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Übersicht: schriftliches Urteil

4) Zur Überzeugung des Senats steht fest, daß die Aussage des Zeugen Mousli, "Heiner" sei Mitglied der Berliner RZ gewesen und "Heiner" sei der Angeklagte B., wahr ist.

Der Zeuge Mousli hat schon zu Beginn seiner umfassenden Einlassungen im Ermittlungsverfahren angegeben, ein Mann mit dem Decknamen "Heiner" habe als Mitglied der anderen Gruppe angehört. Dieser habe an der TU im Ausländerbereich gearbeitet, in der Nähe der Friesenstraße gewohnt und habe eine Tochter. Der Zeuge Schulzke hat dies bestätigt. Er und der Zeuge Mousli haben übereinstimmend weiter glaubhaft ausgesagt. daß ihm, Mousli, im November 1999 Lichtbilder - ohne das des Angeklagten B. - vorgelegt worden seien. auf denen er "Heiner" nicht identifiziert habe. Der Zeuge Mousli hat ferner bekundet. er habe bei dieser Lichtbildvorlage zu einem (dem Angeklagten B. ähnlich sehenden) Mann erklärt, daß er ihn möglicherweise auch noch Anfang der 90er Jahre öfter in der "Montagsrunde" im "Ex" gesehen habe; er glaube. er heiße mit Vornamen Martin oder Matti und sei älter und beleibter als er, Mousli. Bei dieser Aussage sei er sich nicht sicher. In der Vernehmung vom 7. Dezember 1999 hat er diese Angaben dahin ergänzt, er habe eine ähnlich aussehende Person in der Zeit von 1986 bis 1993 öfter bis regelmäßig im Mehringhof in der Montagsrunde gesehen, die mit "Sigi" vertraut umgegangen sei. Dieser männlichen Person ordnete er den Decknamen "Heiner" zu. Der Zeuge Schulzke hat zu diesen Vorgängen weiter bekundet. der Angeklagte B. sei seiner Behörde nicht bekannt und es sei deshalb kein Lichtbild von ihm vorhanden gewesen. Tarek Mousli habe aber später bei einer von Dr. Morré durchgeführten Vernehmung angegeben, "Heiner" sei Matti gerufen worden. Der Zeuge Bundesanwalt a.D. Dr. Morré hat dazu bekundet, er habe im Januar 2000 Tarek Mousli zu dem Anschlag auf Karry vernommen. In dem in Anwesenheit des Zeugen Schulzke geführten Vorgespräch, das der Auflockerung der Atmosphäre gedient habe, habe er, Dr. Morré, von seiner Schulzeit in Berlin und seiner Klassenlehrerin B. erzählt: Thomas K. habe mit deren Sohn die Schule besucht. -Thomas K. war dem Bekunden des Zeugen Mousli zufolge unter dem Decknamen "Malte" ein langjähriges, hochrangiges und einflußreiches RZ-Mitglied vom "Norden", gegen den nach der Aussage des Zeugen Schulzke seit Ende der 70er Jahre Haftbefehl wegen Bildung terroristischer Vereinigungen besteht. - Der Zeuge Dr. Morré hat weiter bekundet, auf die Frage des Tarek Mousli, wie der Sohn der Klassenlehrerin heiße, habe er den Namen Matthias B. genannt. Bei der Erwähnung des Namens habe Tarek Mousli aufgeregt gerufen. Matti, so sei "Heiner" genannt worden. Auf seine Frage, wo her er das wisse, habe er angegeben, daß das auf dem Waldspaziergang gewesen sei. Die Zeugen Mousli und Schulzke haben den wesentlichen Inhalt dieses Vorfalls ebenso geschildert. Die Zufälligkeit dieses Geschehens und die Spontaneität der Äußerung des Zeugen Mousli verleihen dessen Angabe hohe Glaubhaftigkeit. Aufgrund dessen und der Bekundungen des Zeugen Schulzke hat der Senat keinen Zweifel, daß diese Vorgänge so, wie geschildert, stattgefunden haben. Dem Zeugen Dr. Morré war es sichtlich unangenehm, daß das Vorgespräch zur Identifizierung des "Heiner" geführt hatte. Zu der Mutter des Angeklagten B. pflegte er freundschaftliche Beziehungen, die nach den Bekundungen des Zeugen durch diese Ereignisse in die Brüche gingen.

Der Zeuge Schulzke hat weiter ausgesagt, von der Berliner Polizei sei ein Lichtbild des Matthias B. besorgt worden; denn die Ermittlungen hätten ergeben, daß die von dem Zeugen Mousli behaupteten persönlichen Verhältnisse des "Heiner" auf diesen Angeklagten zugetroffen hätten. Tarek Mousli seien, ohne daß er darüber unterrichtet worden sei, daß es um die Identifizierung des "Heiner" gegangen sei, insgesamt 51 Lichtbilder vorgelegt worden. Bei der ersten Vernehmung seien ihm die ersten 31 Lichtbilder zur Ansicht gegeben worden, danach sei das Lichtbild des Angeklagten B. unter der Nr. 36 eingefügt worden und dem Zeugen Mousli in einer weiteren Vernehmung die restlichen Bilder ab Nr. 32 vorgelegt worden. Dieser habe auf dem Lichtbild Nr. 36 "Heiner" sicher identifiziert; über diesen Vorgang sei ein gesondertes Protokoll gefertigt worden. Der Zeuge Schulzke begründete dies damit, daß im Falle der Akteneinsicht durch Verteidiger die Identifizierung des "Heiner" noch nicht habe bekannt gemacht werden sollen. Der bei der Vernehmung anwesende Zeuge Trede hat zu den Gründen der gesonderten Protokollierung keine Angaben machen können; das sei Sache seines Vorgesetzten Schulzke gewesen. Die gesonderte Protokollierung ist ohne Belang. Hier ging es nicht um die Identifizierung einer nur einmal gesehenen, dem Zeugen Mousli unbekannten Person, sondern um jemanden, den er schon wiederholt im "Ex" in der Montagsrunde Altlinker im Mehringhof gesehen und beim Waldspaziergang als Mitglied der Berliner RZ wahrgenommen hatte. Auch die Zeugin K. kannte den Angeklagten B. vom Mehringhof.

