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Früchte des Zorns

Anschlag gegen Adler

(Juni 87)

"Leben mit Qualität"
Das ist der Verkaufsslogan der Adler Bekleidungs- GmbH.
Wessen Leben, was für eine Qualität?

Frauenstreik in Südkorea

Ort des Geschehens: die Textilfabrik Flair Fashion der bundesdeutschen Adler [23] Bekleidungs- GmbH in der südkoreanischen Freihandelszone Iri.

Anfang April traten dort 1.600 Beschäftigte (ca. 90% Frauen) in einen 9 Tage andauernden Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Die deutsche Firmenleitung von Adler setzte daraufhin Militärpolizei und private Schlägertrupps gegen die streikenden Frauen ein. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen, 13 Wortführer/innen wurden fristlos entlassen (ihre Namen stehen jetzt auf "schwarzen Listen" der Polizei, d.h. daß sie im ganzen Land keine Arbeit mehr bekommen werden), 69 Arbeiterinnen wurden verhaftet.

Seit 1978 läßt der Adler- Konzern einen Großteil seiner Produktion in südostasiatischen freien Produktionszonen (u.a. auch in Sri Lanka) unter den miesesten Bedingungen für die dort arbeitenden Frauen und natürlich mit maximalen Gewinnen (allein 1985: 25 Millionen DM) herstellen.

Für die Frauen bei Flair Fashion bedeutet das:

  • Arbeit bis zu 12 Stunden täglich
  • 6- Tage- Woche, manchmal auch sonntags
  • Zwang zu unbezahlten Überstunden
  • Stundenlohn von 0,35 bis 0,80 DM, was weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn von DM 450,- liegt
  • dauernde Zeitmessungen zur optimalen Leistungssteigerung
  • häufige Arbeitsunfälle, bei denen die Firma den Frauen keinerlei finanzielle Absicherung gewährleistet
  • erniedrigende Leibesvisitationen beim Verlassen der Fabrik.

Die Lohnsklaverei basiert auf sexistischer und rassistischer Ausbeutung von Frauen: nur sexuelle Beziehungen zu deutschen Vorarbeitern sichern ihnen kleine Verbesserungen. Mit patriarchalem Gestus und nach weißer Herrenrasse- Manier äußert sich der Firmenchef Fürchtegott Adler: "Ohne die schwarzhaarigen, mandeläugigen Koreanerinnen wäre der steile Aufstieg des Adler- Unternehmens kaum möglich gewesen", und lobt ihre Lernfähigkeit in deutschem Volksgut, das sie bei den Firmenveranstaltungen zur Schau stellen müssen.

In Übereinkunft mit 22 anderen BRD- Konzernen sowie japanischen und US- amerikanischen Unternehmen nutzt Adler das überaus "günstige Investitionsklima" und das "fantastische Lohnniveau" in Südkorea und anderen Ländern der 3 Kontinente, um seine Profite zu sichern.

KoreaEine Krisenlösungsstrategie des Kapitals in den 70er Jahren lag in der "Auslagerung" von sog. arbeitsintensiven Fertigungen oder Teilfertigungen. Das betraf hauptsächlich die Bekleidungs- und Schuhindustrie, Teilproduktionen für den Maschinenbau, die Produktion von Elektrogeräten und Mikrochips. Tausende von Arbeiterinnen wurden hier in der BRD entlassen.

Der brüchig gewordene Klassenfrieden in den Metropolen wird aufrecht erhalten durch billige Konsumangebote auf Kosten der Menschen in den 3 Kontinenten.

Diese Menschen werden befriedet und eingepaßt in die Entfremdung der kapitalistischen Waren- und Freizeitgesellschaft. Auch dafür bietet Adler ein hervorragendes Angebot für die "Große Adler- Familie": im firmeneigenen Blatt gibt es einen Service für sogenannte Club- Mitglieder:

  • organisierter Urlaub in über 100 angemieteten Hotels
  • Kaufanreize über Rabatt- Karten
  • "intelligente Problemlösungen" bei Schlüsselverlust oder Gewichtsproblemen
  • sowie eine Südafrika- Reise unter dem Motto "Afrika, wir kommen", ganz in rassistischer kolonialer Tradition.

Selbst dem Sozialhilfeempfänger hier soll vermittelt werden, für ein paar Mark noch bunte modische Waren kaufen zu können und zusätzlich das Gefühl, noch seinen Platz in der Konsumgesellschaft zu haben.

In den 30 Verkaufsstätten und Dienstleistungsbetrieben der Firma Adler in der BRD arbeiten hauptsächlich Frauen in individualisierenden Arbeitsverhältnissen: d.h. befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeit auf Abruf, KAPOVAZ (kapazitätsorientierte, variable Arbeitszeit) oder Arbeitsverhältnissen unterhalb der 430,- Mark- Grenze.

In der BRD sind ein Drittel aller Frauen erwerbstätig. Sie begeben sich nicht in Lohnarbeitsverhältnisse, um sich persönlich zu entfalten, sich zu emanzipieren oder der häuslichen Isolation zu entkommen, sondern nehmen die doppelte Ausbeutung als Haus- und Lohnarbeiterin auf sich, weil sie schlicht und einfach das Geld brauchen, um leben zu können.

