6. Prozesstag: 8. Juni 2001
Ein Bundesanwalt als Zeuge
Eingeschränkte Aussagegenehmigung und fehlender
Aussagewille verhindern weitere Aufklärung
Bundesanwalt Rechtsanwältiner Griesbaum, der als Zeuge vernommen
wurde, ist Referatsleiter der Bundesanwaltschaft (BAW) beim
Bundesgerichtshof. Zusammen mit dem ihm unterstellten und für den
nächsten Verhandlungstag als Zeuge geladenen Bundesanwalt Monka war er
maßgeblich für das Zustandekommen der Kronzeugenregelung mit
Tarek Mousli verantwortlich. Unter welchen Umständen und mit welcher
Einflussnahme durch die BAW es zu einer Kronzeugenregelung kam, sollte mit
seiner Vernehmung erhellt werden.
Obwohl sich die vom Generalbundesanwalt erteilte Aussagegenehmigung
lediglich auf ein Gespräch der BAW mit Mousli am 11. April 2000 bezog,
an dem Griesbaum teilgenommen hatte, räumte der Zeuge zu Beginn ein,
Mousli bei insgesamt drei Gelegenheiten persönlich getroffen zu haben.
Darüber hinaus habe er alle Vernehmungen und Treffen, die
zwischen Mousli und Monka stattgefunden haben, mit diesem vor- und
nachbereitet. Im Zuge seiner Vernehmung zog sich der Zeuge immer wieder auf
die Einschränkungen seiner Aussagegenehmigung zurück.
"Zwischenbilanz" gezogen
Am 11. April 2000 habe er Mousli zum ersten Mal persönlich
getroffen. Bei der Unterredung hätten außerdem sein Kollege
Monka und der damalige Verteidiger von Mousli, Rechtsanwalt Püschel,
teilgenommen. Ziel der Unterredung sei gewesen, eine
"Zwischenbilanz" zu ziehen. Griesbaum gab an, dass er sich bei
dieser Gelegenheit einen eigenen Eindruck von dem Kronzeugen machen wollte.
Außerdem sei erörtert worden, ob der "Fahrplan", wie
er im ersten Quartal des Jahres 2000 festgelegt worden war, eingehalten
werden könne. Grundlage des "Fahrplans" sei die von Monka in
einem Vermerk festgehaltene "Vereinbarung" vom 24. November 1999
gewesen. Rechtsanwalt Püschel und Mousli hätten wissen wollen, ob
die BAW zu dieser Vereinbarung stehe. Griesbaum äußerte sich nur
sehr ungenau zu den Fragen der Verteidigung, welcher Art die genauen
Vorgaben der BAW im Hinblick auf die Vereinbarung gewesen seien. Insgesamt,
so betonte er, hätte er aus der Unterredung einen positiven Eindruck
des Kronzeugen mitgenommen. Er habe dann auch zugesagt, dass sich die BAW
an die Vereinbarung halten werde.
In diesem Zusammenhang führte Griesbaum aus, dass der
"Fahrplan" bei einem Besuch des Verteidigers von Mousli in
Karlsruhe "Anfang März 2000" in einer Gesprächsrunde
erörtert worden war, an der neben ihm Bundesanwalt Monka und der in
diesem Verfahren beteiligte Bundesanwalt Bruns teilgenommen hatten.
Das zweite Treffen mit dem Kronzeugen, an dem Griesbaum persönlich
teilnahm, habe am Rande des Prozesses gegen Mousli im Dezember 2000
stattgefunden. Zum Inhalt des Gespräches äußerte sich der
Zeuge nur sehr vage.
Leichen im Keller
Das dritte und bisher letzte Gespräch habe am 4. April 2001
stattgefunden. Wer das Treffen anberaumt hatte, das ohne den Anwalt von
Mousli "unter vier Augen" stattgefunden habe, blieb offen.
