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Wenn die Nacht am tiefsten ... ist der Tag am nächsten
März 1992
Eine Antwort auf "Das Ende unserer Politik" - RZ- Papier
("Konkret", März 92) ist unumgänglich. Bevor
wir in die Debatte einsteigen, halten wir es für angebracht,
uns den LeserInnen vorzustellen.
Wir gehörten bis vor einigen Jahren zu dem, was im o.g. Papier
hochtrabend als "Organisation" bezeichnet wird und was
wir trefflicher, weil unverbindlicher, "Zusammenhang"
nennen würden.
Unsere
größte Popularität hatten wir zu Zeiten der Bewegung
gegen die Startbahn 18 West. Allerdings beschränkten sich unsere
Aktivitäten nicht auf diesen Bereich, nicht vorher und nicht
nachher. Wir waren bei weitem nicht die alleinigen TrägerInnen
der RZ- Aktionen in dieser Region, wenn auch diejenigen, die am
engsten mit dem Konzept, dem "Zusammenhang" und der spezifischen
Kampfform verbunden waren.
Mitte der 80er Jahre haben wir uns in praktischer Hinsicht aus
diesem Zusammenhang zurückgezogen, nachdem unsere Versuche,
eine grundsätzliche Diskussion und Bestandsaufnahme als Voraussetzung
für eine Neubestimmung zu führen, fehlgeschlagen waren.
Seither stehen wir in mehr oder weniger loser Verbindung.
Das "Ende unserer Politik" ist uns Anlaß, uns im
alten Rahmen zu Wort zu melden. Stellt es doch den Versuch dar,
aus einer Position vollkommener Resignation heraus ein gewiß
nur winzigkleines Stück Geschichte der RZ zu schreiben. Und
mehr noch.
Nach der Lektüre eures Papiers drängt sich jeder/m die
Frage nach dem WARUM auf. Was wollt ihr eigentlich mitteilen, wem
gegenüber seid ihr verantwortlich? Und es springt ins Auge,
daß an keiner Stelle eures Papiers begründet wird, warum
es geschrieben und veröffentlicht werden mußte.
In unseren Augen ist euer Papier oberflächlich, an keinem
einzigen Punkt geht ihr derart in die Tiefe, daß mensch von
Aufarbeitung, geschweige denn Verarbeitung reden könnte. Dabei
gehen großmäuliger Avantgardeanspruch und ein Fatalismus,
der Geschichte gleichsam "naturalisiert", eine merkwürdige
Verbindung ein. Die Vorgänge in der Gesellschaft und in der
Linken scheinen sich vor euren Augen nach Naturgesetzmäßigkeiten
abzuspielen und die Geschichte der letzten Jahre demnach als Naturkatastrophe:
"von der Geschichte überrollt", "in den Strudel
der Auflösung linker Utopien ... geraten", "endgültig
aus dem historischen Prozeß hinauskatapultiert", "in
ein irreversibles Statium eingetreten" sind da nur einige Kostproben.
So schwammig wie eure Aufarbeitung bleibt eure Schlußfolgerung:
"Die politische Öffnung der RZ scheint uns ... der einzig
richtige Schritt". Was, bitte schön, soll das denn nun
bedeuten?
So häufig, wie ihr im Text den Begriff "Organisation"
verwendet, stellt sich die Frage, warum dieser Text von euch nicht
innerhalb der "Organisation" diskutiert wurde, woher ihr
euch berufen fühlt, nun im Alleingang Konkurs anzumelden?
Daß es dann die Konkret und nur die Konkret war,
die das rare Exemplar erhielt, macht die Sache nur noch pikanter
...
Unser Text, das sei vorausgeschickt, ist kein "Positionspapier",
sondern nur eine Antwort auf euer Papier. Auf eure widersprüchliche,
ja chaotische Vorgabe einzugehen, ist uns schwergefallen. Beginnen
wollen wir mit den Punkten, die weniger mit der Aufarbeitung oder
Analyse, denn mit korrekter Darstellung der Ereignisse zu tun haben.
