www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  

Übersicht

Aktuelle Meldung
Meldungen
Berichte
Vorschau
Hintergrund

 

Mailingliste
Mail
Suche

Meldungen nach dem 10. Juli 2003


10. Juli 2003: 135. Prozesstag

Tabula rasa – Gericht zieht durch

Zwanzig Minuten, die es in sich hatten - länger dauerte die heutige Hauptverhandlung nicht. Mit den vier verkündeten Beschlüssen dokumentierte das Kammergericht nicht nur, dass sich die VerteidigerInnen von Matthias B. ihre heute präsentierten Stellungnahmen zu den Erklärungen der Bundesanwaltschaft (BAW) vom letzten Verhandlungstag hätten sparen können. Es macht auch klar, dass es nicht weiter gewillt ist, irgendwelchen Beweisanträgen überhaupt noch nach zu gehen.

Zu Beginn der Verhandlung hatten Rechtsanwältin Lunnebach und ihr Kollege Kaleck auf Stellungnahmen der BAW vom letzten Verhandlungstag reagiert. Der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts hatte damals sowohl den Nachbau des angeblich von dem Kronzeugen Tarek Mousli 1995 in einem Seegraben im Norden Berlins versenkten Sprengstoffpakets abgelehnt, wie auch die Zeugenbefragung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zu einem Spitzel innerhalb der RZ sowie der Einbindung von Mousli in operative Maßnahmen des Dienstes. Die beiden Anwälte zeigten sich von den Ausführungen der BAW wenig überzeugt. Ein Nachbau des Sprengstoffpakets sei durchaus möglich, so Frau Lunnebach, existierten doch Fotos des Pakets, die nach dem Fund im August 2000 aufgenommen worden seien. Der Interpretation der BAW, die Hauptverhandlung habe "keinen auch noch so entfernten Anhaltspunkt für eine bewusste, gesteuerte Verzögerung" der Ermittlungen nach dem Sprengstofffund bei Daniel S. ergeben, hielt RA Kaleck entgegen, dass die Beweisaufnahme durchaus "eine Vielzahl von Merkwürdigkeiten" ergeben habe, wie etwa ein Vergleich der eingeleiteten Ermittlungen des Bundeskriminalamts (BKA) beim Fund eines angeblichen RZ-Depots bei Bielefeld gezeigt habe. Ohnehin gebiete es Rechtstaatlichkeit und Sachaufklärungspflicht jeglichem Hinweis auf Geheimdienst-Operationen nachzugehen.

Unbeeindruckt von diesen Ausführungen zeigte sich das Kammergericht. Weder der bislang verheimlichte Sprengstofffund von angeblichem RZ-Sprengstoff im Mai 1998 in Kempen, noch der Nachbau des im Seegraben geborgenen Sprengstoffpakets, geschweige denn die Zeugenvernehmung des BfV-Präsidenten oder die Ladung von drei Zeugen, von denen sich Aufklärung versprochen wurde, warum ein Magdeburger Polizist im Zuge der Ermittlungen nach dem Fund von Gelamon 40 bei Daniel S. seine Berliner Kollegen darüber informierte, dass der im Seegraben gefundene Sprengstoff aus der ehemaligen DDR nicht nach Westdeutschland exportiert worden war, sondern an so genannte Sonderbedarfsträger (Nationale Volksarmee bzw. Ministerium für Staatssicherheit) gegangen sei, – all diesen ungeklärten Fragen meinte das Gericht – unter ständigem Verweis auf die BAW-Stellungnahmen vom letzten Prozesstag – nicht nachgehen zu müssen; alle Anträge wurden abgelehnt.

Und damit auch dem letzten klar wurde, dass das Gericht diesen Prozess bald zu beenden gedenkt, erklärte die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig, dass ab sofort alle Beweisanträge noch am gleichen Tag währende der Hauptverhandlung entschieden würden. Insofern sollten sich die Prozessbeteiligten darauf einstellen, fügte die Vorsitzende Richterin hinzu, dass es nach der Sommerpause zu längeren Verhandlungstagen kommen könnte. Zwar hat dieser Verhandlungstag genug Beispiele gegeben, wie diese Beschlüsse ausfallen werden, doch glauben wir Frau Hennig gerne, dass nun ein hartes Stück Arbeit auf sie und ihre Kollegen zukommt - muss doch das Gericht nun selbst, ohne Hilfe und schriftliche Vorarbeiten der BAW seine Beschlüsse formulieren.

Die anscheinend letzte Etappe in diesem Verfahren vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin beginnt am Donnerstag, 7. August, zur gewohnten Zeit um 9.15 Uhr im Saal 500 des Kriminalgerichts Berlin-Moabit. Ein ausführlicher Bericht entfällt.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


4. Juli 2003: 134. Prozesstag

Augen zu und durch - der Senat will zu Ende kommen

Vier Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW) und zwei Beschlüsse der Kammer zu verschiedenen Anträgen der Verteidigung waren heute Inhalt des rund 45 Minuten andauernden Prozesstages.

Wie zu erwarten erteilte die Bundesanwaltschaft dem Antrag der Verteidigung von Matthias B. zum Nachbau des Sprengstoffpakets eine Absage. Das Gericht verfüge über genügend "eigene Sachkunde", um sich über die Frage der Sinkbarkeit ein Urteil bilden zu können. Eine Zurückweisung empfahl die BAW auch bezüglich zweier weiterer Anträge der Verteidigung von Matthias B. vom 27. Juni. Darin war zum einen die Ladung des Präsidenten des Bundesverfassungsschutz (BfV) und die Herbeiziehung von weiteren zurückgehaltenen Akten gefordert worden. Zum anderen sollten neue Zeugen vernommen werden, um der Herkunft des RZ-Sprengstoffs Gelamon 40 nachzugehen. Nicht besser erging es dem Antrag der Verteidigung von Harald G. vom letzten Verhandlungstag, der die Herbeiziehung von Akten über einen bisher unbekannten Sprengstofffund gefordert hatte. Diese Akten, die der BAW offensichtlich bekannt sind, böten keine Anhaltspunkte zur hiesigen Strafsache. Nach Ansicht der BAW soll den übrigen Prozessbeteiligten eine Einsicht in diese Akten verwehrt bleiben.

Diesen etwas trocken und recht leidenschaftslos vorgetragenen Stellungnahmen der BAW folgte die Verlesung gerichtlicher Beschlüsse. Mehrere Anträge der Verteidigung aus den Jahren 2001, 2002 und 2003 wurden zurückgewiesen, die darauf abgezielt hatten, die Rolle des BfV und verschiedener Verfassungsschutzämter der Länder bei der Aussageentwicklung des Kronzeugen herauszuarbeiten. Offensichtlich hat der Senat daran kein Interesse.

Ebenfalls unter das Motto "Augen zu und durch" dürfte die Ablehnung der Anträge der Verteidigung durch das Gericht fallen, die eine Aussetzung der Hauptverhandlung gefordert hatten, um ein anstehende Verwaltungsgerichtsurteil abzuwarten. "Prozessökonomie", die "Rücksichtnahme auf die Belange der Angeklagten" und die Ansicht, dass die Verwaltungsgerichtsklage der Verteidigung von Harald G. "keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat", sind dem Gericht gewichtige Gründe genug den Prozess weiterzuführen. Bei so viel Chuzpe des Senats darf man auf die Reaktion der Verteidigung gespannt sein.

Letzter Verhandlungstag vor der Sommerpause ist der 10. Juli; Verhandlungsbeginn wie immer: 9.15 Uhr.

ausführlicher Bericht


27.06.2003: 133. Prozesstag

Feuerwerk der Verteidigung

In der heutigen Hauptverhandlung legte die Verteidigung von Matthias B. und die Verteidigung von Harald G. in Sachen Sprengstoff nach. In umfangreichen Beweisanträgen wurde zum wiederholten Male die Version des Kronzeugen Tarek Mousli in Sachen RZ-Sprengstoff Gelamon 40 und ins besondere seiner Beseitigung in Zweifel gezogen sowie die mögliche Verquickung von Geheimdiensten in dieser Angelegenheit erörtert.

Durch einen Nachbau des Sprengstoffpakets, das im August 1999 in einem Seegraben im Norden Berlins gefunden wurde, soll bewiesen werden, dass das Paket, wenn es nicht so beschädigt wurde, dass Wasser eindringen konnte, mindestens einige Wochen an der Wasseroberfläche geschwommen haben muss. Vor dem Hintergrund anderer Gutachten, die im Lauf des Verfahrens eingebracht wurden, wäre damit bewiesen, dass Mousli das Paket erst unmittelbar nach seiner Haftentlassung im Juli 1999 im Seegraben versenkt haben kann - und nicht, wie von ihm behauptet, bereits 1995.

Zweitens wurde die Ladung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV) beantragt. Die Verteidigung von Matthias B. geht davon aus, dass die erst im Herbst 1997 erfolgte RZ-Zuordnung des angeblich von dem Berliner Kleinkriminellen Daniel S. 1995 aus dem Keller von Mousli gestohlenen Sprengstoffes der Marke Gelamon 40 im Zusammenhang mit operativen Maßnahmen des BfV steht. Sie geht ebenfalls davon aus, dass der BfV einen Informanten über die RZ gewinnen konnte, der mindestens in der Zeit von 1983 bis 1995 Informationen über die RZ an den Geheimdienst geliefert hat.

In einem dritten Antrag wurde die Vernehmung eines ehemaligen Polizisten verlangt, der 1995 im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Daniel S. Erkundigungen zu dem gefunden Sprengstoff bei der Herstellerfirma des Gelamon 40 anstellte, und zweier Mitarbeiter dieser Firma. Durch die Befragung dieser Zeugen wird sich nach Auffassung der Verteidigung ergeben, dass der bei Daniel S. sichergestellte Sprengstoff nie nach Salzhemmendorf geliefert wurde, wo 1987 Sprengstoff der Marke Gelamon 40 entwendet worden war, sondern an so genannte Sonderbedarfsträger (Nationale Volksarmee der DDR bzw. Ministerium für Staatsicherheit) gegangen ist.

Die Verteidigung von Harald G. verlangte Auskunft über einen bislang den Prozessbeteiligten vorenthaltenen Sprengstofffund der Marke Gelamon 40 im Mai 1998 in Kempen (NRW), wie er sich aus Akten des Verfassungsschutzes unter Verweis auf das BKA ergibt.

Der Termin am 3. Juli ist aufgehoben. Die Hauptverhandlung wird am Freitag, den 4. Juli um 9.15 Uhr fortgesetzt.

ausführlicher Bericht


132. Prozesstag. 20. Juni 2003

Amnesie als Berufskrankheit anerkannt?

Die wohl kürzeste Zeugenvernehmung des bisherigen Verfahrens wurde heute mit der Befragung des Richters am Kammergericht Libera, Mitglied des Senats, der Tarek Mousli im Dezember 2000 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte (siehe auch vorangegangene Prozessberichte) vollzogen.

Ganze vier Minuten benötigte das Gericht um ihm die Antwort zu entlocken, dass er sich an Aussagen Mouslis zu konspirativen Wohnungen überhaupt nicht erinnern könne und das ihm zwar der Spitzname Drogentod erinnerlich sei, aber sich bei ihm ansonsten keinerlei Erinnerung mit diesem Spitznamen verbinden würde. Danach wurden zwei Beschlüsse des Senats zu Anträgen der Verteidigung des Angeklagten G. vom 25.10.2001 bzw. der Angeklagten E. vom 8.11.2001 verkündet, in denen festgestellt wurde, das sich diese Anträge durch diverse Zeugenvernehmungen erledigt hätten. Die deutlich gereizte Stimmung des Senats zeigte sich das erste Mal, als sich die RichterInnen weigerten, einen dieser Beschlüsse in Kopie auszuhändigen.

