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Verteidigung

Plädoyer der Verteidigung Matthias Borgmann vom 18.12.2003

Edith Lunnebach

Wer ist Heiner ?

Die Bundesanwaltschaft geht von einer glaubhaften Identifizierung der von Mousli als Heiner beschriebenen Person, die Mitglied der zweiten Berliner Zelle gewesen sein soll, als Matthias Borgmann aus.

Bei der Darstellung dieser angeblich glaubhaften Identifizierungsleistung durch den Kronzeugen Mousli, die insgesamt durch erschreckende Dürftigkeit auffiel, läßt sich letztlich an einer Bemerkung anknüpfen: die Identifizierung des Heiner durch den Kronzeugen Mousli stelle einen ungewöhnlichen "Geschehensablauf " dar. In der Tat ! Allerdings muß dies aus Sicht der Verteidigung dazu führen, daß die Identifizierung als unglaubhaft zurückgewiesen werden muß.

Mag sein, daß der Kronzeuge Mousli die Person des Heiner kennt (wenig spricht dafür, wie auszuführen sein wird). Weder die Aussage des Zeugen und deren Verlauf im Ermittlungsverfahren, noch deren Darstellung in der Hauptverhandlung ist als Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten Matthias Borgmann als Heiner aus der RZ ausreichend.

Die Angaben des Mousli sind noch nicht einmal "plausibel", um erneut die BAW zu zitieren.

Selbst plausibel sind sie nicht, um so weniger aber für die sichere Überzeugung, die für eine Verurteilung des Mandanten erforderlich wäre, ausreichend.

Die Verteidigung Borgmann wird darlegen, daß der Mandant freizusprechen ist.

Ganz offensichtlich ist die Bundesanwaltschaft im Plädoyer davon ausgegangen, daß es sich der Mühe nicht lohnt, sich überhaupt mit der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Angaben des Mousli ernsthaft auseinander zu setzen. Auch die Verteidigung geht davon aus, daß der Senat insoweit nicht mehr ansprechbar ist. Ich halte es dennoch nicht für L'art pour l'art nachzuweisen, daß die erwartete Verurteilung des Mandanten in der Revisionsinstanz keinen Bestand haben wird. Bei der sicheren Überzeugung hiervon läßt sich ausnahmsweise einmal an eine insgesamt überzeugende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage der Bewertung der Glaubwürdigkeit / Glaubhaftigkeit von Angaben eines Zeugen anknüpfen.

Auch schon vor der grundlegenden Entscheidung des Ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofes (BGH St 45, 164) ist der BGH zwar davon ausgegangen, daß die Bewertung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen "ureigenste" Aufgabe des Tatrichters ist, allerdings müsse sich der Tatrichter dahingehend überprüfen lassen, ob er diese Aufgabe mit ausreichender Qualifikation nachgekommen ist. So hat der BGH seit Ende der 80-iger Jahre die Glaubwürdigkeitsbegutachtung verstärkt auch sachlichrechtlich überprüft (so Richter am Bundesgerichtshof RiBGH Armin Nack in Strafo 1, 1 ff) und er ist infolge zunehmend davon ausgegangen, daß der Tatrichter über die Erkenntnisse der modernen Aussagepsychologie verfügen müsse. Bei dieser im Prinzip erfreulichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fällt natürlich auf, daß sie anhand ausschließlich weiblicher Zeugenaussagen im Bereich des sexuellen Mißbrauchs / Vergewaltigung entwickelt wurde.

Ich werde im folgenden aber nachweisen, daß auch an Aussagen männlicher Kronzeugen strenge Maßstäbe anzulegen sind.

Seit dem bereits zitierten Urteil des Ersten Strafsenats vom 30.07.1999 hat der BGH bestimmte Grundsätze für die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen und ihre revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit festgelegt.

Offensichtlich hat auch OSTA Bruns dieses Urteil zumindest einmal überflogen, wenn er nämlich im Plädoyer davon sprach, die Aussage des Kronzeugen Mousli enthalte ausreichend viele "Realkennzeichen", um sie als glaubwürdig einstufen zu können. Allerdings erschöpft sich die Analyse der Bundesanwaltschaft im Plädoyer auf die Benutzung des Wortes ohne jegliche inhaltliche Zuordnung.

Ich kann nicht anders, als die Darstellung der Aussage des Mousli (entkleidet von jeglicher Entstehungsgeschichte und entkleidet von den in ihr zu Tage getretenen Widersprüche) im Plädoyer der Bundesanwaltschaft als skandalös dürftig zu bezeichnen.

Der Kollege Kaleck hat schon dargelegt, daß die Kronzeugenstellung des Zeugen und damit seine interessengeleitete Aussage sowie die Entstehungsgeschichte der Aussage von der inhaltlichen Bewertung nicht zu trennen sind.

So verlangt der BGH selbstverständlich eine besondere Glaubwürdigkeitsprüfung,

  • wenn es sich, wie vorliegend, bei der Aussage des Zeugen um einen Mitbeschuldigten handelt, der durch seine Aussage einen Straferlaß erhalten hat

  • wenn es sich um die Aussage eines Zeugen handelt, der zu einzelnen Tatkomplexen in sich widersprüchliche Angaben gemacht hat

  • wenn es sich um einen Zeugen handelt, der - intellektuell und bewiesenermaßen - in der Lage ist, zu lügen.

