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Früchte des Zorns

Aktion gegen die "Zigeunerdatei" der Kölner A+B- Stelle

(November 89)

Mit unserer Aktion gegen die "Anlauf und Beratungsstelle für ethnische Minderheiten" in Köln haben wir der öffentlich erhobenen Forderung der Roma und ihrer Unterstützergruppen nach Schließung der städtischen Roma- Projekte Nachdruck verliehen.

In dieser Stelle wurden im Rahmen des "Kölner Modells" der Roma- "Betreuung" umfangreiche Daten gesammelt, die sämtliche Lebensbereiche der Kölner Roma erfassen.

Bevor zwei von uns hinterlassene Brandsätze das Projekt in Flammen aufgehen ließen, haben wir umfangreiches Material mitgenommen. Nach unserem Aktenstudium hat sich unsere Einschätzung, daß es sich bei der Kölner A+B- Stelle um eine der umfangreichsten "Zigeuerdateien" in der BRD handelt, bestätigt.

Wir haben uns entschlossen, einen kleinen, aber wesentlichen Teil der geklauten Aktenberge zu dokumentieren und zu veröffentlichen, um exemplarisch deutlich zu machen, wie unter dem sozialarbeiterischen Mäntelchen der "Betreuung von Flüchtlingen" eine Sondererfassungsstelle zur Registrierung, Kontrolle und Aussonderung von Roma und Sinti eingerichtet wurde. Innerhalb eines Jahres gelang es den Schreibtischtätern in der Kölner Liebigstraße, sämtliche in Köln lebende Roma + Sinti zu erfassen.

Das vorgefundene Material besteht im wesentlichen aus der eigentlichen Datei und aus einer umfangreichen Sammlung verwaltungsinterner Strategie- und Konzeptionspapiere, der Korrespondenz der beteiligten Behörden und den Tagesprotokollen der Sozialbullen über den gesamten Lebensbereich der Roma.

Die "Zigeunerdatei" besteht aus drei verschiedenen Erfassungsformen:

  • Personalakten: Die rund tausend personenbezogenen Handakten, von denen wir nur einen Teil mitnehmen konnten, beinhalten im wesentlichen Fotokopien von Ausweispapieren, Lichtbildern. In "Beratungs"- Protokollen werden die jeweiligen Familienzusammenhänge festgehalten. Außerdem sind in den Akten verschiedene Recherchen bei anderen Ämtern, z.B. Wohnungsämtern und Justizbehörden gesammelt.
  • Personenkartei: Diese rund tausend Karteikarten beinhalten den Namen, die Geburtsdaten sowie die Angehörigen. Daneben wurden sämtliche straffällig gewordenen Romakinder mit Datum und Delikt erfaßt.
  • Ausweiskopien:Zusätzlich wurden alle Ausweise, die an diejenigen Roma und Sinti, die auf dem Schiffhof leben und eine befristete Aufenthaltserlaubnis haben, ausgegeben worden sind, fotokopiert und gesammelt. Diese Ausweise enthalten ebenfalls alle ein Lichtbild.

Aus den gefundenen Unterlagen geht hervor, daß folgende Personen die Hauptverantwortlichen für die Errichtung der "Landfahrerzentrale" sind:

  • Rossa, Oberstadtdirektor
  • Kappius, Beigeordneter Ordnungsbehörden
  • Ruschmeiner, Beigeordneter Soziales
  • Häger, Leiter Amt für öffentliche Ordnung (32)
  • Arntz, Stellv. Leiter Amt für öffentl. Ordnung (32)
  • Hohn, Leiter der Ausländerabteilung (323)
  • Luhr, Ausländeramt (323)
  • Weber, Asylgruppe Ausländerabteilung (323)
  • Spital, Leiter der A+B- Stelle (320/2)
  • Pyro, A+B- Stelle (320)
  • Delens, A+B- Stelle (320)

(A+B- Stelle steht für "Anlauf- und Beratungsstelle für ethnische Minderheiten".)

Nachdem seit Mitte der achtziger Jahre immer Roma und Sinti nach Köln kamen, haben die Verantwortlichen der Ordnungs- und Sozialbehörden nach Wegen gesucht, wie sie sich diese Leute wieder vom Hals schaffen können, bzw. wie sie einen weiteren Zuzug unterbinden können. In diesem Zusammenhang hat ein von der Verwaltung eingerichteter Arbeitskreis (AKEM) in Zusammenarbeit mit "Zigeuner"- Spezialisten aus dem Caritasverband ein Konzept entwicket, den Zuzug von Roma und Sinti zu verhindern und einen kleinen Teil der in Köln lebenden Familien zu integrieren. Neben dem Roma- Kinderprojekt ist die Anlauf- und Beratungsstelle die zentrale Stelle in diesem Projekt. Die Verantwortlichen verkaufen das ganze Projekt als Hilfe für die Betroffenen, die Praxis sieht jedoch anders aus.

Wie wir aus den Unterlagen rekonstruieren konnten, besteht die alltägliche Praxis im wesentlichen darin

  • in Zusammenarbeit mit den Bullen, der Presse und dem Jugendamt die Romakinder als Kriminelle zu stigmatisieren;
  • den Bullen, Ausländer- und Sozialbehörden Hilfestellung für die Identifizierung von Roma und Sinti zu geben;
  • das soziale Geflecht und die Zusammenhänge zu entschlüsseln (Sippenforschung);
  • es findet ein permanenter Datenaustausch aller mit den Roma und Sinti befaßten Behörden statt, vom Ausländerzentralregister bis zu den Mitarbeitern eines privaten Wachdienstes auf dem Stellplatz;
  • die untersten Chargen der Macht, die für die unmittelbare Überwachung und Kontrolle zuständig sind, sind die wichtigsten Informationsbeschaffer an der Basis, die sämtliche Lebensäußerungen dokumentieren und für die Behörden relevante Informationen weitergeben;
  • dazu hat die Adlerwache (priv. Wachschutz) im Tag- und Nachtdienst den Stellplatz der vorübergehend geduldeten Roma und Sinti überwacht und diese Informationen an die A+B- Stelle weitergegeben;
  • und die Sozialwachtel Delens akribisch Tagebuch über alle Lebensäußerungen geführt;
  • die Errichtung kontrollierter Lagerplätze und Asylheime ist wesentliche Bedingung für die lückenlose Überwachung und Kontrolle.
  • Es sind die Bewährungslager für all diejenigen Roma und Sinti, die integrationsbereit sind;
  • die weitere Kontrolle der integrationswilligen Roma wird durch Patenschaften gewährleistet;
  • nach dem Prinzip "Teile und Herrsche" werden Widersprüche zwischen den Familien geschürt und einzelne kooperationsbereite Familien funktionalisiert;
  • bestürzt haben wir festgestellt, wie weit die Unterstützergruppen in das Gesamtkonzept mit einbezogen werden.

Die in der A+B- Stelle entwendeten Akten sind in der von der Berliner Zeitschrift "Interim" unter dem Titel "Interdoku" im Dezember 1991 in Auszügen veröffentlich. Gleichzeitig gibt es eine umfassende "Dokumentation von Akten zu zentralen Anlauf- und Beratungsstellen ethnischer Minderheiten­" von den Revolutionären Zellen selbst.


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