- In eurer historischen Darstellung der RZ klingt an, als hätte
es vor 1977 nur die OPEC- Aktion und Entebbe und erst danach den
"Einstieg in die Teilbereichsbewegungen" gegeben. Das
trifft so wenig zu wie eure Version von der "faktischen Neugründung
der RZ" nach Entebbe. Es gab keine Neugründung, sondern
eine Spaltung - ein kleiner, aber feiner Unterschied. (Zur OPEC- Aktion
und zu Entebbe werden wir hier nichts sagen. Zu Entebbe gibt es
bereits ein RZ- Papier, hinter das wir uns hiermit, trotz mancher
Kritik im Detail, grundsätzlich stellen.)
- Der Kampf gegen die Startbahn 18 West war der einzige Teilbereichskampf,
wo es den RZ's gelang, Anspruch und Umsetzung weitgehend in
Einklang zu bringen. Das sagt ihr. Aber selbst das könnt
ihr in eurem Defätismus so nicht stehen lassen, auch wenn
ihr dafür die ganze Geschichte auf den Kopf stellen müßt:
"Durch einen einzigen verhängnisvollen Fehler, den Mord
an Karry, wurde dieses Konzept von Popularität schlagartig
desavouiert". Die Aktion gegen Karry konnte die Startbahn- Intervention
nicht desavouieren (und schon gar nicht schlagartig!), weil es
sie bis dahin noch gar nicht gab. Die Karry- Aktion datiert im
Mai 1981, die RZ- Angriffe auf die Startbahn- Betreiber begannen
im Oktober 81, also 5 Monate später!
- Wie schon der Märzausgabe des ak zu entnehmen ist,
haben nicht nur wir eine andere Erinnerung an die Folgen des 18.12.87.
Ihr behauptet als Folge des 18.12. "die Orientierung auch
der linksradikalen Szene von der thematischen Arbeit auf den unmittelbaren
Repressionsaspekt" (wir fragen uns, ob ihr nicht unter Umständen
die Auswirkungen des 2.11. [29]
mit denen des 18.12. verwechselt). War es nicht gerade umgedreht
so, daß die inkriminierten, sog. anschlagsrelevanten Themen
eine ungeheure Aufmerksamkeit erfuhren, nicht nur in der Linken,
sondern weit bis in kirchliche Kreise hinein? Daß dies in
euren Augen vielleicht zu kurzfristig bzw. zeitlich befristet
an die Prozesse gekoppelt war oder auch einfach nicht in die von
euch erhoffte Qualität umschlug, dürfte am allerwenigsten
dem 18.12. geschuldet sein. Möglicherweise stand der "Repressionsaspekt"
für die RZ und ihre Umgebung tatsächlich im Vordergrund.
Doch sollten beide Aspekte fein säuberlich getrennt werden,
sonst gerät eure Betrachtung zur Nabelschau.
Und wenn ihr diese Nabelschau schon unbedingt in aller Öffentlichkeit
vollziehen müßt, dann drängt sich die Frage auf,
warum der 18.12. diese Auswirkungen haben konnte. Mensch sollte
annehmen, daß eine "Organisation", die seit nunmehr
fast 20 Jahren den Anspruch formuliert, sich illegal zu organisieren,
solche Repressalien verkraften oder verarbeiten kann, zumal die
RZ bis dato doch relativ ungeschoren davongekommen sind.
Die
staatlichen Verfolgungsorgane sind nunmal dazu da, möglichem
Widerstand entgegenzuarbeiten, das liegt in der Logik der Sache.
Da gibt's einfach nichts zu jammern und nichts zu übertreiben.
Im Abschnitt IV sprecht ihr von der "Repression 1977 gegen
unsere Organisation"! Auf welchem Planeten soll die denn stattgefunden
haben??? Wir für unseren Teil sind doch arg ins Grübeln
geraten über die Frage, was ihr denn damit gemeint haben könntet.
Das öffentliche Spekulieren darüber unterlassen wir lieber.
