Übersicht
Aktuelle Meldung
Meldungen
Berichte
Vorschau
Hintergrund
Mailingliste
Mail
Suche
|
71. Prozesstag: 26. April 2002
Ausschweifend aber wenig substanziell: die Erinnerungen
des Ermittlungsführers K. Schulzke
Ein Antrag zum Nachweis, dass der Kronzeuge 60.000 DM für
sich verbraucht und nicht an die RZ weitergeleitet hat und eine
langwierige und wenig ergebnislose Befragung des ehemalige Ermittlungsführers
Schulzke waren heute die beiden Programmpunkte des Prozesstages.
Mousli sagt auch beim Geld die Unwahrheit
Zu Beginn des heutigen Verhandlungstages machten die Verteidigerinnen
Würdinger und Studzinsky in einen umfangreichen
Antrag erneut die finanzielle Situation des Kronzeugen Tarek
Mousli sowie eine von ihm behauptete Zahlung von 60.000 DM an die
RZ zum Thema. Bei mindestens fünf polizeilichen Vernehmungen
sowie in der Hauptverhandlung hatte Mousli behauptet, Harald G.
habe Mousli aufgefordert Geld für im Untergrund lebende Angehörige
der RZ zu besorgen. Mousli habe aus diesem Grund von einem engen
Freund 60.000 DM erbeten und diese an Harald G. übergeben.
Schon aus "sämtlichen Aussagevariationen", die der Kronzeugen
bisher angeboten hatte, sei klar geworden - so die Verteidigung
-, dass Mousli die 60.000 DM nicht an Harald G. weiter gegeben,
sondern für sich selbst, bzw. für sein Sportstudio verwandt
hatte. Der von der Verteidigung eingebrachte Antrag fordert die
Beiziehung von Kontobewegungen und die Einvernahme weiterer Zeugen
zu diesem Thema.
Ein ehemaliger Ermittlungsführer erinnert sich
Der zweite Teil des Tages wurde mit der Befragung von Klaus Schulzke
(60), ehemaliger Ermittlungsführer in Sachen RZ, bestritten.
Schulzke, der BKA- Mann außer Dienst, war den Prozessbeteiligten
schon aus drei vorhergehenden Prozesstagen bekannt. (5.
Prozesstag: 7.06.01; 14. Prozesstag:
19.07.01; 15.Prozesstag: 20.07.01)
Auch heute zeigte der Zeuge beeindruckende Leistungen, wenn es um
das Ausweichen und Umschiffen von schwierigen Fragen ging.
Zunächst wurde Schulzke von der Vorsitzenden Richterin mit
einem Vorhalt konfrontiert, der auf einem Antrag von Rechtsanwalt
Euler basierte. Schulzke, der ehemalige Ermittlungsführer des
Verfahrens gegen Tarek Mousli, solle sich dazu äußern,
wie es passieren konnte, dass Abhörmaßnahmen gegen Mousli,
die ab September1999 bis Januar 2000 durchgeführt wurden, nicht
dem Gericht bekanntgemacht worden waren.
Zur Erinnerung: Erst durch Akten, die dem Gericht und der Verteidigung
auf Anträge hin am 14.8.01 übergeben worden waren, konnte
rekonstruiert werden, dass - anders als bis dahin angenommen - die
Anschlüsse von Mousli nicht nur bis Mai 1999, sondern auch
noch später abgehört und mitgeschnitten worden waren.
Erstweitere Anträge der Verteidigung von Harald G. waren nötig,
bis 955Kassetten nachgeliefert wurden (vgl. 21.
Prozesstag: 13.9.01) .
Kommissar Wolf ist schuld
Schulzke, um Ausreden nicht verlegen, gab an, dass im August/September
entschieden worden war, die Anschlüsse von Mousli erneut abzuhören.
Aus "arbeitsökonomischen Gründen" habe man diese Aufgabe
an einen Kollegen, den Kriminaloberkommissar Bauer, übertragen,
der "zehn bis 15 Meter entfernt" in einem anderen Zimmer gesessen
habe. Dieser sei dann krank geworden und befände sich inzwischen
im Ruhestand. Dafür sei ein neuer Kollege eingearbeitet worden,
an dessen Namen er sich allerdings nicht mehr erinnern könne.
Er, Schulzke, habe Ende 1999 alles an den Kollegen Trede übergeben
und habe nur noch die Aufgabe gehabt, die Vernehmungen mit Mousli
"zu Ende zu führen". Für den Bereich Telefonüberwachung
sei Kommissar Wolf zuständig gewesen. Auf die Frage des Berichterstatters
Hanschke, warum diese Vorgänge nicht dem Gericht bekannt gemacht
worden seien, gab der Zeuge an, ihn träfe keine Schuld, da
er sich zu diesem Zeitpunkt schon im Ruhestand befunden habe .Rechtsanwalt
Euler wollte wissen, warum Schulzke die später durchgeführten
Abhörmaßnahmen auch bei seiner Befragung vor Gericht,
im Januar und Juli 2001, verschwiegen hat. Der Zeuge erklärte
dazu, dass ihm damals nicht klar gewesen sei, dass die Telefonüberwachungen
nicht gerichtsbekannt waren und schließlich habe man ihn "nicht
explizit dazu befragt".
Erst vergangene Woche bei einem BKA- Besuch habe er sein Wissen
über die Abhörmaßnahmen aufgefrischt. Dabei hätte
er Kommissar Wolf getroffen und "für fünf Minuten" mit
ihm gesprochen. Erst von Wolf habe er erfahren, dass die Überwachungsmaßnahmen
nicht zu den Gerichtsakten gelangt seien. Er habe Kommissar Wolf
aber nicht die Frage gestellt, warum dies nicht geschehen sei.