Griesbaum führte aus, er habe den Eindruck gehabt, Mousli könne
aufgrund der bevorstehenden Verhandlung das Bedürfnis haben, mit ihm
ein vorbereitendes Gespräch führen zu wollen. Mousli hätte
denn auch wissen wollen, wie er sich in der anstehenden Verhandlung
"verhalten soll". Außerdem habe er sich erkundigt, ob er
von den Gesprächen, die er während seiner Haftzeit mit
Verfassungsschutzbeamten geführt hatte, vor Gericht "sprechen
dürfe".
Griesbaum gab an, er habe mit diesem Gespräch primär das
Interesse verbunden, mit Mousli über einige Veröffentlichung der
linken Berliner Szene sowie über einen an Mousli gerichteten offenen
Brief in der "taz" sprechen zu wollen. In diesen
Veröffentlichungen wäre zum Ausdruck gebracht worden, dass Mousli
früher "bei Demos seinen Mann gestanden hat". "Ich habe
ihn gefragt: Herr Mousli gibt es Leichen in ihrem Keller?" Mousli habe
diese Frage verneint.
Fehlende Protokolle und Vermerke
Auf Nachfrage der Anwälte erklärte Griesbaum, über keines
der angeführten Gespräche und Treffen in seiner Eigenschaft als
Referatsleiter der BAW Vermerke angelegt zu haben. "Das hielt ich
nicht für erforderlich."
Rechtsanwältin Lunnebach kritisierte, dass es sich bei dem letzten
Gespräch ganz offensichtlich um eine Vernehmung gehandelt habe. Dazu
kein Protokoll oder keinen Vermerk für die Ermittlungsakten gemacht zu
haben, liege so Lunnebach "unterhalb der Schwelle anständiger
Ermittlungsarbeit."
Ebenfalls nicht vermerkt ist das Treffen von Griesbaum und Monka
"im Mai oder Juni 2000" in Berlin mit dem Vorsitzenden Richter
des 2. Strafsenates des Berliner Kammergerichts Eckhart Dietrich zur
Vorbereitung des Prozesses gegen Mousli. Das Treffen habe dazu gedient, den
Vorsitzenden Richter auf die Vereinbarung zwischen der BAW und dem
Kronzeugen hinzuweisen. Außerdem sei über einen möglichen
Prozesstermin beraten worden.
Auf die Frage der Verteidigung, ob ein entsprechender
"Antrittsbesuch" auch im Rahmen dieses Verfahrens beim 1.
Strafsenat des Berliner Kammergerichts gemacht wurde, zog sich Griesbaum
auf seine eingeschränkte Aussagegenehmigung zurück. Diese
Möglichkeit der Aussageverweigerung nahm er auch bei anderen
Fragekomplexen in Anspruch. Rechtsanwalt König sprach in diesem
Zusammenhang schließlich von einem "Joker".
Erweiterung der Aussagegenehmigung gefordert
In der Konsequenz erweiterte Rechtsanwalt König seinen Antrag
vom 31. Mai zur Ausweitung
der Aussagegenehmigung der Bundesanwälte. Diese sollen dadurch
in die Lage versetzt werden, Aussagen machen zu können über
alle Kontakte der BAW zu Mousli sowie über die Kontakte zu
den Verfassungsschutzbehörden, den Zeugenschutzdienststellen
und eventuell geführten Gesprächen mit dem 1. Senat des
Kammergerichtes. Diesem erweiterten Antrag schloss sich die gesamte
Verteidigung an.
Die Vorsitzende Richterin Hennig will außerhalb der
Hauptverhandlung entscheiden, ob sie diesem Antrag folgt. Griesbaum wurde
vereidigt und noch nicht entlassen.
Da ein Mitglied des Gerichts "gesundheitlich angeschlagen"
war, musste die Hauptverhandlung am Nachmittag unterbrochen werden. Die
für heute vorgesehene Zeugenbefragung von Bundesanwalt Monka wurde auf
den 14. Juni verlegt. Dadurch verschiebt sich das Erscheinen des Zeugen
Mousli voraussichtlich um einen Tag auf den 15. Juni.
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