Der Rest des insgesamt einstündigen Verhandlungstages wurde dann wieder durch die Verteidigung mit dem Verlesen mehrerer Schriftsätze bestritten. Die Verteidigung des Angeklagten B. untermauerte mit zwei Stellungnahmen ältere Anträge zur Beiziehung von weiteren Ermittlungsakten des BKA, sowie der vollständigen Herausgabe der über Tarek Mousli geführten Akten beim Bundesamt bzw. bei mehreren Landesämtern für Verfassungsschutz. Die anschließende Frage der Rechtsanwältin Lunnebach, wann denn der Senat über den seit längerem anhängigen Aussetzungsantrag zu entscheiden gedenke, weil die Verteidigung beabsichtige weitere Sachanträge zu stellen, wurde von der schlecht gelaunten Vorsitzenden mit einem überaus aussagekräftigen "demnächst" abgefertigt.

Die Verteidigung des Angeklagten Sch. beantragte die Vernehmung einer früheren Freundin des Kronzeugen Tarek Mousli, die u.a. bekunden würde, das sie im Jahr 1987 - vermittelt durch Mousli - die damals in der Illegalität lebende Angeklagte E. kennen gelernt habe.

Die Vorsitzende weigerte sich anschließend energisch, über den Antrag der Verteidigung des Angeklagten H. auf Aufhebung des Haftbefehls in der heutigen Hauptverhandlung zu verhandeln und Stellungnahmen dazu entgegenzunehmen, und beharrte darauf, dies in einem Haftprüfungsverfahren außerhalb der Hauptverhandlung durchzuführen. Daraufhin beantragte die Verteidigung einen rechtlichen Hinweis darauf, ob der Senat davon ausgehe, das die Verteidigung in ihrem Antrag Zeugenaussagen unzutreffend wiedergegeben habe.

Rechtsanwältin Studzinsky beantragte zum Abschluß wiederholt die Herausgabe von Ermittlungsunterlagen, die durch die Bundesanwaltschaft vorenthalten werden. Diese sind in sogenannte Strukturverfahren aussortiert (oder besser: versteckt?) worden.

Der Termin am 26. Juni wurde aufgehoben. Weiter geht es am 27. Juni 2003 um 9.15 Uhr mit der Verkündung von Beschlüssen.

Der ausführliche Prozessbericht entfällt (4. Richterbefragung ist nu wirklich ziemlich dünn). Die Anträge demnächst hier auf www.freilassung.de.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


13.06.2003: 131. Prozesstag

Ein Richter a.D. gräbt in seinen Erinnerungen

Einziger Zeuge des heutigen Verhandlungstages war der Richter a.D. Eckart Dietrich, der kurz vor seiner Pensionierung den 2. Strafsenat des Berliner Kammergerichts angeführt hatte, welcher im Dezember 2000 Tarek Mousli zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hatte. Trotz der großen Gedächtnislücken konnte sich der ehemalige Richter zumindest an die Absprachen mit der Bundesanwaltschaft (BAW) erinnern. Dabei war im Vorfeld des Prozesses ausgehandelt worden, dass Mousli eine Bewährungsstrafe erhalten solle.

Die Vorsitzende Richterin kündigte heute an, anstehende Beweisanträge der Verteidigung nun zügig abarbeiten zu wollen und damit die "Warteschleife" in der sich das Verfahren zur Zeit befindet, zu beenden. Die Schlussvorträge könnten, nach Ansicht des Gerichts, dann nach der Sommerpause gehalten werden. Die Verteidigung kündigte ihrerseits weitere Beweisanträge an.

Die Verteidigung von Axel H. forderte in einem ausführlichen Beweisantrag die Aufhebung des weiterhin gegen ihren Mandanten existierenden Haftbefehls. Dieser beruhe im Kern auf den Aussagen von Mousli, Axel H. habe ein Sprengstoffdepot im Mehringhof verwaltet. Dieses Depot, so habe der Prozess inzwischen gezeigt, habe es jedoch nie gegeben.

ausführlicher Bericht


130. Prozesstag: 6. Juni 2003

Was spricht er - Herr Richter?

Chemisch frei von Wissen über den von ihnen selbst geführten Prozess, präsentierten sich heute zwei Richter vom 2. Strafsenats des Kammergerichtes. Über Aussagen des damals selbst Angeklagten Mousli zu den Themen 'Drogentod' und 'konspirative Wohnungen' der RZ hatten die Herren Richter Scharf und Heiter angeblich keine Erinnerung mehr.

Im Dezember 2000 gehörten sie dem Gericht an, das den jetzt als Kronzeugen tätigen Tarek Mousli in einem dreitägigen Kurzprozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilte. Das Strafmaß war seinerzeit bereits vor Prozessbeginn von der Bundesanwaltschaft (BAW) - im Einvernehmen mit Gericht und Verteidigung - festgelegt worden.

Die Richter bestätigten heute eindrucksvoll ihr damals schon offenkundiges Desinteresse an jeglicher wirklich ernsthaften Verfahrensführung gegen den jetzigen Kronzeugen. Warum die sog. 'Kronzeugenregelung' bei der Strafzumessung nicht im Urteilstenor erwähnt wurde und ob die Inanspruchnahme dieser Regelung überhaupt von der Kammer geprüft wurde, daran konnten sie sich angeblich nicht mehr erinnern. Selbst an die mögliche Beantragung einer entsprechenden Strafreduzierung für den Angeklagten Mousli seitens der BAW sei ihnen nicht erinnerlich. "Das haben wir damals nicht gebraucht!" sagte Richter Scharf, "...dem Gedanken nach wurde sie angewendet..." so Richter Heiter. Nur ganz kurz flackerte die Erinnerung messerscharf auf. Ein Vorgespräch zwischen den Bundesanwälten und den Richtern vor Eröffnung des damaligen Verfahren gegen Mousli war auf alle Fälle ein reiner Höflichkeitsbesuch und in gar keinem Falle sei über den bevorstehenden Prozesses gesprochen worden, mit keiner Silbe. Nur organisatorische Fragen wären geklärt worden, ganz bestimmt!

Das stimmte heiter und so geht es auch weiter, am 13. Juni, 9:15 Uhr. Ein ausführlicher Prozessbericht entspräche heute nicht den Tatsachen und unterbleibt deshalb.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


129. Verhandlungstag: 02.06.2003

Geschoben in 13 Minuten

Ganze 13 Minuten dauerte der heutige "Schiebetermin". Entgegen der Anregung von Rechtsanwalt Eisenberg, der am vorhergehenden Verhandlungstag vorgeschlagen hatte, heute dem 36. Jahrestag der Erschießung von Benno Ohnesorg zu gedenken, setzte das Kammergericht die Beweisaufnahme fort.

Zuerst wurde, zurückgehend auf einen Antrag der Verteidigung von Axel H. vom 20.2.03, Bauzeichnungen des Fahrstuhlschachtes im Mehringhof, in dem die Richter vermutlich immer noch das von Mousli behauptete Sprengstoffdepot entdecken wollen, vom 31.7.1925 (!) in Augenschein genommen und die Beschriftungen entziffert. Diese Aufgabe fiel dem Beisitzenden Richter Hanschke zu, dem das Lesen von Sütterlinschrift offensichtlich einige Mühe bereitet.

Dem folgte die Verkündung von zwei Beschlüsse: So wurde durch ein Schreiben vom Bundeskriminalamt (BKA) der Antrag der Verteidigung von Matthias B. vom 8.11.2001 als erledigt erklärt. Darin war gefordert worden die Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden und der Geheimdienste bezüglich der Kontakte von Tarek Mousli zu arabischen Terroristengruppen offen zu legen. Immerhin war die Behauptung, Mousli verfüge über gute Kontakte zu derartigen Gruppierungen, noch Bestandteil des gegen ihn im August 1999 erwirkten Haftbefehls wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung. Heute, so offenbarte das BKA-Schreiben, fehlen derartige Erkenntnisse.

Ebenfalls abgelehnt wurde im zweiten Beschluss des heutigen Tages der Antrag der Verteidigung von Axel H. vom 23.11.01. Darin hatte Rechtsanwalt von Schlieffen gefordert Bildmaterial herbeizuziehen, anhand dessen zwei Zeugen 1987 und 2000 verschiedene Personen einem Motorrad zugeordnet hatten, welches ihnen mit Fahrer und Beifahrer am Grenzkontrollpunkt Drewitz aufgefallen war. Die Polizei war davon ausgegangen, dass es sich dabei um das Motorrad gehandelt hatte, das am 30.8.1987 beim Anschlag auf Günter Korbmacher verwendet worden war.

Die Hauptverhandlung wird am 6.6.03 um 9.15 Uhr fortgesetzt. Zur Abwechselung ist das Verhandlungsprogramm bekannt: die Richter des 2. Strafsenats des Kammergerichts sollen zu den Aussagen von Tarek Mousli, in der gegen ihn geführten Gerichtsverhandlung im Dezember 2000, vernommen werden.

Ein ausführlicherer Bericht entfällt heute, mangels Masse.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


128. Prozesstag: 23.05.2003

Doppelkopf - keine Relevanz

Diese Inhaltszusammenfassung eines Telefonats durch einen BKA-Beamten, der die Telefonüberwachung des Kronzeugen Tarek Mousli auswerten und protokollieren musste, trifft in ihrer Bewertung auch auf den heutigen Verhandlungstag zu: "keine Relevanz".

Zum wiederholten Male fand die Hauptverhandlung statt, ohne dass den Prozessbeteiligten im Vorfeld ein Programm mitgeteilt worden war. Das hatte einen einfachen Grund: Eigentlich gab es nichts zu verhandeln. Das Kammergericht hat erneut bewiesen, dass es eine zügige Prozessführung nicht gewährleisten kann. Die nächsten ZeugInnen-Vernehmungen sind erst für den 6. Juni geplant. Da das Verfahren aber nicht länger als zehn Tage unterbrochen werden darf, war das Kammergericht gezwungen, sich irgendetwas einfallen zu lassen, um den Schein zu wahren.

Verlesen wurden also drei Datenerfassungen von TÜ-Maßnahmen, denen man neben dem Gesprächsinhalt und wer mit wem, wann telefoniert hat auch interne Erfassungskriterien des BKA entnehmen konnte. Diese Leseübung an sich machte so keinen Sinn. Sie geht jedoch auf einen Antrag der Verteidigung von Harald G. zurück, die anhand von identischen bzw. nicht-chronologisch vergebenen ID-Nummern auf die Lückenhaftigkeit der übersandten TÜ-Protokolle geschlossen hat.

Mit der mittlerweile standardmäßigen Begründung, die Sachaufklärungspflicht des Gerichts würde es nicht gebieten, wurde ein Antrag der Verteidigung von Matthias B. auf Ladung eines Systemadministrators des BKA und eines BKA-Programmierers abgelehnt. Beide sollten Auskunft darüber geben, wie es sein kann, dass bei der ersten Eingabe einer Sprengstoffsofortmeldung nach dem Fund von Sprengstoff der Marke "Gelamon 40" bei dem Berliner Kleinkriminellen Daniel S. 1995 in die BKA-Datenbank kein Verweis auf die RZ angezeigt wurde. Laut offizieller Version will das BKA erst 1997 darauf gestoßen sein, dass in Berlin Sprengstoff aufgetaucht sei, der üblicher Weise von den RZ benutzt wurde.

Eine Aufklärung dieses Sachverhalts ist für das Gericht "ohne Bedeutung" und trägt "nichts zur Straf- und Schuldfrage" bei. Es seien keine "nachvollziehbaren Motive erkennbar", warum die Ermittlungsbehörden zweieinhalb Jahre keine Ermittlungen angestellt hätten, so das Gericht. Und selbst wenn bestätigt würde, dass es eigentlich unmöglich ist, dass damals bei der ersten Eingabe 1995 kein RZ-Bezug hergestellt wurde, sei - so der Senat – "nicht ersichtlich, welche Relevanz das für den Tatvorwurf hat."

Der Prozess wird am 2. Juni um 14 Uhr fortgesetzt.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


127. Prozesstag: 16.05.2003

Schiffeversenken im Saal 500/Kein Hohlraum im Aufzugsschacht

Einziges Thema der heutigen Hauptverhandlung waren die Bohrungen und Radaruntersuchungen in einem Mehringhof-Aufzugsschacht, in dem sich laut Kronzeugen Tarek Mousli in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ein Sprengstoff- und Waffendepot der Revolutionären Zellen (RZ) befunden haben soll. Gehört wurde dazu ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), Ernst N..

