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Revolutionärer
Zorn Nr. 4 - Januar 1978
Die Internationale der Menschenfresser
In der Auflistung optimaler Verwertungsbedingungen steht an erster
Stelle die politische Stabilität eines Landes. Als politisch
stabile Länder gelten in Lateinamerika Brasilien, in Afrika
Nigeria und Zaire (das durch die jüngste Intervention Frankreichs
und Marokkos "re-stabilisiert" wurde), am Golf der Iran
und im Fernen Osten Indonesien. Sie werden als Subimperialisten
in ihren Regionen aufgebaut und sollen die politische und ökonomische
Aufspaltung des 3.Welt- Blocks vorantreiben - politisch, indem sie
helfen, Linksregierungen in ihrer Zone einzukreisen; ökonomisch,
indem sie die Spaltung in eine 3. und eine 4.Welt betreiben, "die
Abspaltung der wichtigen Öl- und Rohstoffländer, mit denen
wir eine Zusammenarbeit anstreben, von den Habenichtsen, den Almosenempfängern,
die vorerst keiner haben will", wie es das Auswärtige
Amt ausdrückt.
Die reichen Minderheiten dieser subimperialistischen Länder
verwenden einen erheblichen Anteil ihres Reichtums darauf, "den
Militär- und Polizeiapparat zur Festigung der eigenen Herrschaft
auszubauen. Sieht man einmal von den Fällen ab, wo das Militär
zum Träger revolutionärer Veränderungen wird, verschlechtert
sich durch einen hohen Militäretat die Chance der Armen automatisch,
zu ihrem Recht zu kommen." (Bösse/Kürschner, Kontinente
im Klassenkampf, S. 56)
Linksregierungen werden systematisch "de-stabilisiert"
eine Wortschöpfung Kissingers [41]
für die Zerschlagung revolutionärer Prozesse wie in Portugal
oder Chile. Die Strategie der "Destabilisierung" ist eine
Antwort des US- Imperialismus auf seine Niederlage in Indochina
und bedeutet, daß vor allem die Methoden der "verdeckten
Intervention" wesentlich erweitert und ausgefeilt wurden. Dazu
zählt vorrangig:
1.
die wirtschaftliche Ruinierung eines Landes durch den Totalentzug
von Krediten. Robert NcNamara ist als Präsident der Weltbank
der Garant für die Kontinuität einer Vernichtungsstrategie
mit allen Mitteln.
2.
Eine "Vietnamisierung" der betroffenen Ländern ist
- wenn möglich - einer direkten Intervention der imperialistischen
Mächte vorzuziehen. Das bedeutet den rechtzeitigen Aufbau und
die umfassende Unterstützung der konterrevolutionären
Kräfte in diesen Ländern. Das grausamste Beispiel ist
hierfür der Libanon. Da wird eine Handvoll faschistischer Christen
und ein Heer von Söldnern aus aller Welt zur "Liquidierung
des Palästinenser- Problems" mit amerikanischen und israelischen
Waffen aufgerüstet. Die syrische Armee sorgt für den nötigen
Rückhalt, wenn das nicht ausreicht, interveniert die israelische
Armee. Der 4. Akt dieses Völkermordprogrammes besteht darin,
daß die USA "vermittelnd" eingreifen, um die Überlebenden
dieses ehemaligen Millionenvolkes in "Homeland"- Reservaten
zusammenzupferchen, wie sie es mit den Indianern gemacht haben.
Die blutigen Spuren dieser Vietnamisierungsstrategie überziehen
die ganze Welt: ein Beispiel hierfür ist nicht nur der Putsch
in Chile, auch die Gorilla- Diktaturen in ganz Lateinamerika mit
ihren AAA- Kommandos [42],
in Angola die FNLA/ UNITA [43],
das blutige Chaos in Äthiopien, in Portugal die ELP, in der
Westsahara die marokkanischen Vernichtungsfeldzüge gegen die
Polisario [44], die
indonesische Ausrottungstrategie gegenüber der Fretilin [45]
in Osttimor beweisen dies.
3.
