TAZ-BERLIN Nr. 3308 Seite 22 vom 17.01.1991
Anschlag auf "Gold-Else"
Erster Anschlag im Zusammenhang mit der Golfkrise/ Wie wollen sich
gefährdete Firmen und Einrichtungen gegen mögliche Attentate
schützen? Berlin. Im Zusammenhang mit der Golfkrise gibt es den ersten
Anschlag: "Revolutionäre Zellen" (RZ) wollten offenbar in
der Nacht zum Mittwoch die "Gold-Else" von der 67 Meter hohen
Siegessäule heruntersprengen. Ein selbstgebauter Sprengsatz
beschädigte eine der Stützen der Siegesgöttin aber nur
leicht - Viktoria schwankte nicht einmal. Wie es in einem Bekennerschreiben
heißt, wollten die "RZ" mit dem Anschlag Widerstand gegen
den Krieg leisten: Bei der Siegessäule handle es sich um ein Symbol,
das Krieg und Männergewalt verherrliche.
Wie wollen sich gefährdete Einrichtungen und Firmen gegen
mögliche weitere Anschläge schützen?
Die BVG hat mit Polizei und Feuerwehr Gespräche geführt. Man
werde verstärkt auf abgestellte Gegenstände achten - wenn dies
auch nicht viel nützen werde: "Versuchen Sie mal, den Bahnhof am
Alex zu schützen", erklärte Pressesprecher Wolfgang
Göbel.
Die Jüdische Gemeinde läßt ihr Haus wie sonst auch von
zwei Beamten bewachen. Der Schulbus der jüdischen Schule fährt
allerdings nur noch unter Polizeischutz.
Martin Kruse, Bischof der evangelischen Kirche, will sich nicht
besonders schützen. Die Kirche sei ohnehin ein Raum der
Gewaltfreiheit. Im übrigen solle man nicht "zuviel
Vorausbesorgnis" haben.
Die Geschäftsführerin des American Lloyd France Voyages
Reisebüros erwägt, ihre Leuchtreklame am Ku'damm auf France
Voyages Reisebüro zu reduzieren. Bei dem Reisebüro handelt es
sich übrigens um eine deutsche Firma.
Ein Mitarbeiter von Americars Chrysler Verkauf erklärte lakonisch:
"Man kann das doch ohnehin nicht verhindern - wenn der Tod kommt, ist
er da."
Die Amerika-Gedenkbibliothek hat bereits eine Bombendrohung erhalten.
Näheres war gestern nicht zu erfahren.
Bei der Supermarktkette Kaiser's beschweren sich Kunden wegen
massiver amerikanischer Werbung in den Filialen. Einem Laden wurden von
Antikriegsdemonstranten die "stars and stripes" entfernt.
Die Botschaft der UdSSR hat ihren Polizeischutz verstärken lassen.
Drohungen sind bisher nicht eingegangen.
Das Konsulat von Großbritannien ist "vorbereitet". Was
das heißt, wollte eine Mitarbeiterin nicht näher
erläutern.
Das Konsulat der Türkei hat "die deutschen
Sicherheitskräfte" verstärken lassen.
Die Botschaft der Vereinigten Staaten habe eine Menge Demonstranten vor
der Tür, erklärte eine Mitarbeiterin, aber zu Auskünften
über eine mögliche Gefährdung des Gebäudes durch
Terroranschläge wolle man sich nicht äußern.
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