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Revolutionärer
Zorn Nr. 6 - Januar 1981
Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um!
Wir haben im Revolutionären Zorn Nr. 4 gesagt: Bei Strafe
des Untergangs bleibt dem legalen Widerstand in der BRD heute nur
eines: die Praxis und die Technik des verdeckten Kampfes sich massenhaft
so schnell wie möglich anzueignen. Wir sehen nach drei weiteren
Jahren "Schmidtscher [3]
Führung" diese These bestätigt. Überall dort,
wo linke Gruppen den Rahmen des Debattierklubs verlassen, tatsächlich
den vorprogrammierten Ablauf verzögern, schlägt die Staatsgewalt
zu. So geschehen zuletzt bei der Gorleben- Räumung, am 6. Mai
in Bremen [4] und in
einer Reihe von Städten beim Häuserkampf. Es wurde überall
dort deutlich:
ist die Bewegung nicht in der Lage, die Taktik des Kampfes zu ändern,
verharrt sie (wie z.B. in der Reihe Brokdorf - Grohnde - Kalkar)
auf der Ebene der offenen massenhaften Konfrontation mit den Bullen,
scheitert sie an deren militärischen Überlegenheit. Deshalb
gilt es, die Technik des bewaffneten Kampfes zu erlernen. Die Entwicklung
illegaler Kampfformen wird oft mißverstanden. Es handelt sich
hierbei um eine Methode, die viele Abstufungen kennt und dadurch
massenhaft nachmachbar ist. Es ist eine Ebene des Kampfes, auf der
die notwendigen politischen und militärischen Erfahrungen gemacht
werden können, auf der man/frau sich selbst kennenlernen kann,
auf der aber auch die Entscheidung getroffen werden kann, diesen
Kampf bewaffnet zu führen. Das heißt zunächst ganz
praktisch: die Aneignung von Wissen z.B. über den Bau und die
Funktionsweise von Brand- und Sprengsätzen. Über das Fälschen
von Papieren aller Art, über die Herstellung und Verbreitung
der eigenen Propaganda (Zeitung, Flugblätter, Sender). Das
bedeutet das strikte Einhalten von Sicherheitsmaßnahmen zum
Selbstschutz (beim Quatschen, bei Treffen). Und schließlich
den Aufbau eines logistischen Rahmens, der über die momentanen
Anforderungen hinausgeht (Materialdepots, Untertauchmöglichkeiten).
Es ist gefährlich, ohne dieses Wissen loszuziehen, irgendeine
Aktion zu machen und zu hoffen, daß alles gutgeht.
Zur Frage: wie sich organisieren: Wir meinen nicht, daß es
richtig ist, die militanten Genoss/innen aus allen möglichen
Bereichen herauszuziehen und gesondert zu organisieren. Vielmehr
geht es gerade darum, in möglichst vielen Bereichen diese Kampfformen
innerhalb der bestehenden Gruppen zu erlernen und anzuwenden. Dies
bedeutet schließlich auch die Parole:
Schafft viele revolutionäre Zellen
Sie ist politisch richtig, weil sie auf Autonomie, Eigeninitiative
und Verankerung baut und sie ist aus Gründen der Sicherheit
richtig, weil nur eine Organisation, die auf selbständig operierenden
Gruppen basiert, in diesem Überwachungsstaat die Chance hat,
nicht aufgerollt und zerschlagen zu werden.
Viva 8 Jahre RZ!
"Woran arbeiten Sie?" wurde Herr K.
gefragt. Herr K. antwortete: "Ich habe
viel Mühe, ich bereite meinen nächsten
Irrtum vor." (Brecht)
Wir wissen, daß es für uns keine Garantie gibt, die
gesteckten Ziele zu erreichen. Wir wissen aber auch, daß es
in Anbetracht aller Ängste, aller Schwierigkeiten, aller Widersprüche
für die Unterdrückten keine andere Möglichkeit zum
Leben gab und geben wird, als zu kämpfen. Zu kämpfen mit
allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. Und das sind
beileibe nicht nur die militärischen, aber ohne sie haben wir
keine Chance! "Was bringts?", die beliebte Frage der Null-
Bock- Einbringer, hat das optimistische "alles verändert
sich, wenn du es veränderst" längst abgelöst.
Das buchhalterische Abwägen von Kosten/Nutzen wird zum handlungsbestimmenden
- oder besser handlungsverhindernden - politischen Bekenntnis. Da
kommt die Versichertenmentalität derjenigen zum Vorschein,
die aufgrund ihres langen Marsches durch die Institutionen oder
zu sich selbst allemal mehr zu verlieren haben als ihre Ketten.
Sicherlich müssen alle, die die Entscheidung für unsere
Art zu kämpfen oder ähnliche Kampfformen unterstützen
und entwickeln wollen, neben dem allgemeinen Für und Wider
auch ihre persönlichen Lebensbedingungen berücksichtigen.
Nur sollten bei diesem Abwägen zwei Punkte beachtet werden:
- Mein Leben gehört nur mir allein. Aber es wird nicht von
mir bestimmt, die Lebensbedingungen bestimmen andere. Den Kampf
um meine Selbstbestimmung führe ich mit anderen. Ich kann
ihn auch nur gemeinsam mit anderen gewinnen. Deshalb kann ich
auch die Frage des Nutzens meines Handelns nicht allein von mir
her bestimmen. Selbstverständlich hat sich für mich
ganz persönlich der Kampf nicht "gelohnt", wenn
ich dabei sterbe. Selbstverständlich "lohnen" sich
viele Jahre Knast aufgrund einer schiefgegangenen Aktion nicht.
Die Frage nach dem Nutzen läßt sich nur dann richtig
beantworten, wenn ich dabei das Ergebnis für den gemeinsamen
Kampf sehe und berücksichtige.
- Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Kampfes um meine Selbstbestimmungen
setzen andere. Es ist eben nicht so, daß uns der Staat in
Ruhe ließe, wenn wir ihn ließen.
Die AKWs werden gebaut, wenn wir das nicht verhindern. Unsere
Stadtviertel werden wegsaniert, wenn wir uns nicht dagegen wehren.
Die Ausplünderung der 3. Welt führt zu Verteilungskriegen
und weiterer Verelendung des größten Teils der Erdbevölkerung,
wenn wir mit unserem Kampf gegen den Imperialismus hier bei uns
nicht endlich ernstmachen. Nein, nicht einmal der Olivenanbau
in Griechenland garantiert ein gesichertes Überleben.
Indem wir die Vereinzelung des Einzelnen in der kollektiven revolutionräen
Praxis aufzuheben versuchen, werden sowohl die objektiven Bedingungen,
als auch das Verhalten der Menschen untereinander verändert.
Wir durchbrechen den Teufelskreis, in dem sich die zerstörerischen
Bedingungen in der Selbstzerstörung bzw. gegenseitiger Zerstörung
des Einzelnen fortsetzen und sich somit neu immer neu stabilisieren.
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