Vom Gericht beauftragt, waren in Anwesenheit des Geophysikers am 6. März 2003 Radarmessungen in diesem Aufzugsschacht vorgenommen worden. Am 29. April 2003 sollten zusätzliche Probebohrungen durchgeführt werden. Allerdings musste man während der zweiten Bohrung bereits die Arbeiten beenden, da aus dem ersten Bohrloch mit einer Stärke von 1l/s Grundwasser in den Schacht schoss. Ziel der ganzen Aktion war herauszufinden, ob sich ein Hohlraum unterhalb der Schachtsohle befindet, wie es der Kronzeugen behauptet.

Die Radarmessungen am 6. März ergaben, dass sich unterhalb einer Grenzschicht von zehn Zentimeter Tiefe keine "Abnormalitäten" feststellen lassen, wie es der 39-jährige Gutachter ausdrückte. Ein schwaches Echo in einer Tiefe von fünf Zentimeter unterhalb dieser Grenzschicht zeigte eine homogene Masse auf der ganzen Fläche der Schachtsohle an.

Die eine geglückte Probebohrung ergab dann, dass die Sohle aus einer zehn Zentimeter tiefen Estrichbetonschicht besteht, die von einem Schweißband abgeschlossen wird, das das Eindringen von Grundwasser verhindern soll. Dieses Schweißband war in der Radaruntersuchung als "Grenzschicht" erschienen. Nach diesem Band folgte eine Schicht von Stampfbeton bis in eine Tiefe von 20 cm. Diese Schicht dürfte aus der Bauphase des Mehringhofs stammen, handelt es sich doch um einen sehr grobkörnigen Beton, der heutzutage in einer solchen Bausituation nicht mehr eingesetzt wird.

Weder die Stampfbetonschicht, noch das Schweißband wiesen bei der Radaruntersuchung irgendeine "Abnormalität" auf. Beide waren durchgängig vorhanden. Auf Nachfrage stellte der Geophysiker dezidiert fest, dass das Schweißband keine Schad- oder Bruchstellen gezeigt habe.

Zum Grundwassersituation in diesem Gebiet führte der BAM-Mitarbeiter aus, dass er aus Unterlagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wisse, dass das Grundwasser in den 80er Jahren etwa 40-60 cm über der Sohle des Schachtes stand, beim Bau des Mehringhofs lag der Grundwasserstand sogar einen Meter über diesem Punkt.

Die Ergebnisse der Radarmessung und der Probebohrung sowie auf Grund seiner allgemeinen bautechnischen Kenntnisse und der Kenntnisse über die Grundwasserstände in diesem Gebiet schloss Ernst N. aus, dass sich unterhalb der Sohle ein Hohlraum befindet bzw. befunden habe. Auf Nachfrage stellte er zudem fest, dies gelte auch für einen nachträglich aufgefüllten Hohlraum, da dies bei der Radarmessung aufgefallen wäre.

Auch machte er klar, dass ein nachträgliches Ausheben bzw. Auffüllen einer Grube nach Abschluss der Bauphase auf Grund der Grundwassersituation nur mit enormen technischen Aufwand möglich gewesen wäre - nämlich durch eine entsprechende Absenkung des Grundwasserspiegels. Wie in der laufenden Hauptverhandlung an anderer Stelle bereits eingeführt, hat es entsprechende Baumaßnahmen oder Veränderungen am Aufzugsschacht nicht gegeben.

Seine einschränkenden Bemerkungen, dass der normale Wirkungsgrad der Radargeräte durch die enorme Feuchtigkeit des Untersuchungsgegenstandes um ca. 20 Prozent reduziert gewesen sei und eine Probebohrung für die gesamte Schachtsohle eine 100- prozentige Aussage unmöglich mache, bot dann für Richter Alban die Gelegenheit, die Ergebnisse dieses Gutachtens in Zweifel zu ziehen. Allerdings blieb der Gutachter bei seiner Aussage, dass es keine Hinweise auf einen Hohlraum gebe. Unvereidigt durfte Ernst N. nach den üblichen Geplänkeln - vor allem zwischen Rechtsanwalt Johnny Eisenberg ("Bei ihnen muss man sehr direkt sein, sonst hat man keine Chance.") und Richter Alban - den Sitzungssaal verlassen.

Der Prozess wird am Freitag, 23. Mai fortgesetzt. Die Termine am 22. Mai und 5. Juni wurden aufgehoben.

Ein ausführlicher Bericht entfällt.


08.05.2003: 126. Prozesstag

Datensalat und Überbelegung in der Oranienstraße

Ein Programmierer stellt viele Ungereimtheiten in den Datenbanken des Bundeskriminalamtes (BKA) fest. Ein Ermittler findet keine schlüssigen Beweise für angeblich konspirative Wohnungen der RZ in Berlin-Kreuzberg.

Im Zusammenhang mit Telefonüberwachungen im Vorfeld dieses Prozesses sagte ein EDV-Experte über Datenaufzeichnungen beim BKA aus. Nach seinem gut vorbereiteten und medial gestützten Vortrag musste er einräumen, dass die von ihm dargestellte Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit der erfassten Datensätze der Telefonüberwachung "...ziemlich unlogisch sind." Warum sich die ermittelnden Beamten offenbar nicht an die vereinbarte Eingabesystematik hielten, konnte er sich nicht erklären. Eine lückenlose Nachprüfbarkeit aller Telefonmitschnitte sei so jedenfalls nicht gegeben.

Ein anderer Beamter hatte die Spuren von drei angeblich konspirativen Wohnungen Anfang 2001 verfolgt. Der Kronzeuge hatte drei Orte benannt und eine Person beschuldigt, einen davon zwischen 1985 und 1990 der RZ als Sprengstofflabor, Treffpunkt und Unterschlupf zur Verfügung gestellt zu haben. Allein die kurzzeitige Meldeanschrift des Beschuldigten in einem der angeblich möglichen Mietshäuser der Oranienstraße reichte der Bundesanwaltschaft (BAW) als Beweis aus. Leider stellte der Polizist nämlich u.a. auch fest, dass die Wohnung in dieser Zeit wg. Sanierungsarbeiten höchstwahrscheinlich teilweise nicht benutzbar war und zusätzlich einer Familie zeitweise als Ausweichquartier gedient haben soll. Außerdem erkannte niemand der MieterInnen die dort angeblich wohnenden RZ-Mitglieder auf Fotos wieder und der beschuldigte 'Wohnungsgeber' selber sei erst ab November 1989 dort gemeldet gewesen. Weder Bundesanwalt Griesbaum noch das BKA seien diesen deutlichen Widersprüchen nachgegangen....weil nur sein kann, was auch sein darf? Kein Wunder mehr war für das geneigte Publikum, warum diese Ermittlungsakte erst vor zwei Monaten im Verfahren auftauchte!

Nächster Prozesstermin: Fr., den 16.05., 9:15 Uhr

ausführlicher Bericht


28.04.2003: 125. Prozesstag

Insider- Wissen aus der Tageszeitung

Um 14.03 Uhr begann die heutige Hauptverhandlung, von der von vorneherein feststand, dass sie eine kurze Sache werden würde. Nach 17 Minuten war dann auch für heute Schluss und dieser "Zwischentermin" vorbei, durch den die Verfahrensbeteiligten – trotz Zehn- Tages- Frist, die ein Strafverfahren in der Regel maximal unterbrochen werden darf – ihre Osterferien ein wenig ausweiten konnten. Was – nur am Rande - exzessiv von den Sitzungsvertretern des Generalbundesanwalt genutzt wurde, die heute ein neues Gesicht aufboten, das allerdings namenlos blieb.

Bestritten wurde der Verhandlungstag mit der Verlesung von sieben Zeitungsartikeln über den Sprengstoffanschlag am 16.01.1991 auf die Victoria-Figur auf der Berliner Siegessäule, die im Volksmund auch Goldelse genannt wird. Bereits einmal wurde in der Hauptverhandlung hierzu ein Artikel aus dem Berliner Boulevardblatt "B.Z." verlesen. Heute wurde auf Antrag der Verteidigung von Matthias B. nachgelegt, um erneut zu beweisen, dass das angebliche Insider- Wissen des Kronzeugen Tarek Mousli nicht über die Darstellungen und Detailtreue dieser Presseberichte hinausgeht, sondern vielmehr deckungsgleich mit ihnen ist.

Der Anschlag der "Revolutionären Zellen" auf die Siegessäule, bei dem lediglich geringer Sachschaden entstand, war am 17.01.1991 allen Hauptstadt- Zeitungen eine Meldung wert: "Sprengstoffanschlag auf Goldelse" war eine entsprechende Kurzmeldung in der "Berliner Morgenpost" überschrieben, ein längerer Artikel in der gleichen Ausgabe erschien mit der Überschrift "Goldelse: Bombe unterm Rock, aber sie blieb standhaft" (im Text u.a.: gefunden wurden "elektrische Sprengkapseln, Batterien und Weckerteile"). Die "Bild" schlagzeilte: "Ohrenbetäubender Knall. Bombe auf 'Goldelse' explodierte 40 Minuten zu früh" (im Text u.a.: "Sicher ist nur: sie (die RZ) müssen im Besitz eines Nachschlüssels gewesen sein") und in der "tageszeitung" war zu lesen: "Anschlag auf Goldelse. Erster Anschlag im Zusammenhang mit der Golfkrise" (im Text u.a.: "eine Stütze nur leicht beschädigt"). Die Welt brachte die Nachricht am gleichen Tag unter der Überschrift "Terroranschlag in Berlin".

Am 19.01.1991 legte dann die "Berliner Morgenpost" noch einmal mit einem Artikel nach, in dem hauptsächlich auf den entstandenen Sachschaden und die Folgen für die Standfestigkeit der Victoria eingegangen wurde (im Text u.a. "zwei Sprengsätze von drei Kilogramm" waren verwendet worden). Dass die Reparaturbemühungen des Bezirks Berlin- Tiergarten womöglich mehr Schäden versucht hatten als der Anschlag der RZ, konnte einem Artikel der "Frankfurter Rundschau" vom 05.02.1991 entnommen werden. Unter der Überschrift "Die Affäre um 'Goldelse' ist Berlin besonders peinlich" war zudem zu lesen, dass nicht mehr feststellbar sei, ob der ursprüngliche Schaden durch den Sprengstoffanschlag verursacht wurde oder die Halterung nicht schon seit dem Krieg derart beschädigt sei.

Der Prozess wird am 8. Mai, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Der Verhandlungstag am 9. Mai wurde aufgehoben.

der ausführliche Bericht entfällt


124. Prozesstag: 17. April 2003

Gericht lobt sich selbst

Ganze zwölf Minuten dauerte heute die Hauptverhandlung in Sachen Berliner "Revolutionäre Zellen" (RZ). Der frühlingshafte Tag und die anstehenden Feiertage fordern eben ihren Tribut.

Das Programm dieses Kurztermins wurde mit der Verkündung von zwei Beschlüssen des Senats bestritten. Die Bundesanwaltschaft (BAW) steuerte zudem eine Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung der Verteidigung von Harald G. vom 28.3.2003 bei. Das wars.

Die Beiziehung von Akten zu Daniel S. ist nach Auffassung des Gerichts nicht notwendig, ebenso wenig wie die Beiziehung der Ermittlungsakten im Fall Kawaters, des RZ-Anschlags auf die Staatskanzlei Düsseldorf und eines angeblichen RZ-Sprengstoffdepots in Essen.

Anlass für diesen Antrag der Verteidigung von Harald G. war der Fund eines so genannten Sprechzettel der BKA-Beamten Schulzke und Trede in übersandten Unterlagen des Verfassungsschutzes (VS). Darin ist die Rede von "umfangreichen Ermittlungen gegen die Person, bei der Sprengstoff beschlagnahmt worden war". Allerdings sind diese "umfangreichen Ermittlungen" nicht Gegenstand der vorliegenden Ermittlungsakten, die den Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht wurden. (vgl. 120. Prozesstag)

Diesem Antrag statt zu geben, lobte sich der Senat selbst, gebiete die "Sachaufklärungspflicht" jedoch nicht. Habe man doch in zahlreichen Vernehmungen von BKA-Beamten keine Hinweise auf "umfangreiche Ermittlungen", zumal vor 1997, erhalten. Nach offizieller Version hat das Bundeskriminalamt (BKA) erst Ende 1997 im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Prozess gegen Corinna Kawaters eine Verbindung zwischen dem angeblichen Fund des Sprengstoffs der Marke Gelamon 40 bei Daniel S. 1995 in Berlin und den RZ herstellen können, die bei Aktionen bevorzugt Sprengstoff dieser Marke eingesetzt hat.

