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Übersicht: schriftliches
Urteil
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6) Entwicklung bis zum Ausscheiden des Zeugen Mousli und der Angeklagten
E. und Sch.
Die Ermordung von Gerd Albartus durch ein palästinensisches
"Revolutionstribunal" im Jahre 1987 und die genannte Durchsuchungsaktion
des Bundeskriminalamtes am 18. Dezember desselben Jahres riefen
bei den Mitgliedern aller RZ- Gruppen eine tiefe Verunsicherung
hervor und lösten eine Legitimationskrise aus. Eine Diskussion
über die Folgen für die Politik der RZ und ihre moralischen,
legitimatorischen Grundlagen setzte ein. In den beiden Gruppen der
Berliner RZ wurde nun eine Strategie- und Strukturdiskussion geführt.
Die Angeklagten E. und Sch. gründeten zu dieser Zeit einen
Literaturzirkel, an dem auch der Angeklagte H. sowie die Zeuginnen
W. und E. teilnahmen. Letztere, eine langjährige Freundin des
Angeklagten H., hatte einige Jahre in Nicaragua gelebt und suchte
nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ein neues "politisches"
Betätigungsfeld. Die Mitglieder des Literaturkreises suchten
durch die Befassung mit insbesondere philosophischen Schriften eine
geistige Neuorientierung. Die Angeklagten E., Sch. und H. blieben
weiter Mitglieder der RZ.
Bereits nach dem Anschlag auf den Zeugen Dr. Korbmacher verfaßte
die Angeklagte E. in ideologischer Übereinstimmung mit dem
Angeklagten Sch. ein Papier, das später in der Textsammlung
"Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte
der Revolutionären Zellen und der Roten Zora. Band 2"
unter dem Titel" Was ist das Patriarchat? Diskussionstext der
Revolutionären Zellen von 1989" veröffentlicht wurde.
In dem Aufsatz untersuchte die Angeklagte die Stellung und Rolle
der Frau in der Gesellschaft. Sie kam zu dem Ergebnis, daß
entgegen dem von dem linken revolutionären Mann vertretenen
Gleichheitsgedanken Mann und Frau nicht gleich seien im Hinblick
auf die ..Geschlechtsdifferenz". Die sich daraus ergebenden
Folgen seien in den bisherigen "männlichen" Revolutionskonzepten
nicht berücksichtigt worden. Die Angeklagten E. und Sch. wollten
damit eine inhaltliche Neuorientierung für eine neue Kampagne
der RZ geben. Über den Inhalt des Anti- Patriarchats- Papiers
wurde 1988 und 1989 in der Gruppe der Angeklagten E. und Sch. kontrovers
diskutiert. Der Zeuge Mousli qualifizierte die Ausführungen
in dem Papier als "Hausfrauisierung" ab.
Unter Aufhebung des bisher streng gewahrten Abschottungsprinzips
trafen sich 1989/90 alle Berliner RZ- Mitglieder - "Toni",
wie bereits ausgeführt, jedoch nicht, da er zu dieser Zeit
schon aus der Vereinigung ausgetreten war - zu einem Waldspaziergang
in der Nähe des S- Bahnhofs Wannsee, bei dem die aufgezeigten
Fragen diskutiert wurden. Wortführer waren wiederum die Angeklagten
E., Sch. und B.. Letzterer sprach sich für soziale Themen aus,
die Angeklagten E. und Sch. für eine Antipatriarchats- und
Antisexismuslinie. Schließlich ging es auch um die von Mitgliedern
des "Pott' in Ablehnung dieser Linie angestoßene Frage
der Auflösung der RZ. Man ging ohne konkretes Ergebnis auseinander.
1990 schied der Zeuge Mousli aus den Berliner RZ aus, erklärte
sich jedoch bereit, der Vereinigung "strukturell", d.h.
für Hilfsdienste, zur Verfügung zu stehen. Er hatte geheiratet
und die Organisation der Pflege des im selben Jahr bei einem Autounfall
schwer verletzten Michael W., genannt "Roger", übernommen.
Nach dem Ausscheiden des Zeugen stellten die Angeklagten E. und
Sch., die sich bereits seit einiger Zeit mit dem Gedanken, in die
Legalität zurückzukehren, getragen hatten, 1990 ihre Mitarbeit
in der Vereinigung ein, weil sie ein weiteres Engagement für
sinnlos hielten. Sie waren der Meinung, die Ziele der RZ seien aufgrund
der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland
nicht mehr erreichbar. Mit ihrem Austritt aus der Gruppe löste
sich diese auf. Die übrigen Mitglieder schlossen sich der Gruppe
des Angeklagten B. an, der nunmehr die Angeklagten B., G. und H.
sowie Lothar E. angehörten. Der Angeklagte B. behielt in seiner
erweiterten Gruppe seine führende Stellung.
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