
zwischen den Bundesanwälten und den Richtern vor Eröffnung des damaligen
Verfahren gegen Mousli war auf alle Fälle ein reiner Höflichkeitsbesuch
und in gar keinem Falle sei über den bevorstehenden Prozesses gesprochen
worden, mit keiner Silbe. Nur organisatorische Fragen wären geklärt
worden, ganz bestimmt!
Das stimmte heiter und so geht es auch weiter, am 13. Juni, 9:15
Uhr. Ein ausführlicher Prozessbericht entspräche heute nicht den
Tatsachen und unterbleibt deshalb.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
129. Verhandlungstag: 02.06.2003
Geschoben in 13 Minuten
Ganze 13 Minuten dauerte der heutige "Schiebetermin". Entgegen
der Anregung von Rechtsanwalt Eisenberg, der am vorhergehenden Verhandlungstag
vorgeschlagen hatte, heute dem 36. Jahrestag der Erschießung von
Benno Ohnesorg zu gedenken, setzte das Kammergericht die Beweisaufnahme
fort.
Zuerst wurde, zurückgehend auf einen Antrag der Verteidigung von
Axel H. vom 20.2.03, Bauzeichnungen des Fahrstuhlschachtes im Mehringhof,
in dem die Richter vermutlich immer noch das von Mousli behauptete
Sprengstoffdepot entdecken wollen, vom 31.7.1925 (!) in Augenschein
genommen und die Beschriftungen entziffert. Diese Aufgabe fiel dem
Beisitzenden Richter Hanschke zu, dem das Lesen von Sütterlinschrift
offensichtlich einige Mühe bereitet.
Dem folgte die Verkündung von zwei Beschlüsse: So wurde durch ein
Schreiben vom Bundeskriminalamt (BKA) der Antrag der Verteidigung
von Matthias B. vom 8.11.2001 als erledigt erklärt. Darin war gefordert
worden die Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden und der Geheimdienste
bezüglich der Kontakte von Tarek Mousli zu arabischen Terroristengruppen
offen zu legen. Immerhin war die Behauptung, Mousli verfüge über
gute Kontakte zu derartigen Gruppierungen, noch Bestandteil des
gegen ihn im August 1999 erwirkten Haftbefehls wegen Rädelsführerschaft
in einer terroristischen Vereinigung. Heute, so offenbarte das BKA-Schreiben,
fehlen derartige Erkenntnisse.
Ebenfalls abgelehnt wurde im zweiten Beschluss des heutigen Tages
der Antrag der Verteidigung von Axel H. vom 23.11.01. Darin hatte
Rechtsanwalt von Schlieffen gefordert Bildmaterial herbeizuziehen,
anhand dessen zwei Zeugen 1987 und 2000 verschiedene Personen einem
Motorrad zugeordnet hatten, welches ihnen mit Fahrer und Beifahrer
am Grenzkontrollpunkt Drewitz aufgefallen war. Die Polizei war davon
ausgegangen, dass es sich dabei um das Motorrad gehandelt hatte,
das am 30.8.1987 beim Anschlag auf Günter Korbmacher verwendet worden
war.
Die Hauptverhandlung wird am 6.6.03 um 9.15 Uhr fortgesetzt. Zur
Abwechselung ist das Verhandlungsprogramm bekannt: die Richter des
2. Strafsenats des Kammergerichts sollen zu den Aussagen von Tarek
Mousli, in der gegen ihn geführten Gerichtsverhandlung im Dezember
2000, vernommen werden.
Ein ausführlicherer Bericht entfällt heute, mangels Masse.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
128. Prozesstag: 23.05.2003
Doppelkopf - keine Relevanz
Diese Inhaltszusammenfassung eines Telefonats durch einen BKA-Beamten,
der die Telefonüberwachung des Kronzeugen Tarek Mousli auswerten
und protokollieren musste, trifft in ihrer Bewertung auch auf den
heutigen Verhandlungstag zu: "keine Relevanz".
Zum wiederholten Male fand die Hauptverhandlung statt, ohne dass
den Prozessbeteiligten im Vorfeld ein Programm mitgeteilt worden
war. Das hatte einen einfachen Grund: Eigentlich gab es nichts zu
verhandeln. Das Kammergericht hat erneut bewiesen, dass es eine
zügige Prozessführung nicht gewährleisten kann. Die nächsten ZeugInnen-Vernehmungen
sind erst für den 6. Juni geplant. Da das Verfahren aber nicht länger
als zehn Tage unterbrochen werden darf, war das Kammergericht gezwungen,
sich irgendetwas einfallen zu lassen, um den Schein zu wahren.
Verlesen wurden also drei Datenerfassungen von TÜ-Maßnahmen, denen
man neben dem Gesprächsinhalt und wer mit wem, wann telefoniert
hat auch interne Erfassungskriterien des BKA entnehmen konnte. Diese
Leseübung an sich machte so keinen Sinn. Sie geht jedoch auf einen
Antrag der Verteidigung von Harald G. zurück, die anhand von identischen
bzw. nicht-chronologisch vergebenen ID-Nummern auf die Lückenhaftigkeit
der übersandten TÜ-Protokolle geschlossen hat.
Mit der mittlerweile standardmäßigen Begründung, die Sachaufklärungspflicht
des Gerichts würde es nicht gebieten, wurde ein Antrag der Verteidigung
von Matthias B. auf Ladung eines Systemadministrators des BKA und
eines BKA-Programmierers abgelehnt. Beide sollten Auskunft darüber
geben, wie es sein kann, dass bei der ersten Eingabe einer Sprengstoffsofortmeldung
nach dem Fund von Sprengstoff der Marke "Gelamon 40" bei dem Berliner
Kleinkriminellen Daniel S. 1995 in die BKA-Datenbank kein Verweis
auf die RZ angezeigt wurde. Laut offizieller Version will das BKA
erst 1997 darauf gestoßen sein, dass in Berlin Sprengstoff aufgetaucht
sei, der üblicher Weise von den RZ benutzt wurde.
Eine Aufklärung dieses Sachverhalts ist für das Gericht "ohne Bedeutung"
und trägt "nichts zur Straf- und Schuldfrage" bei. Es seien keine
"nachvollziehbaren Motive erkennbar", warum die Ermittlungsbehörden
zweieinhalb Jahre keine Ermittlungen angestellt hätten, so das Gericht.
Und selbst wenn bestätigt würde, dass es eigentlich unmöglich ist,
dass damals bei der ersten Eingabe 1995 kein RZ-Bezug hergestellt
wurde, sei - so der Senat – "nicht ersichtlich, welche Relevanz
das für den Tatvorwurf hat."
Der Prozess wird am 2. Juni um 14 Uhr fortgesetzt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
127. Prozesstag: 16.05.2003
Schiffeversenken im Saal 500/Kein Hohlraum im Aufzugsschacht
Einziges Thema der heutigen Hauptverhandlung waren die Bohrungen
und Radaruntersuchungen in einem Mehringhof-Aufzugsschacht, in dem
sich laut Kronzeugen Tarek Mousli in der zweiten Hälfte der 80er
Jahre ein Sprengstoff- und Waffendepot der Revolutionären Zellen
(RZ) befunden haben soll. Gehört wurde dazu ein wissenschaftlicher
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), Ernst N..
Vom Gericht beauftragt, waren in Anwesenheit des Geophysikers am
6. März 2003 Radarmessungen in diesem Aufzugsschacht vorgenommen
worden. Am 29. April 2003 sollten zusätzliche Probebohrungen durchgeführt
werden. Allerdings musste man während der zweiten Bohrung bereits
die Arbeiten beenden, da aus dem ersten Bohrloch mit einer Stärke
von 1l/s Grundwasser in den Schacht schoss. Ziel der ganzen Aktion
war herauszufinden, ob sich ein Hohlraum unterhalb der Schachtsohle
befindet, wie es der Kronzeugen behauptet.
Die Radarmessungen am 6. März ergaben, dass sich unterhalb einer
Grenzschicht von zehn Zentimeter Tiefe keine "Abnormalitäten" feststellen
lassen, wie es der 39-jährige Gutachter ausdrückte. Ein schwaches
Echo in einer Tiefe von fünf Zentimeter unterhalb dieser Grenzschicht
zeigte eine homogene Masse auf der ganzen Fläche der Schachtsohle
an.
Die eine geglückte Probebohrung ergab dann, dass die Sohle aus
einer zehn Zentimeter tiefen Estrichbetonschicht besteht, die von
einem Schweißband abgeschlossen wird, das das Eindringen von Grundwasser
verhindern soll. Dieses Schweißband war in der Radaruntersuchung
als "Grenzschicht" erschienen. Nach diesem Band folgte eine Schicht
von Stampfbeton bis in eine Tiefe von 20 cm. Diese Schicht dürfte
aus der Bauphase des Mehringhofs stammen, handelt es sich doch um
einen sehr grobkörnigen Beton, der heutzutage in einer solchen Bausituation
nicht mehr eingesetzt wird.
Weder die Stampfbetonschicht, noch das Schweißband wiesen bei der
Radaruntersuchung irgendeine "Abnormalität" auf. Beide waren durchgängig
vorhanden. Auf Nachfrage stellte der Geophysiker dezidiert fest,
dass das Schweißband keine Schad- oder Bruchstellen gezeigt habe.
Zum Grundwassersituation in diesem Gebiet führte der BAM-Mitarbeiter
aus, dass er aus Unterlagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
wisse, dass das Grundwasser in den 80er Jahren etwa 40-60 cm über
der Sohle des Schachtes stand, beim Bau des Mehringhofs lag der
Grundwasserstand sogar einen Meter über diesem Punkt.
Die Ergebnisse der Radarmessung und der Probebohrung sowie auf
Grund seiner allgemeinen bautechnischen Kenntnisse und der Kenntnisse
über die Grundwasserstände in diesem Gebiet schloss Ernst N. aus,
dass sich unterhalb der Sohle ein Hohlraum befindet bzw. befunden
habe. Auf Nachfrage stellte er zudem fest, dies gelte auch für einen
nachträglich aufgefüllten Hohlraum, da dies bei der Radarmessung
aufgefallen wäre.
