Repression
Da sind in der Chronologie zunächst mal die Verhaftungen und
die Kriminalisierung von und nach dem 18.12.87 [29]
und die daraufhin einsetzende Solidaritätskampagne.
Der staatlich/polizeiliche Angriff zielte eindeutig darauf ab,
Mitgliederlnnen der Roten Zora und der RZ wegen ihrer langjährigen
Aktivitäten zu erwischen. Die Repressionsdrohung, die mit der
Kreation vom "anschlagsrelevanten Thema" sozusagen verbreitert
wurde, war die klare Aufforderung zur Distanzierung von militanter
und illegaler Politik. Sie diente speziell der Einschüchterung
von Aktivistinnen aus der Anti- Gen- und Reprobewegung, die die
Durchsetzung der Pläne der Herrschenden störte und die
unsere Aktionen als Bestandteil des Widerstandes nicht ausgrenzte.
Einfallstor für die Bullen war unser Fehler, zu lange den
gleichen Wecker als Zeitzünder zu besorgen, was ihnen die Gelegenheit
bot, mit einem aufwendigen Programm Käuferinnen dieser Weckersorte
zu identifizieren. Da die Bullen darüber rausgekriegt haben,
daß Käuferinnen in der Anti- Gen- und Reprobewegung arbeiteten,
hofften sie, über ihre Aktion am 18.12.87 u.a. bei Aktiven
aus der Bewegung weitere Beweismittel zu finden, um welche von uns
ausfindig zu machen.
Die Absicht der Staatsschützer, auch die Anti- Gen- und Reprobewegung
zu schwächen und zu spalten, gründete sich auf die in
der Bewegung vorhandene Bereitschaft, ihre Ablehnung dieser patriarchalen
Herrschaftstechnologien in praktischen Widerstand umzusetzen und
deshalb auch unsere Politikform als Teil einer radikalen Praxis
einzubeziehen.
Auch wenn zunächst die öffentliche Reaktion in einer
breiten Solidarisierungswelle mit Ulla und Ingrid und in einer wachsenden
Popularität der Bewegung von FrauenLesben gegen Reproduktions-
und Gentechnologien bestand, erwies sich die Spaltungsstrategie
letztenendes als erfolgreich.
Die völlig richtige und an sich produktive Entscheidung, die
politische Bewegung angesichts der Repression (nun erst recht) fortzusetzen,
hatte ihre Grenzen in der immer geringeren Einbeziehung von praktischem
Widerstand. Anstatt daß die Themen der Antirepressionskampagne
die Aktionen der Roten Zora und die Fehler oder die Richtigkeit
unserer Politik und die Fragen der Organisierung zentral mit eingeschlossen
hätten, wurde unsere Politik ebenso totgeschwiegen, wie grundsätzlich
die Fragen um Probleme und Aufgaben praktischen Frauenwiderstands
aus der Diskussion ausgegrenzt blieben.[30]
Viele Veranstalterinnen der Solidaritätskampagne verstanden
den Bullenbegriff "anschlagsrelevante Themen" als Kriminalisierung
der radikalen Gesinnung und öffentlich vertretenen Meinung
von Systemgegnerinnen und nicht als Verfolgung ihrer potentiellen
oder tatsächlichen Nähe, Unterstützung oder Beteiligung
an militanten Aktionen.
Die Unschuld von Ulla und Ingrid im juristischen Sinne und die
Verhinderung eines angeblichen staatlichen Angriffs auf die Gesinnung
sollte größere Solidarität mobilisieren. Doch die
anfängliche breite Solidaritätswelle mit Ulla und Ingrid
schloß ganz klar die Symphatie mit der Roten Zora ein, bezog
von daher einen großen Teil ihrer power. Die Unschuldskampagne
diente dazu, sich der Recht-mäßigkeit des eigenen Handelns
zu vergewissern, nicht aus taktischen Gründen, sondern als
politisches Selbstverständnis. So würde die bundesdeutsche
Tradition fortgeschrieben, daß "Verdächtige"
ihre Unschuld im Sinne von Gesetzestreue glaubhaft machen müssen
und dies auch immer wieder tun. Die Aussagen von Ulla und Ingrid
wirkten diesem Trend nicht entgegen.
Indem die Unschuldskampagne den Anschein erweckte, der radikalste
Widerstand gegen die Gen- und Reprotechnologien sei ihre öffentlich
bekundete grundsätzliche Ablehnung. wurde einerseits eine unsinnige
Angst vor Kriminalisierung geschürt,[31]
andererseits wurden mit dieser Kampagne schon im Vorfeld von Auseinandersetzungen/
Streits die Gedanken an die notwendigen praktischen Schlußfolgerungen
aus vielen Köpfen verdrängt. Die Handlungstabus erzeugten
Denktabus, Ohnmachtsgefühle und die endgültige Schwächung
der Anti- Gen- und Reprobewegung. Die an sich richtige inhaltliche,
themenbezogene Diskussion verläpperte sich allmählich
zur wissenschaftlichen Debatte.
wir selbst wußten mit dieser Entwicklung in der Solikampagne
nicht politisch umzugehen, schwiegen - aus Verunsicherung, Vorsicht,
der Sorge, keiner in den Rücken fallen zu wollen, mit uns selbst
beschäftigt und genau sehend, daß aus der Solidarität
mit den Gefangenen die mit den Geflüchteten ausgegrenzt wurde
(zumindest öffentlich). So konnten wir weder bei der Anfangsparole
"jetzt erst recht" praktisch mithalten noch die Auseinandersetzung
über illegalen FrauenLesbenwiderstand wiederbeleben und zu
einer Widerstandskultur beitragen, in der es z.B. Solidarität
gibt, weil FrauenLesben vielleicht nicht im Rahmen der vom Gesetz
gesteckten Grenzen gehandelt haben.
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