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126. Prozesstag: 8. Mai 2003

Ich mache nur meine Arbeit,.... keine Gedanken

Zwei Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) waren heute die Hauptdarsteller in der 126. Folge der Seriengroteske des Kammergerichtes. Der EDV-Fachmann hielt einen verständlichen und mit Dias begleiteten Vortrag über seine Arbeit als Programmierer, besonders über die Verwendung des Microsoft-Produktes 'Access' in der Überwachungsarbeit. Der zweite Beamte unternahm Anfang 2001 eine Dienstreise nach Berlin und heftete sich für drei bis vier Tage auf die Spur von angeblich drei konspirativen Wohnungen der RZ, ohne so richtigen Erfolg.

Im Prinzip gut durchdacht...

Das habe er alles programmiert, behauptete KHK Hartwich Seibert, 42, vom BKA in Meckenheim. Die Ermittler könnten zwar ihre Wünsche äußern, aber er habe die Datenbank für die systematische Erfassung der diversen Telefonüberwachungen zu diesem Verfahren eingerichtet. Es folgte ein eloquenter Sachvortrag über die praktische Anwendung der Software Access, primäre und sekundäre Kennzeichen, ID-Nummern, Sortierkriterien, Optik und Eingabefelder, Katalogmerkmale und Telefonüberwachungsnummern. Eines konnte er klar zusichern, dass jeder eingegebene Datensatz eine eineindeutige ID-Nummer erhält. Somit sei selbst eine spätere Löschung durch die dann fehlenden Nummern in der Reihenfolge erkennbar. Allerdings wären damals die Überwachungsmitschnitte auf Kassetten erfolgt und danach manuell als Datensatz in die Datenbank eingegeben worden. Eine Garantie für die Vollständigkeit und die korrekten Eingaben könne das Programm deshalb nicht geben.

...aber schlecht gemacht!

Nach intensivem Befragen der Verteidigung musste der Fachmann allerdings einige deutliche Unzulänglichkeiten bei der praktischen Anwendung konstatieren. So wurde wiederholt auf ein und demselben Tonband der Zählerstand Null für den Beginn ganz verschiedener Mitschnitte angegeben. Bei anderen Datensätzen war das Aktenzeichen unvollständig oder fehlte ganz, es fehlte z.T. das Datum oder der Name des Gesprächsteilnehmers und einige waren offenbar völlig unzutreffenden Überwachungsmaßnahmen zugeordnet worden. Viele Eingaben wären unlogisch, unvollständig und offensichtlich nicht zutreffend. Er wäre allerdings nur als Programmierer hier tätig gewesen, hätte keinen Einfluss auf die konkrete Dateneingabe und deren Verarbeitung gehabt. Er regte die Befragung seiner daran beteiligten KollegInnen an.

Sofort eilte die BAW zu Hilfe und erklärte die offenkundige Lückenhaftigkeit des Materials als Ergebnis zufälligen menschlichen Versagens durch schlecht geschulte Beamte. Außerdem wollte er die Datenerfassung von Abhörmaßnahmen eher auf ein internes Arbeitsmittel reduzieren, bei dem Genauigkeit ja dann keine so große Rolle mehr spielen würde. Auch Richter Alban warf sich schützend vor das BKA, ..."Fehler könnten ja nun mal überall vorkommen". Aber auf wessen Gehaltsliste dieser Richter steht ist für aufmerksame ProzessbeobachterInnen ohnehin ein offenes Geheimnis. Nach mittelschweren cholerischen Anfällen des BAW Bruns und des Verteidigers Eisenberg ordnete die zunehmend desinteressiert wirkende Richterin eine zeitliche Knautschzone an.

Abschließend ließ der Zeuge keinen Zweifel, dass die Datenbank eine chronologisch nachvollziehbare und protokollarisch vollständige Auswertung ermöglichen sollte. Bei der vorliegenden praktischen Handhabung sei dies allerdings nicht möglich.

Herr Mousli hat gesagt...