Auch machte er klar, dass ein nachträgliches Ausheben bzw. Auffüllen
einer Grube nach Abschluss der Bauphase auf Grund der Grundwassersituation
nur mit enormen technischen Aufwand möglich gewesen wäre - nämlich
durch eine entsprechende Absenkung des Grundwasserspiegels. Wie
in der laufenden Hauptverhandlung an anderer Stelle bereits eingeführt,
hat es entsprechende Baumaßnahmen oder Veränderungen am Aufzugsschacht
nicht gegeben.
Seine einschränkenden Bemerkungen, dass der normale Wirkungsgrad
der Radargeräte durch die enorme Feuchtigkeit des Untersuchungsgegenstandes
um ca. 20 Prozent reduziert gewesen sei und eine Probebohrung für
die gesamte Schachtsohle eine 100- prozentige Aussage unmöglich
mache, bot dann für Richter Alban die Gelegenheit, die Ergebnisse
dieses Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Allerdings blieb der Gutachter
bei seiner Aussage, dass es keine Hinweise auf einen Hohlraum gebe.
Unvereidigt durfte Ernst N. nach den üblichen Geplänkeln - vor allem
zwischen Rechtsanwalt Johnny Eisenberg ("Bei ihnen muss man sehr
direkt sein, sonst hat man keine Chance.") und Richter Alban - den
Sitzungssaal verlassen.
Der Prozess wird am Freitag, 23. Mai fortgesetzt. Die Termine am
22. Mai und 5. Juni wurden aufgehoben.
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
08.05.2003: 126. Prozesstag
Datensalat und Überbelegung in der Oranienstraße
Ein Programmierer stellt viele Ungereimtheiten in den Datenbanken
des Bundeskriminalamtes (BKA) fest. Ein Ermittler findet keine schlüssigen
Beweise für angeblich konspirative Wohnungen der RZ in Berlin-Kreuzberg.
Im Zusammenhang mit Telefonüberwachungen im Vorfeld dieses Prozesses
sagte ein EDV-Experte über Datenaufzeichnungen beim BKA aus. Nach
seinem gut vorbereiteten und medial gestützten Vortrag musste er
einräumen, dass die von ihm dargestellte Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit
der erfassten Datensätze der Telefonüberwachung "...ziemlich unlogisch
sind." Warum sich die ermittelnden Beamten offenbar nicht an die
vereinbarte Eingabesystematik hielten, konnte er sich nicht erklären.
Eine lückenlose Nachprüfbarkeit aller Telefonmitschnitte sei so
jedenfalls nicht gegeben.
Ein anderer Beamter hatte die Spuren von drei angeblich konspirativen
Wohnungen Anfang 2001 verfolgt. Der Kronzeuge hatte drei Orte benannt
und eine Person beschuldigt, einen davon zwischen 1985 und 1990
der RZ als Sprengstofflabor, Treffpunkt und Unterschlupf zur Verfügung
gestellt zu haben. Allein die kurzzeitige Meldeanschrift des Beschuldigten
in einem der angeblich möglichen Mietshäuser der Oranienstraße reichte
der Bundesanwaltschaft (BAW) als Beweis aus. Leider stellte der
Polizist nämlich u.a. auch fest, dass die Wohnung in dieser Zeit
wg. Sanierungsarbeiten höchstwahrscheinlich teilweise nicht benutzbar
war und zusätzlich einer Familie zeitweise als Ausweichquartier
gedient haben soll. Außerdem erkannte niemand der MieterInnen die
dort angeblich wohnenden RZ-Mitglieder auf Fotos wieder und der
beschuldigte 'Wohnungsgeber' selber sei erst ab November 1989 dort
gemeldet gewesen. Weder Bundesanwalt Griesbaum noch das BKA seien
diesen deutlichen Widersprüchen nachgegangen....weil nur sein kann,
was auch sein darf? Kein Wunder mehr war für das geneigte Publikum,
warum diese Ermittlungsakte erst vor zwei Monaten im Verfahren auftauchte!
Nächster Prozesstermin: Fr., den 16.05., 9:15 Uhr
ausführlicher
Bericht
28.04.2003: 125. Prozesstag
Insider- Wissen aus der Tageszeitung
Um 14.03 Uhr begann die heutige Hauptverhandlung, von der von vorneherein
feststand, dass sie eine kurze Sache werden würde. Nach 17 Minuten
war dann auch für heute Schluss und dieser "Zwischentermin" vorbei,
durch den die Verfahrensbeteiligten – trotz Zehn- Tages- Frist,
die ein Strafverfahren in der Regel maximal unterbrochen werden
darf – ihre Osterferien ein wenig ausweiten konnten. Was – nur am
Rande - exzessiv von den Sitzungsvertretern des Generalbundesanwalt
genutzt wurde, die heute ein neues Gesicht aufboten, das allerdings
namenlos blieb.
Bestritten wurde der Verhandlungstag mit der Verlesung von sieben
Zeitungsartikeln über den Sprengstoffanschlag am 16.01.1991 auf
die Victoria-Figur auf der Berliner Siegessäule, die im Volksmund
auch Goldelse genannt wird. Bereits einmal wurde in der Hauptverhandlung
hierzu ein Artikel aus dem Berliner Boulevardblatt "B.Z." verlesen.
Heute wurde auf Antrag der Verteidigung von Matthias B. nachgelegt,
um erneut zu beweisen, dass das angebliche Insider- Wissen des Kronzeugen
Tarek Mousli nicht über die Darstellungen und Detailtreue dieser
Presseberichte hinausgeht, sondern vielmehr deckungsgleich mit ihnen
ist.
Der Anschlag der "Revolutionären Zellen" auf die Siegessäule, bei
dem lediglich geringer Sachschaden entstand, war am 17.01.1991 allen
Hauptstadt- Zeitungen eine Meldung wert: "Sprengstoffanschlag auf
Goldelse" war eine entsprechende Kurzmeldung in der "Berliner
Morgenpost" überschrieben, ein längerer Artikel in der gleichen
Ausgabe erschien mit der Überschrift "Goldelse: Bombe unterm Rock,
aber sie blieb standhaft" (im Text u.a.: gefunden wurden "elektrische
Sprengkapseln, Batterien und Weckerteile"). Die "Bild"
schlagzeilte: "Ohrenbetäubender Knall. Bombe auf 'Goldelse' explodierte
40 Minuten zu früh" (im Text u.a.: "Sicher ist nur: sie (die RZ)
müssen im Besitz eines Nachschlüssels gewesen sein") und in der
"tageszeitung"
war zu lesen: "Anschlag auf Goldelse. Erster Anschlag im Zusammenhang
mit der Golfkrise" (im Text u.a.: "eine Stütze nur leicht beschädigt").
Die Welt
brachte die Nachricht am gleichen Tag unter der Überschrift "Terroranschlag
in Berlin".
Am 19.01.1991 legte dann die "Berliner Morgenpost" noch einmal
mit einem Artikel nach, in dem hauptsächlich auf den entstandenen
Sachschaden und die Folgen für die Standfestigkeit der Victoria
eingegangen wurde (im Text u.a. "zwei Sprengsätze von drei Kilogramm"
waren verwendet worden). Dass die Reparaturbemühungen des Bezirks
Berlin- Tiergarten womöglich mehr Schäden versucht hatten als der
Anschlag der RZ, konnte einem Artikel der "Frankfurter Rundschau"
vom 05.02.1991 entnommen werden. Unter der Überschrift "Die Affäre
um 'Goldelse' ist Berlin besonders peinlich" war zudem zu lesen,
dass nicht mehr feststellbar sei, ob der ursprüngliche Schaden durch
den Sprengstoffanschlag verursacht wurde oder die Halterung nicht
schon seit dem Krieg derart beschädigt sei.
Der Prozess wird am 8. Mai, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Der Verhandlungstag
am 9. Mai wurde aufgehoben.
der ausführliche Bericht entfällt
124. Prozesstag: 17. April 2003
Gericht lobt sich selbst
Ganze zwölf Minuten dauerte heute die Hauptverhandlung in Sachen
Berliner "Revolutionäre Zellen" (RZ). Der frühlingshafte Tag und
die anstehenden Feiertage fordern eben ihren Tribut.
Das Programm dieses Kurztermins wurde mit der Verkündung von zwei
Beschlüssen des Senats bestritten. Die Bundesanwaltschaft (BAW)
steuerte zudem eine Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung der
Verteidigung von Harald G. vom 28.3.2003 bei. Das wars.
Die Beiziehung von Akten zu Daniel S. ist nach Auffassung des Gerichts
nicht notwendig, ebenso wenig wie die Beiziehung der Ermittlungsakten
im Fall Kawaters, des RZ-Anschlags auf die Staatskanzlei Düsseldorf
und eines angeblichen RZ-Sprengstoffdepots in Essen.
Anlass für diesen Antrag der Verteidigung von Harald G. war der
Fund eines so genannten Sprechzettel der BKA-Beamten Schulzke und
Trede in übersandten Unterlagen des Verfassungsschutzes (VS). Darin
ist die Rede von "umfangreichen Ermittlungen gegen die Person, bei
der Sprengstoff beschlagnahmt worden war". Allerdings sind diese
"umfangreichen Ermittlungen" nicht Gegenstand der vorliegenden Ermittlungsakten,
die den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht wurden. (vgl. 120.
Prozesstag)
Diesem Antrag statt zu geben, lobte sich der Senat selbst, gebiete
die "Sachaufklärungspflicht" jedoch nicht. Habe man doch in zahlreichen
Vernehmungen von BKA-Beamten keine Hinweise auf "umfangreiche Ermittlungen",
zumal vor 1997, erhalten. Nach offizieller Version hat das Bundeskriminalamt
(BKA) erst Ende 1997 im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Prozess
gegen Corinna Kawaters eine Verbindung zwischen dem angeblichen
Fund des Sprengstoffs der Marke Gelamon 40 bei Daniel S. 1995 in
Berlin und den RZ herstellen können, die bei Aktionen bevorzugt
Sprengstoff dieser Marke eingesetzt hat.
Welche Relevanz eine Aufklärung dieses Sachverhalts für die Schuld-
und Straffrage in diesem Verfahren habe, konnte das Gericht außerdem
nicht erkennen. Gleiches gelte für die Meldeverhältnisse des Kronzeugen
Tarek Mousli, womit ein weiterer Beweisantrag der Verteidigung von
Harald G. abgelehnt wurde.
Ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die diversen Festnetz- und
Mobiltelefonanschlüsse des Kronzeugen abgehört habe, hat für Bundesanwalt
Bruns keine "Entscheidungsrelevanz" und keinen "Beweiswert". So
jedenfalls der Tenor seiner Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung
der Verteidigung von Harald G.. Darin hatte die Verteidigung gegen
den Beschluss des Gerichts vom 14.3.2003 argumentiert, mit dem die
Ladung mehrere Zeugen in diesem Zusammenhang abgelehnt wurde.
Das Kammergericht habe bereits deutlich gemacht, dass eine Aufklärung
dieser Frage für das Verfahren keine Bedeutung habe, so der Sitzungsvertreter
des Generalbundesanwalts. Auch Bruns bemühte die Schuld- und Straffrage
und warf in diesem Zusammenhang der Verteidigung vor, sie habe sich
dazu nicht geäußert. Zudem sei das Gericht nicht angehalten dem
Interesse der Verteidigung nachzugeben, soweit wie möglich "die
allgemeinen Lebensumstände eines Belastungszeugen" in der Hoffnung
erhellen zu wollen, auf "Zufallsfunde" zu stoßen. Womit einmal mehr
von Bruns das eigene Verhalten, wichtige Ermittlungsergebnisse der
Verteidigung vorzuenthalten, den AnwältInnen angelastet und als
unbilliges Vorgehen denunziert wurde, das auf die Integrität des
Kronzeugen und nicht etwa auf die Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit
ziele.
der ausführliche Bericht entfällt
123. Prozesstag: 10. April 2003
Nö, ich mache einfach weiter!
Gegen den wiederholt vorgetragenen Einspruch der Verteidigung vernahm
heute das Kammergericht erneut den Kronzeugen Mousli. Weder ein
anfänglich eingereichter Widerspruch, noch der zwischenzeitliche
Antrag auf Unterbrechung der Vernehmung konnten die RichterInnen
dabei aufhalten. Selbst ein abschließend von fast allen VerteidigerInnen
getragene Ablehnungsantrag gegen das gesamte Gericht konnte sie
von ihrem Vorhaben abbringen: eine Zeugenbefragung bevor alle Ermittlungsergebnisse
zu dem genannten Beweisthema gerichtsbekannt sind. Die noch ausstehenden
Beschlüsse zur beantragten Aussetzung des gesamten Verfahrens blieben
heute sogar völlig unerwähnt.
Mousli wurde zu einer angeblich konspirativ genutzten Wohnung in
der Oranienstr. im Ortsteil Berlin - Kreuzberg befragt. Diese sei
der RZ-Gruppe von Wolfgang B. wiederholt zur Verfügung gestellt
worden. Obwohl er selbst nur einige Häuser weiter gewohnt habe,
will er sich aber an das Haus, die Hausnummer, das Stockwerk oder
andere Auffälligkeiten des Gebäudes bzw. der Wohnung nicht mehr
erinnern können. Während einer Vernehmung vorgelegte Fotos und Skizzen
hätten nahegelegt, dass es sich wohl um die Nr. 7/9 handeln könnte.
Besonders diese letzte Aussage belegte heute eindrucksvoll und postwendend
die Richtigkeit der Einspruchsgründe der Verteidigung. Denn nirgends
ist die vom Zeugen behauptete Vorlage von Lichtbildern oder Skizzen
zu diesem Thema bisher protokolliert gefunden worden.
Nach zahlreichen Unterbrechungen wurde der Kronzeuge zu einer Person
mit dem Spitznamen 'Drogentod' befragt. Dieser soll angeblich der
Gruppe Blankoausweisepapiere besorgt haben. Verteidiger Kaleck fasste
die Qualität der folgenden Befragung durch die Vorsitzende Richterin
Hennig in einer Bitte zusammen: ...sie möge bitte wenigstens die
Antworten des Zeugen abwarten..., bevor sie ihm ohnehin seine Aussagen
aus den Akten vorhält. So solle doch zumindest den Anschein einer
tatsächlichen Zeugenbefragung gewahrt bleiben. Zu spät.....
ausführlicher
Bericht
122. Prozesstag: 3. April 2004
Die Entdeckung der Geschwindigkeit
An das Beschleunigungsgebot bei Strafverfahren erinnerte sich heute
die Bundesanwaltschaft (BAW) nach fast zwei Jahren Hauptverhandlung.
Gerade rechtzeitig, um damit ihre Ablehnung des Antrages auf Prozessaussetzung
zu begründen.
Die Verteidigung der Angeklagten Harald G. und Matthias B. hatte
das zuvor verlangt, nachdem ein Verwaltungsgericht (VG) die Herausgabe
von ungeschwärzten Verfassungsschutzakten als beweiserheblich beurteilt
hatte (s. letzte Prozesstage). Die Sachaufklärung gebiete nicht
die Übergabe der Protokolle in Reinschrift von Gesprächen zwischen
dem Kronzeugen Mousli und dem Verfassungsschutz (VS) abzuwarten.
Sie würden ohnehin nur einen kleinen Teil der Befragungen durch
den VS wiedergeben.
Ein inkompetentes VG hätte ein fehlerhaftes Urteil gefällt, so
BAW Bruns fast wörtlich, der ziemlich tonlos seine Argumente vortrug.
Die Beweisbedeutung der VS-Unterlagen wäre völlig falsch gewürdigt
worden, das Urteil sei sachlich nicht ausreichend gerechtfertigt,
eine Bestätigung dieses Urteils in der Hauptsache wäre höchst unwahrscheinlich
und die Gefahr, dass die gesamte bisherige Hauptverhandlung wertlos
würde, zu groß.
Bitteres Gelächter erntete sein tatsächlich ernsthaft vorgetragener
Eingangsargument: eine Aussetzung des Verfahrens verböte sich alleine
schon durch das Gebot zur Beschleunigung des Verfahrens.... Außerdem
könne ein abschließendes VG-Urteil (in ca. 2 Jahren) in Ruhe abgewartet
werden, solange die Beweisaufnahme in diesem Verfahren nicht abgeschlossen
sei! Bleibt die BAW weiterhin der 'Chef im Ring'? Bleibt das Kammergericht
beharrlich im Windschatten?
der ausführliche Bericht entfällt
121. Prozesstag : 28. März 2003
Senat und BAW werden schon wieder angezählt
Welche Auswirkung die angekündigte positive Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Berlin zur Frage der Beiziehung ungeschwärzter
Verfassungsschutz-Protokolle auf das RZ-Verfahren haben wird oder
haben könnte, war heute Gegenstand lebendiger und mit Verve geführter
rechtskundiger Erörterungen. Zwei Aussetzungsanträge von der Verteidigung
Glöde und der Verteidigung Borgmann vervollständigten den Sieg auch
in dieser Runde für die Angeklagten im RZ-Prozess.
Der Schlagabtausch zwischen der Bundesanwaltschaft, vertreten vom
schnaubenden Libero Bruns, und einem unverhofft dribblingstarken Johnny
Eisenberg verlief eindeutig zu Ungunsten des ermittelnden Oberstaatsanwalts.
Eisenberg meinte, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Feststellung
einer Erfolgsaussicht für den Antragsteller Glöde keine Anordnung an
das Kammergericht ausgesprochen, die ungeschwärzten Vernehmungsprotokolle
des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gegen den Willen des zuständigen
BMI zum Schutze der Rechte des Angeklagten Glöde beizuziehen. Vielmehr
habe es, das VG, dem Kammergericht eine Handreichung zur Wieder- oder
erstmaligen Herstellung eines Verfahrens nach rechtsstaatlichen Prinzipien
gegeben, welche das Kammergericht nun selber umsetzen müsse, um eben
rechtsstaatlichen Kriterien zu genügen, so Eisenberg eloquent und mit
Blick darauf, dass das Gericht bisher „noch nicht als sehr rechtskundig
aufgefallen“ sei. Bruns gab sich „begeistert“
von den „zutreffenden“ Erörterungen des „Kollegen“
Eisenberg, vermutet hinter dem nach seiner Einschätzung „fehlerhaften“
Beschluss des VG jedoch geradezu eine gegen ihn und den Staat, den er vertritt,
gerichtete Verschwörung: dass das VG mit dem Beschluss gleich an die Öffentlichkeit
gegangen sei, beweise „wo’s hier lang gehen soll“.
Nach weiteren Stellungnahmen und Gegenvorstellungen der Verteidigung Glöde sah
der Senat insgesamt recht grau und alt aus und beendete den Verhandlungstag.
Der Termin am Freitag, 4. April 2003 ist aufgehoben. Weiter verhandelt wird
am Donnerstag, 3. April 2003 um 9.15 Uhr
ausführlicher Bericht
120. Prozesstag: 20. März 2003
Schmuddelkinder in roten Roben und
gemeine Kollegen
Da muss der Vorsitzenden Richterin eine dicke Laus über die Leber
gelaufen sein. Wie sonst ist ihr Ausfall zu Beginn der heutigen
Hauptverhandlung zu erklären, als sie eine Verteidigerin anfuhr,
sie habe mit ihrem letzten Beweisantrag den "falschen Eindruck erweckt",
dass ihr Akten vorenthalten würden, obwohl sie diese Akten seit
einem Jahr in ihrem Büro liegen habe. Dass dort lediglich unvollständige
Ermittlungsakten liegen, der Antrag aber die auf die Übermittlung
der vollständigen Akte abziele, insofern der Vorwurf direkt auf
den Senat selbst zurückfalle, konterte die so Gescholtene gelassen.
Der falsche Vorwurf, der allemal einen Befangenheitsantrag wert
gewesen wäre, wurde also gelassen zurückgewiesen. Damit war das
Thema aber nicht von Tisch. In weiteren Beweisanträgen, aber auch
in einer Stellungnahme der Schmuddelkinder in roter Robe ging es
immer wieder um die Zurückhaltung von Aktenbestandteilen und Ermittlungsergebnissen.
Fündig wird die Verteidigung dabei immer wieder in den unlängst
übersandten geschwärzten VS-Akten, die zahlreiche Hinweise auf Ermittlungen
beinhalten, die dem Senat und der Verteidigung bislang vorenthalten
wurden.
Diese VS-Akten dürften auch der Anlass gewesen sein, warum die
Vorsitzende Richterin so ungehalten war. Hatten doch deren Kollegen
vom Verwaltungsgericht Berlin mit einem Beschluss, der am Mittwoch
bekannt geworden war, den Senat gehörig in Bredouille gebracht.
