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Falsche Karten - flambierte Automaten: Fahrpreiskampf
(1975)
In fast allen Großstädten wurden 1975 die Fahrpreise
erhöht. Nachdem im Frühsommer in Hannover und Heidelberg
Zehntausende auf den Straßen kämpften, wurden in der
Folge alle Versuche, eine Mobilisierung über die Linke hinaus
zustande zu bringen, von der Staatsgewalt militärisch zunichte
gemacht. Demonstrationen wurden zusammengeknüppelt, Flugblattverteiler
festgehalten, in München wurden kürzlich Plakatekleber
sogar in Untersuchungshaft genommen.
Dennoch wäre es falsch zu glauben, die Verkehrsgesellschaften,
die ja meist in städtischem oder staatlichem Besitz sind, würden
mit ihren Preiserhöhungen und der Zerknüppelung jeden
Protestes Unterstützung finden. Niemand ist so verrückt,
hohe Fahrpreise gutzuheißen. Zugenommen hat vor allem der
individuelle Widerstand oder der von Kleingruppen, der sich in drei
Dingen besonders ausdrückt:
- die Zahl der Schwarzfahrer hat zugenommen; nicht umsonst nahm
die Zahl der Kontrolleure in vielen Städten überdimensional
zu,
- es ist im letzten Jahr erstmals in vielen Städten zu Sabotageaktionen
gegen Entwerter und Fahrkartenautomaten gekommen,
- es gibt mehr Auseinandersetzungen mit Kontrolleuren, die mehr
und mehr zu einer Privatpolizei werden.
Auch wenn all diese Aktionen in der Regel unorganisiert und ohne
Kontinuität bleiben, so bringen sie jedenfalls mehr als die
verbalen Proteste der Linken zum Ausdruck, daß der Kampf für
den Nulltarif eine praktische Sache ist und nicht auf die Zukunft
vertagt werden muß. Der Kampf gegen hohe Fahrpreise ist auch
keine Frage einer Kampagne, sondern die eines täglichen, andauernden
Kampfes. Nicht die Erhöhungen der Fahrpreise sind Anlaß
fürs Schwarzfahren, sondern die Tatsache, daß man selber
dafür zahlen soll, wenn man zum Betrieb oder zum Einkaufen
fährt.
So wie man ständig gegen Ausbeutung und Unterdrückung
in der Fabrik angehen sollte, so notwendig ist dies auch außerhalb
der Fabrik. Dies um so mehr, als bereits angekündigt wurde,
daß es von nun an jährlich zu Fahrpreiserhöhungen
bei den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen werde.
Die Revolutionäre Zelle hat an diesem Widerstand mit mehreren
Aktionen teilgenommen, hat versucht, ihn zu verbreitern und Vorschläge
für neue Aktionsformen entwickelt.
- Wir haben zweimal in Westberlin, am 16.7. und 17.11.75 insgesamt
120.000 Sammelfahrkarten im Wert von 360.000 DM verteilt. Die
Karten wurden zusammen mit einem Flugblatt der Revolutionären
Zelle in Arbeitervierteln in die Briefkästen gesteckt. Wir
haben damit von dieser Sammelkarte mehr in Umlauf gebracht, als
die Berliner Verkehrsgesellschaft selbst. Zu beiden Terminen haben
wir mit unserem UKW- Sender Musik- und Informationsprogramme ausgestrahlt,
die im Umkreis von ca. 10 km gut verständlich waren.
- Während es in Westberlin angemessen war, Fahrkarten nachzudrucken,
da diese erst in Bus bzw. Bahn entwertet werden, ist in Frankfurt
die Situation vollständig anders. Der Frankfurter Verkehrs
Verbund (FVV) hat 1974 an jeder Haltestelle einen kostbaren Automaten
aufstellen lassen, aus dem der Fahrschein mit Aufdruck herauskommt.
Wenn diese Automaten nicht mehr funktionieren, kann niemand mehr
eine Fahrkarte lösen, d.h. niemand braucht mehr eine zu haben.
Am 8. und 20.10. haben wir mit Brandsätzen 10 dieser geldgierigen
Roboter zerstört. Auf überall in Frankfurt verteilten
Flugblättern haben wir außerdem Tips gegeben, wie man
auch mit einfacheren Mitteln die Automaten zumindest kurzfristig
lahmlegen kann.
- Wir haben am 16.10. auch in Köln zwei Brandsätze in
Fahrkartenautomaten gelegt, die aber aufgrund technischer Mängel
nicht zündeten. Es gibt viele Möglichkeiten, den Protest
gegen Fahrpreise auszudrücken. Die Aktionen der Revolutionären
Zelle sollten den Widerspruch zwischen allgemeinem Protest gegen
die Fahrpreise und völliger Ratlosigkeit über die zu
benutzenden Kampfformen aufgreifen. Sie haben eine Identifikationsmöglichkeit
geschaffen, die Worte und Parolen alleine nie herstellen.