Und ganz entscheidende Aufmerksamkeit ist der Glaubwürdigkeitsanalyse dann zu widmen, wenn die Aussage des Zeugen die einzige Aussage ist, die die Grundlage der Verurteilung eines Angeklagten darstellen soll.

Es ist im Grunde Allgemeinwissen, daß beim Kronzeugen der Anreiz zur Lüge auf der Hand liegt. Und nicht nur die Hoffnung auf Vergünstigungen kann ein Anreiz zur Lüge sein, sondern auch die Angst vor einem Widerruf der Vergünstigungen bei einer nachträglichen Korrektur der Aussagen perpetuiert die in diesem Anreiz liegende Gefahr der Falschbelastung.

Und selbst bei denjenigen, die wie auch zuletzt in den Zeitungen zu lesen, auch heute wieder ein neues Kronzeugengesetz fordern, herrscht die Überzeugung vor, daß in ein solches Gesetz eine Bestimmung aufgenommen werden sollte, nach der eine Verurteilung allein anhand der Aussage eines Kronzeugen nicht erfolgen darf.

Die Analyse der Aussagen des Zeugen Mousli im einzelnen:

Die BAW ist - soweit sie die Aussage des Zeugen überhaupt dargestellt hat - davon ausgegangen, daß die Aussage erst nach Überschreiten des sog. Lügen-Rubikons zu analysieren sei.

Da die Verteidigung davon ausgeht, daß dem Senat ein solcher revisionsrechtlich relevanter Fehler nicht unterlaufen wird, sie allerdings auch wenig Vertrauen in das Ergebnis der vom Senat anzustellenden Aussageanalyse hat, werde ich im folgenden auf die Aussageinhalte des Mousli zur Frage der angeblichen Identifizierung Heiner eingehen und durch Hilfsbeweisanträge absichern, daß das Gericht den Wortlaut der gesamten Aussage des Zeugen Mousli, wie sie im Ermittlungsverfahren erfolgt sind, bei der schriftlichen Urteilsbegründung auch zugrunde legt.(Hilfsbeweisantrag)

Es beginnt am 25.11.1999 recht schlicht damit, daß der Kronzeuge Mousli, nachdem ihm nunmehr Rädelsführerschaft in der terroristischen Vereinigung RZ vorgeworfen wird zu seiner eigenen Mitgliedschaft in den RZ aussagt und dann angibt, daß in Westberlin drei Zellen der RZ existierten. In der Zelle, in der später Sigi hinzu gestoßen sei, seien Toni und Heiner gewesen. Er sagt weiter:

"In unserer Gruppe galt eigentlich das Prinzip der Abschottung. Bei den RZ kannten nur Gerd und Sigi meinen Klarnamen. Ich kannte die Klarnamen von Jon und Judith nicht. Den Klarnamen von Gerd kannte ich natürlich. Daß Sigi mit Vornamen "Harald" hieß, habe ich durch Zufall erfahren. (...) Nach 1985 habe ich versucht, Lothar Ebke für die RZ zu gewinnen. Hierbei mußte ich mich ihm gegenüber als RZ-Angehöriger offenbaren. Lothar Ebke lehnte eine Mitarbeit in der RZ ab, da er zu dieser Zeit bereits Pläne besaß, nach Kanada auszuwandern."

Zu Heiner sagt er inhaltlich in dieser Vernehmung vom 25.11.1999 noch, daß dieser, soweit er glaube, der Fahrer des Pkw beim Anschlag Hollenberg gewesen sei.

Da es im späteren für die Aussageanalyse wichtig werden wird, erlaube ich mir aus der Vernehmung vom 26.11.1999 Herrn Mousli noch mit dem Satz zu zitieren:

" Anton war Mitglied der anderen Gruppe. Ich kenne ihn persönlich nicht ."

Bereits zwischen dem 25. und 26.11.1999 ergänzt der Zeuge seine Aussage um eine weitere Person. (Unkonzentrietheit, schlechtes Gedächtnis oder das typische Nachbessern durch denjenigen, der lügt ?)

Nachdem dem Kronzeugen Mousli am 30.11.1999 dann eine Lichtbildmappe mit weiblichen und männlichen Personen vorgelegt wird, äußert er sich zu dem Bild des Ulrich D.:

"Ich glaube, diese männliche Person in der zweiten Hälfte der 80-iger Jahre, möglicherweise auch noch Anfang der 90-iger Jahre öfters in der Montagsrunde im Ex gesehen zu haben. Ich glaube, er heißt mit Vornamen Martin oder Matti. Er ist älter als ich und beleibter. Bei der Aussage bin ich mir nicht sicher."

In der Hauptverhandlung kommentiert der Kronzeuge Mousli am 12.07.2001 dies auf Vorhalt so:

"Ja, ich erinnere mich, ich habe nur gesagt, bei dieser Person könnte es sich um ihn handeln. Ich habe dann die Namen Heiner und Matti zusammen gebracht."

Weiter in der Vernehmung vom 30.11.1999 äußert sich der Kronzeuge Mousli im Zusammenhang mit dem Anschlag Hollenberg wie folgt: "Heiner und Toni habe ich persönlich nie gesehen."