Ein
Arrangement mit den Befreiungsbewegungen, die kurz vor dem Sieg
stehen. Diese Strategie gilt für das ganze südliche Afrika,
wo entweder schon alles gelaufen ist, wie in Namibia, oder absehbar
ist, daß sich die weißen Diktaturen nicht mehr lange
halten können. In diesem Fall soll die Pression auf die verfaulten
Rassendiktaturen "Schlimmeres" verhüten. Dazu die
ZEIT [46] (41/1977)
über die Pläne der ehemaligen Entwicklungsministerin Marie
Schlei: "Sie setzt auf die Befreiungsbewegungen, nicht zuletzt
mit dem Hintergedanken, einer Radikalisierung entgegenzuwirken.
... Wer weiß denn, wie lange irgendein Regime bleibt? Wir
müssen langfristige Politik machen, auch im eigenen Interesse,
dehalb habe ich Mosambique Hilfe zugesagt und auch den Führern
der rhodesischen Befreiungsbewegungen für die Zeit nach der
Befreiung von Zimbabwe."
Wie die Zeit nach der Befreiung von Zimbabwe aussehen wird, darf
jedoch keinesfalls dem Volk von Zimbabwe überlassen werden.
"Die rechtzeitige Kontaktaufnahme und Schulung der Kader dieser
Länder liegt auch im Interesse der Industrienationen."
(Bundesministerium für Entwicklungshilfe)
4.
Die Aufteilung der 3.Welt zwischen den Supermächten. Sie ist
im Rahmen der vollen Integration der Sowjetunion in den Weltmarkt
Ende der 60er Jahre erfolgt.
"In seiner Washingtoner Rede vor den großen Haien des
amerikanischen Kapitals am 19.6.73 rechtfertigte Breschnew [47]
dies ideologisch als Triumph der wissenschaftlich- technischen Revolution:
Diese Fortschritte, die nicht unterdrückt werden können
... erfordern eine immer breitere internationale Arbeitsteilung
... Die Sowjetunion ist inzwischen auf Gedeih und Verderb auf den
Weltmarkt angewiesen, dem sie obendrein noch in Form reichhaltiger
Energie- und Rohstoffe gehörig Tribut zollen muß."
(Schehl, Vor uns die Sintflut?)
Dieses "Zusammen- Wirtschaften" läßt die Verteilungskriege
der früheren Jahre nicht mehr opportun erscheinen. Entwicklungsländer,
die der Einflußsphäre der UdSSR zuzuordnen sind, gehen
dem Weltmarkt nicht mehr verloren. Und auch China sucht neuerdings
dringend den Anschluß. Im Zuge der Koexistenz hat eine Aufteilung
der 3.Welt stattgefunden und findet weiter statt, die Lateinamerika
wieder zum totalen "Hinterhof" der USA zu machen versucht,
Afrika zwischen den westlichen Imperalisten und den östlichen
aufteilen will und in Asien sich die Macht mit China dritteln muß.
Diese Aussage kann in ihrer Knappheit nichts als sehr grobe Tendenzen
beschreiben. Sie ist notgedrungen undifferenziert, d.h. sie unterschlägt
die Widersprüche, die zwischen den Supermächten nach wie
vor bestehen und unterschlägt den Widerstand der Massen der
3. Welt, der der Realisierung dieser Absichten entgegensteht.
Unbestreitbar bleibt jedoch, daß so etwas wie anerkannte
Einflußzonen bestehen und auf dieser Grundlage gab die "Trilaterale
Kommission" [48]
(USA, Westeuropa und Japan) schon Anfang der 70er Jahre unter ihrem
damaligen Direktor Brezinski die Parole aus, der Ost- West- Konflikt
sei absolut dem Nord- Süd- Konkflikt unterzuordnen.
Und nicht umsonst baute das Rockefeller- Institut vor 7 Jahren
eine Mannschaft für die Präsidentschaftswahlen aus den
Mitgliedern dieser Kommission auf.
