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5. Prozesstag: 7. Juni 2001
Die Auflösungserklärung hat mich nicht
interessiert
BKA- Zeuge brachte wenig erhellendes
Im Zentrum des fünften Verhandlungstags stand die Zeugenvernehmung
des Kriminalhauptkommissars a.D. Klaus Schulzke. Der seit November 2000
pensionierte Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) war leitender
Ermittlungsführer im Verfahren gegen Tarek Mousli. Von der
Vorsitzenden Richterin Gisela Hennig wurde er zu diesem Zeitpunkt des
Prozesses vorgeladen, weil sie sich von seiner Vernehmung Aufklärung
darüber versprach, wie und unter welchen Umständen die Aussagen
des Zeugen der Anklage Tarek Mousli zustande gekommen sind. Nach der
mehrstündigen Befragung steht fest: Kriminalhauptkommissar (KHK)
Schulzke tat alles dafür, sich nicht festzulegen und die Art und Weise
der Aussageentstehung des Kronzeugen weiterhin im Dunkeln zu lassen.
Anwälte fordern erneut vollständige
Akteneinsicht
Bevor es zur Befragung des Zeugen kam, verlangte
Rechtsanwältin Würdinger, dass ihr und den anderen
Verfahrensbeteiligten bislang vorenthaltene Unterlagen zugänglich
gemacht würden.
An 43 Stellen in den Verfahrensakten würde auf Vermerke und
andere Unterlagen z.B. zu Anfragen an die Gauck-Behörde, das
Bundesamt für Verfassungsschutz, das Landesamt für Verfassungsschutz
in Kiel verwiesen, die sich nicht in den Akten der Verteidigung
befänden. Neben der Übersendung dieser fehlenden Aktenteile
verlangte Rechtsanwältin Würdinger, die Befragung des
Zeugen Schulzke bis zu deren Überstellung auszusetzen.
Für Bundesanwalt Homann stand diese Fleißarbeit des Herrn
Glöde in keinem Zusammenhang zur anstehenden Zeugenbefragung. Das
Gericht habe - so die Vorsitzende Richterin - damit begonnen zu
prüfen, um welche fehlenden Aktenteile es sich handele. Allerdings
wies das Gericht den Antrag mit der Vernehmung des BKA-Beamten bis zur
Klärung dieser Fragen zu warten zurück. KHK a.D. Schulzke wurde
in den Zeugenstand gerufen.
Zeuge, Sachverständiger oder sachverständiger
Zeuge
Schulzke begann daraufhin - gestützt auf schriftliche Unterlagen -
mit einem Vortrag über die Geschichte der Revolutionären Zellen.
Daraufhin entspannte sich ein Disput zwischen der Verteidigung und dem
Senat bzw. der Bundesanwaltschaft (BAW) über den Status von Schulzke.
Als Zeuge, so der Standpunkt der Verteidigung, müsse er von eigenem
Erlebten berichten, ansonsten sei er als Sachverständiger zu
betrachten. In diesem Zusammenhang wurde problematisiert, ob ein
Hauptermittlungsführer überhaupt als Sachverständiger
zugezogen werden könnte. Rechtsanwalt Euler kündigte im Falle
einer Vernehmung Schulzkes, die weiterhin in Form eines auf schriftliche
Unterlagen gestützten Vortrages stattfände, einen
Befangenheitsantrag an. Alle Verteidiger schlossen sich dieser
Ankündigung an.
Mit der Äußerung, der Zeuge berichte über erlebtes
Aktenstudium, ordnete der Senat die Fortsetzung der Zeugenvernehmung
an.
Zwischen Desinteresse und Erinnerungslücken
Das Gericht zielte mit seinen Fragen vor allem darauf, zu erfahren, wie
und wodurch das BKA seine Erkenntnisse über die RZ bezog, daneben war
es noch daran interessiert, wie und wann Tarek Mousli die
Kronzeugenregelung angeboten worden war. Neben Anschlagserklärungen
und der RZ-Zeitung Revolutionärer Zorn beruhten - nach Angaben von
Schulzke - die Erkenntnisse des BKA auf den Aussagen von Herman Feiling und
den diversen RZ-Prozessen. Angesprochen auf die
Auflösungserklärungen der RZ von Anfang der 90er Jahre, gab der
führende BKA-Mann in Sachen RZ eine bezeichnende Antwort: Dazu
könne er nichts sagen, da er sie nicht gelesen habe. Die
Auflösungserklärung hat mich nicht interessiert.
Er selbst habe sich mit den RZ/ Rote Zora ab 1994 beschäftigt.
1997 sei das BKA darauf gestoßen, dass es sich bei einem Sprengstoff-
Fund in Berlin im Jahr 1995 um Sprengstoff gehandelt habe, der 1987
in Salzhemmendorf entwendet worden war. Dieser sei in der Folge
bei verschiedenen Anschlägen angewandt worden, für welche
RZ-Gruppen die Verantwortung übernommen haben. Schulzke gab
weiter an, ab 1998 an Ermittlungen in Sachen Berliner RZ beteiligt
gewesen zu sein.
Die BAW verzichtete auf Fragen an den Zeugen
Hatte Schulzke zuvor angegeben, mit Mousli sei erst nach seiner
dritten Festnahme im November 1999 über die Kronzeugenregelung
gesprochen worden, musste er nach Vorhaltungen der Verteidigung
im Lauf der weiteren Vernehmung eingestehen, dass Mousli bereits
im Frühjahr 1999 ein entsprechendes Angebot gemacht worden
war. Gefragt, ob sich zwischen ihm und Tarek Mousli im Laufe der
Zeit ein spezielles Verhältnis entwickelt habe, antwortete
er: Natürlich hat es, nachdem Herr Mousli in der JVA Köln-
Ossendorf einsaß, bei den Vernehmungen nicht mehr diesen Konfrontationskurs
gegeben wie bei den ersten Vernehmungen.
Gefragt, wann er das letzte Mal mit dem Kronzeugen zusammengetroffen
wäre, erinnerte sich Schulzke an ein Treffen, dass nach Mouslis
Prozess im Dezember 2000 stattgefunden habe. Dieser habe sich bei ihm
bedanken wollen. Auf Nachfrage beeilte er sich klarzustellen, dass dieses
Treffen keine Siegesfeier gewesen sei.
BAW sieht keine Rechtswidrigkeit
Am Ende des heutigen Verhandlungstag nahm die BAW Stellung zu Antrag der
Verteidigung, die verlangt hatte, die Rechtswidrigkeit der Aktenweitergabe
durch die BAW an Tarek Mousli und dessen Rechtsbeistand festzustellen. Die
BAW konnte kein rechtswidriges Verhalten ihrerseits erkennen. Vielmehr sei
klar, dass Tarek Mousli ein gefährdeter Zeuge sei, und insofern
stände ihm eine inhaltliche Vorbereitung auf seine Zeugenaussage zu.
Das Gericht kündigte an, nach einer Stellungnahme der Verteidigung
nächste Woche, über die Rechtswidrigkeit zu entscheiden.
BAW vor Gericht
Am morgigen Verhandlungstag werden die Bundesanwälte Griesbaum
und Monka vor Gericht als Zeugen vernommen.
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