Harald G. hatte vor dem Verwaltungsgericht auf die ungeschwärzter
Herausgabe dieser VS-Akten geklagt. In ihrem Beschluss stellen die
Verwaltungsrichter nun fest, dass diese Klage Aussicht auf Erfolg
habe. Das Verwaltungsgericht lehnte es zwar ab, im Eilverfahren
das Innenministerium zur Herausgabe der ungeschwärzten Vernehmungsprotokolle
zu verpflichten. Vielmehr sei für eine Entscheidung in der Sache
das Hauptsacheverfahren abzuwarten, so die Richter. Dabei habe Harald
G. jedoch "Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung vor dem
Strafgericht". Nun dauert so ein Verwaltungsgerichtsverfahren Jahre,
das Strafverfahren kann aber längstens für 30 Tage unterbrochen
werden. Wird das Verfahren ausgesetzt, ist der Prozess also geplatzt.
Was tun? Rechtsanwältin Studzinsky forderte jedenfalls das Kammergericht
auf, von sich aus das Verfahren auszusetzen. Und kündigte vorsorglich
bereits jetzt an, am nächsten Verhandlungstag entsprechende Aussetzungsanträge
zu stellen, falls der Senat bis dahin nicht gehandelt habe.
Wie sich der Senat entscheidet, kann frühestens am nächsten Freitag,
28.3., erfahren werden. Der Verhandlungstag am 27.3. wurde nämlich
schon wieder aufgehoben.
ausführlicher
Bericht
119. Prozesstag: 14. März 2003
Zeuge bezeichnet Behauptung von
Mousli zu konspirativer Wohnung in Kreuzberg als unwahr
Vor gut gefüllten Zuschauerrängen wurde am heutigen
Verhandlungstag der Bäcker und Taxifahrer Wolfgang B. (50) in den
Zeugenstand gerufen. Der Kronzeuge hatte bekundet, dass Wolfgang B.
in den Jahren 1986 bis 1988 in der Oranienstrasse in
Berlin-Kreuzberg der Mieter einer von der RZ genutzten konspirativen
Wohnung gewesen sein soll. Als "unwahr" bezeichnete B. in seiner
kurzen Aussage diese Behauptungen des Kronzeugen. Weitere Aussagen
verweigerte er, was das Gericht dem Zeugen aufgrund des
Zeugnisverweigerungsrechts zugestand.
Zuvor hatte die Verteidigung von Harald G. in einem Beweisantrag
gefordert, dass sämtliche Ermittlungsakten, die im Zusammenhang mit
der von Mousli behaupteten konspirativen Wohnung geführt worden
sind, endlich offen zu legen.
Abschluss des Tages bildete die Ablehnung des Antrages der
Verteidigung von Harald G. vom 20.02.03. Darin war u.a. gefordert
worden Mitschriften und Bänder von Abhörmaßnahmen, die durch den
Bundesverfassungsschutz gegen Tarek Mousli durchgeführt worden
waren, bereitzustellen. Dies sei - so die Verteidigung - deshalb von
Interesse, weil seitens des BKA die Abhörmaßnahmen gegen Mousli
ausgerechnet mit seiner Haftentlassung am 7.7.1999 ausgesetzt worden
waren. Der Senat erwarte sich von den eingeforderten Unterlagen
"keine weitere Aufklärung", so die Richterin in ihrer ablehnenden
Begründung.
Die Verhandlung wird am 20.3.03. fortgesetzt. Voraussichtlicher
Zeuge des Tages: Tarek Mousli.
ausführlicher
Bericht
118. Prozesstag: 07. März 2003
Eigentümliche Eigentümervorstellung
Nach 33 Minuten war der heutige Verhandlungstag bereits beendet.
Verlesen wurde ein Kündigungsschreiben der Mehringhof GmbH an die
AL Kreuzberg. Daneben wurden Abrechnungsunterlagen aus diesem Mietverhältnis
in Augenschein genommen. Das angebliche Mietverhältnis von Wolfgang
B. in der Oranienstraße 7 oder 9 - ihm von Tarek Mousli nach Recherchen
der Verteidigung angedichtet - war Thema der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft
zu dem erweiterten Beweisantrag der Verteidigung vom letzten Verhandlungstag,
der natürlich abgelehnt werden soll. So skurril ihre Argumentation
("Vermieter und Verwalter können keine Angaben über eine zeitweise
Überlassung machen"), so skurril auch das Gebaren des Bundesamtes
für Verfassungsschutz bei der Übersendung von Aktenmaterial an die
Prozessbeteiligten. "Absolut lächerlich" sei das Material, so Rechtsanwalt
Kaleck, zudem im wesentlichen bereits bekannt.
Weiter geht es in den Kammerspielen am Freitag, den 14. März, um
9.15 Uhr mit der Zeugenbefragung von Wolfgang B.. Der Termin am
13. März wurde aufgehoben.
ausführlicher
Bericht
117. Prozesstag: 27. Februar 2003
Der Tag der sicheren Lebenserfahrung
Ein Zeuge und ein ganzer Rattenschwanz von Antragsablehnungen seitens
der Bundesanwaltschaft füllten die Stunde Verhandlung, die heute
in den Kammerspielen gegeben wurde.
Der Zeuge, ein 66-jähriger Bauingenieur, war Anfang der 90-er Jahre
'zuständiger Gruppenleiter für den Hochbaubereich' beim Bezirksamt
Mitte. Er zog einen endgültigen Schlussstrich unter die Mousli-Mär,
es gebe einen unterirdischen Zugang zur Verkehrsinsel am großen
Stern, auf welcher die Siegessäule prangt. Sehr wohl gebe es - und
zwar, wie Richterin Hennig unterstrich, durchaus unterirdisch -
die bekannten, 'Tonnen' genannten Fußgänger-Unterführungen zur Insel,
die jedoch nachts an beiden Enden versperrt würden. Unausgesprochen
stand die Erkenntnis aus 'sicherer Lebenserfahrung' im Raum, dass
ein ziemlicher Depp sein muss, wer sich Nachschlüssel für die beiden
Scherengitter besorgt, um nachts unbemerkt an die Siegessäule heran
zu kommen.
Anschließend verwarf die Bundesanwaltschaft bis auf einen - der
wohl noch nicht durch die BAW-Mühle durch ist - alle Anträge der
Verteidigung Glöde vom 20. Februar 2003 sowie einen der Verteidigung
Haug. Als Begründung musste auffällig oft das Textmodul mit der
Phrase 'sichere Lebenserfahrung' herhalten.
Weiter geht es am Freitag, 7. März, um 9.15 Uhr. Der Termin am
Donnerstag, 6. März, wurde aufgehoben.
ausführlicher
Bericht
116. Prozesstag: 20. Februar 2003
Wieder Mal beim Lügen ertappt
Nach der den Winterferien geschuldeten Prozesspause ging es heute
in gewohnter Manier in der Hauptverhandlung weiter. Ganze zwei Stunden
dauerte der Prozesstag. Bestritten wurde er zum größten Teil durch
die Verteidigung.
In zahlreichen Beweisanträgen ging sie erneut der Frage nach, inwieweit
der Verfassungsschutz bei der Kronzeugenwerdung von Tarek Mousli
eine Rolle spielte. Daneben ging es zum wiederholten Male um die
Manipulation von überlassenen Akten und die Frage, wie lang das
Sprengstoffpaket, das angeblich von Mousli 1995 in einem Seegraben
versenkt worden sein soll, im Wasser gelegen haben kann.
Mit einem umfangreichen Beweisantrag brachte die Verteidigung von
Harald G. zudem eine weitere Lüge des Kronzeugen zu Tage. Dieses
Mal ging es um seine Behauptung, es habe in Berlin-Kreuzberg eine
konspirative Wohnung der RZ gegeben. Wie die Verteidigung durch
die Ladung zahlreicher ZeugInnen beweisen will, hat es zu dem damaligen
Zeitpunkt allerdings kein Mietverhältnis zu der von Mousli der Anmietung
dieser Wohnung beschuldigten Person in einem der fraglichen Objekte
gegeben.
Der morgiges Verhandlungstag wurde aufgehoben. Ausfallen wird auch
der Verhandlungstag am 28. Februar. Der Prozess wird kommenden Donnerstag,
den 27. Februar, um 9.15 Uhr fortgesetzt.
ausführlicher
Bericht
115. Prozesstag: 10. Februar 2003
Abspecken
Zu den herausragenden Ereignissen des 115. Verhandlungstages am
10.2.03, der immerhin 17 (in Worten siebzehn) Minuten währte,
gehörte die Mitteilung der Vorsitzenden, das eine Ergänzungsrichterin
abberufen worden sei. Auf die Frage nach dem Grund, kam nur die
Kurzbemerkung "abspecken".
Ansonsten wurden ein Bild des Sprengstoffpaketes sowie ein Ausschnitt
aus dem Berliner Stadtplan in Augenschein genommen und vom Gericht
die Ablehnung zweier Anträge der Verteidigung B. bzw. H. bekannt
gegeben.
Die Fortsetzung der Verhandlung wurde auf den 20.2.03 festgelegt,
d.h. die nächsten beiden Verhandlungstage am 13. und 14.2.03
werden mal wieder abgesagt.
der ausführliche Bericht entfällt
31.01.2003: 114. Prozesstag
Ein Verteidiger im Zeugenstand (114. Prozesstag)
Rechtsanwalt Euler (Verteidiger des Angeklagten Rudolf S.) bezeugte
heute das unbeeinflusste Zustandekommen der früheren Zeugenaussage
von Barbara v.W. vor diesem Kammergericht. Dabei gab er freimütig
tiefe Einblicke in die Vorbereitung der Verteidigung auf diesen
Prozess. Unter anderem attestierte er Bundesanwalt Griesbaum den
Willen zu einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit und berichtete
anschließend über abweichende Positionen zwischen beteiligten AnwältInnen
vor und während des Verfahrens. Seine getroffene Vereinbarung -
im Gegenzug zur umfangreichen Einlassung seines Mandanten Mitte
Januar letzten Jahres - bezeichnete er als einen öffentlichen Vertrag
mit dem Kammergericht.
Ein weiterer Zeuge gab Auskunft über den beruflichen Werdeganges
des Angeklagten Matthias B. an der Technischen Universität Berlin.