Der Senat hält die Aussage des Zeugen Mousli, "Heiner" sei der Angeklagte B. für glaubhaft. Die von ihm angegebenen beruflichen und persönlichen Verhältnisse des Angeklagten wurden in vollem Umfang bestätigt. In Verbindung mit der Identifizierung durch die zweite Lichtbildvorlage weisen sie ohne jeden Zweifel auf den Angeklagten B. hin. Schon in der Vernehmung vom 7. Dezember 1999 konnte er seine Erinnerung konkretisieren und den Mann. der dem (auf dem Foto Nr. 4) abgebildeten Mann ähnlich sah. den Decknamen "Heiner" zuordnen und sich an dessen vertrauten Umgang mit "Sigi" erinnern. Die anfängliche Unsicherheit begründet keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Denn es ist zu berücksichtigen, daß der Zeuge eigenem Bekunden in anderem Zusammenhang zufolge nicht mit seiner Inhaftierung gerechnet, auch zuvor nie daran gedacht hatte, die Kronzeugenregelung in Anspruch zu nehmen, wofür sein anfängliches Aussageverhalten spricht, und daher bei seiner Inhaftierung nicht darauf vorbereitet war, über die 10 bis 15 Jahre zurückliegenden Geschehnisse Auskunft gegeben zu müssen. "Heiner" hatte nicht zu seinem engen Umfeld gehört; er hatte ihn im Zusammenhang mit den RZ nur einmal bei dem Waldspaziergang gesehen, weshalb es nachvollziehbar ist, daß ihm seine Person bei der Vernehmung im November 1999 nicht unmittelbar gegenwärtig war. Von dessen Mitgliedschaft und Wirken hatte er allein von "Jon" und "Judith" erfahren. Auch hier gilt das bereits zu dem Angeklagten H. Gesagte, wonach nicht der geringste Anhalt dafür besteht, daß die Angeklagten E. und Sch. den Mitgliedern ihrer Gruppe zu "Heiner" unwahre Angaben machten. Die sehr engen und vertrauensvollen Beziehungen zwischen ihnen und die jahrelangen, offenen Diskussionen ließen es zur Überzeugung des Senats nicht zu, über viele Jahre hinweg den Mitgliedern ihrer Gruppe falsche Informationen über ein Mitglied der anderen Gruppe zu geben, wofür im übrigen auch kein Grund ersichtlich ist, soweit, wie hier, die Abschottung gewahrt blieb.

Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Identifizierung des Angeklagten B. durch den Zeugen Mousli ergeben sich auch nicht aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen zu dem Angeklagten H., die er in der Vernehmung vom 4. Januar 2000 übergab. Darin versah er verschiedene Angaben zu diesem Angeklagten mit einem "W" (= "weiß ich sicher') oder einem "G" (= "glaube ich, weiß ich nicht sicher). In der zu Kontakten des Axel H. zu Mitgliedern der Berliner RZ/ Rote Zora erstellten Tabelle kennzeichnete er dessen Kontakte zu "Heiner" mit "G". Auf Vorhalt vermochte der Zeuge Mousli diesen Umstand nicht zu erklären, machte aber deutlich, daß er sich dieser Kontakte sicher war. Bei dem Eintrag hat es sich lediglich um eine Unaufmerksamkeit, Flüchtigkeit gehandelt. Dafür spricht, daß er in dieser Rubrik zunächst sogar bei sich selbst und Lothar E. ein "G" verzeichnete. Während er später dies veränderte und .jeweils mit einem "W" überschrieb, vergaß er offensichtlich die entsprechende Änderung bei dem Angeklagten B..

Für die Mitgliedschaft des Angeklagten B. spricht indiziell auch, daß nach den Bekundungen des Zeugen KOK Otte bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 18. April 2000 ein Adreßbuch mit der Telefonnummer des Angeklagten H., in seinem Schlafzimmer eine Solidaritäts-CD mit dem Titel "Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle" für die seinerzeit in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten G., H. und E. und auf dem zur Wohnung gehörenden Dachboden die Zeitschrift ,.radikal" sowie die Anleitung zum Bau einer illegalen Funkanlage gefunden wurden. Der Zeuge van Elkan hat ausgesagt, auf dem Dachboden seien auch die Zeitschriften der linken Szene "lnterim" und "Rote Hilfe" sichergestellt worden. Die Ermittlungen haben, so der Zeuge Palm, auch ergeben, daß der Angeklagte B. Gründungsmitglied der im Mehringhof ansässigen Taxigenossenschaft "Taxistas" war, der der Angeklagte G. später als Genosse angehörte; der Zeuge Mousli bekundete hierzu, "Sigi" sei "Taxista" gewesen. Die Zeugen Palm und Otte haben weiter bekundet, die Angeklagten B. und G. hätten gemeinsam die Berufsschule besucht, seien in dieselbe Klasse gegangen und hätten am selben Tag die Prüfung abgelegt. Es bestehen demnach Verflechtungen, Bekanntschaften und Interessen, also .Indizien, die die Bekundungen des Zeugen Mousli stützen.

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