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89. Prozesstag: 9. August 2002:
Deutsche Gründlichkeit
Weitere fünf KriminalbeamtInnen, die an der Durchsuchung des
Mehringhofes am 19. Dezember 1999 beteiligt waren, legten mit eben
der Gründlichkeit Zeugnis über ihre damaligen Durchsuchungsverrichtungen
ab, mit welcher sie seinerzeit auch zu Werke gingen. Da wurde zur
Seite geschoben, weggeräumt, abgelöst, gebohrt, abgeklopft,
abgehört und durchgeguckt, dass sich die Balken bogen im Wortsinne.
Verbogen war zum Schluss nicht nur die Stahltüre der Behindertentoilette
in der Durchfahrt beim EX, welche mit einem Rammbock aufgebrochen
worden war.
Gesucht wurden, das gaben alle Zeugen übereinstimmend an:
Sprengstoff, (Schuss-)Waffen, Munition, Hohlräume und Depots
in welchen erstere Gegenstände verstaut werden könnten,
worden sein könnten oder verstaut waren sowie technische Geräte
wie Funkpeilsender, Scanner und dergleichen. Außerdem sollten
RZ-relevante Schriftstücke gesucht, gefunden und beschlagnahmt
werden.
Gesucht wurde - wie gesagt, und darauf legten die Befragten großen
Wert - sehr gründlich, wie sie das eben gelernt und als Berufsehre
verinnerlicht haben.
Gefunden wurde indes - nichts. Und Herr Oberstaatsanwalt, Bundesanwalt
Homann, zeigte sich kaum einmal bei seinen rackernden BeamtInnen
geschweige denn, dass er Anweisungen gegeben hätte. Heute waren
BeamtInnen da, die den Buchladen, den Fahrradladen, das Puppentheater
Hanswurst Nachfahren, das Mehringhoftheater, diverse Werkstätten,
Lagerräume, Abstellkammern und Treppenaufgänge sowie die
Büros von den Angeklagten, Herrn Haug und Herrn Glöde
(FFM), durchsucht haben. Vereinzelt wurden Sprengstoffhunde oder
Techniker des BKA durch die Räume geführt, um an verdächtigen
Stellen Wischproben (im Falle der Hunde Riechproben) zu nehmen,
Probebohrungen und endoskopische Späharbeiten vor zu nehmen.
Am kommenden Donnerstag (11 Uhr) ist der Gutachter Jendrossek,
Mikrobiologe an der Uni Stuttgart, als Zeuge in Sachen Klebeband,
Algenbewuchs und weitere Mikroorganismen im Seegraben geladen und
hat sein Kommen zugesagt. Davor und danach wird die Zeit wohl mit
Zeugen aus dem üppigen Reservoir an KriminalbeamtInnen ausgefüllt,
die den Mehringhof auseinander genommen haben.
Das Gericht gab bekannt, dass es den Beschluss bestätige,
die Zeugin Elisabeth E. nach ihrer Aussage vor der Sommerpause nicht
vereidigt zu haben.
Die Anwältin Studzinsky stellte Antrag
auf Ladung des Zeugen Teichert. Teichert ist Mitarbeiter der
Sachsen-Anhaltinischen Sprengstoffwerke und kann Auskunft über
den Sprengstoff Gelamon 40 geben, der zu DDR-Zeiten im VEB in Schönebeck
(hauptsächlich für den Export) hergestellt worden ist.
Das Archiv des VEB ist bei der Firma Herrn Teicherts zu finden.
Herr Teicherts Aussage soll den Nachweis erbringen, dass Gelamon
40 immer eine hohen Anteil an Ammoniumnitrat enthielt und dass dieser
nicht verändert wurde. Damit läßt sich der Zweifel
begründen, dass es sich zumindest bei einem Teil der im gefundenen
Dynamitstangen (Probe 1) ohne Ammoniumnitrat tatsächlich um
Gelamon 40 handelt. Das jedoch würde bedeuten, dass auch die
Vermutung, der Sprengstoff stamme aus einem - mutmaßlich von
den RZ verübten - Sprengstoff-Raub in Salzhemmendorf 1987,
und etliche weiter gehende Mutmaßungen höchst zweifelhaft
sind.
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