11. März 2004: 173. Prozesstag
Verteidigung fordert Freispruch
Alles deutete heute morgen auf ein schnelles Prozessende hin.
Wie vorgesehen begann die Verteidigung des Angeklagten Axel H.
mit der zweiten Version ihres Schlussplädoyers. Die Ausführungen
der Bundesanwaltschaft seien keiner Bemerkung wert, begann Anwalt
Geimecke. Vielmehr aber die Aussage der Zeugin Ute K., die die Arbeitsaufnahme
des Axel H. im Mehringhof definitiv auf August 1989 terminiert hat.
Genau zwei Jahre später als der Kronzeuge den Angeklagten als
Sprengstoff-Lagermeister der RZ im Mehringhof erlebt haben will
(seit 1987). Eine weitere Lüge des Kronzeugen wäre die
behauptete Teilnahme des Angeklagten an dem angeblichen 'Waldspaziergang'.
In den ursprünglichen Aussagen wird der Name Axel H. in diesem
Zusammenhang nie genannt. Erst später dichtet Mousli den Namen
ohne nachvollziehbaren Grund hinzu. Sein Mandant sei u.a. deshalb
freizusprechen.
Da er viele seiner Hilfsbeweisanträge aus dem ersten Plädoyer
durch die inzwischen erfolgte ergänzende Befragung des Kronzeugen
Mousli nicht erledigt sah, stellte er diese erneut und verlangte
einen Bescheid.
Die Würde der Strafverteidigung
Rechtsanwalt Euler, für den Angeklagten Rudolph Sch., rang
anfänglich um seine Kontenance. Beim Versuch den erneuten Eintritt
in die Beweisaufnahme zu beantragen, schnitt die Vorsitzende Richterin
ihm kategorisch das Wort ab, bevor er auch nur Luft für eine
Begründung holen konnte. Aber offenbar gut vorbereitet war
er willens die Würde und die Pflichten des Strafverteidigers
mit allen gebotenen Mitteln bis zum Schluss des Prozesses zu wahren,
auch und gerade wenn es in diesem erschreckend niveaulosen Prozess
sinnlos erscheinen könnte.
Er wies nach, dass die Aussagen des Kronzeugen zum Sprengstoff-
Fundort 'Seegraben', zum angeblichen Waffendepot in einem Fahrstuhlschacht
des Mehringhofes, dem später ihm in Erinnerung gekommenen angeblichen
Wechsel der Decknamen und die qualitative Beurteilung des sog. Patriarchat-Papieres
nicht glaubhaft und teilweise gelogen seien. So bescheinigte Mousli
selbst dem letztgenannten Text einerseits frei von revolutionären
Inhalten zu sein, um andererseits ungerührt eine damit verbundene
Praxisumkehr der RZ beharrlich zu verneinen.
Mousli hätte eine Glaubensgemeinschaft seiner Aussagen um
sich geschart. Zu der gehört z.B. auch der Zeuge Dr. Moré.
So hätte er die Angaben des Kronzeugen bestätigt, dass
die Angeklagten Sabine E. und Rudolf Sch. vor ihrer Rückkehr
über das evtl. Vorliegen eines Haftbefehls Erkundigungen eingeholt
hätten. Und obwohl er den Vorgang lebhaft beschrieben hätte,
findet sich nämlich kein einziger Hinweis auf ein Einsichtgesuch
in den Verfahrensakten ...! Letztlich trug er eine Gegenvorstellung
zum Thema 'Seegraben' vor. Die Zeuginaussage der Carmen T., über
den Zeitpunkt der ersten Kenntnis Mouslis über die Lage dieses
Tümpels, müsse angemessen gewürdigt werden. Eine
weitere Lüge des Kronzeugen würde hier deutlich werden.
Zum Abschluß forderte RA Euler das Gericht auf, nicht dem
Kronzeugen auf den Leim zu gehen. Selbst der Deutsche Richterbund
hätte erst im Januar auf die Fragwürdigkeit von Kronzeugen
in Strafprozessen hingewiesen und die Wiedereinführung dieser
Regelung eindeutig verneint. Die naive Bewertung von interessengeleiteten
Kronzeugenaussagen führe in die juristische Steinzeit, vor
die Zeit der Erfindung des elektrischen Lichtes zur besseren Wahrheitsfindung.
Den Ausführungen der Bundesanwaltschaft attestierte er die
völlig Qualitätsfreiheit, die nicht einmal mehr den Anschein
objektiver Tatsachenwürdigung erwecken würden.
Wenn einer eine Reise tut...
Der folgende Wiedereintritt in die Beweisaufnahme ermöglichte
dem Bundesanwalt Bruns einen weiteren seiner peinlichen
und ungewollt komischen Auftritte. Nach dem Prozessmotto: 'Was
nicht passt - wird passend gemacht' verstieg sich der Herr Bundesanwalt
in die These, dass eine Probefahrt mit einem Motorrad auch bis nach
Neuss führen könne. Dort war nämlich - zu seinem
Ärger - das angeblich bei einem der inkriminierten Anschläge
in Berlin verwendeten Motorrad von ZeugInnen gesehen worden. Dem
anhaltenden Gelächter begegnete er: "Ich bin ja noch nicht
fertig!". Doch seine weiteren Phantasien über mögliche
Ablesefehler oder Schreibfehler beim Erkennen des Kennzeichen durch
die Zeugen in Neuss fanden keinen ernsthaften Anklang mehr.
Es geht also weiter mit der Beweisaufnahme am Do., den 18. März
2004 um 9:15 Uhr
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