Welche Relevanz eine Aufklärung dieses Sachverhalts für die Schuld- und Straffrage in diesem Verfahren habe, konnte das Gericht außerdem nicht erkennen. Gleiches gelte für die Meldeverhältnisse des Kronzeugen Tarek Mousli, womit ein weiterer Beweisantrag der Verteidigung von Harald G. abgelehnt wurde.

Ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die diversen Festnetz- und Mobiltelefonanschlüsse des Kronzeugen abgehört habe, hat für Bundesanwalt Bruns keine "Entscheidungsrelevanz" und keinen "Beweiswert". So jedenfalls der Tenor seiner Stellungnahme zu einer Gegenvorstellung der Verteidigung von Harald G.. Darin hatte die Verteidigung gegen den Beschluss des Gerichts vom 14.3.2003 argumentiert, mit dem die Ladung mehrere Zeugen in diesem Zusammenhang abgelehnt wurde.

Das Kammergericht habe bereits deutlich gemacht, dass eine Aufklärung dieser Frage für das Verfahren keine Bedeutung habe, so der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts. Auch Bruns bemühte die Schuld- und Straffrage und warf in diesem Zusammenhang der Verteidigung vor, sie habe sich dazu nicht geäußert. Zudem sei das Gericht nicht angehalten dem Interesse der Verteidigung nachzugeben, soweit wie möglich "die allgemeinen Lebensumstände eines Belastungszeugen" in der Hoffnung erhellen zu wollen, auf "Zufallsfunde" zu stoßen. Womit einmal mehr von Bruns das eigene Verhalten, wichtige Ermittlungsergebnisse der Verteidigung vorzuenthalten, den AnwältInnen angelastet und als unbilliges Vorgehen denunziert wurde, das auf die Integrität des Kronzeugen und nicht etwa auf die Überprüfung seiner Glaubwürdigkeit ziele.

der ausführliche Bericht entfällt


123. Prozesstag: 10. April 2003

Nö, ich mache einfach weiter!

Gegen den wiederholt vorgetragenen Einspruch der Verteidigung vernahm heute das Kammergericht erneut den Kronzeugen Mousli. Weder ein anfänglich eingereichter Widerspruch, noch der zwischenzeitliche Antrag auf Unterbrechung der Vernehmung konnten die RichterInnen dabei aufhalten. Selbst ein abschließend von fast allen VerteidigerInnen getragene Ablehnungsantrag gegen das gesamte Gericht konnte sie von ihrem Vorhaben abbringen: eine Zeugenbefragung bevor alle Ermittlungsergebnisse zu dem genannten Beweisthema gerichtsbekannt sind. Die noch ausstehenden Beschlüsse zur beantragten Aussetzung des gesamten Verfahrens blieben heute sogar völlig unerwähnt.

Mousli wurde zu einer angeblich konspirativ genutzten Wohnung in der Oranienstr. im Ortsteil Berlin - Kreuzberg befragt. Diese sei der RZ-Gruppe von Wolfgang B. wiederholt zur Verfügung gestellt worden. Obwohl er selbst nur einige Häuser weiter gewohnt habe, will er sich aber an das Haus, die Hausnummer, das Stockwerk oder andere Auffälligkeiten des Gebäudes bzw. der Wohnung nicht mehr erinnern können. Während einer Vernehmung vorgelegte Fotos und Skizzen hätten nahegelegt, dass es sich wohl um die Nr. 7/9 handeln könnte. Besonders diese letzte Aussage belegte heute eindrucksvoll und postwendend die Richtigkeit der Einspruchsgründe der Verteidigung. Denn nirgends ist die vom Zeugen behauptete Vorlage von Lichtbildern oder Skizzen zu diesem Thema bisher protokolliert gefunden worden.

Nach zahlreichen Unterbrechungen wurde der Kronzeuge zu einer Person mit dem Spitznamen 'Drogentod' befragt. Dieser soll angeblich der Gruppe Blankoausweisepapiere besorgt haben. Verteidiger Kaleck fasste die Qualität der folgenden Befragung durch die Vorsitzende Richterin Hennig in einer Bitte zusammen: ...sie möge bitte wenigstens die Antworten des Zeugen abwarten..., bevor sie ihm ohnehin seine Aussagen aus den Akten vorhält. So solle doch zumindest den Anschein einer tatsächlichen Zeugenbefragung gewahrt bleiben. Zu spät.....

ausführlicher Bericht


122. Prozesstag: 3. April 2004

Die Entdeckung der Geschwindigkeit

An das Beschleunigungsgebot bei Strafverfahren erinnerte sich heute die Bundesanwaltschaft (BAW) nach fast zwei Jahren Hauptverhandlung. Gerade rechtzeitig, um damit ihre Ablehnung des Antrages auf Prozessaussetzung zu begründen.

Die Verteidigung der Angeklagten Harald G. und Matthias B. hatte das zuvor verlangt, nachdem ein Verwaltungsgericht (VG) die Herausgabe von ungeschwärzten Verfassungsschutzakten als beweiserheblich beurteilt hatte (s. letzte Prozesstage). Die Sachaufklärung gebiete nicht die Übergabe der Protokolle in Reinschrift von Gesprächen zwischen dem Kronzeugen Mousli und dem Verfassungsschutz (VS) abzuwarten. Sie würden ohnehin nur einen kleinen Teil der Befragungen durch den VS wiedergeben.

Ein inkompetentes VG hätte ein fehlerhaftes Urteil gefällt, so BAW Bruns fast wörtlich, der ziemlich tonlos seine Argumente vortrug. Die Beweisbedeutung der VS-Unterlagen wäre völlig falsch gewürdigt worden, das Urteil sei sachlich nicht ausreichend gerechtfertigt, eine Bestätigung dieses Urteils in der Hauptsache wäre höchst unwahrscheinlich und die Gefahr, dass die gesamte bisherige Hauptverhandlung wertlos würde, zu groß.

Bitteres Gelächter erntete sein tatsächlich ernsthaft vorgetragener Eingangsargument: eine Aussetzung des Verfahrens verböte sich alleine schon durch das Gebot zur Beschleunigung des Verfahrens.... Außerdem könne ein abschließendes VG-Urteil (in ca. 2 Jahren) in Ruhe abgewartet werden, solange die Beweisaufnahme in diesem Verfahren nicht abgeschlossen sei! Bleibt die BAW weiterhin der 'Chef im Ring'? Bleibt das Kammergericht beharrlich im Windschatten?

der ausführliche Bericht entfällt


121. Prozesstag : 28. März 2003

Senat und BAW werden schon wieder angezählt

Welche Auswirkung die angekündigte positive Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zur Frage der Beiziehung ungeschwärzter Verfassungsschutz-Protokolle auf das RZ-Verfahren haben wird oder haben könnte, war heute Gegenstand lebendiger und mit Verve geführter rechtskundiger Erörterungen. Zwei Aussetzungsanträge von der Verteidigung Glöde und der Verteidigung Borgmann vervollständigten den Sieg auch in dieser Runde für die Angeklagten im RZ-Prozess.

Der Schlagabtausch zwischen der Bundesanwaltschaft, vertreten vom schnaubenden Libero Bruns, und einem unverhofft dribblingstarken Johnny Eisenberg verlief eindeutig zu Ungunsten des ermittelnden Oberstaatsanwalts. Eisenberg meinte, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Feststellung einer Erfolgsaussicht für den Antragsteller Glöde keine Anordnung an das Kammergericht ausgesprochen, die ungeschwärzten Vernehmungsprotokolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gegen den Willen des zuständigen BMI zum Schutze der Rechte des Angeklagten Glöde beizuziehen. Vielmehr habe es, das VG, dem Kammergericht eine Handreichung zur Wieder- oder erstmaligen Herstellung eines Verfahrens nach rechtsstaatlichen Prinzipien gegeben, welche das Kammergericht nun selber umsetzen müsse, um eben rechtsstaatlichen Kriterien zu genügen, so Eisenberg eloquent und mit Blick darauf, dass das Gericht bisher „noch nicht als sehr rechtskundig aufgefallen“ sei. Bruns gab sich „begeistert“ von den „zutreffenden“ Erörterungen des „Kollegen“ Eisenberg, vermutet hinter dem nach seiner Einschätzung „fehlerhaften“ Beschluss des VG jedoch geradezu eine gegen ihn und den Staat, den er vertritt, gerichtete Verschwörung: dass das VG mit dem Beschluss gleich an die Öffentlichkeit gegangen sei, beweise „wo’s hier lang gehen soll“.

Nach weiteren Stellungnahmen und Gegenvorstellungen der Verteidigung Glöde sah der Senat insgesamt recht grau und alt aus und beendete den Verhandlungstag.

Der Termin am Freitag, 4. April 2003 ist aufgehoben. Weiter verhandelt wird am Donnerstag, 3. April 2003 um 9.15 Uhr

ausführlicher Bericht


120. Prozesstag: 20. März 2003

Schmuddelkinder in roten Roben und gemeine Kollegen

Da muss der Vorsitzenden Richterin eine dicke Laus über die Leber gelaufen sein. Wie sonst ist ihr Ausfall zu Beginn der heutigen Hauptverhandlung zu erklären, als sie eine Verteidigerin anfuhr, sie habe mit ihrem letzten Beweisantrag den "falschen Eindruck erweckt", dass ihr Akten vorenthalten würden, obwohl sie diese Akten seit einem Jahr in ihrem Büro liegen habe. Dass dort lediglich unvollständige Ermittlungsakten liegen, der Antrag aber die auf die Übermittlung der vollständigen Akte abziele, insofern der Vorwurf direkt auf den Senat selbst zurückfalle, konterte die so Gescholtene gelassen. Der falsche Vorwurf, der allemal einen Befangenheitsantrag wert gewesen wäre, wurde also gelassen zurückgewiesen. Damit war das Thema aber nicht von Tisch. In weiteren Beweisanträgen, aber auch in einer Stellungnahme der Schmuddelkinder in roter Robe ging es immer wieder um die Zurückhaltung von Aktenbestandteilen und Ermittlungsergebnissen. Fündig wird die Verteidigung dabei immer wieder in den unlängst übersandten geschwärzten VS-Akten, die zahlreiche Hinweise auf Ermittlungen beinhalten, die dem Senat und der Verteidigung bislang vorenthalten wurden.

Diese VS-Akten dürften auch der Anlass gewesen sein, warum die Vorsitzende Richterin so ungehalten war. Hatten doch deren Kollegen vom Verwaltungsgericht Berlin mit einem Beschluss, der am Mittwoch bekannt geworden war, den Senat gehörig in Bredouille gebracht. Harald G. hatte vor dem Verwaltungsgericht auf die ungeschwärzter Herausgabe dieser VS-Akten geklagt. In ihrem Beschluss stellen die Verwaltungsrichter nun fest, dass diese Klage Aussicht auf Erfolg habe. Das Verwaltungsgericht lehnte es zwar ab, im Eilverfahren das Innenministerium zur Herausgabe der ungeschwärzten Vernehmungsprotokolle zu verpflichten. Vielmehr sei für eine Entscheidung in der Sache das Hauptsacheverfahren abzuwarten, so die Richter. Dabei habe Harald G. jedoch "Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht". Nun dauert so ein Verwaltungsgerichtsverfahren Jahre, das Strafverfahren kann aber längstens für 30 Tage unterbrochen werden. Wird das Verfahren ausgesetzt, ist der Prozess also geplatzt. Was tun? Rechtsanwältin Studzinsky forderte jedenfalls das Kammergericht auf, von sich aus das Verfahren auszusetzen. Und kündigte vorsorglich bereits jetzt an, am nächsten Verhandlungstag entsprechende Aussetzungsanträge zu stellen, falls der Senat bis dahin nicht gehandelt habe.

