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Übersicht: schriftliches
Urteil
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IV. Wertung der Einlassungen
1) Die Angeklagten Sch., E. und H. räumten Tatbeteiligungen
ein und bestätigten damit teilweise die Angaben des Zeugen
Mousli. Ein wahrheitsgemäßes Bild des Geschehens zu vermitteln,
war nicht der Zweck ihrer Einlassungen; vielmehr waren sie maßgeblich
von taktischen Interessen bestimmt. Durch die Bekennung strafbaren
Tuns sollte die Fluchtgefahr soweit herabgesetzt werden, daß
die Außervollzugsetzung der Haftbefehle, wie geschehen, verantwortet
werden konnte. Die Einlassung des Angeklagten Sch. war auch von
weiteren taktischen Erwägungen geprägt. Er bestätigte
die Aussagen des Zeugen Mousli, soweit bei den Anschlägen Zeugen
die Taten beobachtet hatten, bestritt hingegen weitere Bekundungen
des Zeugen in der Meinung, daß dann Aussage gegen Aussage
stehe, was zu einem für ihn und seine Ehefrau, die Angeklagte
E., günstigen Ergebnis führen müsse. Damit wollten
er und die Angeklagte E. die Einstellung des Verfahrens wegen Bildung
terroristischer Vereinigungen aufgrund Eintritts der Verjährung,
der Angeklagte Sch. seine Verurteilung nur wegen Beteiligung an
dem Anschlag auf die ZSA zu einer geringen Strafe und die Angeklagte
E. ihren Freispruch im übrigen erreichen. Der Angeklagte H.
erstrebte mit seiner Einlassung seinen Freispruch.
Sie gaben zur Erreichung dieser Ziele, soweit sie dies für
erforderlich hielten, Tatbeteiligungen zu. machten jedoch darüber
hinaus Angaben, mit denen sie auch zum Nutzen der übrigen Angeklagten
den Zeugen Mousli als Lügner hinstellen wollten, um sich nicht,
wie der Zeuge Mousli, dem Vorwurf des Verrats anderer zum eigenen
Vorteil auszusetzen Der Angeklagte Sch. äußerte sich
zwar zu seinen persönlichen Verhältnissen umfassend und
chronologisch, unterließ dies aber im wesentlichen bei seiner
Darstellung des behaupteten Tatgeschehens. Insoweit fehlt eine geschlossene,
zusammenhängende, detaillierte Darstellung der Ereignisse,
aufgrund derer sich die Geschehnisse nachvollziehen ließen
und die Einlassung an Glaubhaftigkeit gewinnen könnte; eine
geschlossene Darstellung wäre auch ohne Benennung anderer Angeklagter
und Lothar E.s möglich gewesen, So behauptete er abweichend
von der Aussage des Zeugen Mousli etwa, er und die Angeklagte E.
hätten mit dem Zeugen Mousli keine Eingangsgespräche geführt,
schwieg aber dazu, ob er sich als Illegaler über die Zuverlässigkeit
des Zeugen erkundigt habe, wie sich also die Dinge anders, als von
dem Zeugen bekundet, zugetragen haben. Der Angeklagte Sch. behauptete
auch, Tarek Mouslis Wissen vom Hörensagen sei insgesamt erfunden
und erlogen. Was aber abweichend von den Bekundungen des Zeugen
tatsächlich geschehen und besprochen worden sein soll, etwa
wie sich die Mittäter abgestimmt haben, dazu schweigt die Einlassung.
2) Mit seinem Geständnis. unter dem Decknamen "Anton"
bei den Berliner RZ mitgewirkt zu haben, räumte der Angeklagte
H. glaubhaft nur das ein, was ihm nach der vor seinem Teilgeständnis
durchgeführten Beweisaufnahme ohnehin nachgewiesen worden wäre.
So hat der Zeuge KOK Bischof bekundet, daß er bei der Durchsuchung
der Wohnung des Angeklagten H. am 19. Dezember 1999 in einem Nebenraum
der Wohnung eine Schreibmaschine gefunden habe. Der Zeuge KHK Doell
hat ausgesagt, er habe das in der Schreibmaschine befindliche Karbonband
mit einem Lesegerät optisch abgetastet; die Daten seien unmittelbar
vom Computer aufgezeichnet worden. Der Zeuge KHK van Elkan hat ausgesagt,
die Auswertung des Karbonbandes habe ergeben, daß mit der
Schreibmaschine mehrere Schriftstücke geschrieben worden seien,
die die Anschrift des Angeklagten H. als Absender getragen hätten,
sowie ein Brief der die Anrede "hallo langer" enthalten
und mit den Worten geschlossen habe, "noch freiheit und glück
anton". Die Bekundungen der Zeugen wurden durch die verlesenen
Schriftstücke bestätigt. Die Aussagen der Zeugen sind
glaubhaft: sie berichteten ruhig und sachlich über ihre Ermittlungen.
Die Anrede "langer" spielt zur Überzeugung des Senats
auf die hochgewachsene Gestalt des Zeugen Mousli an. In dem Schreiben
erwähnte der Angeklagte H. die Presseerklärung der Bundesanwaltschaft
vom 20. Mai 1999, die nach dem Bekunden des Zeugen van Elkan zu
der Festnahme des Tarek Mousli am 19. Mai 1999 und dem Sprengstoffund
bei dem Zeugen Slawinski herausgegeben wurde, und erkundigte sich
nach den in der Pressemitteilung angegebenen Ereignissen im Jahre
1995. Des weiteren haben die Zeugen KOK Trede und van Elkan übereinstimmend
und glaubhaft ausgesagt, der damalige Verteidiger des Beschuldigten
Mousli, Rechtsanwalt Frank Asner, habe berichtet, bei einer zufälligen
Begegnung mit dem (früheren) Verteidiger des Angeklagten H.,
Rechtsanwalt Herzog, habe dieser ihn gebeten, Tarek Mousli "Schöne
Grüße von Anton" auszurichten. Da er, Asner, nicht
gewußt habe, wer "Anton"' sei. habe Rechtsanwalt
Herzog erklärt, daß dies Axel sei. Axel ist der Vorname
des Angeklagten H.. Die Beweislage, daß dieser, so wie von
dem Zeugen Mousli angegeben, "Anton" war, war mithin erdrückend.
Die Zeugen KHK Hübner und KHK Breitmeier haben übereinstimmend
bekundet, bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten H. sei
ein Telefonverzeichnis bzw. Adreßbuch gefunden worden. Die
Auswertung habe, so der Zeuge van Elkan, ergeben, daß dort
die Telefonnummer und Anschrift des Angeklagten Sch. in Gütersloh
sowie seine und die Anschrift und Telefonnummer der Angeklagten
E. in Frankfurt notiert gewesen seien. Aufgrund dieses eindeutigen
Ergebnisses der Beweisaufnahme, daß er .,Anton" war,
konnte der Angeklagte H. kaum glaubhaft bestreiten, "Jon"
und "Judith" gekannt zu haben. Schließlich räumte
er ein, die Angeklagten Sch. und E. unter den Decknamen "Jon"
und "Judith'" gekannt zu haben.
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