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2. Prozesstag: 29. März 2001
Anträge der Verteidigung
Nach einer Erklärung der Rechtsanwältin Studzinsky zum letzten
Verhandlungstag hinsichtlich der Frage, wie die Öffentlichkeit im
Prozess durch ProzessbesucherInnen sicher gestellt werden kann, da beim
letzten Verhandlungstag einige BesucherInnen sogar erst nach Beginn der
Hauptverhandlung reingelassen wurden, trug Rechtsanwalt Eisenberg die am
letzten Verhandlungstag angekündigte Besetzungsrüge hinsichtlich
der Bestellung der Ergänzungsrichter vor.
Durch die Art und Weise der Bestellung der Ergänzungsrichter in
diesem Verfahren sei gegen das Grundrecht auf einen "gesetzlichen
Richter" verstoßen worden, so Rechtsanwalt Eisenberg. Im Kern
richtete sich die Rüge dagegen, dass die Besetzung willkürlich
erfolgte, weil der Beschluss des Präsidiums, das nämlich
bestimmt, welche ErgänzungsrichterInnen zum Einsatz kommen, nicht den
Regelungen im Geschäftsverteilungsplan entspricht.
Nach einer halbstündigen Unterbrechung der Hauptverhandlung
kündigte die Vorsitzende Richterin die Verlesung der Anklage an. Im
Anschluss an Fragen der Verteidigung, wie das weitere Procedere in bezug
auf die Besetzungsrüge gedacht sei, meldete sich Oberstaatsanwalt
Homann zu Wort. Er kündigte eine schriftliche Stellungnahme seitens
seiner Behörde an, die Anfang nächster Woche dem Gericht
zugestellt werden soll. Nach Kenntnisnahme durch die Verteidigung wird ihr
am nächsten Verhandlungstag die Möglichkeit zur Stellungnahme
eingeräumt.
Rechtsanwältin Studzinsky gab danach eine Erklärung im Namen
ihres Mandanten Harald Glöde ab. Anlass hierzu war eine
Äußerung der Vorsitzenden Richterin gegenüber der
Verteidigerin Harald Glödes, der Angeklagte könne der
Verteidigung im Sinne der Prozessökonomie durchaus behilflich sein.
Dies lasse mindestens zwei Lesarten zu: Es könne so verstanden werden,
dass die Vorsitzende Richterin davon ausgeht, der Angeklagte könne der
Verteidigung schlicht bei ihrer Arbeit helfen oder aber, er wisse über
die Tatvorwürfe Bescheid und könne der Verteidigung deshalb
Hilfestellungen geben. Insofern stelle sich die Frage, inwiefern die
Vorsitzende Richterin dem Angeklagten noch unvoreingenommen
gegenübertrete.
Die Bundesanwaltschaft (BAW) erklärte hierzu, diese Erklärung
komme bei weitem zu früh, weil sie der Beweiserhebung vorgreife.
Rechtsanwalt Kaleck stellte den Antrag das Verfahren einzustellen, weil ein nicht
behebbares Verfahrenshindernis bestehe. Er führte aus, dass ein
Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahren vorliege, da der
Grundsatz der Waffengleichheit der Verfahrensbeteiligten und die
Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens als kontradiktorisches Verfahren nicht
mehr gegeben sei. Damit sei der Verteidigung die Möglichkeit genommen,
Widersprüche in den Aussagen von Tarek Mousli - dem Hauptbeweismittel
- aufklären zu können. In seinen Ausführungen beschuldigte
er die BAW, alles dafür getan zu haben, dass eben dieses Beweismittel
unbrauchbar gemacht wurde. Nach den monatelangen Vernehmungen durch Beamte
des Bundeskriminalamtes und der BAW sei davon auszugehen, dass Mousli
lediglich eine Mischung aus konkreten Erinnerungen, Hinzu- und
Hinweggedichtetem, Erlerntem, nach Vorhalten durch die
Ermittlungsbehörden Korrigiertem in der Hauptverhandlung vortragen
werde. Von einem fairen Prozess könne angesichts dessen nicht mehr
gesprochen werden. Rechtsanwältin Würdinger und Rechtsanwalt
Geimecke schlossen sich diesem Antrag an.
Die BAW konnte in dem Antrag von Rechtsanwalt Kaleck keine
schwerwiegende Gründe erkennen, die für eine Einstellung des
Hauptverfahrens sprächen. Vehement sprach sich Oberstaatsanwalt Homann
dagegen aus, der Zeuge der Anklage Tarek Mousli sei von den
Vernehmungsbeamten unter Druck gesetzt worden.
Rechtsanwalt Becker, der den Antrag formal nicht unterstützte,
schloss sich allerdings den inhaltlichen Ausführungen seines Kollegen
an. Ein bezeichnendes Licht auf das Herangehen der BAW warfen die
Schilderungen seiner Mandantin, so Rechtsanwalt Becker, die bei ihrer
Vorführung vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe im Dezember 1999
erlebt habe, wie Bundesanwalt Griesbaum und seine "BKA-Kumpanen"
jeden erlassenen Haftbefehl unter lauten "Bingo"-Rufen gefeiert
hätten.
Rechtsanwalt Geimecke erinnerte in einer Erklärung daran, dass der
Verteidigung die Akteneinsicht erst sehr spät und offenbar nicht
vollständig gewährt worden sei. So haben zusätzliche
Vernehmungen stattgefunden, von denen die Verteidigung zwar Kenntnis habe,
es gebe aber in den Akten der RechtsanwältInnen keine schriftlichen
Vermerke hierzu.
Nach einer viertelstündigen Unterbrechung gab die Vorsitzende
Richterin bekannt, dass die Hauptverhandlung am kommenden Donnerstag
fortgesetzt werde und unterbrach die Hauptverhandlung. Am 3. Prozesstag
werde dann über die Besetzungsrüge und den Antrag auf Einstellung
des Hauptverfahrens entschieden.
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