Was auch immer es gewesen sein mag, den Begriff "Repression"
habt ihr dabei gewiß überstrapaziert. Der sollte tatsächlich
willkürlichen Verfolgungen vorbehalten sein und nicht dazu
benutzt werden, die eigene Betroffenheit, sprich: Bedeutung, hochzuspielen.
Ihr kritisiert eure Aktivitäten gegen die staatliche Flüchtlingspolitik
ganz richtig als "Flüchtlingspolitik ohne Flüchtlinge".
In eurer gesamten Beschreibung des Gedankengebäudes, auf dem
sie basierte, wird das Absurde und Paradoxe eures Begehrens deutlich.
Nur unterlaßt ihr es, die theoretischen Fundamente zu hinterfragen
- und zu kritisieren.
Unsere eigene Organisationsform, die traditionellen Methoden und
Objekte unserer Angriffe sowie der "Adressatenkreis unserer
Politik" standen Mitte der 80er Jahre sehr wohl zur Debatte.
Wie diese Debatte lief bzw. nicht lief und welche Konsequenzen daraus
gezogen wurden, wird nicht zuletzt in dem deutlich, was ihr als
"Einbahnstraße" klassifiziert, aber nicht analysiert.
"Wir hofften damals, mit der Thematisierung der neuen Klassenzusammensetzung
und der Ausgrenzung des unteren Armutsdrittels einen Weg gefunden
zu haben, uns einem möglichen revolutionären Subjekt annähern
und seine Kämpfe vorwegnehmen zu können. So sollte die
Reduzierung und Orientierung auf die Teilbereichsbewegungen überwunden
werden."
In diesem Abschnitt finden wir stichwortartig komprimiert das
Theoriekonstrukt, das in anderen Schreibstuben entstanden ist und
das wir nicht nur für zu einfach halten. Es ist schlicht falsch,
was allerdings nicht einer Erfahrung in der Praxis bedurft hätte.
"Das revolutionäre Subjekt" gibt es nicht. Es ist
deshalb auch müßig, sich auf die Suche nach ihm zu begeben.
Das gehört dann in den Bereich der Ontologie [30],
damit der Philosophie und mit der in der Vergangenheit so oft beschworenen
"Philosophie der Praxis" war es noch nie weit her. (Überdies
sollten "Subjekt/ Subjektivität" im Kontext spätkapitalistischer
Gesellschaften doch nur unter Vorbehalt Eingang in unser Vokabular
finden. Wir behaupten zwar nicht die Existenz gesichtsloser Individuen
im Räderwerk kapitalistischer Produktion und Reproduktion,
doch bezweifeln wir, ob die Lebensumstände hier das Wissen
erlauben, was Subjektsein heißt oder heißen könnte.)
Das Operieren mit dieser Figur, die in aller Reinheit und Feinheit
revolutionäres Wollen verkörpern soll, täuscht darüber
hinweg, mit welcher Komplexität sich die gesellschaftlichen
Prozesse abspielen und von wieviel verschiedenen Momenten eine mögliche
revolutionäre Entwicklung abhängt. Daß in bestimmten
Phasen eine oder mehrere gesellschaftliche Gruppen besondere oder
entscheidende Impulse setzen, bleibt davon unberührt.
Die Kreation eines "revolutionären Subjekts" suggeriert,
daß eine revolutionäre Bewegung oder sogar Umwälzung
mit einem Schlag möglich sei. In diesem Sinne reduziert sich
die in weiten Kreisen der Linken populäre Suche nach diesem
Subjekt, das mensch am liebsten selbst repräsentieren oder
wenigstens (er)finden möchte, auf ein Gesellschaftsspiel, ein
Spiel ohne reale Auswirkung.
Leider
widmet ihr euch mit keinem einzigen Wort den latenten Rassismen
innerhalb der metropolitanen weißen Linken; leider verliert
ihr keine Silbe über eure eigenen Rassismen, in denen letztlich
auch die Ursprünge einer "Flüchtlingspolitik ohne
Flüchtlinge" zu suchen sind. Dies ist nicht nur euer Problem
und schon gar keines der Vergangenheit. Die Unfähigkeit der
Linken (uns selbst nicht ausgenommen), mit den rassistischen Strukturen
dieser Gesellschaft und den aktuellen Angriffen anders als mechanisch
umzugehen, Rassismus wie ein "Thema" zu behandeln, wäre
Grund genug gewesen, dieser Frage einen sicheren Platz in eurem
Rückblick auf die Flüchtlingskampagne zu geben.