Zum Anschlag Korbmacher sagt er bei dieser Vernehmung:

"Heiner hatte ausländermäßig mit der TU zu tun."

Am 07.12.1999 werden dem Kronzeugen Mousli erneut Lichtbilder vorgelegt. Er erkennt keine der Personen und wird dann gebeten, weitere Informationen zu bisher noch nicht identifizierten RZ-Mitgliedern zu machen. Der Kronzeuge Mousli äußert sich:

"Ja, ich möchte nochmals auf meine Vernehmung vom 26.11.1999 zurückkommen. Mir wird die Seite 4 dieser Vernehmung auf meine Bitte hin ausgehändigt. Ich möchte meine Angaben zu der auf Bild Nr. 4 abgebildeten Person ergänzen. Ich habe eine ähnlich aussehende Person in der Zeit von 1986 bis 1993 öfter bis regelmäßig im Mehringhof in der Montagsrunde gesehen. Ich habe bei dieser Person im Umgang mit Sigi eine Vertrautheit in Erinnerung, wie sie durchaus im Verein üblich war. Mit Verein sind die revolutionären Zellen gemeint. Von konspirativem Verhalten möchte ich in diesem Zusammenhang nicht reden, die Tendenz ging jedoch in diese Richtung. Ich würde dieser männlichen Person, die so ähnlich aussah wie die auf dem Lichtbild dargestelle, den Decknamen Heiner zuordnen, weil ich das aus späteren Äußerungen von Sigi schließen konnte."

Und nachdem ihm vorgehalten wird, daß diese Person nicht Heiner gewesen sein kann, weil sie von 1987 an über zehn Jahre sich außerhalb Deutschlands aufgehalten habe, äußert der Kronzeuge:

"Ich glaube nicht, daß die auf dem Lichtbild dargestellte Person Heiner ist. (...) Heiner muß ein Legaler in Berlin gewesen sein, der mit seiner Tochter in Berlin lebte. (...) Heiner muß jetzt aufgrund der Erzählungen, die ich in Erinnerung habe, so um die 50 Jahre alt sein. Da ich weder Heiner, Toni noch Anton unter ihren Decknamen als RZ-Mitglieder kenne, könnte ich sie auch auf Lichtbildern nicht identifizieren. Bei Anton ist mir aufgefallen, daß hauptsächlich Jon und Judith darauf achteten, daß ich Anton nicht begegne. Das war natürlich auch bei Heiner und Toni so. Bei Anton jedoch besonders. Diese RZ-Mitglieder waren in diesem Zeitraum meiner Ansicht nach Legale."

Als der Zeuge dann unter dem Druck des Hinweises auf das Auslaufen der Kronzeugenregelung am 30.12.1999 sein Aussageverhalten ändert, gibt er als Motiv hierfür an, er habe bis zu diesem Zeitpunkt versucht, seinen damaligen Freund Lothar Ebke "rauszuhalten". Auch auf Vorhalte in der Hauptverhandlung, daß dies zwar die Veränderung seines Aussageverhaltens in Bezug auf Lothar Ebke erklärlich macht, nicht aber die früheren Angaben zu Heiner erklärlich macht, bleibt der Zeuge bei der Darstellung dieses Motivs.

Wegen der besonderen Bedeutung der Aussage vom 30.12.1999 ist auch diese, was hilfsbeweislich beantragt werden wird, ihrem Wortlaut nach zu verlesen.

Für meine Analyse zu Aussageverhalten und Aussageinhalt im Zusammenhang mit der Identifizierung Heiner ist wesentlich, daß der Zeuge nunmehr von Lothar Ebke gewußt haben will, daß Heiner an der TU in Berlin im Ausländerbereich arbeite. Es heißt dann wie folgt:

"Ich erinnere mich, daß Lothar, Jon, Judith und auch Heiner zusammen mit mir einen Spaziergang in einem Waldstück in der Nähe des Loretta am Wannsee 1989 oder 1990 unternommen haben. Der Spaziergang fand auf jeden Fall statt, bevor Jon und Judith wieder aufgetaucht sind. Dieser Sachverhalt war mir entfallen."

Nach der Beschreibung (50 Jahre, kräftige Statur...), wie sie bereits von der BAW in ihrem Plädoyer zitiert wurde, heißt es weiter: "Heiner habe ich 1994 auch noch ein weiteres Mal im Ex im Mehringhof gesehen."

Polizei, Bundesanwaltschaft und sicher auch das Gericht gehen nach dieser Vernehmung vom 30.12.1999 davon aus, daß der Zeuge nun die Wahrheit sagt. Vorher habe er es aus Rücksicht auf seinen Freund Lothar Ebke nicht getan. Der Zeuge selbst sagt in der Hauptverhandlung, er habe versucht, durch unvollständige Aussagen Lothar daraus zu halten. Diese Erklärung für die Veränderung seines Aussageverhaltens besagt nichts dazu, warum er zu Anfang angegeben hat, er habe Heiner nie gesehen.

Die Antwort des Zeugen in der Hauptverhandlung auf entsprechende Frage des Gerichts lautete:

"Die Erklärung ist, daß ich das in Verbindung mit Aktionen meinte, das weiß ich nur aus Diskussionen. Ich habe ihn in diesem Zusammenhang nie gesehen."

Mit dieser windigen Begründung hat sich das Gericht zufrieden gegeben.

