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Anschlag gegen das Institut für Genetik, Köln
(Oktober 85)
"Strategische Sektoren"
Das Bundesinnenministerium für Forschung und Technologie betrachtet
die Gentechnologie als eine zukunfts- und wachstumsorientierte Wissenschaft
von strategischer Bedeutung für die Entwicklung der westdeutschen/westeuropäischen
Wirtschaft, um die - die gegenwärtige kapitalistische Krise
charakterisierende - Ungleichheit zwischen Gebrauchs- und Tauschwert
zu bereinigen, soll durch den Einsatz neuer Techniken der relative
Mehrwert erhöht und Extraprofite erzielt werden. Das heißt,
die strategischen Sektoren - neben der Gentechnologie Mikroelektronik,
Telekommunikation, Neue Werkstoffe, Luft- und Raumfahrt, Kernenergie
- sind strategisch als Mittel der Profitmaximierung und ebenso strategisch
im antiimperalistischen Kampf, da auf ihnen die Neustrukturierung
des Weltwirtschaftssystems entschieden wird. Sie führen daneben
auch zur gesellschaftlichen Umgestaltung in den Metropolen, ohne
daß bisher eine Gleichzeitigkeit der Klassenkämpfe entstand.
Für den Marktwert der Gentechnologie wird bis zum Jahr 2000
eine Steigerung auf ca. 145 Milliarden US- Dollar geschätzt,
wovon 3/4 auf den Energie- und Pharmasektor entfallen werden. Ausdruck
der gesteigerten Bedeutung dieses strategischen Sektors sind die
beiden in diesem Monat stattfindenden Messen (8.- 10. Biotechnica,
Hannover; 15.,- 17. Biotec, Düsseldorf).
Nahrungswaffe und Bevölkerungspolitik
Die "grüne Revolution" der 60er Jahre führte
zur Unterordnung der Landwirtschaft an der Peripherie unter die
kapitalistische Produktionsweise. "Landflucht" und billiges
Nahrungsmittelangebot waren die Voraussetzung für eine Niedriglohnpolitik
gegenüber dem entstehenden städtischen Proletariat. Die
heutige zweite Phase der "grünen Revolution" soll
durch die Kontrolle über das Saatgut die absolute Kontrolle
über die Nahrungskette durch die Imperialisten ermöglichen.
Patente, die den multinationalen Konzernen Monopole über bestimmte
Pflanzensorten geben, unterliegen als "Sortenschutz" den
gesetzlichen Bestimmungen der imperialistischen Staaten. Ca. 80
% der geltenden Weltpatente liegen in die Händen der Metropolen,
wobei Europa beim "Sortenschutz" einen etwa 10jährigen
Vorsprung hat und damit den Weltsaatgutmarkt dominiert. Der Bayer-
Konzern liegt mit ca. 30.000 gültigen Patenten mit an der Weltspitze,
1984 betrug der Gewinn aus seinen Lizenzen 190 Millionen DM.
In der Rassenideologie und der Eugenik [79]
entstand eine naturwissenschaftlich verkleidete Begründung
des Machtanspruchs des Imperialismus, der neben dem gezielten Einsatz
von Nahrungsmittelknappheit gegen die abhängigen Länder
zunehmend durch bevölkerungspolitische Maßnahmen wie
z.B. massenhafte Zwangssterilisation durchgesetzt werden soll. Ähnliche
Ansätze verfolgen in der BRD "Pro Familia" und die
"humangenetischen Beratungsstellen" gegen Behinderte,
Psychiatrisierte, Ausländer und soziale Randgruppen. Die Gentechnologie
liefert mit der Genomanalyse die Möglichkeit, in Verbindung
mit anderen Programmen - z.B. Personalinformationssystemen - , jeden
einzelnen in seiner Krankheitsanfälligkeit und Leistungsfähigkeit
rasterartig zu erfassen. Dow Chemical und BASF etwa wählen
anhand von Genomanalysen Arbeiter für gesundheitsgefährdende
Arbeiten aus.
Die Transformation der "Bürgerlichen Demokratie"
in den technokratischen Überwachungsstaat ist zwangsläufig.
Imperialismus und Widersprüche
In einem Bericht an den französischen Staatspräsidenten
heißt es: "Der weltweite Kampf um die Anwendung der Gentechnolgien
ist von strategischer Bedeutung, denn nur wenige Nationen werden
in der Lage sein, die genetischen Resourcen zu kontrollieren."