Ebenso arglos stellt ihr an anderer Stelle fest: "der Kampf
um die 'Kolonisierung der Köpfe', den wir auf unsere
Fahnen geschrieben haben, wird sich in anderen Formen abspielen
müssen." Es ist nicht nur so, daß diese Parole aus
der Zeit Mitte/Ende der 70er stammt und wir mittlerweile feste in
den 90ern stehen. Auch ohne die nicht zu überhörenden
Diskussionen zum Verhältnis Kolonisatoren und Kolonisierte
könnte mensch eine Relativierung von Parolen oder ihre Anspassung
an die sich verändernden globalen Verhältnisse annehmen.
Spätestens aber durch die beispielsweise zwischen schwarzen
und weißen Frauen stattfindenden Auseinandersetzungen zum
Rassismus [31]
(in der weißen Linken) drängt sich doch die Frage auf,
wessen Köpfe hier wo, wie und von wem kolonisiert sind, und
wer sich demnach berufen fühlen kann, den Kampf dagegen zu
führen.
Eure Projektionen auf die Flüchtlinge als TransporteurInnen
trikontinentaler Kämpfe, Kampferfahrungen und - formen in die
Metropole habt ihr selbst benannt. Wir beschränken uns daher
auf das zweite oder auch Metropolenbein eures Subjekts, das "untere
Armutsdrittel". Lassen wir mal die Frage nach der Fragwürdigkeit
der Analyse bestimmter Soziologen von der "Zwei- Drittel- Gesellschaft"
beiseite und tun so, als wäre das so. Lassen wir weiterhin
die Frage beiseite, was Armut in der Metropole eigentlich ist, d.h.
wie sie sich in der Metropolen definiert und wie sie sich zum Trikont
definiert bzw. relativiert. Was wir dann immer noch nicht verstehen
ist: Worin begründet sich die unterstellte revolutionäre
Potentialität der Armut in der Metropole und der daraus möglicherweise
entflammenden Kämpfe? Ihr, wir und einige andere definieren
sich als Revolutionäre. Was uns weiterhin gemein ist, ist,
daß wir nicht arm sind. Das betrifft allen gegenteiligen Eigencharakterisierungen
zum Trotz auch diejenigen unter uns, die Sozialknete abziehen -
im Unterschied zu denjenigen, die arm sind, weil sie nix anderes
als Sozialknete (und oft auch die noch nicht) haben. Wir könnten
das Problem damit lösen, daß wir uns allen alles Revolutionäre
abstreiten. Vielleicht liegt darin ja des Rätsels Lösung!
Eine Kritik an den sog. Teilbereichsbewegungen ist populär.
Auch ihr stigmatisiert sie zum zentralen Problem. Wir halten die
Feststellungen für vordergründig und oberflächlich,
nach denen der Hund in der "Reduzierung und Orientierung auf
die Teilbereichsbewegungen" begraben liegt. Eine Bewegung,
in der sich gleichsam alles Revolutionäre bündelt, in
der die von euch so genannte "soziale Frage" in einem
homogenen Strang vereint ist, "die revoluionäre Teilbereichsbewegung"
kann es nicht geben. Eine umfassende revolutionäre Bewegung
wird immer auch aus verschiedenen "Teilbereichen" bestehen,
aus an und auf den verschiedensten sozialen Orten und Ebenen stattfindenden
Kämpfen. Gerade darin liegt die Aufhebung ihrer Beschränkung
!