Nachdem der Zeuge zuvor vom Abschottungsprinzip gesprochen hat, davon daß innerhalb der Gruppe nur die Decknamen bekannt waren und nur ganz ausnahmsweise ein Deckname mit einem Klarnamen zu verbunden gewesen wäre, dies aus Sicherheitsgründen und daß insbesondere Jon und Judith darauf geachtet hätten, daß die RZ-Mitglieder der anderen Gruppe nicht zu identifizieren gewesen seien, will der Zeuge uns nun glauben machen, er habe den "Waldspaziergang" vergessen.

Eine Aktion, die unter Aufgabe des Abschottungsprinzips auf einen Schlag alle Fragen hinsichtlich der Identität der anderen Mitglieder beantwortet hat und bei der der Zeuge, wollte man ihm an einer Stelle glauben, doch hätte ausrufen müssen: Mensch Matti, Du bist der Heiner ?!

Nichts dergleichen, der Zeuge will diesen Waldspaziergang vor dem 30.12. vergessen haben.

Als er in der Hauptverhandlung gefragt wird, ob er Heiner und Anton kenne und wann er sie kennen gelernt habe, sagt Mousli:

"Bei dem Waldspaziergang 1989, glaube ich, habe ich mit Sicherheit Anton als Axel und Matti als Heiner kennen gelernt. Ich kannte die Person auch schon vorher. Bei Heiner wußte ich das vorher nicht. Bei Anton kann es sein, daß ich das vorher schon durch Lothar erfahren habe."

Wie läßt sich dies mit den Angaben des Zeugen in Verbindung bringen, die er zu dem Bild Nr. 4 gemacht hat, eine Person mit dem Namen Matti in der zweiten Hälfte der 80-iger Jahre möglicherweise noch Anfang der 90-iger Jahre in der Montagsrunde im Ex gesehen zu haben, und zuder er am 07.12.1999 präzisiert, daß eine solche Person zwischen 1986 und 1993 regelmäßig im Mehringhof in der Montagsrunde gewesen sei ?

In der Skizze vom 04.01.2000, die in der Hauptverhandlung in beiden Varianten in Augenschein genommen wurde, heißt es zu dem Decknamen Heiner, der als einziger in Klammern gesetzt hat und mit dem Vermerk "glaube ich" versehen ist, er kenne ihn aus der Kneipe. In der Vernehmung vom 04.01.2000 gibt der Zeuge Mousli dann an, er müsse seine Vernehmung vom 07.12.1999 ("kann ich nicht identifizieren") korrigieren. Er kenne "Heiner", "Toni" und "Anton" unter ihren Decknamen als RZ-Mitglieder. "Anton" kenne er auch als Axel Haug. (...) Bei "Heiner", dem er einmal (1989 oder 1990) bei einem RZ-Treffen begegnet sei, könne er sich vorstellen, ihn auf Lichtbildern zu identifizieren.

Auf diesen Bodensatz von bewußten Falschaussagen, Ungenauigkeiten, Unerklärlichkeiten und Herausreden des Kronzeugen Mousli fällt dann der angeblich so saubere Wiedererkennungsakt, initiiert durch Bundesanwalt Dr. Morré.

Hören wir hier zuerst Dr. Morré, der tatsächlich schon am 17.05.2000, d.h. vier Monate nach diesem bedeutenden Ereignis, einen staatsanwaltschaftlichen Vermerk über die Vorgänge des 18.01.2000 angefertigt hat. In der Hauptverhandlung erzählt Dr. Morré folgende Geschichte:

" Für einen Einstieg in die Vernehmung (des Mousli) habe ich erzählt, daß ich Teil meines Lebens in der Berlin verbracht hatte, Schule, Referendarzeit, um den Zeugen anzuwärmen. Ich hatte vorher schon einmal gesagt, Kram ist ein Koabiturient des Sohnes meiner Klassenlehrerin. Die hat sich immer über den Kram geärgert, weil der so arrogant war. Darauf fragt Mousli, wie heißt der Sohn. Daraufhin (nach Nennung des Namen Matthias Borgmann) wurde er sehr aufgeregt, "Ja, Mattis, so ist doch Heiner einmal genannt worden. Den habe ich einmal beim Waldspaziergang kennen gelernt." Mousli gab dann eine Beschreibung ab. Dr. Morré: Mir war klar, daß das auch auf Matthias Borgmann zutraf. Ich hatte ihn 1996 beim 80-jährigen Geburtstag der Mutter gesehen. Für mich stimmte das überein. Mich hat das sehr berührt."

Es ist demnach absolut unvorstellbar, daß der Zeuge Mousli hierbei nicht mitbekommen haben soll, daß er aus Sicht der Bundesanwaltschaft einen Treffer gelandet hat. Mit dieser Vorinformation kommt es dann zu der Lichtbildvorlage vom 27.01.2000.

Vorher gibt der Zeuge am 20.01.2000 noch pflichtschuldig zu Protokoll, daß er sich nunmehr erinnert habe, daß Heiner zusammen mit Malte (Thomas Kram) in Berlin-West zur Schule gegangen sein muß. Eine Information also, die er vorher nicht erinnert haben will und auf die er in der Vernehmung durch Bundesanwalt Dr. Morré geradezu gestoßen wird.

