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Früchte des Zorns

Aktion gegen die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Hamburg

(November 89)

Wer erinnert sich nicht an die Demonstration der Roma und Sinti vor dem Rathaus am 2. Oktober. Die Polizei hatte das Klinkerwerk in Neuengamme geräumt, und die Busse waren von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) zum Abtransport bereitgestellt. Aber die Roma zogen mit ihrer Habe die 35 km zum Rathausplatz. Knüppelnde Polizei schlug dort auf Frauen und Kinder ein. Es gab eine Sitzblockade, Decken und Nahrung wurde benötigt. Während der erste Lastwagen aus der Hafenstraße mit Decken und Matratzen eintraf, äußerte sich SPD- Sozialsenator Ortwin Runde: Erstens seien alle Decken an die Übersiedler aus der DDR ausgegeben worden. Und selbst, wenn er welche hätte, er würde sie den Zigeunern nicht geben.

Das Zusammenspiel zwischen Runde und Hackmann [38] hat in der Asylfrage und in Bezug auf die Roma und Sinti Tradition. Die Senatsvorlage zur Entscheidung über die Behandlung der Roma und Sinti wurde im August in der BAGS erarbeitet. Sie wurde in der Innenbehörde verschärft und von beiden verantwortlichen Senatoren vorgelegt. Nach dieser Vorlage sollten nur etwa 150 Roma und Sinti, die bereits 4 Jahre in Hamburg leben, bleiben dürfen, während alle übrigen zur Abschiebung freigegeben werden.

Mit diesen 150 sollte nach dem Kölner Modell verfahren werden: 5jährige Bewährungszeit mit intensiver sozialarbeiterischer Kontrolle, Integration durch Arbeit und kulturelle Anpassung. In der Kölner Erfassungsstelle für Roma und Sinti wurden Spitzelberichte der Sozialbürokratie gesammelt und an das Ausländeramt weitergebeben. Das ermöglichte einen kontinuierlichen Selektionsprozess durch Abschiebung. Dieser Erfassungsstelle galt der Anschlag in Köln.

RomakindAm 9. November wurden von vielen eine günstige Entscheidung des Hamburger Senats zum Bleiberecht für Roma und Sinti erwartet. In Wirklichkeit war die Entscheidung schon längst gefallen. Der Senat zog es vor, das Echo auf die offene DDR- Grenze auszunutzen und das Thema aus den Schlagzeilen zu nehmen. Stillschweigend wird nach dem sozialdemokratischen Selektionsmodell verfahren:

Auf der Innenministerkonferenz brüstete sich Innensenator Hackmann, daß zwar die CDU/CSU schärfere Gesetze fordere, jedoch kein Bundesland über eine so effiziente Abschiebepolitik verfüge wie Hamburg. Die Abschiebepolitik wurde auf der Grundlage der BAGS- Vorlage schon ab Anfang September in die Tat umgesetzt.

Die Öffnung der Grenze für die Trabi- Kolonnen und die Umarmungsszenen auf der Mauer haben ihr Gegenstück in der rassistischen Selektion von Flüchtlingen. Wer nicht deutschen Bluts ist, wird abgeschoben oder kommt zur Bewährung und Assimilation ins Lager.

Roma und Sinti sind ein in Europa lebendes Volk ohne Grenzen. Schon immer waren sie Zielpunkt rassistischer Ideologie und der Vernichtung und Deportation ausgesetzt. Aber gegen den staatlichen Rassismus sozialdemokratischer Machart gibt es im Schatten der deutschen Frage zum ersten Mal wieder die Hoffnung, daß das faktische Bleiberecht für Flüchtlinge von vielen Menschen durchgesetzt wird. Wir fühlen uns mit all denen, die Roma und Sinti heute unterbringen, herzlich verbunden.

Unser Anschlag auf die BAGS (Abteilung Grundsatzfragen für Ausländerpolitik) gilt der Behörde, die für die sozialdemokratische "Lösung des Zigeunerproblems" in Hamburg verantwortlich ist.


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