Zu dem von euch am Ende von IV angeschnittenen Thema "Beschränkung
der Aktionsmittel" unsererseits 4 Anmerkungen:
- Als einen Grund für besagte "Beschränkung"
gebt ihr für euch an, daß ihr sie nicht wirklich zu
Klassenkämpfen in Bezug gesetzt habt, sondern immer nur zur
linken Szene. Jede Gruppe, die beansprucht, revolutionäre
Politik zu machen und sich nicht zu der jeweiligen Klassenzusammensetzung
in ihren Kämpfen in Bezug setzt, bleibt zwangsläufig
ein Selbstläufer und läuft sich irgendwann zu Tode.
Bewaffnete Politik verkommt dann - auch wenn es absurd klingt
- zur individuellen Überlebensstrategie.
- Als zweiten Grund gebt ihr an, daß sie "perfekt mit
unserer Anonymität korrespondierten und das persönliche
Risiko einschränkten". In dieser Allgemeinheit erklärt
das vielleicht, daß es überhaupt Beschränkungen
gab, aber nicht die Beschränkungen, wie sie für die
RZ's allzuoft typisch waren. Zum einen dürfte das mit
dem unter 1. Gesagten zusammenhängen, zum anderen habt ihr
es im II. Abschnitt ungewollt selbst benannt: "... unsere
eigene Praxis zielte perspektivisch nie auf irgendeine Machtfrage,
sondern auf die Entwicklung und Verbreiterung sozialer Selbstbestimmungsrechte
von unten her". Mal dahingestellt, was "soziale Selbstbestimmungsrechte"
sein sollen, der entscheidende Punkt ist hier für uns die
"Machtfrage". Nicht in dem Sinne, daß wir als
Personen oder Gruppe an die Macht wollten, sondern in dem Sinne,
daß revolutionäre Politik (schon rein begrifflich)
von Anfang an die Machtfrage stellen bzw. thematisieren muß.
Das betrifft selbst besagte Teilbereichsbewegungen. Wenn z.B.
eine Bewegung "keine WAA" auf ihre Fahnen schreibt,
so stellt sie - eine gewisse Quantität und Qualität
vorausgesetzt - punktuell die Machtfrage. Inwieweit das dann auch
subjektiv so begriffen wird, steht auf einem anderen Blatt. Wir
denken, daß das auch in den RZ's allzuoft nicht klar
war. Das erklärt einiges von der teilweisen "Beliebigkeit"
mancher Aktionen, berührt die Frage der Effektivität
der Aktionsmittel wie die ihrer Inflexibilität, ihre Beschränkungen
nach oben, aber auch nach unten: Es gab Aktionen, wo ein Vorschlaghammer
oder eine Säge angebrachter gewesen wären, als der vergeudete
Sprengstoff. An der Startbahn West hatten die RZ's keine dogmatischen
Probleme, auch Luftballons (mit Alustreifen zur Störung des
Flugverkehrs) einzusetzen, eben auch und nicht nur.
- "Heute, zu einem Zeitpunkt rassistisch motivierter Angriffe
auf Flüchtlingsunterkünfte, verbietet sich der Gebrauch
von Feuer und Flamme als Mittel revolutionärer Politik in
diesem Bereich von selbst". Dazu der 'ak' vom März
92: "Fangt ihr jetzt schon selber an, die brennenden Erfassungsakten
von Roma und Sinti mit brennenden Flüchtlingen zu vergleichen?"
Dem können wir uns nur anschließen.
Der von euch beklagte Geheimdienstterrorismus, dem wir nach eurem
Bekunden "praktisch kaum etwas entgegensetzen" konnten,
kann nur dann greifen, wenn wir ihm mit unseren eigenen Aktionen
den politischen Raum dazu geben.
Anders bzw. grundsätzlicher formuliert: Ob Schüsse,
Bomben, Brandsätze, Prügel ... jede Gewalt ist zunächst
- als Abstraktum - terroristisch. "Zu glauben, daß
es nur davon abhängt, wer diese Mittel in welchem Maßstab
und mit welchen Zielen anwendet, ist eine gefährliche Vereinfachung".
Inwieweit eine bewaffnete Aktion politisch oder terroristisch
ist, entscheidet sich nicht allein danach, wer sie mit welchem
Ziel ausführt, sondern auch inwieweit diese von einem relevanten
Bevölkerungsteil als politisch legitime Handlungsweise nachvollziehbar
ist.