Das Programm wurde abgerundet durch die Verkündung zahlreicher Ablehnungsbeschlüsse
zu Beweisanträgen der Verteidigung. Zur Auflockerung diente zwischenzeitlich
das Verlesen einige Dokumente und mit frischen Beweisanträgen durch
die AnwältInnen wurden die drei BesucherInnen nach mehr als zwei
Stunden erlöst.
Die Fortsetzung folgt am 10. Februar 2003, ausnahmsweise um 14:00
Uhr, voraussichtlich in Form eines Kurztermins zur Fristenwahrung.
ausführlicher
Bericht
23.01.2003: 123. Prozesstag
Kurz und schmerzlos
Nach nicht einmal 50 Minuten war der heutige Prozesstag schon wieder
vorbei. Befragt wurde erneut der diesmal mit leicht aufgedunsenem
Gesicht erschienene Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft (BAW),
Christian Monka.
Monka, der zunächst Mühe hatte, sein Lebensalter zu memorieren,
aber immerhin sein Geburtsjahr wusste (er ist 38), wurde zu dem
Brief "Lieber Luka", der 1999 in der Wohnung von Tarek Mousli gefunden
wurde, befragt. Mousli habe damals angegeben dieser Brief gehöre
nicht ihm, sondern seinem damals schon verstorbenem Bekannten Roger
W. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass das Papier den
Behörden damals schon als "höchst intern" bekannt und auch zeitlich
einzuordnen gewesen sei.
Dass Mousli mit seiner Behauptung nicht die Wahrheit sage, sei
ihm "aus dem Bauch heraus schon damals klar" gewesen, das sei "eben
kriminalistisches Gespür, das einen befällt"; Mousli habe, sprachlich
gewandt und unauffällig, eine "Mauertaktik" angewandt.
Auf die Fragen der Verteidigung, warum Mousli nie auf seine Lügen
und die Beschuldigung des damals schon verstorbenen Roger W. angesprochen
wurde, machte Monka die damals noch unzureichende Beweissituation
geltend.
Die BAW beantragte in verschiedenen Stellungnahmen, Anträge der
Verteidigung zurückzuweisen. So auch den Antrag der RechtsanwältInnen
Kaleck und Lunnebach, die einen rechtlichen Hinweis des Gerichts
auf die konkreten Tatvorwürfe gegen ihren Mandanten verlangt hatten.
Laut Strafprozessordnung müssen Tatvorwürfe genau bestimmt sein
oder im Nachhinein vom Gericht im Rahmen eines rechtlichen Hinweises
konkretisiert werden. Bundesanwalt Michael Bruns lehnte ein solches
Ansinnen mit den Worten ab, es sei keine Variante zu den Tatbeteiligungen
des Angeklagten jenseits der Aussagen von Tarek Mousli denkbar.
Bruns war es auch, der sich in einer weiteren Stellungnahme sprachlich
an Rechtsanwalt Euler und insgesamt an der Zunft der Rechtsanwälte
verging, nachdem beantragt worden war, Rechtsanwalt Euler als Zeugen
in Hinblick auf das Beinschussattentat auf Hollenberg zu vernehmen.
Bruns vertrat die Auffassung, damit wolle der Rechtsanwalt auf mehr
Glaubwürdigkeit als in seiner schon gemachten Stellungnahme hinaus
und bringe damit die Reputation der gesamten Rechtanwälte in Verruf.
Es blieb Rechtsanwalt von Schlieffen vorbehalten, auf diesen kuriosen
Anwurf zu erwidern. Euler solle keineswegs als Leumund für seinen
Mandanten fungieren, sondern vielmehr Tatsachen bekunden, die er
im Rahmen seiner Arbeit in Erfahrung, aber noch nicht vor Gericht
zur Kenntnis gebracht habe. Neben weiteren Ungenauigkeiten sei vor
allem zu bemängeln, dass für Bruns die Erklärung Eulers bereits
als Beweisaufnahme gelten solle.
Abschließend wurden Lichtbilder des Bahngeländes in Augenschein
genommen, die beweisen, dass Mouslis Angaben zu seinem Überwachungsstandort,
dem Fluchtweg über angebliche S-Bahngleise mit Hochleitungen und
Straßenführungen, die er im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Harald
Hollenberg ausgespäht haben will, sämtlich falsch sind.
Der Prozesstermin am 30. Januar wurde aufgehoben, fortgesetzt wird
am 31. Januar 2003 um 9.15 Uhr. Es sieht, mit Blick auf ein etwaiges
Prozessende, nach Sommer aus...
der ausführliche Bericht entfällt
16.01.2003: 112. Prozesstag
Anträge, Stellungnahmen und Beschlüsse
Zwei Zeugen, Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW) zu Anträgen
der Verteidigung, weitere Anträge der Verteidigung und zahlreiche
Beschlüsse des Kammergerichts waren heute Gegenstand der Verhandlung.
Ein BKA-Beamter gab Auskunft über die Zusammenstellung zweier "Lichtbildmappen"
aus seinem Haus. Geklärt werden sollte, welche Fassung bei einer
Vernehmung 1987 benutzt worden war. Auskunft über einen anonymen
Anruf bei der Senatsverwaltung für Justiz im November 1987 über
ein angebliches Waffen- und Sprengstoffdepot im Mehringhof erteilte
im Anschluss daran ein inzwischen pensionierter Berliner Staatsschutzbeamter.
Nach seinen Aussagen hätte dieser Anruf keine "Exekutivmaßnahmen"
nach sich gezogen.
In ihrer Stellungnahme zu den Beweisanträgen der Verteidigung von
Harald G. vom 9. Januar sprach sich die BAW jeweils für deren Ablehnung
aus. Abgelehnt wurden vom Kammergericht diverse Anträge auf Inaugenscheinnahme
bzw. eine Ortsbesichtigung des Seegrabens im Norden Berlins, in
dem Tarek Mousli 1995 Sprengstoff versenkt haben will. Ebenfalls
abgelehnt wurden die Anträge auf Beschlagnahmung der Fahrtenbücher
des BKA und der Berliner Polizei sowie die Dienstreiseabrechnungen
der BKA-Beamten Schultzke, Trede und Barbian, durch die geklärt
werden sollte, wie oft sie zwischen Juni und August 1999 am Seegraben
gewesen waren. Stattgegeben wurden Anträgen der Verteidigung von
Rudolf Sch. auf Inaugenscheinnahme einer französischen Straßenkarte,
dreier Fotos einer Bunkeranlage in der Bretagne und zahlreicher
Fotos vom Seegraben.
Die Verteidigung von Axel H., wie auch die von Matthias B., forderten
das Gericht auf "tatsächliche Hinweise auf den konkreten Tatbeitrag"
ihrer Mandanten beim Anschlag auf die Berliner Siegessäule 1991
zu geben. Bislang wurde in der Anklage pauschal der Vorwurf erhoben,
beide wären an der Tatortaufklärung und -absicherung sowie beim
Ablegen des Sprengsatzes beteiligt gewesen. Rechtsanwalt von Schlieffen,
Verteidiger von Axel H., stellte zudem den Antrag, Rechtsanwalt
Euler als Zeugen zu laden. Er könne bestätigen, dass es keine Absprache
mit der Zeugin Barbara W. gegeben habe, sich als Schützin beim Anschlag
auf Harald Hollenberger zu erkennen zu geben. Mit drei weiteren
Anträgen der Verteidigung von Matthias B. ging der Prozesstag nach
knapp zwei Stunden zu Ende. So soll der Leiter des Bauamts Mitte
geladen werden, der bestätigen soll, dass es kein unterirdischer
Zugang zur Siegessäule existiert, wie es Tarek Mousli in seiner
Aussage behauptet. Zudem sollen diverse Artikel aus verschiedenen
Zeitungen verlesen werden, die kurz nach dem Anschlag auf die Siegessäule
erschienen waren. Damit soll gezeigt werden, dass das vermeintliche
Insider-Wissen des Kronzeugen nicht über die dort publizierten Details
hinausgeht. Mit der Ladung des Leiters des Referats Grundstücks-
und Gebäudebetreuung der Technischen Universität Berlin (TU) und
der Leiterin der Personalabteilung der TU will die Verteidigung
beweisen, dass Matthais B. keine Möglichkeit gehabt habe, Räume
für RZ-Treffen zu beschaffen, wie es Mousli behauptet, und darüber
hinaus deutlich machen, wie der Kronzeuge seine Aussagen immer wieder
revidiert, um Widersprüche zu kaschieren. So hat er zuerst angeben,
"Heiner" (laut Mousli Deckname von Matthias B.) habe 1986/87 "im
Ausländerbereich der TU" gearbeitet, was er nachweislich nicht getan
hat, um dann zu behaupten, diese Information habe er erst im Nachhinein
von Dritten erhalten.
Der Prozess wird am Donnerstag, den 23. Januar, fortgesetzt. Der
Termin am Freitag, den 24. Januar, wurde aufgehoben.
ausführlicher
Bericht
10.01.2003: 111. Prozesstag
Zeugenschutz ist die Gleitcreme der Kronzeugenregelung
Ein langer Vormittag, im Verlaufe dessen die inhaltliche
Leere zu atmosphärischen Entladungen führte, welche das "absurde
Theater" (Bundesanwalt Bruns) unnötig in die Länge zogen.
Die Befragung des Zeugenschützers Torsten Klein, der
den Kronzeugen während dessen U-Haft in Köln-Ossendorf betreute,
war so ergiebig wie Wind um die Ecke zu schaufeln. Die schlacksige
Erscheinung mit frischer Föhnfrisur und Hugo-Boss-Anzug war von
einer Geschmeidigkeit, wie sie der in der Überschrift beschriebenen
Funktion des Zeugenschutzes nur dienlich sein kann. Er wand sich
wie ein glitschiger Fisch aus den Befragungsversuchen und lieferte
Schablonensätze zu seiner Tätigkeit als Zeugenschützer für Tarek
Mousli und dessen Lebensgefährtin Jeanette O. (im Zeitraum zwischen
November 1999 und April 2001), die verbindlich klingen sollten,
was ihrer Dürftigkeit jedoch keinen Abbruch tat.