Da die nationalen Märkte zu klein sind, um für die neuen
Technologien profitabel zu sein, und die Kosten für fixes Kapital
nur auf dem Weltmarkt zu realisieren sind, steht die Weltwirtschaft
in einer sich dauernd verschärfenden Konkurrenz, die zu wachsender
Konzentration führt. Die größeren US- Konzerne können
sich ein höheres Risikokapital in der Grundlagenforschung leisten,
erwirtschaften so aus ihren technologischen Monopolen Extraprofite,
wodurch sie eine höhere organische Zusammensetzung des Kapitals
erreichen. Um in der Weltmarktkonkurrenz bestehen zu können,
mußte die europäische Industrie eine internationale Kapitalkonzentration
und - verflechtung eingehen, hat aber wegen des Technologietransfers
auch ein Interesse an US- amerikanischen Investitionen (z.B. durch
Teilnahme am SDI- Programm [80]).
Eine einseitige technologische Abhängigkeit soll durch Eureka,
das Programm einer europäischen Technologiegemeinschaft, das
die verschiedenen bestehenden Verbundprojekte koordinieren und auf
die Nicht- EG- Mitglieder Schweden, Norwegen, Österreich und
Schweiz erweitert werden soll, verhindert werden. Teil von Eureka
ist das "Europäische Laboratorium für Molekularbiologie"
(EMBL), das von den EG- Staaten und Israel betrieben wird. Der Intensivierung
dieser Art imperialistisch- zionistischer Zusammenarbeit dient das
im Dezember in Köln stattfindende Treffen zwischen Forschungsminister
Riesenhuber und Wirtschaftsminister Patt.
Das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung, das den
USA zur Welthegemonie verhalf, untergräbt jetzt die Stellung
des US- Imperialismus, die sich jedoch durch seine weltpolitische
Rolle im NATO- Bündnis noch aufrechterhält.
Transnationale Konzerne
Transnationale Konzerne entstehen durch den Aufbau von Produktionsstätten
in den jeweiligen Absatzgebieten, deren Technik vereinheitlicht
ist durch ein Verbundsystem zwischen den einzelnen Werken, während
das Management immer in der Hand des Mutterkonzerns zentralisiert
ist. Die Dezentralisation der Produktion bei gleichzeitiger Zentralisation
der Kontrolle - und zwar sowohl national wie international - setzt
die Standarisierung der Produkte nach dem Baukastensystem voraus,
wobei im Verbundsystem immer nur Teilschritte des gesamten Produktionsverfahrens
verbunden werden. Die standardisierten Produkte werden als aufeinander
abgestimmte "Pakete" verkauft (Saatgut, Dünger, Pestizide).
Diese Pakete müssen immer wieder von den Konzernen bezogen
werden, weil die gentechnisch hergestellen Hybrid- Pflanzen ohne
Pestizide kaum lebensfähig sind und weil sie nicht keimen.
Der
Bayer- Konzern ist der größte Pestizidhersteller der
Welt und größter Exporteur der BRD. Dieser siebtgrößte
BRD- Konzern erwirtschaftet 79% seines Umsatzes mit dem Export,
25% seiner Produktion befindet sich dezentralisiert im Ausland.
Durch einen Sitz im Aufsichtsrat und die Kontrolle des Aktienkapitals
über das Depotstimmrecht wird die Bayer AG durch die größte
Bank der BRD, die "Deutsche Bank" beherrscht.
Sowohl der US- als auch der BRD- Imperialismus stützen sich
ökonomisch hauptsächlich auf die transnationalen Konzerne.
Hieraus ergibt sich die objektive Wichtigkeit und Verantwortung
des Metropolenproletariats in den Kernfabriken für den gesamten
revolutionären Prozeß, da jeder nationale Klassenkampf
sich nur noch im internationalen Zusammenhang begreifen kann, d.h.
die Klassenkämpfe müssen sich zum Klassenkrieg vereinheitlichen.
Die verstreute Fabrik
"Verstreute Fabrik" bedeutet die Umwandlung mittlerer
und kleiner Fabriken, Zulieferer und des Heimarbeitssektors in Funktionen
der transnationalen Konzerne, ebenso wie die Auslagerung tertiärer
Bereiche.