Es wäre demnach Aufgabe der Ermittlungsbehörden gewesen, die Lichtbildvorlage vom 27.01.2000 mit besonderer Sorgfalt durchzuführen. Hierzu werde ich in dem entsprechenden Hilfbeweisantrag noch Stellung nehmen.

Tatsächlich werden Mousli 21 Lichtbildern von 7 Frauen und 14 Männern vorgelegt, die ersichtlich von der Polizei im RZ-Zusammenhang verdächtigt werden. Der Zeuge macht Aussagen zu den Lichtbildern, sagt nichts dazu, daß er auf mit dem Lichtbild Nr. 46 die Person Ulrich Dillmann sieht, die er als Bild Nr. 4 am 30.11. als Matti und am 07.12. möglicherweise als Heiner bezeichnet hat, und gibt dann an, daß auf dem Lichtbild Nr. 36 mit 100 % iger Sicherheit Heiner abgebildet ist.

(Bei der Identifizierung dieses Lichtbildes liegen dem Zeugen Mousli offensichtlich nur 5 Lichtbilder, 3 Frauen und 2 Männer, vor).

Zuvor gibt er den Vernehmungsbeamten 6 ½ Blatt mit Angaben zu Heiner zurück.

Soweit die Angaben zu dem angeblich Identifizierungsvorgang Heiner. (Hilfsbeweisantrag)

Diese Gesamtaussage des Zeugen muß nun nach aussagepsychologischen Kriterien analysiert werden.

Hierbei geht es um die Frage, ob anhand der Aussage bewertet werden kann, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogenen Angaben (hier: Identifizierung Heiner, Waldspaziergang) zutreffen, d.h. einem tatsächlichen Erleben entsprechen.

Der BGH geht davon aus, daß für Inhalt und methodischen Ablauf einer Glaubwürdigkeitsbegutachtung von ausschlaggebender Bedeutung die Bildung von Hypothesen ist, wobei zunächst von der sog. Null-Hypothese auszugehen ist, die lautet, die Aussage des Zeugen sei unwahr.

Für die Unwahr-Hypothese spricht bereits, daß der Zeuge (für die Person des Heiner, anders als für Lothar Ebke nicht nachvollziehbar) in seiner Aussage hin und her geschwankt ist. So will er die Person des Heiner zunächst nicht gesehen haben und den entscheidenden Waldspaziergang vergessen haben. Dies läßt sich aber keinesfalls damit in Einklang bringen, daß er ja behauptet hat, die Person des Matti, die er auf dem Waldspaziergang getroffen haben will, zu kennen.

Für die Unwahr-Hypothese spricht auch, daß der Zeuge in komplizierten Erklärungen in der Lage war, vor dem 30.12.1999 die hinterher behauptete angebliche Zugehörigkeit des Lothar Ebke zu den RZ zu verdecken. Der Zeuge ist demnach in der Lage, zu lügen und die Ermittlungsbehörden zu täuschen. Ein gleiches Bild zeigt sich bzgl. der Person des Anton, von der er in der Hauptverhandlung dann ebenfalls behauptet hat, er habe sie nicht belasten wollen.

Ein solches Nicht-Belasten-Wollen-Motiv fehlt aber bei der Person des Heiner als Erklärung für das veränderte Aussageverhalten völlig. Hier will uns der Zeuge weismachen, er habe lediglich keine Erinnerung mehr an den Waldspaziergang gehabt.

Die Aussage des Zeugen ist auch nicht suggestionsfest. So wird er von den Zeugen Schulzke und Trede häufiger auf "die Spur gesetzt". Er ist all zu willig bereit, den Vorhalten der beiden Vernehmungsbeamten zu folgen.

Auch die Hypothese der Verflechtung mit einem Parallelerlebnis, ist beim Zeugen Mousli unschwer als Begründung für die Unwahr-Hypothese zu bejahen.

So gibt er nach wie vor an, die Person des Toni niemals kennen gelernt zu haben. Ausgerechnet kurz vor dem Waldspaziergang sei dieser aus der RZ ausgestiegen. Wollte er beispielsweise die Person des Toni schützen, wie er zuvor die Person des Sebastian schützen wollte, so könnte er ohne weiteres, Handlungen, die eigentlich der Person des Toni zuzurechnen sind, der Person des Heiner zurechnen. Eine Lüge fiele ihm in diesem Zusammenhang nicht schwer. Dies gilt um so mehr, daß der Zeuge bei den geschilderten Taten ja selbst Handelnder gewesen will und von daher die Inhaltsschilderung und deren Detailreichtum als Kriterium für die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Person des Heiner ausfällt. (Hierbei hätte auch die Bundesanwaltschaft, die aussagepsychologische Kriterien allein bei den Angaben der Zeugin von Werder in hohem Maße erörtert hat, einmal darüber nachdenken müssen, welche der Kritikpunkte an der Aussage von Werder nicht eigentlich auf die Aussage Mousli zutreffen)

Bei der Erörterung der Alternativ-Hypothesen fällt weiter auf, daß der Zeuge Mousli auch überschießende Belastungstendenzen erkennen läßt. Dies wird insbesondere am Beispiel der Person des Jon deutlich, die er offensichtlich ebenso wie Frau Eckle schlicht nicht leiden kann.