Uwe Igelmund, 33jähriger Polizist beim BKA, wiederholt bei dieser Veranstaltung vorstellig, berichtete über seine Ermittlungsarbeit zu konspirativen Wohnungen in Kreuzberg. Ausgangspunkt dafür seien allein die Aussagen des Kronzeugen Mousli gewesen. Er hätte die Existenz zwei solcher Orte (Oranienplatz 14 und Hagelberger/Großbeerenstr) behauptet und eine dritte Wohnung in einem Mietshaus der Oranienstr., die der RZ angeblich von Wolfgang B. zwischen 1985 und 1990 überlassen worden sei. Nachdem im Melderegister der Name des Beschuldigten unter der Hausnummer 9 gefunden worden sei, hätten sich die weiteren Ermittlungen automatisch allein auf diesen Aufgang beschränkt. Nach Fotovorlage hätten sich aber keine der befragten MieterInnen jener Zeit an die RZ-Mitglieder 'Jon' und 'Judith' erinnern können, die nach Aussage des Kronzeugen dort wohnhaft gewesen sein sollen. Ein Foto des denunzierten angeblichen Wohnungsgebers wurde erst gar nicht vorgelegt. Mann hätte sich ganz und gar auf die Aussagen des Kronzeugen konzentriert, so der Polizist. Die weitere Befragung des zeugen ergab, dass zwischen 1987 und 1989 in diesem Haus umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt worden, die eine zumindest zeitweilige Bewohnbarkeit ausgeschlossen hätten. Weiterhin wäre eine Familie im Melderegister ebenfalls für einen Teilzeitraum in derselben Wohnung gemeldet gewesen. Der Polizist musste auch einräumen, dass der angebliche 'Wohnungsgeber' Wolfgang B. erst ab November 1989 dort polizeilich gemeldet gewesen wäre, also fast am Ende des krongezeugten Zeitraumes. Dahingegen hatte Mousli z.B. behauptet, bereits 1987 sei in dieser Wohnung der Sprengstoff für den Anschlag auf die ZSA fabriziert worden. Auch wusste der Ermittler keinen Grund, warum ausgerechnet von diesem Haus dem Kronzeugen keine Fotos zur besseren Wiedererkennung vorgelegt worden sind, wie bei allen anderen inkriminierten Objekten. Auch konnte der Zeuge keine Erklärung dafür liefern, warum der Kronzeuge mit diesen doch stark von seinen Aussagen abweichenden Ermittlungsergebnissen nicht Konfrontiert wurde, so z.B. kein Ortstermin durchgeführt worden sei.

...auch wenn es nicht stimmen kann!

Der weitere Umgang mit seinen Ergebnissen sei ihm nicht bekannt, auch den ursprünglichen Auftraggeber für diese Aktivitäten konnte er nur in dem Generalbundesanwalt ganz allgemein mutmaßen. Er kenne auch nicht den Anlass, warum die Ermittlungen erst über ein Jahr nach den Aussagen des Kronzeugen begonnen hätten, genauso wenig, warum seine widersprechenden Erkenntnisse nicht weiter ausermittelt wurden, z.B. die ausstehende Befragung damals nicht angetroffener HausbewohnerInnen. Die Gründe für die fast zweijährige verspätete und erst von der Verteidigung erzwungene Einführung seines Vermerkes vom 10.04.01 in den Prozess will er nicht kennen. Er habe auf alle Fälle damals den Inhalt Bundesanwalt Griesbaum vorgetragen, der aber nichts weiter veranlasst hätte. Der Zeuge selber will keine weiteren Ermittlungen angestellt haben und anschließend sofort den Arbeitsbereich gewechselt haben.

Ein Fazit

So ermöglichte die konsequente Zeugenbefragung durch der VerteidigerInnen heute wieder einen guten Einblick in die grundsätzlich fragwürdige Ermittlungsarbeit des BKA und der BAW in diesem Verfahren. Die teilnahmslos wirkende Vorsitzende Richterin Henning hat ganz offensichtlich schon seit Monaten mit dem Fall abgeschlossen. Ihre Zeugenvernehmungen reichen über die Nennung des Namens und der ladungsfähigen Anschrift der Zeugen selten deutlich hinaus. Selbst für ihre gelangweilte, sonst stereotype Aussageaufforderung: "Nun erzählen sie mal!" mangelt es ihr inzwischen fast an Motivation. Folgerichtig ihre Absage des nächsten Verhandlungstages. Weiter so geht es also erst am 16.05.03, wie gewohnt zur Kammerstunde.

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http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte/080503.htm