Krieg
- Krise - Friedensbewegung
In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod
Dezember 1983
Die Entspannungspolitik - ein Lehrbeispiel politökonomischer
Ruinierung
Diese systematisch vorangetriebene militärpolitische Einkreisung
des Ostblocks kann in ihrem Kern nur so interpretiert werden, daß
sie direkt auf dessen Substanz als politisches und militärisches
Bündnis zielt. Noch waren die Mittelstreckenraketen in Europa
nicht stationiert, noch war also der atomare Vorsprung nicht erreicht,
und dennoch versuchte die US- Regierung die Aufnahme der Verhandlungen
über die Stationierung von Zugeständnissen der Sowjetunion
in Polen abhängig zu machen. Gespräche seien nur dann
möglich - so hieß es vor einem Jahr - , wenn die sowjetische
Militärpräsenz in Polen und an den Grenzen des Landes
in etwa auf den Stand vor Beginn der Polen- Krise [36]
zurückgeschraubt würde. Dies demonstriert im Vorfeld,
welch qualitativ verschärfte Möglichkeiten der Druckausübung
auf die inneren Verhältnisse des Ostblocks sich der westliche
Imperialismus von seinem strategisch neuen Erpressungspotential
verspricht.
Die vielerorts beklagte Zuspitzung des Ost- West- Konflikts wird
fälschlicherweise als Bruch und Kontrapunkt zur vorausgegangen
Ära der Entspannungspolitik definiert, stellt sich aber bei
genauerem Hinsehen als deren logische Konsequenz und Weiterverfolgung
mit anderen Mitteln heraus. Die Entspannungspolitik war niemals
diese treuherzige Aussöhnung mit der Realität des "sozialistischen
Blocks", als was sie sich verkaufte. Im Gegenteil: der Ostblock
hat sich für das Linsengericht seiner Anerkennung als Handels-
und Verhandlungspartner und der damit vermeintlich verbundenen Anerkennung
seiner Existenz den schleichenden Zugriff des "freien Westens"
auf seine ökonomischen und politischen Strukturen eingehandelt.
Die Länder des Staatssozialimus und der Planwirtschaften haben
sich aus gutem Grund jahrzehntelang gegen den Weltmarkt abgeschottet,
denn dessen ausschließliche Nutznießer waren schon immer
seine Subjekte, die imperialistischen Metropolen. Alle anderen werden
darin zu Objekten, zu mehr oder weniger rentabler Manövriermasse
gemacht.
Ein Jahrzehnt Entspannungspolitik hat genügt, um den RGW zu
unterhöhlen. Denn seine Grundlage ist nicht die Warenzirkulation,
sondern sind "multilaterale, arbeitsteilige Produktionsvereinbarungen
zur Stärkung der wirtschaftlichen Potenz des Bündnisses"
- im Klartext: er basiert auf Mangelausgleich. Entsprechend sind
die Währungen des Ostblocks kein international anerkanntes
Geld, sondern interne Verrechnungseinheiten. Der angestrebte "Technologietransfer"
aus dem kapitalistischen Westen brachte folglich den Zwang zur Devisenbeschaffung
mit sich. Das bedeutet die Einrichtung von Exportbranchen auf Kosten
der Produktion innerhalb des RGW, langfristige und damit teure Lieferungen
an Rohstoffen und Materialien, die in Form von Kompensationsgeschäften
und schließlich über die Einführung des Verlagssystems
und der Lizenzfabrikation die Vermietung von Produktionshallen,
Arbeitskräften und Rohstoffen an den imperialistischen Westen.
Vor allem aber die Subsumierung unter das internationale Kreditsystem
war der Hebel, den Ostblock zu immer umfassenderen Zugeständnissen
an das kapitalistische Geschäft zu zwingen, d.h. zum ungehinderten
Kauf und Verkauf von Arbeitskraft und Kapital in Form von Direktinvestitionen.
Wie weit die ökonomische Erosion des Ostblocks heute gediehen
ist, belegt das gigantische Volumen seiner Kreditverschuldung, so
daß heute in den Direktorien der Deutschen Bank oder des IWF
mit darüber entschieden wird, ob ein 5- Jahres- Plan erfüllbar
ist oder nicht. Die Wirtschaftspolitik in den RGW- Staaten ist vom
Mangelausgleich zwischen Plan- und Bedarfswirtschaft zur Konkurrenz
um westliche Kredite verkommen, und es ist nicht erkenntlich, wie
dieser Prozeß - auch in seinen politischen Dimensionen - aufzuhalten
ist. Die Polenkrise ist hierfür sichtbarster Ausdruck. Rumänien
mit seiner engen Anlehnung an den Westen, der Kontaktaufnahme zu
China und den regen Beziehungen zu Israel braucht keine Sanktionen
zu befürchten. Die DDR und Ungarn bieten inzwischen dem Westen
Arbeitskräfte zur Vermietung an.
In diesem Zusammenhang muß die militärische Eskalation
des imperialistischen Westens als konsequente Fortsetzung der Entspannungspolitik
mit anderen Mitteln begriffen werden. Die Sowjetunion soll mit dem
überlegenen atomaren Drohpotential "neutralisiert",
d.h. erpreßbar, werden und mit gefesselten Händen dem
Zerfall ihres Staatenbündnisses, dessen Zurichtung und Vernutzung
unter kapitalistische Verwertungsbedingungen und dem damit einhergehenden
politischen Systemwandel zusehen müssen.
"Die sowjetischen Führer müssen wählen zwischen
einer friedlichen Änderung ihres kommunistischen Systems in
die vom Westen verfolgte Richtung oder in den Krieg ziehen."
(Richard Pipes, US- Außenministerium)
Im Entsetzen über die obszöne Offenheit dieser Programmatik
geht meist ihre eigentliche Bedeutung unter: die absolute Machtüberlegenheit
und Souveränität, die sich des Erfolgs ganz sicher dünkt.
Erscheint doch endlich nach 40 Jahren ein "Fehler der Geschichte"
korrigierbar, der laut Churchill [37]
darin bestand, daß "mit dem Faschismus das falsche Schwein
geschlachtet wurde". Der Zweck des heutigen imperialistischen
Aufmarsches ist in erster Linie die schrankenlose kapitalistische
Durchdringung und Ausbeutung des Ostblocks, gerade auch um die Krisen-
und Neustrukturierungskosten auf ihn abzuwälzen, und nicht
seine militärische Vernichtung.
Die bewußt geschürten Kriegsängste und Bedrohungsgefühle
sollen den Blick dafür trüben, daß wir nicht die
Opfer sind, sondern wieder mal andere "im Interesse des freien
Westens" in die Knie gezwungen werden sollen. Wer dies als
"Kampf der Supermächte" interpretiert, unterschlägt,
daß das westeuropäische Kapital - allen voran das westdeutsche
- ein ureigenstes Interesse an der Kapitulation des Ostblocks hat,
war es doch der Hauptbetreiber und Profiteur der Entspannungspolitik.
Hinter dem Willen zur Unterwerfung auch dieses letzten Bereichs
des Globus unter kapitalistische Verwertungs- und Akkumulationsbedingungen
scheint das Projekt der Zukunft hervor. Denn eine dem westlichen
Imperialismus gänzlich zur Nutzung unterworfene Welt ermöglicht
auch ganz andere Formen der Reichtumsakkumulation und der Herrschaftssicherung.
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