Er wurde gefragt, inwieweit er sich als Zeugenschützer
mit Mousli über die Zeugenvernehmungen im RZ-Verfahren und dessen
Einschätzung davon unterhalten habe. Dazu erklärte er, es sei Standard
im Zeugenschutz, die Gemütsverfassung der Zeugen abzufragen, um
gegebenenfalls psychologische Unterstützung leisten zu können. Mousli
sei aus den Verhandlungen in unterschiedlichen Gemütszuständen herausgekommen,
"mal schlechter, mal besser". Was im einzelnen insbesondere
über Mouslis jeweilige Aussagen oder Erlebnisse vor Gericht gesprochen
wurde, konnte der Befragte nicht erinnern.
Als Zeugenschützer auch Jeanette O.s habe er eine "Mixtur
aus Zeugenschutz und Gesprächsüberwachung" bei den Besuchen
Frau O.s bei Mousli zelebriert. Mit den Kollegen Ermittlern habe
er nur insoweit Austausch zum Verfahren gehabt, als dies für die
Einschätzung der Gefährdungslage seiner Zeugen relevant war: eben
Zeugenschützer durch und durch. Mit den Ermittlungen selbst habe
er nichts zu tun gehabt. Im übrigen, so stellte sich bald heraus,
hatte er mit Mousli zu Beginn des Prozesses vor dem Kammergericht
nichts mehr zu tun, konnte sich infolgedessen mit ihm auch nicht
über dessen Verfassung nach den Verhandlungstagen unterhalten. Dass
er jedoch seine Klientin Jeanette O. telefonisch Mitte Dezember
1999 davon entband, gegenüber Mouslis damaligem Anwalt Assner weiter
"lügen" (Kleins Wort) zu sollen, widerspricht dieser angeblichen
generellen Beschränkung auf den Zeugenschutz.
Es kam am Rande dieser peinvoll drögen Befragung des
aalglatten Zeugen zu verbalen Auseinandersetzungen, die zu zwei
viertelstündigen Unterbrechungen der Verhandlung führten, welche
die überforderte Vorsitzende anordnete. Bundesanwalt Bruns "störte"
(RA Eisenberg) durch häufige Genervtheitsäußerungen am Rande. Er
nannte die Vernehmung Kleins "absurdes Theater, Eisenberg konterte,
allein der Zeuge zeige "absurdes Theater.
Der Wahrheitsfindung diente all das wenig. Alle weiteren
Nachfragen stießen bei dem Zeugen auf Erinnerungslücken und Standardformulierungen
ohne Inhalt.
Am Ende wies die Bundesanwaltschaft noch die beiden
Anträge der Verteidigung vom 30.12.2002 zurück, was insoweit für
Aufregung sorgte, als Bundesanwalt Walenta behauptete, die Zeuginnen
v.W. und E. seien bei ihrer Vernehmung zur Literatur innerhalb des
"Lesezirkels" ehemaliger RZ-Mitglieder bereits befragt
worden und hätten keine Titel aufzählen können.
Hastig forderte RA Eisenberg die entsprechende Befragung
der präsenten Zeugin E. zu dieser Behauptung, die der Verteidiger
und seine Mandantin Sabine Eckle erbost zurückwiesen. Dazu kam es
nicht mehr.
der ausführliche Bericht entfällt
09. Januar 2003: 110. Prozesstag
"Vertrauen sie nicht auf mein Gedächtnis. Das ist katastrophal!"
(T.Mousli)
Ein kurzer Tag, der seine Spannung aus den Anträgen zog, die RAin
Studzinsky stellte, um – einmal mehr – die völlige und
offensichtliche Unglaubwürdigkeit des Kronzeugen Tarek Mousli zu
untermauern.
Zunächst wurde der Kriminalbeamte B. zu den Lichtbildmappen befragt,
welche dem unterdessen verstorbenen Geschädigten Harald Hollenberg
im Zusammenhang mit dem Knieschussattentat der RZ auf ihn im Oktober
1986 vorgelegt wurden. Hollenberg hatte mit seinen Aussagen über
die Schützin ein Phantombild ermöglicht und sodann in einer der
beiden Bildmappen des BKA das Bild einer Frau entdeckt (Mappe 1,
25.1), welches „nach Alter und Gesichtsform“ der Täterin
am nächsten komme, wie er zu Protokoll gab. Über das Interesse des
Gerichts an der Aufklärung der Sachfragen sagte die Tatsache viel
aus, dass erst Rechtsanwalt Euler auffiel, dass in derselben Mappe
auch ein Bild der jungen Frau Eckle enthalten war, welches dem Zeugen
mithin ebenfalls vorgelegt worden sein muss, ihm aber offenkundig
nichts sagte.
Ein rüstiger Pensionär, einst Beauftragter für Sicherheit und Katastrophenschutz
bei der Senatsverwaltung Berlin, rekonstruierte einen Anruf aus
dem Jahre 1985, der im Vorzimmer des damaligen Justizsenators mit
dem Hinweis einging, dass Sprengstoff im AL-Büro und einer Buchhandlung
im Mehringhof deponiert sei. Aus eigener Erinnerung konnte der 73-Jährige
jedoch nicht mehr dazu sagen.
Die Anträge der Verteidigerin des AG Glöde fußen auf intensiver
Sichtung der Protokolle der Vernehmungen des Kronzeugen im Laufe
der Jahre 1999 bis 2001 (Die Anträge werden in Kürze auf der Freilassungsseite
ins Netz gestellt). Der erste Antrag drehte sich wieder um Lichtbildmappen,
diesmal jene, die dem Kronzeugen vorgelegt wurden. Er erkannte darauf
einmal die Person Thomas Krams (Deckname „Malte“), die
er jedoch nur einmal in seinem Leben aus der Entfernung und sehr
kurz gesehen haben will. Gerd Albartus jedoch, den er als sehr guten
Freund bezeichnete, mit dem er schon vor seiner aktiven RZ-Zeit
intensive Gespräche auch zu strafrechtlich hoch sensiblen Themen
– wie dem Attentat auf den hessischen Innenminister Karry
- geführt haben will, erkannte er auch auf sehr eindeutigen und
deutlichen Bildern bei verschiedenen Vernehmungen nicht. Über Albartus
machte der Kronzeuge weitere belastende Aussagen, die jedoch nachweislich
unwahr sind. An den Aussagen, die Mousli im Zusammenhang mit einem
Arzt, der der linksextremen Szene Kreuzbergs jener Jahre zugerechnet
wurde, verdeutlicht Studzinsky in einem weiteren Antrag, wie Mousli,
der den Betreffenden zunächst weder kennen wollte noch auf Fotos
erkannte, Aussagen von den vernehmenden Beamten untergeschoben werden
und im Laufe der Anhörungen zu Statements aus seiner Erinnerung
werden, die Unbeteiligte zum Teil erheblich belasten. Ein weiteres
eklatentes Beispiel für diese Art von suggestiver Produktion belastenden
Gedächtnismaterials böten, so der nächste Antrag, Mouslis Aussagen
zu Herbert H., dem er die illegale Beschaffung von Blanko-Reisepässen
für die RZ aus der Bundesdruckerei anlastete. Da jedoch seit 1971
keine Blanko-Papiere mehr aus der Bundesdruckerei verschwunden sind,
wird deutlich, dass Mousli erneut aus einem Hörensagen plauderte,
das er zur Befriedigung von Aussagebedürfnissen der Verfolgungsbehörden
nach Bedarf aus seiner Fantasie angereichert habe, so Studzinsky.
Die Akten zu dem abgetrenntem Verfahren und der Aussage der Bundesdruckerei
zu verschwundenen Pässen, habe die BAW in Teilen bis heute unterschlagen,
um Senat und Verteidigung willentlich im Unklaren über diese Lüge
Mouslis zu lassen, vermutet die Anwältin. Ein weiterer Widerspruch
findet sich in Mouslis Aussagen zu seiner Kenntnisnahme des sogenannten
Luka-Briefes, zum dem er drei sich widersprechende Aussagen zu Protokoll
gegeben hat. Außerdem stellte sich RA Euler mit einer Erklärung
als Zeuge zur Verfügung über das zeitliche Zustandekommen der Aussage
Rudolf Schindlers zum Anschlag auf Hollenberg und die Tatbeteiligung
von Barbara W.
ausführlicher
Bericht
30.12.02: 109. Prozesstag
Schiebetermin vor Neujahr mit Walter Benjamin
Der heutige Kurztermin zur Überbrückung der Ferientage
wurde ausschließlich mit der Verlesung von Anträgen und
dem Verkünden von Beschlüssen bestritten. Auch die Bundesanwaltschaft
(BAW) hatte diesem Termin offensichtlich keinerlei Bedeutung beigemessen
und als einzigen Vertreter einen bislang Unbekannten ins Rennen
geschickt.
Den größten Teil des ca. einstündigen Verhandlungstages
benötigte Rechtsanwalt König mit dem Verlesen eines 30-minütigen
Antrages, der sich v.a. mit Texten beschäftigte, die in dem
sogen. Literaturarbeitskreis gemeinsame Diskussionsgrundlage gewesen
sein sollen. Diesen Arbeitskreis hatte der Angeklagte Sch. in seiner
Einlassung für sich und seine Frau Sabine E. als neue inhaltliche
Orientierung, nach ihrer Abkehr von einer militanten Politik, benannt.
Zwei weitere Zeuginnen sowie der Angeklagte H. hatten danach ihre
Mitarbeit in diesem Arbeitskreis bekundet und damit die Einlassung
von Rudolf Sch. bestätigt.
