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Übersicht: schriftliches
Urteil
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V. Allgemeine Beurteilung der Aussage des Zeugen
Mousli
Der Zeuge Mousli stellte das Tatgeschehen im wesentlichen so dar,
wie in den Feststellungen niedergelegt; diese Bekundungen sind glaubhaft.
1) Der Verfahrensgang und die Entwicklung der Aussage des
Zeugen Mousli beeinträchtigen seine Glaubwürdigkeit und
die Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht.
Die Zeugen Schulzke und Trede, die federführend die Ermittlungen
geführt haben, haben übereinstimmend, widerspruchsfrei
und glaubhaft bekundet, Ende 1997 habe Schulzke im Rahmen des Verfahrens
gegen Kawaters den Auftrag erhalten, die im Zusammenhang mit Gelamon
40 stehenden Ermittlungsergebnisse betreffend Sprengstofffunde und
-anschläge zusammenzustellen. Dabei seien sie auf das 1995
von der Berliner Polizei bei dem Zeugen Slawinski sichergestellte
Gelamon 40 gestoßen. Sie hätten wiederholt den Zeugen
Slawinski. der in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren behauptet
hatte. den Sprengstoff gefunden zu haben, befragt. Dieser habe eingeräumt,
den Sprengstoff aus dem Keller eines Hauses in der Schönhauser
Allee gestohlen zu haben, und habe ihnen den Keller gezeigt. Er
habe schließlich auch seinen Mittäter, den Zeugen Weber,
benannt, der die Tat ebenfalls eingeräumt und ihnen den Keller
gezeigt habe. Die Ermittlungen hätten ergeben, daß die
Zeugen Mousli und T. zur damaligen Zeit Mieter des Kellers gewesen
seien. Im April 1999 sei der Zeuge Mousli festgenommen worden und
habe keine Angaben gemacht. Bereits zu dieser Zeit hätten sie
ihn die Kronzeugenregelung nahegelegt und ihn gebeten, diese mit
seinem Rechtsanwalt zu erörtern. In den folgenden Monaten hätten
sie, Schulzke und Trede, den Zeugen wiederholt auf die Kronzeugenregelung
sowie auf deren Auslaufen Ende 1999 hingewiesen. Nach seiner Inhaftierung
im Mai 1999 habe er, Mousli, den Besitz von Sprengstoff zugegeben.
Der Zeuge Trede hat weiter bekundet, da Mousli angegeben habe, den
Sprengstoff im Seegraben in Höhe des Parkplatzes versenkt zu
haben, sei dort am 16. und 17. Juni 1999 eine Durchsuchung vorgenommen
worden, die jedoch erfolglos gewesen sei. Am 24. August 1999 sei
eine weitere Durchsuchung erfolgt, bei der ein Paket Gelamon 40
gefunden worden sei. Die Zeugen Schulzke und Trede haben des weiteren
ausgesagt, nachdem die Zeugin T. angegeben habe, daß der Zeuge
Mousli ihr damals erzählt habe, er sei führende Kraft
einer Organisation gewesen und habe auf Dr. Korbmacher geschossen,
sei gegen Tarek Mousli Haftbefehl wegen Rädelsführerschaft
einer terroristischen Vereinigung erlassen und er am 23. November
1999 erneut festgenommen worden. Die Zeugen Schulzke und Staatsanwalt
Monka haben ferner bekundet Tarek Mousli sei so dann erneut auf
die Kronzeugenregelung hingewiesen worden. Der Zeuge StA Monka hat
weiter ausgesagt, er habe auf die Frage Mousli, was ihn im Ermittlungsverfahren
erwarte, erklärt, wenn er keine Angaben mache, erwarte ihn
ein langes Verfahren und er müsse mit der Verhängung einer
Freiheitsstrafe von 5 bis 6 Jahren rechnen. Wenn er ein umfängliches
Geständnis ablege und "Knüller" liefere, könne
er mit einem schnellen Ermittlungsverfahren und im günstigsten
Falle mit einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung
rechnen, allerdings habe darüber das Kammergericht zu entscheiden.
Der Zeuge Mousli hat diese Angaben bestätigt und bekundet,
auf seine Frage, was er mit "Knüller" meine, habe
Staatsanwalt Monka erklärt, damit seien die Taten und Täter
gemeint. Der Zeuge Monka hat dies sinngemäß auch angegeben.
Diese beiden Zeugen und der Zeuge Schulzke haben weiter bekundet,
er, Tarek Mousli, habe von der Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht
und sei, dies hat der Zeuge Graf vom Zeugenschutz des Bundeskriminalamtes
bestätigt, in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden.
Die Aussagen der Zeugen waren sicher und widerspruchsfrei und stimmten
in den sie berührenden Punkten des Geschehens miteinander überein.