So äußert er in der Vernehmung vom 09.12. auf Nachfrage der Vernehmungsbeamten, er sei sich sicher, daß Jon Herrn Korbmacher auch bedankenlos getötet hätte. Am 16.12. äußert er im Zusammenhang mit der Behauptung, Jon sei ein guter Schütze, daß er deshalb annehme, daß er auch auf Herrn Karry geschossen hat.

Der Zeuge Mousli schildert ersichtlich immer das, was er als Erwartungshaltung bei den Vernehmungsbeamten unterstellt.

Motive für die Unwahr-Hypothese hat der Zeuge vielfältige. Er ist nicht nur von den Vernehmungsbeamten mehrfach darauf hingewiesen worden, er könne sich nunmehr keine Schnitzer mehr leisten.

Aussageentwicklung im Konkreten:
Vielfältig wird Mousli auf die Kronzeugenregelung hingewiesen, die ihm Vorteile bringen könne. So am

19.05.1999

26.05.1999

16.06.1999

06.10.1999 (Hinweis auf Auslaufen der Kronzeugenregelung zum Jahresende)

23.11.1999 (nach seiner zweiten Festnahme)

24.11.1999 Mousli entscheidet sich für ein uneingeschränktes Ja zur Kronzeugenregelung

30.11.1999 und

02.12.1999 äußert Mousli, daß er jetzt alles offen gelegt habe, was er wisse.

Vielmehr weiß er auch, daß er seine jetzige Position und die Nähe zu der ihm ideologisch immer näher gerückten polizeilichen Tätigkeit verliert, wenn er nochmals etwas korrigiert. Letztlich ist ihm dies im April 2001 nach seiner rechtskräftigen Verurteilung und vor den Vernehmungen als Zeuge in hiesiger Hauptverhandlung durch den Bundesanwalt Griesbaum nochmals verdeutlicht worden.

Bei der Fehlerquellenanalyse fällt zudem bei der Aussage Mousli auf, daß er Informationen über die Person des Heiner mehrfach auch von Ermittlungsbehörden erhält.

So wird er am 07.12. vom Vernehmungsbeamten Schulzke darauf hingewiesen, daß die Person auf dem Lichtbild nicht Heiner sein kann, da sie zum Zeitpunkt der Anschläge untergetaucht war. Weiter wird der durch Herrn Dr. Morré darauf hingewiesen, daß Matthias Borgmann und Thomas Kram an einer Schule in West-Berlin gewesen seien. Es muß dem Zeugen Mousli leicht gefallen sein, diese Informationen aufzugreifen.

Weiter sind in der Person der Vernehmungsbeamten selbst eine Vielzahl von Fehlerquellen enthalten. Über die unsägliche Tölpelhaftigkeit des Vernehmungsbeamten Schulzke muß in dieser Hauptverhandlung, glaube ich, nichts weiter gesagt werden. In der Person des Vernehmungsbeamten Trede stand ihm ein karrierebewußter Vernehmungsbeamter zu Seite, der sich (Seegraben !) auf Gedeih und Verderb auf Seiten des Zeugen Mousli gestellt hatte.

Für den Zeugen Schulzke ist es die letzte Großtat vor seiner Pensionierung, die er mit der Kreation des Kronzeugen präsentieren kann. In ihrer Kombination sind beide Zeugen ein Sprengsatz für die Wahrheitsfindung im Prozeß.

Sie haben beim Zeugen Mousli nichts hinterfragt, Widersprüche einfach stehen lassen, das Handwerkszeug korrekter Ermittlung über Bord geworfen. ( Der liebesdienerische Ansatz des Herrn Schulzke wird exemplarisch deutlich, wenn dieser am 07.12.1999äußert:

"Herr Mousli, würden sie so nett sein und weitere Informationen zu bisher nicht identifizierten RZ-Mitgliedern mitteilen ?"

oder dann, wenn er am 04.01.2000 vom Zeugen Mousli die Antwort erhält (auf Vorhalt des veränderten Aussageverhaltens zu Axel Haug:

"Die Formulierung: Ich kenne ihn persönlich nicht, ist so zu verstehen, daß mir Axel Haug nie als "Anton" bei einer Aktion der RZ vorgestellt wurde"

und diese Unverschämtheit des Zeugen nicht als bewußte Lüge entlarvt.

Durch das Verhalten der Vernehmungsbeamten kann sich der Zeuge Mousli darin bestärkt sehen, daß ihm sein taktisches Aussageverhalten nicht zum Nachteil gereicht.

Meine Herren von der Bundesanwalt, gerade bei der Analyse der Aussage des Mousli ist der Begriff taktisches Aussageverhalten nun wirklich am Platz.

Auch wenn er es so am 09.12.1999 mehrfach betont, er habe jetzt nun wirklich rückhaltlos alles gesagt, was er wisse, so hat der Zeuge Mousli dies sicher zu keinem Zeitpunkt getan. Vielmehr treibt er seine Spielchen mit den Ermittlungsbehörden, die ihm diese Freiheit gewähren. So berichtet er über das Abschottungsprinzip der RZ, kann aber gleichzeitig angeben:

"Bei der RZ kannten nur Gerd und Sigi und Sebastian und Anton meinen Klarnamen."