Es ist lächerlich und wirklichkeitsfremd, wenn gerade in
diesem Zusammenhang vor kurzem in Westberlin auf einem teach- in
behauptet wurde, die Unmöglichkeit der Stadtguerilla in der
BRD erweise sich daran, daß die von uns verteilten Fahrkarten
alle an die Bullen zurückgegeben worden seien. So dumm dies
zu behaupten, sind nicht einmal die Bullen selber. Von den 120.000
Karten wurden höchstens 15.000 zurückgegeben; davon
waren ca. 3.000 in Tüten, die wir stehenlassen mußten.
Nicht einmal 10% der Karten sind zurückgegeben worden. Viele
Arbeiter, Hausfrauen, die CDU und SPD wählen, sind mit gefälschten,
von einer revolutionären illegalen Organisation verteilten
Karten bewußt gefahren. Wir halten das nicht für ein
Beispiel für die Unmöglichkeit von Stadtguerilla in
der BRD, sondern für ein kleines Beispiel, wie man Widersprüche
im Bewußtsein aufgreifen, es an einem Punkt gegen die bürgerliche
Gesellschaft und ihre Verhaltensformen wenden und eine wirkliche
Klasseneinheit herstellen kann. Unter deutschen Verhältnisen
halten wir es schon für beachtlich, wenn einige zehntausend
Leute etwas Illegales machen und noch mehr das unterstützen.
Nicht allein die Revolutionäre Zelle hat diese Möglichkeiten
illegaler Politik erkannt und genutzt. In München wurden 70
Automanten mit Kalkbrei behandelt, Geld und Karten wurden entnommen.
In vielen Städten wurden Schwarzfahrertips verteilt und geklebt:
oft getarnt als "offizielle" Mitteilungen der betreffenden
Verkehrsgesellschaften [...]
Brandanschlag auf die Schwarzfahrerkartei des
Frankfurter Verkehrsverbundes
(September 76)
Wir haben heute schon unser Weihnachten gehabt. Der Lichterglanz
kam aus der Bußgeldstelle des Frankfurter Verkehrsverbundes,
da wo sie die Schwarzfahrer erfassen und bearbeiten - dort haben
wir Feuer gelegt. Wer also in letzter Zeit schwarzgefahren ist:
nicht zahlen, das wäre rausgemissenes Geld. [...]
Brandanschlag auf die Schwarzfahrerkartei Berlin
(Juni 77)
In den Zeitungen von Dienstag und Mittwoch konnten wir es lesen
und überzeugend sehen: die drei Räume der Schwarzfahrerkartei
sind vollständig ausgebrannt - sogar der Putz kam von den Wänden!
Jetzt will uns die BVG weismachen, daß die Schwarzfahrerkartei
in diesen Räumen als einziges von den Flammen verschont blieb
(sind die Karteikarten aus Asbest?).
Das ist eine Notlüge der BVG, die denselben Trick versucht
wie der Frankfurter FVV, als die RZ vor 1 1/2 Jahren dort die Schwarzfahrerkartei
abbrannte und hinterher auch behauptet wurde, daß nichts vernichtet
worden ist. Wir hatten uns vor der Aktion davon überzeugt,
daß die Schwarzfahrer der letzten 12 Monate jeweils in Büchern
handschriftlich notiert wurden und diese Bücher nach Büroschluß
in den Schreibtischschubladen aufbewahrt wurden. Die Inneneinrichtung
- alles aus Holz - ist aber vollständig verkohlt!!
Also, keine Angst, liebe Schwarzfahrer, wer in den letzten 12 Monaten
geschnappt wurde, der ist jetzt aus der Kartei gelöscht. [...]
Zur Aktion gegen auf die Berliner Verkehrsgesellschaft
(August 77)
Es ist nicht unsere Absicht, die BVG sinnlos zu zerstören.
Busse und Bahnen sollen unbehindert fahren, aber umsonst!!!! [...]
Aktionen gegen auf Fahrscheinkontrolleure, Frankfurt
(März 78)
Wir sind gestern Nacht einigen Fahrscheinkontrolleuren des FVV
etwas näher auf den Pelz gerückt:
- Dem jungvermählten FVV- Ehepaar [...] haben wir ihren Fiat
mit Benzin und Petrolium flambiert.
- dem Kontro [...] haben wir mit einem kleinen Sprengsatz den
Hauseingang verschönert.
Wir meinen, daß es höchste Zeit wird, dort anzugreifen,
wo wir täglich getroffen werden: Das sind beim FVV die täglichen
massenhaften Fahrkartenkontrollen auf dem Hintergrund von
- Fahrpreiserhöhungen bis zu 50%, die sich vor allem gegen
diejenigen wenden, die sich ihnen am wenigsten entziehen können,
weil sie mit der FVV zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen usw.
fahren müssen;
- die Verdoppelung des Schwarzfahrerbußgelds von 20 DM
auf 40 DM
gewinnen diese Kontrollen eine immer widerlichere Bedeutung: sie
treffen nicht nur die bewußten Schwarzfahrer, sondern vor
allem Leute, die gezwungen sind, schwarzzufahren, weil ihnen das
Geld fehlt [...] Zu den Geldbußen kommen Strafbefehle, Vorstrafen
oder gar Knast.