- Abschließend noch eine Bemerkung zum spezifisch deutschen
Militanz- und (damit korrespondierend) Bewaffnetem Kampf- Fetisch.
Das fängt mit dem Militanzbegriff an, der in anderen Sprachen
den politischen Kampf, und nur im Deutschen den gewaltsamen politischen
Kampf meint. Das setzt sich dann fort in der Gleichsetzung: Militanz
und Bewaffneter Kampf = revolutionär/alles andere = reformistisch.
Wo das herrührt scheint uns relativ klar: Aus der Auseinandersetzung
mit der deutschen Vergangenheit, d.h. mit der weitgehenden Nichtexistenz
bewaffneten Widerstandes gegen die Nazis. Nichtsdestotrotz muß
diese Unterscheidung reformistisch - revolutionär vor allem
an den Inhalten und weniger an den Formen des politischen Kampfes
festgemacht werden. Bewaffneter Kampf und Reformismus schließen
sich keineswegs aus!
Ihr habt Aktionen zur Unterstützung des südafrikanischen
Befreiungskampfes und gegen die staatliche Flüchtlingspolitik
gemacht. "... diese Vorschläge sollten politisch orientierend
wirken, ohne uns in eine avantgardistische Position gegenüber
dem legalen Teil des Widerstandes zu bringen" sagt ihr - und
wir würden gerne wissen, warum. 
Was ist eine Avantgarde? Steht sie notgedrungen ganz oben, hat
sie mit Hierarchie überhaupt etwas zu tun? Kann mensch überhaupt
Avantgarde sein wollen oder nicht wollen? Ist "Avantgardesein"
im Kontext einer politischen Bewegung oder Entwicklung nicht einfach
Ausdruck davon, ob der politische Vorschlag einer Gruppe angenommen
wird oder nicht, ob er zur Dynamik von Kämpfen beitragen kann?
"Avantgarde" scheint für euch eine überaus
negativ besetzte Vokabel zu sein, andererseits auch eine Art Schlüsselwort.
Kämpfe aus einer inhaltlich- politischen Stärke heraus
anzuführen, ist anscheinend unweigerlich mit dem Dünkel
von Macht und Hierarchie behaftet, so als sei dies nicht zu allererst
eine Frage der Struktur und der Inhalte (in diesem Fall: der Linken).
Für uns ist die vordergründig panische Angst, sich zu
exponieren, nicht zuletzt ein Zeichen von fehlender Bereitschaft,
Verantwortung zu übernehmen.
Daß ihr im Gegensatz zu eurer verbalen Distanz zu allem,
was mit Hierarchie, Macht usw. zu tun haben könnte, durchgängig
einen besonderen Platz in der Geschichte beansprucht, steht dazu
nur vermeintlich im Widerspruch. Als RZ wollt ihr innerhalb der
Linken keine Sonderstellung - was euch im übrigen nicht daran
hindert, mit den Besonderheiten zu kokettieren. Als Linke im Allgemeinen
seht ihr euch jedoch in vornehmer Distanz zum "gemeinen Volk".
Ein - zudem durch nichts legitimierter - Kardinalfehler.
Völlig unverständlich und vor allem schräg sind
eure Rundumschläge in Sachen Patriarchats- Diskussion. Revolutionäre
Politik muß von ihrem Selbstverständnis, dem gemeinsamen
Konsens her antisexistisch, antirassistisch und internationalistisch
sein. Wir legen dabei die Betonung auf das Wort Selbstverständnis,
weil wir für zentral halten, mit welchem Selbstverständnis
mensch auf gesellschaftliche Konflikte reagiert, anstatt die gesellschaftliche
Realität wie die politische Aktion an Begriffshülsen zu
messen. Gerade
was Sexismus und Rassismus angeht, wissen wir, wie schwer das ist,
daß es mit der Parole "anti- " allein nicht getan
ist.
