Anschlag gegen die Gesellschaft für biotechnologische Forschung,
Braunschweig
(September 86)
Kampf dem imperialistisch- patriarchalen Normalzustand
Für eine materialistische Analyse und Strategiebestimmung
der Befreiung der Frau sind in neuerer Zeit verschiedene, teilweise
kontroverse Ansätze in der Diskussion. Gemeinsam ist ihnen
die Erkenntnis, daß die unbezahlte Reproduktionsarbeit der
Frau eine materielle Voraussetzung der kapitalistischen Produktion
ist, ebenso wie die nur partiell bezahlte Lohnarbeit.
Das Bewußtsein der Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche
durch das Kapital - nicht nur des Produktionsbereiches - schafft
die Notwendigkeit und auch die Möglichkeit einer umfassenden,
alle Lebensbereiche verändernden Revolutionierung der Verhältnisse.
Das ist eine Chance für uns Frauen, aus den festgeschriebenen
Rollenstrukturen herauszukommen und in das gesellschaftliche Leben
einzugreifen und seine Richtung zu beeinflussen - und das nicht
nur in der Vorstellung, sondern in der Tat und als selbstverantwortliches
Handeln. Das bedeutet die Entwicklung unserer Identität und
die Entfaltung unserer (auch ungeahnter) Kräfte.
Die
Erfahrung der eigenen Unterdrückung und Ausbeutung als Frauen
und die Solidarität mit den Menschen der sog. 3. Welt durch
das Wissen um die Machenschaften des Imperialismus - d.h. die tägliche
Feststellung, daß unsere Lebensvorstellungen und sozialen
Bedürfnisse in Konfrontation zu den Warenbeziehungen des Kapitals
stehen - ist der Motor für unser befreiendes Handeln.
Diese Erfahrung beruht nicht nur auf unserer subjektiven Wahrnehmung,
sondern hat ihre materialistische Grundlage in der Notwendigkeit
des Kapitals, für seine Akkumulation alle Tätigkeiten,
Lebensäußerungen und Lebensgrundlagen des Menschen zur
Ware zu machen und sie letztendlich zu zerstören.
In diesem Argumentationszusammenhang steht für uns die Gen-
Technologie. Wir sehen hier besonders die Tatsache, daß sämtliche
lebendigen Prozesse von Tieren, Pflanzen und Menschen vom Kapital
einverleibt und verwendet werden.
Die Bio- Technologie hat für das Kapital strategischen Wert,
um auf technologisch erhöhter, profitträchtiger Stufe
die Akkumulationskrise zu überwinden. Das gilt besonders für
die Bereiche: Genetische Manipulation in der Landwirtschaft, in
der Pharma- Industrie, in der militärischen Nutzung und in
den bevölkerungspolitischen Maßnahmen. Zu diesen Themen
gibt es mittlerweile ausführliche Informationen und Diskussionen
im gesamten Spektrum der Frauenbewegung.
Eine wesentliche Einrichtung für diese Technologie ist die
Gesellschaft für biotechnologische Forschung mbH (GBF) in Braunschweig-
Stöckheim. Die GBF ging aus der 1976 von der Stiftung Volkswagenwerk
gegründeten Gesellschaft für Molekularbiologische Forschung
(GMBF) hervor. Sie wird zum nationalen Zentrum der biotechnologischen
Forschung ausgebaut, das alle wesentlichen Bereiche der Biotechnologie
umfaßt. Hierbei stellt der Staat die Gelder für die Grundlagenforschung
in der Bio- und Gentechnologie bereit.
Die GBF wird im Verhältnis 90:10 vom Bund (BWFT) und dem Land
Niedersachsen finanziert. Außerdem beteiligt sich die Industrie
finanziell an einigen Forschungsprojekten.
So wurden beispielsweise von der Firma Degussa (Frankfurt) Gelder
u.a. für die Methodenentwicklung durch den neuen Enzymmembranreaktor
zur technischen Gewinnung von Aminosäuren bereitgestellt. Die
Aminosäuren sind ein ganz wichtiger Produktionsbereich der
Biotechnologie und haben in vielen Bereichen einen hohen Markt-
und Stellenwert z.B. als Zusatz zu Futtermitteln und in der Medizin.
Die sog. Partnereinrichtungen, z.B. die Kernforschungsanlage Jülich,
Schering, Höchst und Fraunhofer- Institut und die Berater-
und Linzenzverträge mit 40 nationalen und internationalen Firmen
weisen auf eine erfolgreiche Kooperation mit der Industrie hin.
Die GBF schafft die baulichen und technischen Voraussetzungen für
die industrielle Umsetzung der Biotechnologie.
Sie schreibt eine menschenfreundliche Arzneimittelproduktion auf
ihre Fahnen, um diese neuen Technologien akzeptabel zu machen und
zu verkaufen. Es geht ihnen nicht darum, die Ursachen von Krankheiten
und Umweltzerstörung zu beheben, sondern diese als Markt im
Sinne des Profits auszunutzen. So sind sie dabei, eine Gen- Maschine
zu entwickeln, mit der das synthetische Gen zur Produktion von ß-Interferon
hergestellt werden soll. Auf diese Weise können sie massenhafter
ß- Interferon produzieren, als es mit natürlichen Genen
möglich ist.
(Interferone zeichnen sich durch ihre Schutzwirkung auf menschliche
Zellen gegen Viren aus, und gleichzeitig wirken sie auch wachstumshemmend
auf Gewebekulturzellen, besonders auf Tumorzellen). Durch diese
internationale Entwicklung der Erbsubstanz (DNR- Synthese) kommt
es zu einer immer schnelleren Verfügbarkeit künstlicher
Gene und findet eine zunehmende Anwendung dieser Gene in der Gentechnologie
statt.
Damit wird die Arbeit der GBF auf diesem Gebiet und ihre nationale
und internationale Bedeutung besonders deutlich. Diese herausragende
Bedeutung, die die GBF für die gegenwärtige industrielle
Anwendung der Bio- und Gentechnologie hat, ist der Grund, warum
wir in der Nacht von Samstag, 20.9.86, auf Sonntag einen Sprengstoffanschlag
bei der Gesellschaft für biotechnologische Forschung mbH Braunschweig
gemacht haben.
Es ist genug!
Für eine radikale Frauenbefreiungsbewegung!
Für die Zerschlagung des patriarchalen Imperialismus!
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