Mit dem Ende des "deutschen Wirtschaftswunders" und dem
immer unverschämter werdenden Klau aus unseren Haushaltskassen
geht einher ein neues "Wirtschafswunder", das Wirtschaftswunder
der Parasiten dieses Systems. Des Kontroll- , Bespitzelungs- und
Überwachungsapparates. Totale Computererfassung, Wiedereinführung
des Nazi- Blockwartsystems (heute nennen sie das "Kontaktbereichsbeamte"),
tägliche Verkehrskontrolle, personelle Aufstockung der staatlichen
und privaten Bullen, Werkschutz, Kaufhausdetektive, Straßenbahnkontrolleure
und private Bewachungsunternehmen. [...]
Die Kontrolleure sollen ihren Schweinejob aufgeben - und zwar schleunigst!
[...]
Aktion gegen den Verkehrsverbund Rhein- Ruhr,
Gelsenkirchen
(Februar 84)
SCHALKE 04 [82]
Seit fünf Jahren pflegt der VRR nun mittlerweile die Tradition
neujährlicher Preiserhöhung.
Hat der VRR bei der Ausplündung seiner Kunden in den letzten
Jahren bereits Meilensteine gesetzt, so wartet er dieses Jahr sogar
mit zwei besonderen Highlights auf:
Arbeitslose dürfen sich von morgens bis abends auf aussichtslose
Arbeitsplatzsuche mit einer preisreduzierten Monatskarte begeben;
außer zu den Stoßzeiten, wo sie die Sitzplätze
für das arbeitende Volk freizuhalten haben.
Rausgeräumt werden auch die vielen Behinderten, die selbst
noch gehen können, aber trotzdem bisher umsonst fahren konnten.
Die Opfer der Kriege in den Betrieben und auf der Straße sollen
so nicht länger die "heile Welt" der noch Gesunden
trüben.
Unser "Bömbchen" am Zentralgebäude des VRR
in Gelsenkirchen, das wir bewußt so plaziert haben, daß
Anwohner und Tabakladen nicht geschädigt werden, wird dies
vorerst nicht aufhalten können. Es ist nur ein kleiner Schritt
im Kampf gegen die Politik des VRR [...] und eine Ermutigung für
die Hunderttausenden, die täglich schwarzfahren.
Verteilung gefälschter Fahrkarten, Ruhrgebiet
(März 81)
Die
Fahrkarten des VRR, die Montagmittag, den 30.03.81 in verschiedenen
Städten des Ruhrgebietes, in Hagen, Dortmund, Bochum, Recklinghausen,
Gelsenkirchen, Essen, Wuppertal, Bottrop, Oberhausen, Duisburg,
Mülheim, Krefeld, Mönchengladbach und Düsseldorf
verteilt worden sind, als Hauswurfsendungen, sind von uns selbst
in eigener Herstellung gefertigt worden.
igtausende gefälschter Fahrkarten aller Preisstufen. Das gibt
wenigstens ein paar tausend Menschen im Revier die Gelegenheit,
in den Genuß eines kostenlosen Nahverkehrs zu kommen: Null-
Tarif mit Fahrscheinen, mal was anderes.
Seit zehn Jahren, seit den ersten "Rote- Punkt- Aktionen"
in Hannover, gibt es eine Bewegung für den Null- Tarif. Diese
Bewegung hat alle guten Gründe auf ihrer Seite. Daß sie
dennoch selbst mit ihrer Minimalforderung "kostenloser Nahverkehr"
auf Granit stößt, hat mit dem Prinzip der Kostendeckung
nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es geht um ein anders Prinzip,
mit dem nicht gebrochen werden darf: Leistung kostet was, wo was
geboten wird, mußt du löhnen. Diese Maxime der Leistungsgesellschaft
gilt es zu wahren, selbst um den Preis einer Verkehrspolitik, die
den inneren Zusammenhang von kapitalistischem Fortschritt und Zerstörung
auf den Begriff bringt.
Dem Moloch Auto wird so lange gehuldigt, bis jegliche Alternative
undenkbar und der Wagen zum unentbehrlichen Bestandteil des Lebens
geworden ist. Die "alltäglichen" Nebenerscheinungen:
15.000 Verkehrstote jedes Jahr und 500.000 Verletzte, verwüstete
Städte, die nach dem Grundsatz der Befahrbarkeit und nicht
nach dem der Bewohnbarkeit geplant werden, statt der Freiheit, die
dem Besitzer eines Autos versprochen wird, totale Abhängigkeit.
Statt Komfort und Lebensstandard, stickiges Chaos im Dickicht der
Straßen, auf denen die bürgerliche Ideologie "jeder
gegen alle" Triumphe feiert.
In vielen Ruhrgebietsstädten haben Gruppen bis hin zu den
Grünen die Fahrpreiserhöhungen des VRR zum 1.3.81 zum
Anlaß genommen, mit Flugblättern, Demos, Wandmalereien,
kleineren Sabotageakten gegen Automaten und Entwerter usw. erneut
Null- Tarif zu fordern. Wir begreifen unsere Aktion in diesem Zusammenhang.
[...]
Revolutionäre Zellen + Rote Zora
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