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Gefälschte Gutscheine für Obdachlose, Berlin
(Ostern 76)
Das grosse Fressen
In Berliner Obdachlosenheimen wurden Ostern 1976 gefälschte
Gutscheine für Sozialhilfeempfänger verteilt. Mindestens
180 bis 200 Familien machten von der Möglichkeit, sich für
100, DM mal was Ordentliches zum Essen zu kaufen, Gebrauch und tauschten
die Gutscheine in Lebensmittelgeschäften und Supermärkten
ein. Fatale Situation für die Behörden: einmal Gegessenes
kann man schlecht zurückholen. Es war auch nicht möglich,
die Obdachlosen haftbar zu machen, ohne dabei die elende Lage der
Obdachlosen an die Öffentlichkeit zu bringen, für die
die "Volksvertreter" von SPD/ FDP/ CDU verantwortlich
sind. Außerdem hätte man dann einem Kampfmittel zur Popularität
verholfen, das neue Perspektiven im Kampf gegen Sozialabhängigkeit
eröffnet (allerdings "erreichte" man das auch durch
warnende Ansagen im Radio). So blieb den Behörden nichts weiter
übrig, als die Illegalität als Kampfmittel der Unterdrückten
hinzunehmen. Die unten abgedruckte Erklärung der Gruppe, die
diese Aktion durchführte, findet man mittlerweile auf Klebern
in Obdachlosenheimen.
Erklärung zur Osteraktion in Berliner Obdachlosensiedlungen
Warum haben wir im Namen des Senators für Arbeit und Soziales
in den Obdachlosenheimen Bestellzettel verteilt?
Nicht
nur, damit sich die Leute im Obdachlosenheim einmal ein schönes
Osterfest machen können, sondern weil wir dies für eine
richtige politische Praxis halten. Wir sind der Meinung, daß
wir durch diese Aktion den Obdachlosen das gegeben haben, was ihnen
sowieso zusteht. Die Wirtschaft befindet sich zur Zeit angeblich
in einer Krise. Die Profite der Unternehmer steigen jedoch ständig
weiter. Vom Staat werden den Unternehmern Millionen hinterhergeschmissen.
Diese Millionen sind den Arbeitern geklaut worden. Sie müssen
immer mehr arbeiten, mehr zahlen für Miete [...], Krankenkasse,
Arbeitslosenversicherung und Lebensmittel. Gleichzeitig werden die
Ausgaben des Staates für den sozialen Bereich gekürzt.
Immer mehr Jugendliche und Erwachsenen werden arbeitslos. Viele
müssen von Sozialhilfe leben. Sozialhilfeempfänger bekommen
im Monat soviel Geld, wie ein Herr Schütz [76],
Schmidt [77], Strauß
[78], Quandt [79],
Flick [80], Springer [81]
und Co. an einem Abend versaufen. Viele Familien haben auch dann,
wenn sie noch Arbeit haben, nicht mehr Geld zum Leben als Sozialhilfeempfänger.
Wir haben die Scheine auch gerade in Obdachlosenheimen verteilt,
weil wir wissen, daß die Familien dort nicht nur wenig Geld
haben, sondern auch noch unter Bedingungen leben, die die Kinder
in die Sonderschulen, die Jugendlichen in die Kriminalität
und Erwachsene in den Alkoholismus treiben. Für uns ist diese
Aktion nur ein Anfang. Wir sind der Meinung - wie die Genossen in
Italien, Frankreich und Südamerika - daß auch in der
BRD den Armen das gegeben werden muß, was die Reichen ihnen
nehmen, bis sie es sich selber holen.
Friede den Hütten, Krieg den Palästen!
Brandanschlag auf Staatsanwalt und Richter -
Warum?
(Mai 77)
- Friede den Hütten, Krieg den Palästen -
Ostern 76 konnte in Berliner Obdachlosenheimen endlich gefeiert
werden. Mehrere Hundert Lebensmittelbestellscheine im Wert von je
100, DM waren [...] verteilt worden. Hunderte von Arbeitslosen haben
diese Gutscheine in Kaufhäusern und Lebensmittelgeschäften
eingelöst. [...]
"Terror auf leisen Sohlen" (besonders gefährlich)
jammerten Bullen und Springerpresse, aber es machte ihnen Schwierigkeiten,
diese gelungene Aktion der "Fälscher" zu verteufeln.
Wo kein Terror ist, sagten sich die Bullen, muß man welchen
machen: Sie ließen die Bewohner der Obdachlosenheime verhören,
setzten sie massiv unter Druck. Aber keiner von ihnen hatte etwas
gesehen oder gehört (sie fanden die Aktion nämlich gut).
Daraufhin sahen zwei Terroristen im Talar ihre Stunde gekommen:
Staatsanwalt Fackelday und Richter Rautenberg griffen zwei Obdachlose
heraus und brummten ihnen Geldstrafen von 800, DM (ersatzweise Haft!!)
auf. Beide Rechtsverdreher haben wahrscheinlich noch nie ein Obdachlosenheim
von außen gesehen - sie wohnen in schönen Häusern
mit Garten in Zehlendorf und Rudow. Dazu gehört auch ihr dickes
Auto. Dieses Auto haben wir ihnen heute flambiert (ein Audi 100
und ein Volvo) als Antwort auf den Staatsterror. [...]
Krieg den Palästen!
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