Wie sich der Senat entscheidet, kann frühestens am nächsten Freitag, 28.3., erfahren werden. Der Verhandlungstag am 27.3. wurde nämlich schon wieder aufgehoben.

ausführlicher Bericht


119. Prozesstag: 14. März 2003

Zeuge bezeichnet Behauptung von Mousli zu konspirativer Wohnung in Kreuzberg als unwahr

Vor gut gefüllten Zuschauerrängen wurde am heutigen Verhandlungstag der Bäcker und Taxifahrer Wolfgang B. (50) in den Zeugenstand gerufen. Der Kronzeuge hatte bekundet, dass Wolfgang B. in den Jahren 1986 bis 1988 in der Oranienstrasse in Berlin-Kreuzberg der Mieter einer von der RZ genutzten konspirativen Wohnung gewesen sein soll. Als "unwahr" bezeichnete B. in seiner kurzen Aussage diese Behauptungen des Kronzeugen. Weitere Aussagen verweigerte er, was das Gericht dem Zeugen aufgrund des Zeugnisverweigerungsrechts zugestand.

Zuvor hatte die Verteidigung von Harald G. in einem Beweisantrag gefordert, dass sämtliche Ermittlungsakten, die im Zusammenhang mit der von Mousli behaupteten konspirativen Wohnung geführt worden sind, endlich offen zu legen.

Abschluss des Tages bildete die Ablehnung des Antrages der Verteidigung von Harald G. vom 20.02.03. Darin war u.a. gefordert worden Mitschriften und Bänder von Abhörmaßnahmen, die durch den Bundesverfassungsschutz gegen Tarek Mousli durchgeführt worden waren, bereitzustellen. Dies sei - so die Verteidigung - deshalb von Interesse, weil seitens des BKA die Abhörmaßnahmen gegen Mousli ausgerechnet mit seiner Haftentlassung am 7.7.1999 ausgesetzt worden waren. Der Senat erwarte sich von den eingeforderten Unterlagen "keine weitere Aufklärung", so die Richterin in ihrer ablehnenden Begründung.

Die Verhandlung wird am 20.3.03. fortgesetzt. Voraussichtlicher Zeuge des Tages: Tarek Mousli.

ausführlicher Bericht


118. Prozesstag: 07. März 2003

Eigentümliche Eigentümervorstellung

Nach 33 Minuten war der heutige Verhandlungstag bereits beendet. Verlesen wurde ein Kündigungsschreiben der Mehringhof GmbH an die AL Kreuzberg. Daneben wurden Abrechnungsunterlagen aus diesem Mietverhältnis in Augenschein genommen. Das angebliche Mietverhältnis von Wolfgang B. in der Oranienstraße 7 oder 9 - ihm von Tarek Mousli nach Recherchen der Verteidigung angedichtet - war Thema der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu dem erweiterten Beweisantrag der Verteidigung vom letzten Verhandlungstag, der natürlich abgelehnt werden soll. So skurril ihre Argumentation ("Vermieter und Verwalter können keine Angaben über eine zeitweise Überlassung machen"), so skurril auch das Gebaren des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Übersendung von Aktenmaterial an die Prozessbeteiligten. "Absolut lächerlich" sei das Material, so Rechtsanwalt Kaleck, zudem im wesentlichen bereits bekannt.

Weiter geht es in den Kammerspielen am Freitag, den 14. März, um 9.15 Uhr mit der Zeugenbefragung von Wolfgang B.. Der Termin am 13. März wurde aufgehoben.

ausführlicher Bericht


117. Prozesstag: 27. Februar 2003

Der Tag der sicheren Lebenserfahrung

Ein Zeuge und ein ganzer Rattenschwanz von Antragsablehnungen seitens der Bundesanwaltschaft füllten die Stunde Verhandlung, die heute in den Kammerspielen gegeben wurde.

Der Zeuge, ein 66-jähriger Bauingenieur, war Anfang der 90-er Jahre 'zuständiger Gruppenleiter für den Hochbaubereich' beim Bezirksamt Mitte. Er zog einen endgültigen Schlussstrich unter die Mousli-Mär, es gebe einen unterirdischen Zugang zur Verkehrsinsel am großen Stern, auf welcher die Siegessäule prangt. Sehr wohl gebe es - und zwar, wie Richterin Hennig unterstrich, durchaus unterirdisch - die bekannten, 'Tonnen' genannten Fußgänger-Unterführungen zur Insel, die jedoch nachts an beiden Enden versperrt würden. Unausgesprochen stand die Erkenntnis aus 'sicherer Lebenserfahrung' im Raum, dass ein ziemlicher Depp sein muss, wer sich Nachschlüssel für die beiden Scherengitter besorgt, um nachts unbemerkt an die Siegessäule heran zu kommen.

Anschließend verwarf die Bundesanwaltschaft bis auf einen - der wohl noch nicht durch die BAW-Mühle durch ist - alle Anträge der Verteidigung Glöde vom 20. Februar 2003 sowie einen der Verteidigung Haug. Als Begründung musste auffällig oft das Textmodul mit der Phrase 'sichere Lebenserfahrung' herhalten.

Weiter geht es am Freitag, 7. März, um 9.15 Uhr. Der Termin am Donnerstag, 6. März, wurde aufgehoben.

ausführlicher Bericht


116. Prozesstag: 20. Februar 2003

Wieder Mal beim Lügen ertappt

Nach der den Winterferien geschuldeten Prozesspause ging es heute in gewohnter Manier in der Hauptverhandlung weiter. Ganze zwei Stunden dauerte der Prozesstag. Bestritten wurde er zum größten Teil durch die Verteidigung.

In zahlreichen Beweisanträgen ging sie erneut der Frage nach, inwieweit der Verfassungsschutz bei der Kronzeugenwerdung von Tarek Mousli eine Rolle spielte. Daneben ging es zum wiederholten Male um die Manipulation von überlassenen Akten und die Frage, wie lang das Sprengstoffpaket, das angeblich von Mousli 1995 in einem Seegraben versenkt worden sein soll, im Wasser gelegen haben kann.

Mit einem umfangreichen Beweisantrag brachte die Verteidigung von Harald G. zudem eine weitere Lüge des Kronzeugen zu Tage. Dieses Mal ging es um seine Behauptung, es habe in Berlin-Kreuzberg eine konspirative Wohnung der RZ gegeben. Wie die Verteidigung durch die Ladung zahlreicher ZeugInnen beweisen will, hat es zu dem damaligen Zeitpunkt allerdings kein Mietverhältnis zu der von Mousli der Anmietung dieser Wohnung beschuldigten Person in einem der fraglichen Objekte gegeben.

Der morgiges Verhandlungstag wurde aufgehoben. Ausfallen wird auch der Verhandlungstag am 28. Februar. Der Prozess wird kommenden Donnerstag, den 27. Februar, um 9.15 Uhr fortgesetzt.

ausführlicher Bericht


115. Prozesstag: 10. Februar 2003

Abspecken

Zu den herausragenden Ereignissen des 115. Verhandlungstages am 10.2.03, der immerhin 17 (in Worten siebzehn) Minuten währte, gehörte die Mitteilung der Vorsitzenden, das eine Ergänzungsrichterin abberufen worden sei. Auf die Frage nach dem Grund, kam nur die Kurzbemerkung "abspecken".

Ansonsten wurden ein Bild des Sprengstoffpaketes sowie ein Ausschnitt aus dem Berliner Stadtplan in Augenschein genommen und vom Gericht die Ablehnung zweier Anträge der Verteidigung B. bzw. H. bekannt gegeben.

Die Fortsetzung der Verhandlung wurde auf den 20.2.03 festgelegt, d.h. die nächsten beiden Verhandlungstage am 13. und 14.2.03 werden mal wieder abgesagt.

der ausführliche Bericht entfällt


31.01.2003: 114. Prozesstag

Ein Verteidiger im Zeugenstand (114. Prozesstag)

Rechtsanwalt Euler (Verteidiger des Angeklagten Rudolf S.) bezeugte heute das unbeeinflusste Zustandekommen der früheren Zeugenaussage von Barbara v.W. vor diesem Kammergericht. Dabei gab er freimütig tiefe Einblicke in die Vorbereitung der Verteidigung auf diesen Prozess. Unter anderem attestierte er Bundesanwalt Griesbaum den Willen zu einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit und berichtete anschließend über abweichende Positionen zwischen beteiligten AnwältInnen vor und während des Verfahrens. Seine getroffene Vereinbarung - im Gegenzug zur umfangreichen Einlassung seines Mandanten Mitte Januar letzten Jahres - bezeichnete er als einen öffentlichen Vertrag mit dem Kammergericht.

Ein weiterer Zeuge gab Auskunft über den beruflichen Werdeganges des Angeklagten Matthias B. an der Technischen Universität Berlin. Das Programm wurde abgerundet durch die Verkündung zahlreicher Ablehnungsbeschlüsse zu Beweisanträgen der Verteidigung. Zur Auflockerung diente zwischenzeitlich das Verlesen einige Dokumente und mit frischen Beweisanträgen durch die AnwältInnen wurden die drei BesucherInnen nach mehr als zwei Stunden erlöst.

Die Fortsetzung folgt am 10. Februar 2003, ausnahmsweise um 14:00 Uhr, voraussichtlich in Form eines Kurztermins zur Fristenwahrung.

ausführlicher Bericht


23.01.2003: 123. Prozesstag

Kurz und schmerzlos

Nach nicht einmal 50 Minuten war der heutige Prozesstag schon wieder vorbei. Befragt wurde erneut der diesmal mit leicht aufgedunsenem Gesicht erschienene Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft (BAW), Christian Monka.

Monka, der zunächst Mühe hatte, sein Lebensalter zu memorieren, aber immerhin sein Geburtsjahr wusste (er ist 38), wurde zu dem Brief "Lieber Luka", der 1999 in der Wohnung von Tarek Mousli gefunden wurde, befragt. Mousli habe damals angegeben dieser Brief gehöre nicht ihm, sondern seinem damals schon verstorbenem Bekannten Roger W. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass das Papier den Behörden damals schon als "höchst intern" bekannt und auch zeitlich einzuordnen gewesen sei.

Dass Mousli mit seiner Behauptung nicht die Wahrheit sage, sei ihm "aus dem Bauch heraus schon damals klar" gewesen, das sei "eben kriminalistisches Gespür, das einen befällt"; Mousli habe, sprachlich gewandt und unauffällig, eine "Mauertaktik" angewandt.

Auf die Fragen der Verteidigung, warum Mousli nie auf seine Lügen und die Beschuldigung des damals schon verstorbenen Roger W. angesprochen wurde, machte Monka die damals noch unzureichende Beweissituation geltend.

Die BAW beantragte in verschiedenen Stellungnahmen, Anträge der Verteidigung zurückzuweisen. So auch den Antrag der RechtsanwältInnen Kaleck und Lunnebach, die einen rechtlichen Hinweis des Gerichts auf die konkreten Tatvorwürfe gegen ihren Mandanten verlangt hatten. Laut Strafprozessordnung müssen Tatvorwürfe genau bestimmt sein oder im Nachhinein vom Gericht im Rahmen eines rechtlichen Hinweises konkretisiert werden. Bundesanwalt Michael Bruns lehnte ein solches Ansinnen mit den Worten ab, es sei keine Variante zu den Tatbeteiligungen des Angeklagten jenseits der Aussagen von Tarek Mousli denkbar.

Bruns war es auch, der sich in einer weiteren Stellungnahme sprachlich an Rechtsanwalt Euler und insgesamt an der Zunft der Rechtsanwälte verging, nachdem beantragt worden war, Rechtsanwalt Euler als Zeugen in Hinblick auf das Beinschussattentat auf Hollenberg zu vernehmen. Bruns vertrat die Auffassung, damit wolle der Rechtsanwalt auf mehr Glaubwürdigkeit als in seiner schon gemachten Stellungnahme hinaus und bringe damit die Reputation der gesamten Rechtanwälte in Verruf.