Die Verteidigung referierte heute, dass sich die Beteiligten mit
Texten von Sartre, Adorno/Horkheimer, Kristeva, Irigary und Benjamin
auf die Suche nach "neuen geistigen Horizonten" und neuer
inhaltlicher Neuorientierung begeben hätten, nachdem Sch. und
E. ihre Mitgliedschaft in den RZ; Ende 1987; aufgegeben hatten.
Die Beschäftigung mit neuen inhaltlichen Fragestellungen, so
Rechtsanwalt König, belege die bewußt vollzogene Abkehr
von dem Primat einer militanten Politik. Nach 1987 habe es seitens
von Rudolf Sch. und Sabine E. keine Kontakte mehr mit den RZ gegeben,
damit also auch nicht mit Mousli, der sich damals für ein Weitermachen
in den RZ entschieden hätte.
ausführlicher
Bericht
20.12.2002: 108. Prozesstag
"Wir sind dann drei Mal gefahren zum Seegraben"
Etwas mehr als eine Stunde wurde heute die Hauptverhandlung im
"Berliner RZ-Verfahren" fortgeführt. Von zentraler Bedeutung waren
dabei zwei Telefonmitschnitte, die den Prozessbeteiligten über die
krächzende Lautsprecheranlage des Saal 500 vorgespielt wurden. Im
ersten Mittschnitt, einer längeren Konversation zwischen Tarek Mousli
und seiner Mutter, vom 19.9.99, schilderte der Kronzeuge nicht nur,
wie er vom Bundeskriminalamt (BKA) massiv unter Druck gesetzt worden
war, er erklärte auch insgesamt drei Mal am Seegraben gewesen und
dort mit Beamten nach dem Sprengstoff gesucht zu haben. Dies ist
insofern von Bedeutung, als zunächst nur ein Seegrabenbesuch aktenkundig
geworden war. Der zweite Besuch konnte erst in der Hauptverhandlung,
mühselig und lückenhaft rekonstruiert werden. Von einem dritten
Besuch wollen bisher weder Mousli noch die ermittelnden Beamten
etwas wissen.
Auch der zweite Mitschnitt, eine Nachricht , die der Zeugenschützer
"Torsten" auf dem Anrufbeantworter der Freundin von Mousli,
Jeanette Olbricht, am 14.12.99, hinterließ, förderte ein interessantes
Detail zu Tage. In überaus freundschaftlichem Ton teilte "Torsten"
Frau Olbricht mit, dass sie gegenüber dem damaligen Anwalt von Mousli
nicht mehr zu lügen brauche. Dieser wisse nun, dass Mousli Aussagen
machen werde. Mousli hatte bis dahin die Absicht ins Zeugenschutzprogramm
einzusteigen gegenüber seinem Anwalt verschwiegen. Allerdings -
so der abschließende Satz von Torsten - "über alles andere,
was wir besprochen haben, bitte ich dich nicht zu sprechen".
ausführlicher Bericht entfällt
12.12.2002: : 107. Prozesstag
'Tag der Pausenbrote': Der 'Torsten' und die 'Videoübertragungsdurchsuchungsmaßnahme'
Heute hielten sich Pausen und Verhandlungszeit die Waage, obwohl
Rechtsanwalt Eisenberg zwei längere Monologe hielt, denn die Choreographie
des heutigen Tages war misslich.
Der 'Torsten', der 32jährige BKA- Beamte Torsten Klein nämlich,
wurde heute zur Durchsuchung des MehringHofes befragt, denn 'Torsten'
hielt den Kontakt zum Kronzeugen Tarek Mousli, der von "einem weit
entfernten Ort" auf der Suche nach dem vermeintlichen Sprengstoff-
und Waffendepot die Videokamera durch den MehringHof führte. Mousli
habe einen Aufzugschacht und den Hinterhof als mögliche Fundstellen
bezeichnet, sei dann aber "verwundert" gewesen, an diesen Orten
keine Stahlplatte finden zu können, unter der Waffen und Sprengstoff
angeblich lagern sollten. Zu weiteren Fragen in Zusammenhang mit
den Aussagen Tarek Mouslis und seiner Tätigkeit als Zeugenschützer
verweigerte Klein Angaben, da er hierfür keine Aussagegenehmigung
habe.
Der Versuch der Vorsitzenden Richterin, eine solche Aussagegenehmigung
in einer zweieinhalbstündigen Unterbrechung beim Leiter der BKA-
Zeugenschutzabteilung, Graf, zu erwirken, scheiterte, weil Graf
auf einen schriftlichen Antrag bestand, zu dem sich Hennig nicht
in der Lage sah.
Die um 13.30 Uhr wieder beginnende Verhandlung bestand daher lediglich
aus Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW), die zwei Beweisanträge
der Verteidigung vom 5. Dezember monierte und drei neuen Anträgen
der Verteidigung. Diese Anträge sollen nachweisen, dass im MehringHof
kein geeigneter Ort für ein Depot vorhanden war und dass der Angeklagte
Axel H. rein aus gesundheitlichen Gründen an dem Anschlag auf die
Siegessäule nicht beteiligt gewesen sein kann, was jedoch Mousli
behauptet. Der dritte Antrag will beweisen, dass beim BKA durchaus
eine Sprengstoffsofortmeldung eingegangen und auch bearbeitet worden
ist, was dann die Frage aufwürfe, warum das BKA behauptet, diese
Meldung sei "versehentlich liegengeblieben".
Der nächste Prozesstag wird Freitag, der 20. Dezember 2002 sein,
auch wenn Frau Hennig noch keine Ahnung hat, was verhandelt werden
soll. Ohnehin hat man sich offenbar daran gewöhnt, nur noch einmal
pro Woche zu verhandeln.
ausführlicher
Bericht
05.12.2002: 106. Prozesstag
Die Staatsanwaltschaft in Bewegung
Die umfangreiche Liste der unterschlagenen oder vorenthaltenen
Ermittlungsunterlagen in diesem Verfahren wurde heute verlängert.
Die Staatsanwälte versuchten noch in einer Sitzungspause die fehlenden
schriftlichen Aktenvermerke der Ermittler vom Bundeskriminalamt
(BKA) eiligst herbeizuschaffen. Die Aussagen zweier Kriminalbeamter
über ihre Befragung des Kronzeugen Mousli löste diese Betriebsamkeit
aus. Zum wiederholten Male hatte das BKA eine Zusammenfassung der
wesentlichen Ermittlungsergebnisse erstellt, diesmal zu vermuteten
Personen im Umfeld der Roten Zellen / Roten Zora und zum wiederholten
Male nicht den Prozessakten beigefügt. Weiterhin hatte der Kronzeuge
in seinen damals protokollierten Aussagen zwei Frauen der Tatbeteiligung
an einen Anschlag auf das Gentechnisches Institut im Jahre 1986
bezichtigt. In dem laufenden Verfahren vor dem Kammergericht hatte
er sich nun von diesen Beschuldigungen wieder distanziert, im Gegensatz
zu den Polizisten. Wer damals wem welche Lügengeschichte unterschieben
wollte, konnte heute letztlich nicht geklärt werden.
Anträge der Verteidigung und ein weiterer polizeilicher Zeitzeuge
bei der Durchsuchung im Mehringhof im Jahre 1999 füllten das Halbtagsprogramm
aus.
ausführlicher
Bericht
28.11.2002: 105. Prozesstag
Aus dem Leben eines Sprengmeisters
Der heutige relativ kurze Prozesstag hatte im wesentlichen die
Erneuerung des Antrages Euler auf Ortstermin am Seegraben, einen
Antrag zu RZ-Sicherheitsstandards im Umgang mit Explosivstoffen
sowie die Befragung eines Sprengmeisters aus Ostwestfalen zum Inhalt.
Rechtsanwalt Euler hat seinen Antrag vom 25. September 2002 auf
Ortsbesichtigung am Seegraben in Buch bei Berlin zurückgezogen und
in überarbeiteter und erweiterter Form gemeinsam mit seinem Kollegen
König neu gestellt. Euler beantragte außerdem, es solle die RZ-Schrift
"Feuer und Flamme für diesen Staat" zur Verlesung gebracht werden,
in der Maßregeln zum Umgang mit Sprengmitteln enthalten seien. Die
darin nieder geschriebenen Grundsätze der RZ widersprächen grundsätzlich
der Angabe des Kronzeugen, dass zu einer bestimmten Zeit Sprengstoff
in einem Aufzugschacht des Mehringhofes deponiert gewesen sein soll,
der jedoch trotz mehrfacher "Profi"-Absuche durch Polizei und BKA
niemals gefunden noch nachgewiesen werden konnte.
Der aufrechte Sprengmeister aus Lemgo, der auf 25 Jahre Sprengerfahrung
zurückblicken kann und für das Steinheimer Depot der Firma
Westspreng (mit Sitz im sauerländischen Finnentrop) allein
verantwortlich ist, wurde ausführlich zum Prozedere des Sprengstofferwerbs,
-transports, der Lagerung und des Weiterverkaufs befragt. Aus Steinheim
nämlich stammten jene Gelamon-40-Stangen, welche am 4.7.1987
bei der Firma Klöckner in Salzhemmendorf gestohlen worden sind.
Hinter dem Diebstahl sollen die RZ gesteckt haben, der Sprengstoff
tauchte bei verschiedenen Anschlägen und in Depots wieder auf.
Gesucht wird nach der Herkunft jener Sprengstoffstangen, die nach
Angaben des Kronzeugen eine Zeit lang im Mehringhof gelagert haben
sollen, ehe sie Tarek Mousli im Keller deponiert hatte, wo ein Teil
wiederum bei einem Einbruch gestohlen wurde, und deren Reste Mousli
nun wieder im Frühjahr 1995 im berühmten Seegraben versenkt
haben will..
ausführlicher
Bericht
22.11.2002: 104. Prozesstag
Akribisch und mit Sorgfalt, zumindest das BKA
Nach zweiwöchiger Unterbrechung fand heute die Hauptverhandlung
ihre Fortsetzung. Geladen war zum wiederholten Male ein Kriminalbeamter
des Bundeskriminalamtes (BKA), der - wie seine Kollegen zuvor auch
- bestätigte, dass er am 19.12.1999 den Mehringhof akribisch, sorgfältig
und ohne jeglichen Zeitdruck durchsucht hätte.
Was folgte, war die Ablehnung zahlreicher Beweisanträge der Verteidigung
durch den 1. Strafsenat. Zur Unterfütterung waren zuvor ein Qualitätszertifikat
des VEB Schönbeck und diverse Geschäftsdokumente der Westspreng
GmbH verlesen worden, auf die sich im folgenden das Gericht bei
seinen Ablehnungsbegründungen bezog. Weil es kein Beitrag zur Wahrheitsfindung
sei, wurden die Ladungen zweier Zeugen aus dem VEB Schönbeck und
die Ladung eines Mitarbeiters der Bundesanstalt für Materialprüfung
verworfen. Die Verteidigung hatte deren Ladung beantragt, um zu
klären, ob der Sprengstoff, der in einem Seegraben im Norden Berlins
im August 2000 gefunden worden war, tatsächlich aus einem Sprengstoffdiebstahl
stammt, der den RZ zugeordnet wird.