Seit 1978 existiert ein Boom gentechnologischer Privatfirmen, die
ihre Verfahrenstechniken und Patente an die Industriekonzerne verkaufen,
die das notwendige Kapital für Produktion und Vermarktung,
die ganz in ihren Händen liegt, aufbringen können. Andererseits
versuchen die Konzerne Firmen und Forschungseinrichtungen an sich
zu binden. 1975 eröffnete die VW- Stiftung durch die Finanzierung
der "Gesellschaft für molekularbiologische Forschung"
die BRD- Genforschung. Für die Bayer AG ist nach Aussage ihres
Aufsichtsratsvorsitzenden Strenger "die schnelle Umsetzung
von neuen Forschungsergebnissen in erfolgreiche Produkte ein wichtiger
Faktor, um frühzeitig neue Trends ausbeuten zu können."
Neben der Kooperation mit Genentech und Schering- Plough auf dem
Pharmasektor konzentriert Bayer seine dezentralisierten Forschungsaktivitäten
hauptsächlich auf den Modellversuch eines Zentrums für
Gentechnologie in Köln. Ähnliche Zentren befinden sich,
teilweise in etwas abgewandelter Konzeption, in München, Berlin
und Heidelberg im Aufbau, der Modellversuch kann ausgeweitet werden.
Das Kölner Zentrum besteht aus einer Kooperation mit dem "Max-
Planck- Institut für Züchtungsforschung" in Köln-
Vogelsang, das seit 1982 von Bayer mit 3 Mio. DM finanziert wird,
der Kernforschungsanstalt Jülich/Abteilung für Biotechnologie
und dem "Institut für Genetik" der Universität
Köln. Konzipiert ist ein "Institut für angewandte
Biotechnologie", das Forschungsaufträge für die Industrie
ausführen soll. Träger dieses Konzepts ist die Kölner
Technologierunde, in der Stadtrat, Stadtverwaltung und Forschungseinrichtungen
vertreten sind. Forschungsschwerpunkt des Kölner Zentrums für
Gentechnologie ist die genetische Produktion neuer Hybridpflanzen,
während die Pharma- Forschung hauptsächlich im Bayer-
eigenen Forschungszentrum Wuppertal- Elberfeld durchgeführt
wird.
Technokratie und Neustrukturierung des Kapitalismus
Im Zentrum der Neustrukturierung stehen zwei Figuren: Wissenschaftler
entwerfen theoretische Systeme, wobei ihnen weitgehende Entscheidungsfreiheit
zugestanden wird ("Freiheit der Forschung"), Manager setzen
diese Systeme für die Unternehmen um. Zwischen Forschern und
Industriekonstrukteuren gibt es dabei keine klare Trennung, auch
der Personalaustausch zwischen staatlicher Forschung und Industrie
ist fließend. Die "kapitalistische Anwendung der Maschinerie"
fängt daher nicht erst bei ihrem Einsatz in den Fabriken an,
sondern bestimmt schon ihre Konstruktion.
Techniker sind ein Produkt des Monopolkapitalismus und treten erst
im Imperialismus auf, "ihre Existenz ist nicht unmittelbar
durch die gesellschaftlichen Bedürfnisse der Produktion gerechtfertigt,
wohl aber durch die politischen Bedürfnisse der herrschenden
Gruppe" (Gramsci). Die "Freiheit der Wissenschaft"
wird diktiert durch wirtschaftliche und militärische Interessen
und die Vergabe der staatlichen Forschungsmittel.
"Dem Volke dienen"
Die
Genoss/inn/en der "Brigate Rosse" haben erklärt:
"Der Angriff muß eine politische Linie haben und zugleich
die neue Form zerstören, die der imperialistische Staat anzunehmen
im Begriff ist"
Unsere Aktion gegen das "Institut für Genetik" richtete
sich gegen einen zentralen Punkt der kapitalistischen Neustrukturierung
und damit gegen das gesamte Programm. Ihr Ziel war: "Einen
bestrafen, hunderte erziehen!"(Mao).
Sozialrevolutionärer Widerstand gegen die imperialistische
Neustrukturierung ist im Augenblick nicht auf offener Massenbasis
möglich. Aufgabe der bewaffneten Gruppen muß es daher
sein, mit ihren Aktionen den revolutionären Prozeß voranzutreiben
und aus der gegenwärtigen Defensive heraus das Terrain neu
zu bestimmen, aus dem sich das Metropolenproletariat durch seine
sozialen Kämpfe als historische Kraft im weltweiten antiimperialistischen
Befreiungskampf konstituieren kann.
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