"Da war ich in Urlaub"
Rechtsanwältin Würdinger informierte den Zeugen, dass
laut Beschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Mai 1999 die Anschlüsse
von Mousli bis Mitte August hätten abgehört werden dürfen.
Es stelle sich die Frage, warum Mousli nach seiner zweiten Entlassung,
am 7. Juli, nicht direkt weiter abgehört worden war, sondern
erst wieder ab Anfang September. Schulzke zeigte sich auch bei dieser
Frage unwissend. Mit der Aussage, er habe sich im Sommer 1999 längere
Zeit in Urlaub befunden, wisse aber auch nicht mehr wie lange und
wo, versuchte der ehemalige Ermittlungsführer seine Erinnerungslücken
zu begründen.
Ein weiterer Komplex, den die AnwältInnen Euler und Lunnebach
mit dem Zeugen zu ergründen suchten, waren die Besuche von
Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei Tarek Mousli
in der Zeit seiner Inhaftierung in Köln- Ossendorf. Schulzke
sagte heute, er habe an diesen Gesprächen nicht teilgenommen
und hätte auch keinerlei Informationen über deren Inhalt.
Er könne sich lediglich erinnern "Beamte gesehen zu haben",
weil er wegen ihnen einmal eine Vernehmung habe abbrechen müssen.
In diesem Zusammenhang sei er auch bei einer "Vorstellungsphase"
dabei gewesen. Dieser Erinnerungsfetzen kam dem Zeugen jedoch bei
genauerer Nachfrage unmittelbar wieder abhanden. Dies seien eher
allgemeine Erinnerungen gewesen, festlegen wolle er sich da nicht:
"Ich glaube, mich daran erinnern zu können, dass ich die Beamten
gesehen habe", präzisierte sich der Zeuge. Ob er dies von Herrn
Mousli gelernt hat oder umgekehrt?
"Ich habe immer an Mousli geglaubt"
Weiter ging es mit dem Seegraben, mit dem darin nach dreimaliger
Suche gefundenen Sprengstoff und den Zweifeln an einem Kronzeugen,
der nicht hält, was er verspricht. Schulzke machte heute den
Eindruck immer fest an seinen Kronzeugen geglaubt zu haben. Selbst
nachdem Taucher nach einer ausgedehnten Suche den Sprengstoff, den
Mousli in dem Seegraben entsorgt haben will, nicht gefunden hatten,
hätte er nicht gezweifelt. "Man kann sich ja mal irren." Und
schließlich sei der Sprengstoff später ja gefunden worden.
Rechtsanwältin Würdinger hakte bei einem Sachstandsbericht
vom 20.8.1999 ein. Diesen hatte neben Kriminalkommissar Trede auch
der Zeugen Schulzke unterschrieben. Der Bericht, der alle bis zu
diesem Zeitpunkt bekannten ermittlungsrelevanten Ergebnisse zusammenfasste,
existiert in zwei Ausführungen: eine längere und eine
gekürzte Version. Von Kriminalkommissar Trede war schon am
45.Prozesstag (20.12.01) zu
erfahren, dass er der eigentliche Verfasser des Berichtes gewesen
sei und diesen auf Geheiß des Ermittlungsführers Schulzke
gekürzt habe. Beide Berichte enthalten jedoch Erkenntnisse,
die den Ermittlern erst nach dem 20.8.99 bekannt geworden waren.
Schulzke konnte sich weder daran erinnern, Trede aufgefordert zu
haben den Bericht zu kürzen ("Warum?"), noch konnte er erklären,
wie späte gemachte Erkenntnisse Eingang in den Bericht gefunden
haben können("Wie bitte?").
"... Mensch, da war noch der 'Anton'!"
Abschließend versuchte noch Rechtsanwalt von Schlieffen sein
Glück: Dabei ging es um die Frage, wann der Name 'Anton' von
Mousli zum ersten Mal genannt worden sei. Nach den vorliegenden
Akten war Mousli bei seiner Vernehmung am 26.11.99 von Schulzke,
direkt nach einer zweistündigen Pause, gefragt worden: "Sie
erwähnten den Decknamen 'Anton', was können sie darüber
sagen?" Laut Vernehmungsprotokollen hatte jedoch bis dahin der Name
'Anton' noch keine Rolle gespielt. 'Anton' müsse vorher schon
irgendwann mal erwähnt worden sein, erklärte Schulzke
mehrere Male. Vielleicht sei das direkt nach dem Mittagessen gewesen
und der Name 'Anton' sei Mousli spontan eingefallen; nach dem Motto
"Mensch, da war noch der 'Anton'!". Diese Ausführungen
führten zwar zu einiger Heiterkeit im Gerichtssaal, die eigentliche
Frage, ob der Name 'Anton' gar nicht von Mousli, sondern von Beamten
des Verfassungsschutzes in Spiel gebracht wurde, die mit Mousli
in der Vernehmungspause gesprochen hatten, wird bei einem derartigen
Aussageverhalten wohl nie bekannt werden.
Damit wurde der Zeuge entlassen, wobei anzunehmen ist, dass den
Prozessbeteiligten eine weitere Befragung von Schulzke nicht erspart
bleibt. Für Staatsanwalt Monka hat die Zeit heute nicht mehr
gereicht. Er wird für den 16.5. erneut geladen.
|