Entweder sind sie unverheiratet, ohne Mann, der sie "miternähren" könnte, oder der Familienlohn des Mannes reicht nicht aus. Eine Zunahme von Lohnarbeitsplätzen für Frauen in den letzten Jahren geht einher mit einer zunehmenden Verdrängung von Frauen aus garantierten Arbeitsverhältnissen. Junge, bisher nicht im Lohnarbeitsverhältnis stehende Frauen oder arbeitslos gemeldete Frauen werden verstärkt in den Produktionsprozeß einbezogen, während gleichzeitig ältere, schon "verbrauchte" Frauen ausgesondert werden und in die entgarantierten Arbeitsverhältnisse abgedrängt werden.

Nach ungefähren Schätzungen arbeiteten 1979 eine Million Frauen in versicherungsfreien Jobs.

Obwohl sich auch in den Metropolen die Lebensbedingungen verschärfen, dürfen wir einen entscheidenden Punkt auf keinen Fall außer Acht lassen:

Unsere Privilegien, wovon der Konsum eines ist, beruhen auf der Ausbeutung, Verwertung und Vernichtung der Menschen der 3 Kontinente. Der Konsum wird uns als Ersatz für "Leben" untergeschoben.

Die jeweiligen nationalen Regierungen warben/werben bei westlichen Multis mit den "flinken Händen" und der "Unterwürfigkeit" ihrer Frauen und bieten ihnen - insbesondere in den sog. freien Produktionszonen - die Vorteile von Steuerfreiheit und unbeschränktem Geldtransfer. In diesen Fabriken arbeiten fast ausschließlich Frauen.

Durch Zerstörung der Subsistenzwirtschaft werden immer mehr Menschen gezwungen, ihr Land zu verlassen und in die großen Städte umzusiedeln. Jungen Frauen bleiben meist nur zwei Möglichkeiten, ihr Überleben und das ihrer Familienmitglieder zu sichern: die der Prostitution, d.h. ihren Körper z.B. den 40.000 in Südkorea stationierten GIs oder den unzähligen abenteuerhungrigen Männern aus imperialistischen Ländern zu verkaufen oder sich in Weltmarktfabriken zu Hungerlöhnen ausbeuten und kaputtmachen zu lassen. In der Regel werden sie im Alter von 25 Jahren rausgeschmissen, weil sie nicht mehr profitabel sind.

Die von den USA wirtschaftlich und militärisch gestützte Diktatur in Südkorea setzt alles daran, das Land zum industriellen Schwellenland für die Investitionen der westlichen Multis hoffähig zu machen. Gegen die wachsende Opposition im Land geht sie mit brutalen Mitteln ihres Repressionsapparates vor.

KoreaDie Proteste gehen aus von Studenten, die ihren Kampf antikapitalistisch, antiimperialistisch und nationalistisch verstehen, von zunehmender Organisierung in den Betrieben, von Menschen, die die Erinnerung an den niedergemetzelten Volksaufstand (bewaffenter Aufstand in Kwangju von 1980) wachhalten, sowie den Slumbewohnern, die sich gegen Zwangsumsiedlung zwecks Stadtverschönerung aus Anlaß des internationalen Olympia- Spektakels 1988 in Seoul zur Wehr setzen.

Der Kampf der Frauen bei Adler zieht einen Strich durch die Rechnung von der "Großen Adler- Familie":

"Wir sind wütend, daß ein Unternehmen aus einem der reichsten Länder der Welt mit solcher Brutalität auf unsere Forderungen reagiert ..." schreiben die streikenden Frauen in einem Flugblatt.

Trotz Versammlungs- und Streikverbot haben sie sich in dem ebenfalls verbotenen freien Gewerkschaftsverband "Korea Democracy Labour Movement" organisiert, kämpfen sie für das Recht auf Vollversammlung in der Fabrik und für die Verwirklichung der fundamentalsten Menschenrechte und treffen sich, um die weiteren Schritte ihres Kampfes zu bestimmen.

Die Androhung der Verlegung der Produktionsstätte in ein anderes Land nützte Adler nichts. Die kollektive Kampferfahrung von Frauen setzt sich über nationale Grenzen hinweg!

In Solidarität mit den kämpfenden Frauen bei Adler in Südkorea haben wir in der Nacht zum 21.6.87 in der Hauptverwaltung des Adler- Konzern in Haibach bei Aschaffenburg eine Bombe gelegt, mit der Absicht, einen Teil ihres Verwaltungsapparates zu zerstören.

Die kapitalistische Akkumulation macht alle menschlichen Tätigkeiten, Lebensäußerungen und materiellen Lebensgrundlagen zur Ware. Auch wenn dieser Entfremdung- und Individualisierungsprozeß fortschreitet, so können wir wenigstens mit der Mode gehen.

Die Verantwortlichen sitzen hier!

Die geschlechtliche Arbeitsteilung und Ausbeutung und die Gewalt gegen Frauen ist Bestandteil des patriarchalen Herrschaftssystems, ohne das der Imperialismus in den 3 Kontinten und hier nicht begriffen werden kann.

Wir sehen unseren Kampf hier nicht losgelöst von den Verhältnissen, die der Imperialismus in den 3 Kontineten bewirkt, sondern als konkreten, praktischen Anti- Imperialismus, indem wir versuchen den reibungslosen Ablauf der Kapitalstrategien hier zu behindern, in Solidarität mit allen Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Für eine starke internationale Frauenbefreiungsbewegung!
Kampf dem imperialistisch- patriarchalen System!

Diesem Anschlag auf die Adler- Hauptverwaltung in Haibach folgten am 15.08.87 zeitgleich Anschläge auf die Adler- Filialen in Halstenbeck, Bremen, Oldenburg, Isernhagen, Kassel, Holzwickede, Neuss, Frankfurt und Aachen.


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