Der geäußerte Verdacht, der Zeuge Mousli werde nur seine
Beschuldigungen vom Zeugenschutz bezahlt, ist fernliegend. Der Zeuge
Graf hat dies überzeugend zurückgewiesen und bekundet,
Tarek Mousli, der sich wegen der Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm
habe beruflich umorientieren müssen, werde mit 2.400 DM im
Monat alimentiert; der Zeuge habe nicht besser oder schlechter gestellt
werden sollen als vorher. Die Beweisaufnahme hat keinen Anhalt dafür
ergeben, daß der Zeuge mit gesetzeswidrigen Methoden zur Aussage
bewegt worden ist.
2) Der intelligente, redegewandte Zeuge Mousli trat in der
Hauptverhandlung sicher auf. Er stellte sich nicht etwa als reuiger
Sünder dar, sondern gab vielmehr zu erkennen, daß er
die politischen Motive und Ziele der RZ und des Anschlages auf die
ZSA nach wie vor für richtig hält: "Dazu stehe ich".
Durch oft aggressive Befragungen, bei denen nicht selten bereits
abgehandelte Komplexe erneut aufgegriffen wurden, und Angriffe gegen
seine Person seitens der Verteidigung ließ er sich nicht aus
der Ruhe bringen und auch nicht verunsichern. Seine Aussage enthält
eine Fülle detaillierten Täterwissens, ist in sich geschlossen
und weist keine Brüche auf. Die Schilderungen beinhalten komplizierte
Handlungsabläufe, die in sich logisch und plausibel sind.
Der Senat berücksichtigt bei seinen Wertungen auch, daß
der Zeuge in seinem Ermittlungsverfahren die Kronzeugenregelung
in Anspruch genommen hatte und rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe
von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt
worden ist. Er könnte demzufolge ein persönliches Interesse
daran gehabt haben, andere zu belasten. Trotz monatelanger, intensiver
Befragung wurden aber keine Umstände erkennbar, die darauf
schließen lassen, daß er die Angeklagten zu Unrecht
belastete und das Geschehen übertrieben darstellte. Er beschuldigte
sie nicht pauschal. Wenn er sich vereinzelt an Dinge nicht erinnern
konnte, gab er die Erinnerungslücken unumwunden zu, unabhängig
davon, ob es sich um die Angeklagten be- oder entlastende Umstände
handelte. Ebenso verhielt er sich, wenn ihm Umstände nicht
bekannt waren. Darüber hinaus trennte er sicheres von unsicherem
Wissen und selbst Erlebtes von seinem Wissen vom Hörensagen.
Er schonte sich selbst nicht und räumte seine Mitwirkung an
dem strafbaren Tun der Vereinigung freimütig ein. Für
die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen spricht auch, daß sie
im wesentlichen von großer Konstanz geprägt waren. In
diesem Zusammenhang hat der Senat berücksichtigt, daß
der Zeuge im Ermittlungsverfahren über einen langen Zeitraum
sehr oft und mit zum Teil unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen
und thematischen Wiederholungen vernommen wurde. Daß bei den
zahlreichen Schilderungen des umfassenden, jahrelang währenden,
lange zurückliegenden und sehr komplexen Geschehens der Zeuge
vereinzelt unterschiedliche, teilweise ergänzende Darstellungen
gab, ist verständlich und nachvollziehbar, zumal die Erinnerung
teilweise erst nach und nach wiederkehrte. Dieses Aussageverhalten
zeigt aber auch, daß er nicht stereotypes, gleichsam auswendig
gelerntes Wissen wiedergab.
Der Zeuge hat manches Wissen vom Hörensagen- und zwar überwiegend
von den Angeklagten Sch. und E.. Der Senat hat die Problematik der
Beurteilung des Wahrheitsgehaltes von Mitteilungen über Tatsachen,
die auf den Angaben Dritter beruhen, gesehen. Er hat dabei berücksichtigt,
daß der Zeuge Mousli nicht bloß Außenstehender
war, der flüchtig Verschiedenes in Erfahrung gebracht hatte,
sondern vollwertiges Mitglied der Berliner RZ war. Der Zeuge, die
Angeklagten Sch. und E. pflegten in diesem Rahmen jahrelang enge
Kontakte und führten häufig intensive Gespräche.
bei denen die bei den Angeklagten den Gruppenmitgliedern nicht bekannte
Tatsachen berichteten. Bei dieser Sachlage hätten etwaige Unwahrheiten
leicht aufgedeckt werden können. Es kommt hinzu, daß
die umfassende Vor- und Nachbereitung der Straftaten schwerer Kriminalität
in der klandestinen terroristischen Verbindung gegenseitiges unbedingtes
Vertrauen erforderte und sich jedes Mitglied auf die anderen verassen
können mußte (s. auch unten VI. 8)). Lügen und Unwahrheiten
hätten Mißtrauen gesät, was der Zusammenarbeit und
den gemeinsamen Zielen abträglich gewesen wäre.
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