Es blieb Rechtsanwalt von Schlieffen vorbehalten, auf diesen kuriosen Anwurf zu erwidern. Euler solle keineswegs als Leumund für seinen Mandanten fungieren, sondern vielmehr Tatsachen bekunden, die er im Rahmen seiner Arbeit in Erfahrung, aber noch nicht vor Gericht zur Kenntnis gebracht habe. Neben weiteren Ungenauigkeiten sei vor allem zu bemängeln, dass für Bruns die Erklärung Eulers bereits als Beweisaufnahme gelten solle.

Abschließend wurden Lichtbilder des Bahngeländes in Augenschein genommen, die beweisen, dass Mouslis Angaben zu seinem Überwachungsstandort, dem Fluchtweg über angebliche S-Bahngleise mit Hochleitungen und Straßenführungen, die er im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Harald Hollenberg ausgespäht haben will, sämtlich falsch sind.

Der Prozesstermin am 30. Januar wurde aufgehoben, fortgesetzt wird am 31. Januar 2003 um 9.15 Uhr. Es sieht, mit Blick auf ein etwaiges Prozessende, nach Sommer aus...

der ausführliche Bericht entfällt


16.01.2003: 112. Prozesstag

Anträge, Stellungnahmen und Beschlüsse

Zwei Zeugen, Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW) zu Anträgen der Verteidigung, weitere Anträge der Verteidigung und zahlreiche Beschlüsse des Kammergerichts waren heute Gegenstand der Verhandlung.

Ein BKA-Beamter gab Auskunft über die Zusammenstellung zweier "Lichtbildmappen" aus seinem Haus. Geklärt werden sollte, welche Fassung bei einer Vernehmung 1987 benutzt worden war. Auskunft über einen anonymen Anruf bei der Senatsverwaltung für Justiz im November 1987 über ein angebliches Waffen- und Sprengstoffdepot im Mehringhof erteilte im Anschluss daran ein inzwischen pensionierter Berliner Staatsschutzbeamter. Nach seinen Aussagen hätte dieser Anruf keine "Exekutivmaßnahmen" nach sich gezogen.

In ihrer Stellungnahme zu den Beweisanträgen der Verteidigung von Harald G. vom 9. Januar sprach sich die BAW jeweils für deren Ablehnung aus. Abgelehnt wurden vom Kammergericht diverse Anträge auf Inaugenscheinnahme bzw. eine Ortsbesichtigung des Seegrabens im Norden Berlins, in dem Tarek Mousli 1995 Sprengstoff versenkt haben will. Ebenfalls abgelehnt wurden die Anträge auf Beschlagnahmung der Fahrtenbücher des BKA und der Berliner Polizei sowie die Dienstreiseabrechnungen der BKA-Beamten Schultzke, Trede und Barbian, durch die geklärt werden sollte, wie oft sie zwischen Juni und August 1999 am Seegraben gewesen waren. Stattgegeben wurden Anträgen der Verteidigung von Rudolf Sch. auf Inaugenscheinnahme einer französischen Straßenkarte, dreier Fotos einer Bunkeranlage in der Bretagne und zahlreicher Fotos vom Seegraben.

Die Verteidigung von Axel H., wie auch die von Matthias B., forderten das Gericht auf "tatsächliche Hinweise auf den konkreten Tatbeitrag" ihrer Mandanten beim Anschlag auf die Berliner Siegessäule 1991 zu geben. Bislang wurde in der Anklage pauschal der Vorwurf erhoben, beide wären an der Tatortaufklärung und -absicherung sowie beim Ablegen des Sprengsatzes beteiligt gewesen. Rechtsanwalt von Schlieffen, Verteidiger von Axel H., stellte zudem den Antrag, Rechtsanwalt Euler als Zeugen zu laden. Er könne bestätigen, dass es keine Absprache mit der Zeugin Barbara W. gegeben habe, sich als Schützin beim Anschlag auf Harald Hollenberger zu erkennen zu geben. Mit drei weiteren Anträgen der Verteidigung von Matthias B. ging der Prozesstag nach knapp zwei Stunden zu Ende. So soll der Leiter des Bauamts Mitte geladen werden, der bestätigen soll, dass es kein unterirdischer Zugang zur Siegessäule existiert, wie es Tarek Mousli in seiner Aussage behauptet. Zudem sollen diverse Artikel aus verschiedenen Zeitungen verlesen werden, die kurz nach dem Anschlag auf die Siegessäule erschienen waren. Damit soll gezeigt werden, dass das vermeintliche Insider-Wissen des Kronzeugen nicht über die dort publizierten Details hinausgeht. Mit der Ladung des Leiters des Referats Grundstücks- und Gebäudebetreuung der Technischen Universität Berlin (TU) und der Leiterin der Personalabteilung der TU will die Verteidigung beweisen, dass Matthais B. keine Möglichkeit gehabt habe, Räume für RZ-Treffen zu beschaffen, wie es Mousli behauptet, und darüber hinaus deutlich machen, wie der Kronzeuge seine Aussagen immer wieder revidiert, um Widersprüche zu kaschieren. So hat er zuerst angeben, "Heiner" (laut Mousli Deckname von Matthias B.) habe 1986/87 "im Ausländerbereich der TU" gearbeitet, was er nachweislich nicht getan hat, um dann zu behaupten, diese Information habe er erst im Nachhinein von Dritten erhalten.

Der Prozess wird am Donnerstag, den 23. Januar, fortgesetzt. Der Termin am Freitag, den 24. Januar, wurde aufgehoben.

ausführlicher Bericht


10.01.2003: 111. Prozesstag

Zeugenschutz ist die Gleitcreme der Kronzeugenregelung

Ein langer Vormittag, im Verlaufe dessen die inhaltliche Leere zu atmosphärischen Entladungen führte, welche das "absurde Theater" (Bundesanwalt Bruns) unnötig in die Länge zogen.

Die Befragung des Zeugenschützers Torsten Klein, der den Kronzeugen während dessen U-Haft in Köln-Ossendorf betreute, war so ergiebig wie Wind um die Ecke zu schaufeln. Die schlacksige Erscheinung mit frischer Föhnfrisur und Hugo-Boss-Anzug war von einer Geschmeidigkeit, wie sie der in der Überschrift beschriebenen Funktion des Zeugenschutzes nur dienlich sein kann. Er wand sich wie ein glitschiger Fisch aus den Befragungsversuchen und lieferte Schablonensätze zu seiner Tätigkeit als Zeugenschützer für Tarek Mousli und dessen Lebensgefährtin Jeanette O. (im Zeitraum zwischen November 1999 und April 2001), die verbindlich klingen sollten, was ihrer Dürftigkeit jedoch keinen Abbruch tat.

Er wurde gefragt, inwieweit er sich als Zeugenschützer mit Mousli über die Zeugenvernehmungen im RZ-Verfahren und dessen Einschätzung davon unterhalten habe. Dazu erklärte er, es sei Standard im Zeugenschutz, die Gemütsverfassung der Zeugen abzufragen, um gegebenenfalls psychologische Unterstützung leisten zu können. Mousli sei aus den Verhandlungen in unterschiedlichen Gemütszuständen herausgekommen, "mal schlechter, mal besser". Was im einzelnen insbesondere über Mouslis jeweilige Aussagen oder Erlebnisse vor Gericht gesprochen wurde, konnte der Befragte nicht erinnern.

Als Zeugenschützer auch Jeanette O.s habe er eine "Mixtur aus Zeugenschutz und Gesprächsüberwachung" bei den Besuchen Frau O.s bei Mousli zelebriert. Mit den Kollegen Ermittlern habe er nur insoweit Austausch zum Verfahren gehabt, als dies für die Einschätzung der Gefährdungslage seiner Zeugen relevant war: eben Zeugenschützer durch und durch. Mit den Ermittlungen selbst habe er nichts zu tun gehabt. Im übrigen, so stellte sich bald heraus, hatte er mit Mousli zu Beginn des Prozesses vor dem Kammergericht nichts mehr zu tun, konnte sich infolgedessen mit ihm auch nicht über dessen Verfassung nach den Verhandlungstagen unterhalten. Dass er jedoch seine Klientin Jeanette O. telefonisch Mitte Dezember 1999 davon entband, gegenüber Mouslis damaligem Anwalt Assner weiter "lügen" (Kleins Wort) zu sollen, widerspricht dieser angeblichen generellen Beschränkung auf den Zeugenschutz.

Es kam am Rande dieser peinvoll drögen Befragung des aalglatten Zeugen zu verbalen Auseinandersetzungen, die zu zwei viertelstündigen Unterbrechungen der Verhandlung führten, welche die überforderte Vorsitzende anordnete. Bundesanwalt Bruns "störte" (RA Eisenberg) durch häufige Genervtheitsäußerungen am Rande. Er nannte die Vernehmung Kleins "absurdes Theater, Eisenberg konterte, allein der Zeuge zeige "absurdes Theater.

Der Wahrheitsfindung diente all das wenig. Alle weiteren Nachfragen stießen bei dem Zeugen auf Erinnerungslücken und Standardformulierungen ohne Inhalt.

Am Ende wies die Bundesanwaltschaft noch die beiden Anträge der Verteidigung vom 30.12.2002 zurück, was insoweit für Aufregung sorgte, als Bundesanwalt Walenta behauptete, die Zeuginnen v.W. und E. seien bei ihrer Vernehmung zur Literatur innerhalb des "Lesezirkels" ehemaliger RZ-Mitglieder bereits befragt worden und hätten keine Titel aufzählen können.

Hastig forderte RA Eisenberg die entsprechende Befragung der präsenten Zeugin E. zu dieser Behauptung, die der Verteidiger und seine Mandantin Sabine Eckle erbost zurückwiesen. Dazu kam es nicht mehr.

der ausführliche Bericht entfällt


 

09. Januar 2003: 110. Prozesstag

"Vertrauen sie nicht auf mein Gedächtnis. Das ist katastrophal!" (T.Mousli)

Ein kurzer Tag, der seine Spannung aus den Anträgen zog, die RAin Studzinsky stellte, um – einmal mehr – die völlige und offensichtliche Unglaubwürdigkeit des Kronzeugen Tarek Mousli zu untermauern.

Zunächst wurde der Kriminalbeamte B. zu den Lichtbildmappen befragt, welche dem unterdessen verstorbenen Geschädigten Harald Hollenberg im Zusammenhang mit dem Knieschussattentat der RZ auf ihn im Oktober 1986 vorgelegt wurden. Hollenberg hatte mit seinen Aussagen über die Schützin ein Phantombild ermöglicht und sodann in einer der beiden Bildmappen des BKA das Bild einer Frau entdeckt (Mappe 1, 25.1), welches „nach Alter und Gesichtsform“ der Täterin am nächsten komme, wie er zu Protokoll gab. Über das Interesse des Gerichts an der Aufklärung der Sachfragen sagte die Tatsache viel aus, dass erst Rechtsanwalt Euler auffiel, dass in derselben Mappe auch ein Bild der jungen Frau Eckle enthalten war, welches dem Zeugen mithin ebenfalls vorgelegt worden sein muss, ihm aber offenkundig nichts sagte.

Ein rüstiger Pensionär, einst Beauftragter für Sicherheit und Katastrophenschutz bei der Senatsverwaltung Berlin, rekonstruierte einen Anruf aus dem Jahre 1985, der im Vorzimmer des damaligen Justizsenators mit dem Hinweis einging, dass Sprengstoff im AL-Büro und einer Buchhandlung im Mehringhof deponiert sei. Aus eigener Erinnerung konnte der 73-Jährige jedoch nicht mehr dazu sagen.