Er wird nicht gefragt, was dieser Widerspruch soll, und welche Aussage nun richtig ist. Er plaudert in der Aussage vom 13.12.1999 wie folgt:

"Ich habe versucht, Lothar Ebke für die RZ zu gewinnen, er lehnte dies aber ab."

Und wird nach dem 30.12.1999 nicht etwa gefragt, warum er denn, wenn er Lothar Ebke habe heraushalten wollen, dies nicht einfach getan hat, und warum er stattdessen diese und andere Geschichten erfindet.

Er kann einfach sagen:

"Zu so einem bekannten Szenetypen wie Axel Haug hätten Jon und Judith sicher keinen Kontakt aufgenommen"

und wird nicht gefragt, warum er so schwadroniert. Und zur Frage, wer bei dem Waldspaziergang (Hilfsbeweisantrag) angeblich dabei war, kann er unhinterfragt folgende Aussagen machen:

in seinen handschriftlichen Notizen mit Datum vom 27.12.: "Jon und / oder Judith waren dabei.

- Am 30.12. Lothar, ich, Jon und Judith und Heiner waren dabei,

- am 18.01. Heiner, Lothar, Jon und Judith, ich sowie Sigi waren dabei

- am 10.04.00 Heiner, Lothar, Jon und Judith, ich, Sigi und Anton waren dabei,

wobei nicht einmal eine zarte Nachfrage der Vernehmungsbeamten erfolgt.

Er macht schließlich Angaben zu Anton am 03. und 04.Januar, und zwar detailliert, erwähnt hierbei aber nicht, daß er diesen angeblich auch auf dem Waldspaziergang getroffen hat, was er erst am 10.04. ergänzt. Dennoch wird nicht nachgefragt: Warum, wir lassen uns doch hier nicht von Ihnen, Herr Mousli, an der Nase herumführen. Viel zu froh ist man, die Plaudertasche auf seine Seite gezogen zu haben.

Der Zeuge kann taktisch aussagen, tut es auch und Trede und Schulzke lassen es sich gefallen.

Warum aber, höre ich aus den Reihen des Senats murmeln, sollte er ausgerechnet Herrn Borgmann falsch belasten. ?

Mögliche Antworten:

  1. weil es ihm nützt

  2. weil er es nun einmal getan hat, und davon nicht zurückkommt

  3. weil er gedacht hat, die Bundesanwaltschaft ginge ohnehin davon aus, daß Heiner Borgmann sei

  4. weil er Heiner gar nicht kennen gelernt hat (Abschottungsprinzip), aber vermutet, die Person, die er als Matti kennen gelernt hat und von der er einige Kneipeninformationen hatte, könne der Heiner der anderen Gruppe sein.

Aber zurück zur Aussageanalyse.

Daß die Aussage nicht konstant ist, habe ich bereits dargelegt.

Daß die Aussageentstehung in einem schiefen Licht darsteht, ebenfalls.

Daß der Zeuge lügen kann, ebenfalls.

Daß es für ihn einfach ist, zu lügen, ergibt sich aus der ebenfalls erörterten Parallelerlebnisverflechtung.

Wie steht es nun denn mit der Glaubwürdigkeit der Person des Mousli, auf die zurückzugreifen ist, wenn Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben einer Person, wie erörtert, vorhanden sind.

Was wissen wir also über die Persönlichkeit des Tarek Mousli.

Er selbst schildert in der Hauptverhandlung, wie er als Schüler und später als Student im Zusammenhang mit der Anti-AKW- und der Hausbesetzer-Bewegung politisiert wurde. Seine frühe politische Biographie ist gekennzeichnet durch Kontakte zu politischen Gruppen vielfältiger Art. Er gibt selbst an, daß er nie richtig studiert habe, schildert sich eher als Praktiker. Wichtig war für ihn die Funkgruppe, mit der er nach seinen eigenen Angaben verschiedene Gruppen, später auch die RZ, politisch unterstützt hat. Ein gewisser Stolz über seine diesbzgl. technischen Fertigkeiten schimmerte in den Angaben des Zeugen immer durch. Er selbst schildert sich weniger als Ideologen denn als Praktiker.

Mehr oder weniger willig hat er auf Fragen zugegeben, daß er auch an militanten Demonstrationen beteiligt gewesen sei. Schon für die Zeit ab dem Jahr 1986 berichtet er, daß er im Kampfsport tätig war und Demonstranten für die Abwehr militanter Angriffe geschult habe. Er hat behauptet, ab 1987 nicht mehr an gewalttätigen Demonstrationen beteiligt gewesen zu sein, seine Unterstützung der Anschläge Hollenberg, ZSA und Korbmacher aber zugegeben. Er schildert Kontakte zu palästinensischen Organisationen, die er aber wegen späterer Bezüge zum Drogenhandel habe abbrechen lassen.

Nach dem von ihm behaupteten Ausstieg aus dem Zusammenhang RZ, ca. 1990, will er sich quasi ausschließlich dem Karate-Sport gewidmet haben. Im Zusammenhang hiermit wurde er schon Anfang 1990 Präsident des Berliner Karate-Verbandes und arbeitete dann in dem Sportstudio Snoops. Seine Karate-Karriere war steil bis zur Funktion des leitenden Verbandstrainers im Berliner Karate-Verband, sowie des Bundesprüfers im deutschen Karate-Verband.