Sie leiten heute als Sichterheitsberater (Brezinski), als Vizepräsident
(Mondale), im Pentagon (Brown), im Außenministerium (Vance)
und im Schatzamt (Blumenthal) diese neue imperialistische Offensive
der USA. Auch Präsident Carter ist das direkte Produkt dieser
7jährigen Arbeit des Rockefeller- Instituts, doch bei ihm ging
es mehr ums Image "Südstaatler, sozial, ehrbar, fromm",
als um konkrete Qualifikationen. Kein Wunder, daß die erste
außenpolitische Offensive dieser Regierung nach einigem Vorgeplänkel
im Verein mit der UdSSR, die Zwangsbefriedung des Nahen Ostens auf
Kosten des palästinensischen Volkes ist.
Versucht man, ein Fazit zu ziehen, dann sind die ideologischen
und politischen Differenzen, die die 50er und 60er Jahre beherrschten,
weitgehend in den Hintergrund getreten. Das multinationale Kapital
setzt mehr denn je auf die "selbstregulierenden Kräfte
des Weltmarktes" (McNamara [49]).
Die "Anarchie der Produktion" (Marx) - zum Weltsystem
erhoben - zwingt jedem Land das Chaos kapitalistischer Verwertungslogik
auf. Die revolutionären Prozesse in einer Reihe der Länder
der 3.Welt werden dabei zerrieben zwischen "Schuldenfalle"
und politischer Erpressung, zwischen partieller exportorientierter
Industrialisierung und weiterer Massenverelendung, zwischen Integration
in den Weltmarkt und der Vernichtung der eigenen Volkswirtschaften.
Allzu lange war der Blick, vor allem der europäischen Linken,
ausschließlich auf die Politik der Befreiungsbewegungen gerichtet.
Dem Sieg der Revolution folgte die Entttäuschung über
das "Danach" auf dem Fuße (vgl. Kuba, Kambodscha,
Vietnam). Der Versuch einer bewußten revolutionären Konstitution
einer Gesellschaft ist nicht allein eine Frage der Politik, der
Kulturrevolution, sondern setzt die Verfügungsgewalt über
seine ökonomischen Bedingungen voraus. Die Eroberung der Verfügungsgewalt
seiner ökonomischen Bedingungen setzt wiederum für ein
Volk die Möglichkeit des Austauschs mit anderen, gleichen Volkswirtschaften
voraus. "Sozialismus in einem Land" ist weniger denn je
möglich. Die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen
in der 3.Welt ist nur durch eine "totale Dissoziierung (Abkoppelung)
vom Weltmarkt" (Senghaas) zu erreichen. An dessen Stelle müssen
regionale Zusammenschlüsse treten, die einen Austausch garantieren,
der auf gleichwertiger Arbeitsteilung beruht.
Versuche dieser Art gab es zwischen Kuba, Chile und anderen lateinamerikanischen
Staaten, vgl. die Konferenz der OLAS [50]
in Havanna 1967; sowie zwischen arabischen Staaten: Libyen versuchte
es vergeblich mit Ägypten und Tunesien und versucht es wieder
mit Algerien, Marokko und Mauretanien.
Wir können an dieser Stelle nicht auf die Schwierigkeiten
der 3.Welt, Zusammenschlüsse zu realisieren und sich vom kapitalistischen
Weltmarkt abzukoppeln, eingehen. Wir stellen nur fest, daß
allein auf diesem Weg der Aufbau revolutionärer, sozialistischer
Gesellschaften möglich ist, die
- die Industrialisierung an den Bedürfnissen der Menschen
orientieren,
- Produktionsverhältnisse schaffen, in denen nicht die Menschen
die Maschinen "bedienen", sondern umgekehrt
- eine Landwirtschaft nach den ökologischen Gegebenheiten
ausrichten, ohne Raubbau an Natur und ohne Einrichtung von Monokulturen
- eine Rohstoffverwertung betreiben, die sich an den Gesetzen
des Energie- Haushaltes der Natur orientiert und die nicht eine
ökologische Katastrophe vorprogrammiert
- die Herrschaft des Menschen über den Menschen abschaffen.
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