Die Anträge der Verteidigerin des AG Glöde fußen auf intensiver Sichtung der Protokolle der Vernehmungen des Kronzeugen im Laufe der Jahre 1999 bis 2001 (Die Anträge werden in Kürze auf der Freilassungsseite ins Netz gestellt). Der erste Antrag drehte sich wieder um Lichtbildmappen, diesmal jene, die dem Kronzeugen vorgelegt wurden. Er erkannte darauf einmal die Person Thomas Krams (Deckname „Malte“), die er jedoch nur einmal in seinem Leben aus der Entfernung und sehr kurz gesehen haben will. Gerd Albartus jedoch, den er als sehr guten Freund bezeichnete, mit dem er schon vor seiner aktiven RZ-Zeit intensive Gespräche auch zu strafrechtlich hoch sensiblen Themen – wie dem Attentat auf den hessischen Innenminister Karry - geführt haben will, erkannte er auch auf sehr eindeutigen und deutlichen Bildern bei verschiedenen Vernehmungen nicht. Über Albartus machte der Kronzeuge weitere belastende Aussagen, die jedoch nachweislich unwahr sind. An den Aussagen, die Mousli im Zusammenhang mit einem Arzt, der der linksextremen Szene Kreuzbergs jener Jahre zugerechnet wurde, verdeutlicht Studzinsky in einem weiteren Antrag, wie Mousli, der den Betreffenden zunächst weder kennen wollte noch auf Fotos erkannte, Aussagen von den vernehmenden Beamten untergeschoben werden und im Laufe der Anhörungen zu Statements aus seiner Erinnerung werden, die Unbeteiligte zum Teil erheblich belasten. Ein weiteres eklatentes Beispiel für diese Art von suggestiver Produktion belastenden Gedächtnismaterials böten, so der nächste Antrag, Mouslis Aussagen zu Herbert H., dem er die illegale Beschaffung von Blanko-Reisepässen für die RZ aus der Bundesdruckerei anlastete. Da jedoch seit 1971 keine Blanko-Papiere mehr aus der Bundesdruckerei verschwunden sind, wird deutlich, dass Mousli erneut aus einem Hörensagen plauderte, das er zur Befriedigung von Aussagebedürfnissen der Verfolgungsbehörden nach Bedarf aus seiner Fantasie angereichert habe, so Studzinsky. Die Akten zu dem abgetrenntem Verfahren und der Aussage der Bundesdruckerei zu verschwundenen Pässen, habe die BAW in Teilen bis heute unterschlagen, um Senat und Verteidigung willentlich im Unklaren über diese Lüge Mouslis zu lassen, vermutet die Anwältin. Ein weiterer Widerspruch findet sich in Mouslis Aussagen zu seiner Kenntnisnahme des sogenannten Luka-Briefes, zum dem er drei sich widersprechende Aussagen zu Protokoll gegeben hat. Außerdem stellte sich RA Euler mit einer Erklärung als Zeuge zur Verfügung über das zeitliche Zustandekommen der Aussage Rudolf Schindlers zum Anschlag auf Hollenberg und die Tatbeteiligung von Barbara W.

ausführlicher Bericht


30.12.02: 109. Prozesstag

Schiebetermin vor Neujahr mit Walter Benjamin

Der heutige Kurztermin zur Überbrückung der Ferientage wurde ausschließlich mit der Verlesung von Anträgen und dem Verkünden von Beschlüssen bestritten. Auch die Bundesanwaltschaft (BAW) hatte diesem Termin offensichtlich keinerlei Bedeutung beigemessen und als einzigen Vertreter einen bislang Unbekannten ins Rennen geschickt.

Den größten Teil des ca. einstündigen Verhandlungstages benötigte Rechtsanwalt König mit dem Verlesen eines 30-minütigen Antrages, der sich v.a. mit Texten beschäftigte, die in dem sogen. Literaturarbeitskreis gemeinsame Diskussionsgrundlage gewesen sein sollen. Diesen Arbeitskreis hatte der Angeklagte Sch. in seiner Einlassung für sich und seine Frau Sabine E. als neue inhaltliche Orientierung, nach ihrer Abkehr von einer militanten Politik, benannt. Zwei weitere Zeuginnen sowie der Angeklagte H. hatten danach ihre Mitarbeit in diesem Arbeitskreis bekundet und damit die Einlassung von Rudolf Sch. bestätigt.

Die Verteidigung referierte heute, dass sich die Beteiligten mit Texten von Sartre, Adorno/Horkheimer, Kristeva, Irigary und Benjamin auf die Suche nach "neuen geistigen Horizonten" und neuer inhaltlicher Neuorientierung begeben hätten, nachdem Sch. und E. ihre Mitgliedschaft in den RZ; Ende 1987; aufgegeben hatten. Die Beschäftigung mit neuen inhaltlichen Fragestellungen, so Rechtsanwalt König, belege die bewußt vollzogene Abkehr von dem Primat einer militanten Politik. Nach 1987 habe es seitens von Rudolf Sch. und Sabine E. keine Kontakte mehr mit den RZ gegeben, damit also auch nicht mit Mousli, der sich damals für ein Weitermachen in den RZ entschieden hätte.

ausführlicher Bericht


20.12.2002: 108. Prozesstag

"Wir sind dann drei Mal gefahren zum Seegraben"

Etwas mehr als eine Stunde wurde heute die Hauptverhandlung im "Berliner RZ-Verfahren" fortgeführt. Von zentraler Bedeutung waren dabei zwei Telefonmitschnitte, die den Prozessbeteiligten über die krächzende Lautsprecheranlage des Saal 500 vorgespielt wurden. Im ersten Mittschnitt, einer längeren Konversation zwischen Tarek Mousli und seiner Mutter, vom 19.9.99, schilderte der Kronzeuge nicht nur, wie er vom Bundeskriminalamt (BKA) massiv unter Druck gesetzt worden war, er erklärte auch insgesamt drei Mal am Seegraben gewesen und dort mit Beamten nach dem Sprengstoff gesucht zu haben. Dies ist insofern von Bedeutung, als zunächst nur ein Seegrabenbesuch aktenkundig geworden war. Der zweite Besuch konnte erst in der Hauptverhandlung, mühselig und lückenhaft rekonstruiert werden. Von einem dritten Besuch wollen bisher weder Mousli noch die ermittelnden Beamten etwas wissen.

Auch der zweite Mitschnitt, eine Nachricht , die der Zeugenschützer "Torsten" auf dem Anrufbeantworter der Freundin von Mousli, Jeanette Olbricht, am 14.12.99, hinterließ, förderte ein interessantes Detail zu Tage. In überaus freundschaftlichem Ton teilte "Torsten" Frau Olbricht mit, dass sie gegenüber dem damaligen Anwalt von Mousli nicht mehr zu lügen brauche. Dieser wisse nun, dass Mousli Aussagen machen werde. Mousli hatte bis dahin die Absicht ins Zeugenschutzprogramm einzusteigen gegenüber seinem Anwalt verschwiegen. Allerdings - so der abschließende Satz von Torsten - "über alles andere, was wir besprochen haben, bitte ich dich nicht zu sprechen".

ausführlicher Bericht entfällt


12.12.2002: : 107. Prozesstag

'Tag der Pausenbrote': Der 'Torsten' und die 'Videoübertragungsdurchsuchungsmaßnahme'

Heute hielten sich Pausen und Verhandlungszeit die Waage, obwohl Rechtsanwalt Eisenberg zwei längere Monologe hielt, denn die Choreographie des heutigen Tages war misslich.

Der 'Torsten', der 32jährige BKA- Beamte Torsten Klein nämlich, wurde heute zur Durchsuchung des MehringHofes befragt, denn 'Torsten' hielt den Kontakt zum Kronzeugen Tarek Mousli, der von "einem weit entfernten Ort" auf der Suche nach dem vermeintlichen Sprengstoff- und Waffendepot die Videokamera durch den MehringHof führte. Mousli habe einen Aufzugschacht und den Hinterhof als mögliche Fundstellen bezeichnet, sei dann aber "verwundert" gewesen, an diesen Orten keine Stahlplatte finden zu können, unter der Waffen und Sprengstoff angeblich lagern sollten. Zu weiteren Fragen in Zusammenhang mit den Aussagen Tarek Mouslis und seiner Tätigkeit als Zeugenschützer verweigerte Klein Angaben, da er hierfür keine Aussagegenehmigung habe.

Der Versuch der Vorsitzenden Richterin, eine solche Aussagegenehmigung in einer zweieinhalbstündigen Unterbrechung beim Leiter der BKA- Zeugenschutzabteilung, Graf, zu erwirken, scheiterte, weil Graf auf einen schriftlichen Antrag bestand, zu dem sich Hennig nicht in der Lage sah.

Die um 13.30 Uhr wieder beginnende Verhandlung bestand daher lediglich aus Stellungnahmen der Bundesanwaltschaft (BAW), die zwei Beweisanträge der Verteidigung vom 5. Dezember monierte und drei neuen Anträgen der Verteidigung. Diese Anträge sollen nachweisen, dass im MehringHof kein geeigneter Ort für ein Depot vorhanden war und dass der Angeklagte Axel H. rein aus gesundheitlichen Gründen an dem Anschlag auf die Siegessäule nicht beteiligt gewesen sein kann, was jedoch Mousli behauptet. Der dritte Antrag will beweisen, dass beim BKA durchaus eine Sprengstoffsofortmeldung eingegangen und auch bearbeitet worden ist, was dann die Frage aufwürfe, warum das BKA behauptet, diese Meldung sei "versehentlich liegengeblieben".

Der nächste Prozesstag wird Freitag, der 20. Dezember 2002 sein, auch wenn Frau Hennig noch keine Ahnung hat, was verhandelt werden soll. Ohnehin hat man sich offenbar daran gewöhnt, nur noch einmal pro Woche zu verhandeln.

ausführlicher Bericht


05.12.2002: 106. Prozesstag

Die Staatsanwaltschaft in Bewegung

Die umfangreiche Liste der unterschlagenen oder vorenthaltenen Ermittlungsunterlagen in diesem Verfahren wurde heute verlängert. Die Staatsanwälte versuchten noch in einer Sitzungspause die fehlenden schriftlichen Aktenvermerke der Ermittler vom Bundeskriminalamt (BKA) eiligst herbeizuschaffen. Die Aussagen zweier Kriminalbeamter über ihre Befragung des Kronzeugen Mousli löste diese Betriebsamkeit aus. Zum wiederholten Male hatte das BKA eine Zusammenfassung der wesentlichen Ermittlungsergebnisse erstellt, diesmal zu vermuteten Personen im Umfeld der Roten Zellen / Roten Zora und zum wiederholten Male nicht den Prozessakten beigefügt. Weiterhin hatte der Kronzeuge in seinen damals protokollierten Aussagen zwei Frauen der Tatbeteiligung an einen Anschlag auf das Gentechnisches Institut im Jahre 1986 bezichtigt. In dem laufenden Verfahren vor dem Kammergericht hatte er sich nun von diesen Beschuldigungen wieder distanziert, im Gegensatz zu den Polizisten. Wer damals wem welche Lügengeschichte unterschieben wollte, konnte heute letztlich nicht geklärt werden.

Anträge der Verteidigung und ein weiterer polizeilicher Zeitzeuge bei der Durchsuchung im Mehringhof im Jahre 1999 füllten das Halbtagsprogramm aus.

ausführlicher Bericht


28.11.2002: 105. Prozesstag

Aus dem Leben eines Sprengmeisters

Der heutige relativ kurze Prozesstag hatte im wesentlichen die Erneuerung des Antrages Euler auf Ortstermin am Seegraben, einen Antrag zu RZ-Sicherheitsstandards im Umgang mit Explosivstoffen sowie die Befragung eines Sprengmeisters aus Ostwestfalen zum Inhalt.

Rechtsanwalt Euler hat seinen Antrag vom 25. September 2002 auf Ortsbesichtigung am Seegraben in Buch bei Berlin zurückgezogen und in überarbeiteter und erweiterter Form gemeinsam mit seinem Kollegen König neu gestellt. Euler beantragte außerdem, es solle die RZ-Schrift "Feuer und Flamme für diesen Staat" zur Verlesung gebracht werden, in der Maßregeln zum Umgang mit Sprengmitteln enthalten seien. Die darin nieder geschriebenen Grundsätze der RZ widersprächen grundsätzlich der Angabe des Kronzeugen, dass zu einer bestimmten Zeit Sprengstoff in einem Aufzugschacht des Mehringhofes deponiert gewesen sein soll, der jedoch trotz mehrfacher "Profi"-Absuche durch Polizei und BKA niemals gefunden noch nachgewiesen werden konnte.