Beruflich und persönlich orientierte sich der Zeuge Mousli in dieser Zeit Richtung Ost-Berlin und hatte intensiven privaten Kontakt zu einer Reihe von Polizeibeamten.

Offensichtlich konnte sich der anpassungsfähige Zeuge relativ nahtlos von der Polit-Szene loslösen und in die Polizei-, Hunde- Karate-Szene einsteigen. Nach Aussage der Mutter seiner damaligen Lebensgefährtin Olbrich hatte er zu dem pensionierten Polizeibeamten Manfred Seltmann ein väterliches Verhältnis.

Dem entspricht, daß er bei seiner ersten Festnahme am 14.04.1999 sofort (pflichteifrig) seine guten Kontakte zur Polizei erwähnt. Es heißt in dem Vermerk des polizeilichen Zeugen Schulzke vom 14.04.1999:

" Herr Mousli wies auf seine guten Kontakte zum Leiter Zeugenschutz im Landeskriminalamt Basdorf Mischkewitz hin.

In seiner Vernehmung vom 14.04. äußert der Zeuge Mousli dann:

"Nachdem ich durch den mich hier vernehmenden Beamten im Auto vor meinem Haus angesprochen worden war, brachte ich zum Ausdruck, daß ich keinen Widerstand geleistet habe, keinen Widerstand leisten werde, da ich schließlich mit Polizeibeamten befreundet sei.In diesem Zusammenhang sind die beiden Namen Mischkewitz und Seltmann gefallen."

Nach seiner dritten Festnahme am 23.11.1999 und als er sich entschieden hat, ins Zeugenschutzprogramm zu gehen, avanciert er sehr schnell zum gleichberechtigten Geschäftspartner der Ermittlungsbehörden.

So erklärt er nach der Vernehmung vom 25.11., daß er diese erst dann unterschreiben wolle, wenn er ein ergänzendes Gespräch mit der Staatsanwaltschaft über die Kronzeugenregelung durchgeführt habe und er wolle ferner sagen, daß ihm die Sicherheit von Karmen Tollkühn und Janet Olbrich sehr am Herzen liege und er werde nach Klärung dieser Details die Vernehmung erst unterschreiben.

Nachdem die Verhandlungen erfolgreich waren, unterschreibt Mousli dann.

In den Vernehmungen selbst zeigt sich in vielfältiger Art und Weise, daß dem Zeugen seine Aufgabe, bei den Ermittlungen zu helfen, in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sein kumpelhaftes Verhältnis zu den Ermittlungsbehörden wird augenscheinlich deutlich bei der videodokumentierten Durchsuchungsaktion des Mehringshof. Er duzt Thorsten, den Polizeizeugen Neumann und stellt sich in Wortwahl und Stimmlage wie ein Ermittlungsbeamter selbst dar.

Seine Auftritte in der Hauptverhandlung, flankiert von vier Beamten des Zeugenschutzes, sind von Selbstzufriedenheit und Arroganz geprägt. Er ist auch optisch nicht von den ihn schützenden Polizeibeamten zu unterscheiden und ich brauche sicher nicht darüber zu spekulieren, daß der Zeuge längst im Rahmen der Förderung des Polizeisports eine sinnvolle Tätigkeit gefunden hat.

Was besagen diese Einschätzungen für die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen ?

Es wird in der Persönlichkeit des Zeugen deutlich, daß er mit seinen Aussagen nicht etwa einer lästigen Aufgabe aufgrund seiner ebenso lästigen früheren politischen Vergangenheit nachkommt, sondern daß er diese Aufgabe für sich angenommen hat. Sein angebliches Lügemotiv, er habe vor dem 30.12.1999 seinen besten Freund Lothar Ebke schützen wollen, kommt zu keinem Zeitpunkt als tatsächliches Motiv zum Vorschein. Eilfertig wird jedes Details - gerade auch über Lothar Ebke - vom Zeugen ausgebreitet und analysiert. Auch die Angaben, die er nur vom Hörensagen erhalten haben will, relativiert der Zeuge erst widerwillig und nur auf ausdrückliches Bedrängen der Verteidiger in dieser Hauptverhandlung. Er will Unsicherheiten nicht zugeben und wird in seiner äußeren Stellung durch die Art und Weise der Sicherheitsmaßnahmen in seinem Gefühl der Wichtigkeit bestärkt. Und er, der sich aus der Polit-Szene auf "richtige" Seite geschlagen hat, erscheint eher als Ankläger, denn als Zeuge.

Selbstüberheblichkeit und ein gesteigertes Geltungsbedürfnis sind aber genau die aussagerelevanten Besonderheiten in der Persönlichkeit des Zeugen, die bei der Kompetenzanalyse (so erneut aus der einschlägigen Entscheidung des BGH im 16.Band, 614 ) zu einer besonderen Vorsicht bei der Bewertung führen müssen.

Aus Sicht der Verteidigung sind diese, in der Persönlichkeit des Zeugen liegenden Momente, verbunden mit den Mängeln bei der Glaubhaftigkeit der Angaben Grund genug, zu dem Schluß zu kommen, daß auf die Angaben des Zeugen Mousli eine Verurteilung des Matthias Borgmann nicht gestützt werden kann.

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http://www.freilassung.de/prozess/ra/181203b.htm