Wie die Vorsitzende Richterin bekannt gab, liegen der Berliner
Generalstaatsanwaltschaft Informationen über eine polizeiliche Observation
von Axel H. nicht vor. Daher zielten die Anträge seiner Verteidigung
heute darauf ab, beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und
beim Bundesamt für Verfassungsschutz Auskünfte darüber einzuholen,
ob sie die Wohn- und Arbeitsstätte ihres Mandanten im Jahre 1987
observiert hatten. Daneben beantragte die Verteidigung von Axel
H. die Ladung eines BKA- Zeugenschutzbeamten namens Thorsten, der
bestätigen werde, dass der Kronzeuge Tarek Mousli - entgegen seiner
Behauptung in der Hauptverhandlung - bei der zweiten Durchsuchung
des Mehringhofs im Mai 2000 nicht irritiert über die Lage und die
Beschaffenheit des Aufzugschachts gewesen sei.
Die Verteidigung von Matthias B. hatte zuvor die Hinzuziehung aller
Akten aus möglichen Struktur- bzw. Ermittlungsverfahren gegen
Einzelpersonen verlangt, die in Folge der Aussagen von Tarek Mousli
über Personen und Strukturen der RZ/ Roten Zora eröffnet
wurden. Dies sei erforderlich, um die widersprüchlichen Aussagen
des Kornzeugen nachweisen und dessen Unglaubwürdigkeit aufzeigen
zu können.
ausführlicher
Bericht
31.10.2002: 103. Prozesstag
Herr Mousli will sich nicht festlegen
Geladen für mindestens drei Tage, bleibt es wahrscheinlich für
lange Zeit bei dem heutigen Auftritt von Tarek Mousli. Der Kronzeuge
der Anklage sollte heute zu den diversen Themen Stellung nehmen,
die seit seiner letzten Vernehmung im März 2002 im Prozess eine
Rolle gespielt hatten. Wer eine intensive Befragung des Gerichts
erwartet hätte, wurde enttäuscht. Ob es nun das Versenken eines
Sprengstoffpakets im Seegraben anbelangte oder das angebliche Sprengstoffdepot
im Mehringhof, ob die Fragen auf den Anschlag auf die Berliner Siegessäule
1991 oder sein finanzielle Gebaren abzielten, ob es die Aussagen
der beiden ZeugInnen Barbara W. oder Elisabeth E. betraf, immer
bemühte sich Mousli, sich nicht festzulegen. Er könne sich nicht
genau erinnern, er würde es annehmen, das wisse er jetzt nicht mehr
genau - so oder so ähnlich beantwortete er die meisten Fragen. Seine
eloquente und zum Teil souverän bis kaltschnäuzig wirkende Art konnte
jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mousli sich bei allen
Fragen hinter einem Erinnerungs-Vorbehalt versteckte. Auf die Frage,
was er dazu sage, dass Barbara W. sich dazu bekannt habe, auf Harald
Hollenberg 1986 geschossen zu haben, antwortete er beispielsweise:
"Ich habe in Erinnerung, dass Jon' der Schütze war. Ich habe überhaupt
nicht in Erinnerung, dass Barbara die Schützin war." Eine libidinöse
Beziehung zu Elisabeth E.? Mousli: "Das würde ich verneinen." Ansonsten
rettete er sich in Ausflüchte. Beschreiben sie, was passierte als
sie das Paket 1995 in den Seegraben warfen? Mousli: "Ich habe es
so hineingeworfen, dass man es nicht so ohne weiteres sehen konnte.
Bei späteren Spaziergängen ist mir dann etwas schimmerndes aufgefallen."
Das Gericht gab sich damit zufrieden, die Bundesanwaltschaft so
wie so.
Wegen einer Operation von Sabine E. könnte dies der letzte
Prozesstag für einige Wochen gewesen sein. Die morgige Hauptverhandlung
fällt definitiv aus. Der Termin am nächsten Donnerstag
wurde unter Vorbehalt festgelegt, denn an diesem Tag soll eigentlich
die Operation der Angeklagten stattfinden. Laut Anwalt wird mit
einer Rekonvaleszenz von zehn Tagen gerechnet. Die Strafprozessordnung
lässt in einem solchen Fall eine Unterbrechung von bis zu sechs
Wochen zu.
ausführlicher
Bericht
25.10.2002: 102. Prozesstag
Unterwasserwelt
Mit einer, den vorangegangenen Prozesstag rekapitulierenden Erklärung
fasste RA Kaleck noch einmal die Schlussfolgerungen zusammen, die
sich aus den Vernehmungen des BGS-Beamten und zweier Sachverständiger
vom Vortag ergaben und die die Einschätzung unterstreichen, dass
der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Tarek Mousli, zum Themenkomplex
"Sprengstoffpaket im Seegraben" gelogen hat. Die zur Entkräftung
der Sachverständigen geltend gemachten Einwände von Bundesanwalt
Wallenta und Richter Alban seien weder mit den Lichtbildern, noch
mit den Aussagen des Kronzeugen in Einklang zu bringen.
Aufgabe der zum heutigen Termin geladenen Biologin sollte es sein,
festzustellen, ob man anhand des Algenbewuchses des Sprengstoffpakets
irgendwelche Rückschlüsse auf die Verweildauer des Pakets im Seegraben
ziehen könnte, etwa durch die Ablagerung von Algen, die nur zu bestimmten
Jahreszeiten vorhanden sind.
Solche Algen hat die Wissenschaftlerin nicht an dem Paket oder
in am 14. September 2002 im Beisein des BGS gezogenen Proben im
Seegrabenwasser, im Bodensediment des Grabens und an Wasserpflanzen
gefunden. Der Befund ist negativ.
Trotzdem hat sich die Sachverständige daran gemacht, von den Asservaten,
dem Plastiksack und Klebebändern, abgekratzte Bewuchs- und Anhaftungsreste
wissenschaftlich zu untersuchen. Die Ergebnisse und Vergleiche mit
aktuellen Proben aus dem Seegraben seien jedenfalls sehr groß, so
dass sie als Tendenz äußern wolle, so die Sachverständige, dass
das Paket ihrer Meinung nach etwas länger als eine Vegetationsperiode
im Wasser gelegen habe. Diese These wolle sie indes nicht knallhart
formulieren, denn zu viele Faktoren in der Umwelt, Unklarheiten
über die Lage des Pakets im Seegraben (oben - unten, halb oder ganz
im Schlick, innen - außen ...) sowie die Art und Weise der Bergung,
Reinigung und Lagerung des Asservats ließen eine hieb- und stichfeste
Aussage überhaupt nicht zu.
Die anschließende, lange Befragung der Sachverständigen durch den
Richter Alban lässt vermuten, dass sich das Gericht im weiteren
Verfahren auf deren Aussagen stützen will, um die Seegrabenfrage
im Sinne der Anklage zu beantworten.
Rechtsanwalt von Schlieffen beantragte als Beweismittel die Vorladungen
seines Mandanten Axel H. zu richterlichen und staatsanwaltschaftlichen
Vernehmungen aus dem Frühjahr 1987 zuzulassen. Er verspricht
sich von diesen Beweisanträgen den Nachweis, dass Axel H. im
Frühjahr 1987 im Visier der Justiz stand und so - gemäß
den Aussagen des Kronzeugen über die Grundregeln der RZ - den
Kontakt zu allen Mitgliedern der RZ abgebrochen haben muss, folglich
auch nicht am den RZ zur Last gelegten Anschlag auf die Zentrale
Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) 1987 beteiligt gewesen
sein kann.
ausführlicher
Bericht
24.10.2002: 101. Prozesstag
Archimedes' Prinzip und Walentas Campingmatratze
Ein Zeuge und zwei Sachverständige führten das bisherige Verfahren
einem ersten Höhepunkt entgegen. Denn nach unzähligen Verhandlungstagen
zum Thema Sprengstoffpaket im Seegraben konnte heute im Grunde der
Nachweis geführt werden, dass der Kronzeuge Tarek Mousli die Geschichte
mit dem in einem Wassergraben bei Buch/Berlin versenkten Plastikbeutel
mit 24 Stangen des Sprengstoffs Gelamon 40 über weite Strecken erlogen
hat.
Zunächst lauschten die Prozessbeteiligten interessiert den Ausführungen
des Finders des besagten Sprengstoffpakets, eines jungen Beamten
des Bundesgrenzschutzes (BGS), der mit seinem rund 30-köpfigen Einsatzzug
im Jahr 1999 bis zu den Knien im Schlamm des abgelassenen Seegrabens
watete und dabei den blauen Plastiksack besagten Inhalts mit einer
Mistforke zutage förderte.
Die beiden Sachverständigen, zum einen ein BKA-Mann, zum anderen
ein emeritierter Physikprofessor der TU Berlin, lieferten im Gerichtssaal
(u.a. unter Zuhilfenahme der ehrwürdigen Prinzipien des Archimedes)
den Nachweis, dass das Paket, wenn es nur annähernd den Abmessungen,
dem Gewicht und dem Volumen entsprochen hat, welche dokumentiert
sind, nicht im Graben versunken sein kann. Da die Glaubwürdigkeit
des Kronzeugen nun vollends beim Teufel zu sein scheint, kochten
die Emotionen im Gerichtssaal hoch. Bundesanwaltschaft und Richter
Alban loteten mit absurden Theorien über das Sprengstoffpaket
die Knetbarkeit der Wahrheit aus: Bundesanwalt Walenta (der das
Sprengstoffpaket mit seinen Outdoor-Erfahrungen beim Zusammenrollen
seiner Isomatte in Beziehung zu setzen sich anschickte) und Alban
versuchten die Ergebnisse der Sachverständigen ins Wanken zu
bringen, indem sie - wegen der formbaren Konsistenz des Gesteinssprengstoffes
Gelamon 40 - entgegen der wahrhaftigen Beschaffenheit der Fundstücke
davon ausgehen wollten, dass die 24 Stangen beim Verpacken derart
zusammengedrückt worden sein könnten, dass ihr Volumen
so verkleinert gewesen sei, dass das Paket doch versunken sein könnte.
Ein hitziger, lauter Wortwechsel über diese haltlosen Spekulationen
zwischen RAin Lunnebach und Matthias B. auf der einen Seiten und
auf der anderen Seite den Richtern Alban und Hantschke, der Borgmann
"geiferndes Geschrei" vorwarf, mündete in einen Befangenheitsantrag
gegen letztere.
ausführlicher
Bericht
Meldungen der Prozesstage
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