Ihr behauptet "die absolute Notwendigkeit dieser Diskussion"
und zieht im gleichen Atemzug die lange vor dieser Diskussion liegende
Trennung der Roten Zora von eurem Zusammenhang dazu heran, euren
potentiellen "emanzipatorischen Beitrag" wieder ad acta
zu legen. Ihr behauptet eure Mitverantwortung an dem "männlichen
Elend" der RZ- internen Patriarchats- Diskussion, um sofort
mit der Keule "Selbstentmündigung und Entpolitisierung"
um euch zu schlagen. Kurzum: ihr macht es euch arg einfach, Genossen! Eine besondere Würze bekommt das Ganze dann noch dadurch,
wenn am Ende eurer diesbezüglichen Ausführungen über
die korrekte Linie die Feststellung steht, "daß der militante
Widerstand und der bewaffnete Kampf, so wie wir ihn zu entwicklen
versucht haben, eine Angelegenheit von immer weniger Leuten geworden
ist und keine soziale Basis mehr zu haben scheint", gefolgt
von dem Eingeständnis, daß auch die von euch "benutzten
antiimperialistischen oder sozialrevolutionären Erklärungsmuster
... gegenüber dem historischen Wandel versagt" haben.
Generell offen bleibt, wieso ihr überhaupt zum Thema Patriarchat
Stellung bezieht. Außer dem von euch erwähnten Text "Was
ist das Patriarchat", den wir als teilweise biologistisch
und eurozentristisch kritisieren, ist von dieser Diskussion rein
gar nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Entweder haltet
ihr sie für so wichtig, daß sie publizistisch verarbeitet
werden soll, oder nicht. Wenn ja, dann referiert sie - und zwar
genau. Dort könnten dann auch eure Probleme angemessenen Raum
finden.
Da das offensichtlich nicht der Fall ist, hättet ihr besser
den Mund gehalten. So hat kein Mensch etwas davon, höchstens
ihr selbst, indem ihr euch mal "ausgesprochen" habt. Das
kann persönlich ja befreiend wirken, politisch ist es absolut
sinnlos.
Ihr behauptet in den Ereignissen der letzten 2 bis 3 Jahre einen
qualitativen Sprung (Stichworte: "Projekt Großdeutschland"
und "Neue Weltordnung") des kapitalistischen Weltsystems,
dem ihr keinen entsprechenden qualitativen Sprung des Widerstands
entgegensetzen konntet, damit euer Scheitern. Wobei für uns
das "großdeutsche" Gejammer nur eine andere Spielart
der so oft denunzierten "doitsch- doitschen Besoffenheit"
ist.
Das kapitalistische Weltsystem ist in eine neue Phase eingetreten.
Damit haben sich die Bedingungen linksradikaler Politik nicht nur
in der BRD, sondern weltweit grundlegend verändert. Veränderung
heißt aber nicht unbedingt Verschlechterung, auch wenn dieser
Prozeß subjektiv zunächst als schmerzhafter erlebt wird,
weil alte Gewohnheiten und Sicherheiten sich scheinbar schlagartig
aufgelöst haben.
Ob die weltweite Neuformierung des Systems einen qualitativen Sprung
darstellt, hängt vom Standpunkt ab. Vom kapitalistischen Standpunkt
ist sie es sicherlich, weil sie nach der Krise der vergangenen 25
Jahre die Chance für einen neuen Akkumulationszyklus darstellt.
Vom revolutionären Standpunkt könnte mensch nur dann von
einem qualitativen Sprung des Systems reden, wenn ihm damit ein
Ausweg aus einer "revolutionären Situation" gelungen
wäre bzw. wenn zumindest das, was in den letzten Jahren Bankrott
anmelden mußte, erhaltenswert gewesen wäre.
Ihr sagt, der Bankrott des "Realsozialismus" falle euch
auf die Füße, obwohl ihr "meilenweit" davon
entfernt wart. Dazu können wir nur feststellen: wem die Trümmer
auf die Füße fallen, der muß sehr dicht dran gewesen
sein. Was die von euch ängstlich beschworene "revolutionäre
Perspektive in den europäischen Metropolenländern"
angeht, so können wir diesen Bankrott nur begrüßen.
Einige Ex- RZlerInnen
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