Der aufrechte Sprengmeister aus Lemgo, der auf 25 Jahre Sprengerfahrung zurückblicken kann und für das Steinheimer Depot der Firma Westspreng (mit Sitz im sauerländischen Finnentrop) allein verantwortlich ist, wurde ausführlich zum Prozedere des Sprengstofferwerbs, -transports, der Lagerung und des Weiterverkaufs befragt. Aus Steinheim nämlich stammten jene Gelamon-40-Stangen, welche am 4.7.1987 bei der Firma Klöckner in Salzhemmendorf gestohlen worden sind. Hinter dem Diebstahl sollen die RZ gesteckt haben, der Sprengstoff tauchte bei verschiedenen Anschlägen und in Depots wieder auf. Gesucht wird nach der Herkunft jener Sprengstoffstangen, die nach Angaben des Kronzeugen eine Zeit lang im Mehringhof gelagert haben sollen, ehe sie Tarek Mousli im Keller deponiert hatte, wo ein Teil wiederum bei einem Einbruch gestohlen wurde, und deren Reste Mousli nun wieder im Frühjahr 1995 im berühmten Seegraben versenkt haben will..

ausführlicher Bericht


22.11.2002: 104. Prozesstag

Akribisch und mit Sorgfalt, zumindest das BKA

Nach zweiwöchiger Unterbrechung fand heute die Hauptverhandlung ihre Fortsetzung. Geladen war zum wiederholten Male ein Kriminalbeamter des Bundeskriminalamtes (BKA), der - wie seine Kollegen zuvor auch - bestätigte, dass er am 19.12.1999 den Mehringhof akribisch, sorgfältig und ohne jeglichen Zeitdruck durchsucht hätte.

Was folgte, war die Ablehnung zahlreicher Beweisanträge der Verteidigung durch den 1. Strafsenat. Zur Unterfütterung waren zuvor ein Qualitätszertifikat des VEB Schönbeck und diverse Geschäftsdokumente der Westspreng GmbH verlesen worden, auf die sich im folgenden das Gericht bei seinen Ablehnungsbegründungen bezog. Weil es kein Beitrag zur Wahrheitsfindung sei, wurden die Ladungen zweier Zeugen aus dem VEB Schönbeck und die Ladung eines Mitarbeiters der Bundesanstalt für Materialprüfung verworfen. Die Verteidigung hatte deren Ladung beantragt, um zu klären, ob der Sprengstoff, der in einem Seegraben im Norden Berlins im August 2000 gefunden worden war, tatsächlich aus einem Sprengstoffdiebstahl stammt, der den RZ zugeordnet wird.

Wie die Vorsitzende Richterin bekannt gab, liegen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft Informationen über eine polizeiliche Observation von Axel H. nicht vor. Daher zielten die Anträge seiner Verteidigung heute darauf ab, beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und beim Bundesamt für Verfassungsschutz Auskünfte darüber einzuholen, ob sie die Wohn- und Arbeitsstätte ihres Mandanten im Jahre 1987 observiert hatten. Daneben beantragte die Verteidigung von Axel H. die Ladung eines BKA- Zeugenschutzbeamten namens Thorsten, der bestätigen werde, dass der Kronzeuge Tarek Mousli - entgegen seiner Behauptung in der Hauptverhandlung - bei der zweiten Durchsuchung des Mehringhofs im Mai 2000 nicht irritiert über die Lage und die Beschaffenheit des Aufzugschachts gewesen sei.

Die Verteidigung von Matthias B. hatte zuvor die Hinzuziehung aller Akten aus möglichen Struktur- bzw. Ermittlungsverfahren gegen Einzelpersonen verlangt, die in Folge der Aussagen von Tarek Mousli über Personen und Strukturen der RZ/ Roten Zora eröffnet wurden. Dies sei erforderlich, um die widersprüchlichen Aussagen des Kornzeugen nachweisen und dessen Unglaubwürdigkeit aufzeigen zu können.

ausführlicher Bericht


31.10.2002: 103. Prozesstag

Herr Mousli will sich nicht festlegen

Geladen für mindestens drei Tage, bleibt es wahrscheinlich für lange Zeit bei dem heutigen Auftritt von Tarek Mousli. Der Kronzeuge der Anklage sollte heute zu den diversen Themen Stellung nehmen, die seit seiner letzten Vernehmung im März 2002 im Prozess eine Rolle gespielt hatten. Wer eine intensive Befragung des Gerichts erwartet hätte, wurde enttäuscht. Ob es nun das Versenken eines Sprengstoffpakets im Seegraben anbelangte oder das angebliche Sprengstoffdepot im Mehringhof, ob die Fragen auf den Anschlag auf die Berliner Siegessäule 1991 oder sein finanzielle Gebaren abzielten, ob es die Aussagen der beiden ZeugInnen Barbara W. oder Elisabeth E. betraf, immer bemühte sich Mousli, sich nicht festzulegen. Er könne sich nicht genau erinnern, er würde es annehmen, das wisse er jetzt nicht mehr genau - so oder so ähnlich beantwortete er die meisten Fragen. Seine eloquente und zum Teil souverän bis kaltschnäuzig wirkende Art konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mousli sich bei allen Fragen hinter einem Erinnerungs-Vorbehalt versteckte. Auf die Frage, was er dazu sage, dass Barbara W. sich dazu bekannt habe, auf Harald Hollenberg 1986 geschossen zu haben, antwortete er beispielsweise: "Ich habe in Erinnerung, dass Jon' der Schütze war. Ich habe überhaupt nicht in Erinnerung, dass Barbara die Schützin war." Eine libidinöse Beziehung zu Elisabeth E.? Mousli: "Das würde ich verneinen." Ansonsten rettete er sich in Ausflüchte. Beschreiben sie, was passierte als sie das Paket 1995 in den Seegraben warfen? Mousli: "Ich habe es so hineingeworfen, dass man es nicht so ohne weiteres sehen konnte. Bei späteren Spaziergängen ist mir dann etwas schimmerndes aufgefallen." Das Gericht gab sich damit zufrieden, die Bundesanwaltschaft so wie so.

Wegen einer Operation von Sabine E. könnte dies der letzte Prozesstag für einige Wochen gewesen sein. Die morgige Hauptverhandlung fällt definitiv aus. Der Termin am nächsten Donnerstag wurde unter Vorbehalt festgelegt, denn an diesem Tag soll eigentlich die Operation der Angeklagten stattfinden. Laut Anwalt wird mit einer Rekonvaleszenz von zehn Tagen gerechnet. Die Strafprozessordnung lässt in einem solchen Fall eine Unterbrechung von bis zu sechs Wochen zu.

ausführlicher Bericht


25.10.2002: 102. Prozesstag

Unterwasserwelt

Mit einer, den vorangegangenen Prozesstag rekapitulierenden Erklärung fasste RA Kaleck noch einmal die Schlussfolgerungen zusammen, die sich aus den Vernehmungen des BGS-Beamten und zweier Sachverständiger vom Vortag ergaben und die die Einschätzung unterstreichen, dass der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Tarek Mousli, zum Themenkomplex "Sprengstoffpaket im Seegraben" gelogen hat. Die zur Entkräftung der Sachverständigen geltend gemachten Einwände von Bundesanwalt Wallenta und Richter Alban seien weder mit den Lichtbildern, noch mit den Aussagen des Kronzeugen in Einklang zu bringen.

Aufgabe der zum heutigen Termin geladenen Biologin sollte es sein, festzustellen, ob man anhand des Algenbewuchses des Sprengstoffpakets irgendwelche Rückschlüsse auf die Verweildauer des Pakets im Seegraben ziehen könnte, etwa durch die Ablagerung von Algen, die nur zu bestimmten Jahreszeiten vorhanden sind.

Solche Algen hat die Wissenschaftlerin nicht an dem Paket oder in am 14. September 2002 im Beisein des BGS gezogenen Proben im Seegrabenwasser, im Bodensediment des Grabens und an Wasserpflanzen gefunden. Der Befund ist negativ.

Trotzdem hat sich die Sachverständige daran gemacht, von den Asservaten, dem Plastiksack und Klebebändern, abgekratzte Bewuchs- und Anhaftungsreste wissenschaftlich zu untersuchen. Die Ergebnisse und Vergleiche mit aktuellen Proben aus dem Seegraben seien jedenfalls sehr groß, so dass sie als Tendenz äußern wolle, so die Sachverständige, dass das Paket ihrer Meinung nach etwas länger als eine Vegetationsperiode im Wasser gelegen habe. Diese These wolle sie indes nicht knallhart formulieren, denn zu viele Faktoren in der Umwelt, Unklarheiten über die Lage des Pakets im Seegraben (oben - unten, halb oder ganz im Schlick, innen - außen ...) sowie die Art und Weise der Bergung, Reinigung und Lagerung des Asservats ließen eine hieb- und stichfeste Aussage überhaupt nicht zu.

Die anschließende, lange Befragung der Sachverständigen durch den Richter Alban lässt vermuten, dass sich das Gericht im weiteren Verfahren auf deren Aussagen stützen will, um die Seegrabenfrage im Sinne der Anklage zu beantworten.

Rechtsanwalt von Schlieffen beantragte als Beweismittel die Vorladungen seines Mandanten Axel H. zu richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen aus dem Frühjahr 1987 zuzulassen. Er verspricht sich von diesen Beweisanträgen den Nachweis, dass Axel H. im Frühjahr 1987 im Visier der Justiz stand und so - gemäß den Aussagen des Kronzeugen über die Grundregeln der RZ - den Kontakt zu allen Mitgliedern der RZ abgebrochen haben muss, folglich auch nicht am den RZ zur Last gelegten Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) 1987 beteiligt gewesen sein kann.

ausführlicher Bericht


24.10.2002: 101. Prozesstag

Archimedes' Prinzip und Walentas Campingmatratze

Ein Zeuge und zwei Sachverständige führten das bisherige Verfahren einem ersten Höhepunkt entgegen. Denn nach unzähligen Verhandlungstagen zum Thema Sprengstoffpaket im Seegraben konnte heute im Grunde der Nachweis geführt werden, dass der Kronzeuge Tarek Mousli die Geschichte mit dem in einem Wassergraben bei Buch/Berlin versenkten Plastikbeutel mit 24 Stangen des Sprengstoffs Gelamon 40 über weite Strecken erlogen hat.

Zunächst lauschten die Prozessbeteiligten interessiert den Ausführungen des Finders des besagten Sprengstoffpakets, eines jungen Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS), der mit seinem rund 30-köpfigen Einsatzzug im Jahr 1999 bis zu den Knien im Schlamm des abgelassenen Seegrabens watete und dabei den blauen Plastiksack besagten Inhalts mit einer Mistforke zutage förderte.

Die beiden Sachverständigen, zum einen ein BKA-Mann, zum anderen ein emeritierter Physikprofessor der TU Berlin, lieferten im Gerichtssaal (u.a. unter Zuhilfenahme der ehrwürdigen Prinzipien des Archimedes) den Nachweis, dass das Paket, wenn es nur annähernd den Abmessungen, dem Gewicht und dem Volumen entsprochen hat, welche dokumentiert sind, nicht im Graben versunken sein kann. Da die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen nun vollends beim Teufel zu sein scheint, kochten die Emotionen im Gerichtssaal hoch. Bundesanwaltschaft und Richter Alban loteten mit absurden Theorien über das Sprengstoffpaket die Knetbarkeit der Wahrheit aus: Bundesanwalt Walenta (der das Sprengstoffpaket mit seinen Outdoor-Erfahrungen beim Zusammenrollen seiner Isomatte in Beziehung zu setzen sich anschickte) und Alban versuchten die Ergebnisse der Sachverständigen ins Wanken zu bringen, indem sie - wegen der formbaren Konsistenz des Gesteinssprengstoffes Gelamon 40 - entgegen der wahrhaftigen Beschaffenheit der Fundstücke davon ausgehen wollten, dass die 24 Stangen beim Verpacken derart zusammengedrückt worden sein könnten, dass ihr Volumen so verkleinert gewesen sei, dass das Paket doch versunken sein könnte. Ein hitziger, lauter Wortwechsel über diese haltlosen Spekulationen zwischen RAin Lunnebach und Matthias B. auf der einen Seiten und auf der anderen Seite den Richtern Alban und Hantschke, der Borgmann "geiferndes Geschrei" vorwarf, mündete in einen Befangenheitsantrag gegen letztere.

ausführlicher Bericht


Meldungen der Prozesstage 73 - 100

Suche     Mail
http://www.freilassung.de/prozess/ticker/meldung/101_135.htm