Als Feministinnen in den RZ...
FrauenLesben schufen sich in den 70er Jahren in der BRD immer mehr
autonome Zusammenhänge, aus denen sie gegen die "frauenspezifische"
Unterdrückung kämpften. Der Kampf gegen die "allgemeine"
Unterdrückung wurde oft in gemischten Zusammenhängen geführt.
Diese Trennung zwischen "frauenspezifisch" und "allgemein"
machten wir zunächst auch. So drückten wir mit Aktionen
gegen den Paragraphen 218 und Gewalt gegen Frauen (z.B. Sexshops,
Frauenhändler) unsere Verbundenheit mit den Aktionen und Diskussionen
der Frauenbewegung aus. Innerhalb der Kampagne gegen die Preiserhöhungen
im städtischen Nahverkehr verteilten wir z.B. gefälschte
Fahrkarten mit den Gemischten.
Mit dieser Aufspaltung waren wir keineswegs zufrieden, ging sie
doch geradezu durch uns selbst hindurch: Bei der Beschränkung
auf "frauenspezifische" Themen grenzten wir einen Teil
unserer Identität aus, den wir noch nicht so recht als durchaus
auch "frauenspezifisch" begreifen konnten. Bei den sog
."allgemeinen" Themen verschwanden wir mit unserer Frauenidentität
hinter den Männern bzw. einer patriarchal eingebetteten politischen
Ausrichtung.
Wir waren auf der Suche nach Ansatzpunkten, in denen wir eine allumfassende
feministische Sichtweise entwickeln konnten. So formulierten wir:
"Gewalt gegen Frauen nicht als Ausnahme, sondern als durchgängiges
HERRschaftsprinzip zu begreifen, hat zu der Erkenntnis geführt,
daß der Kampf gegen persönlich erfahrene sexistische
Gewalt nicht zu trennen ist vom Kampf gegen jede Gewalt des Systems."
("Jedes Herz eine Zeitbombe"' Revolutionärer Zorn
Nr.6, Jan.1981)
Nicht gemischt, sondern als Frauengruppe gegen "allgemeine"
Unterdrückung zu kämpfen, sollte eine Lösung sein:
"Frauenkampf ist umfassend und beeinhaltet jeden Kampf gegen
jede Form der Unterdrückung, Ausbeutung, Zerstörung und
Menschenverachtung." (Rote Zora- Aktion gegen Kaußen-
Anwalt Wagner zur Unterstützung des Häuserkampfes, 1980)
Auch mit dieser Sichtweise hielten wir indirekt die Trennung zwischen
"frauenspezifisch" und "allgemein" aufrecht.
Zwar blitzten Vorstellungen davon auf, wie unser Frauenkampf aussehen
könnte, z.B. bei der Aktion gegen Siemens im Zusammenhang mit
der Einführung neuer Technologien, die verschärfte Ausbeutung
und Kontrolle gegen Frauen hier und in den Drei Kontinenten [4]
bedeuteten; oder bei den Angriffen auf die Frauenhändler,
deren Sexismus im direkten Zusammenhang mit imperialistischer Zerstörung
und Vertreibung steht.
Konkret sahen wir uns weiterhin einer "Doppelbelastung"
ausgesetzt: Die Auseinandersetzung um "allgemeine" politische
Themen wie z.B. Häuserkampf, Knastkampf, Friedensbewegung,
imperialistische Interventionen usw. führten wir letztendlich
weiter vor dem Hintergrund eines patriarchalen Selbstverständnisses.
So lange wir nicht in der Lage waren, in diesen Kämpfen auch
Ansätze von Frauenbefreiung zu sehen bzw. sie direkt in antipatriarchale
Kämpfe zu wenden, mußten wir uns ständig entscheiden,
ob wir zugunsten einer aktuellen Beteiligung an diesen Kämpfen
die Verfolgung unserer Fraueninteressen und die Entwicklung eines
feministischen Widerstands hintanstellen sollten. Diese Überlegungen
trugen zur späteren Trennung von den RZ bei.
Als selbständige Frauengruppe in den RZ lebten wir von Anfang
an mit dem Widerspruch, daß wir im öffentlichen Rahmen
die politische Autonomie von Frauen für unverzichtbar hielten,
uns innerhalb unserer klandestinen Organisierung aber mit Männern
arrangierten - zwar als selbständige Gruppe, aber mit der Verbindlichkeit
einer gemeinsamen Organisation.
Dafür gab es verschiedene Hintergründe: Wir konnten in
diesem Zusammenhang auf bereits entwickelte Strukturen und Erfahrungen
zurückgreifen; wir trauten uns keine eigene tragfähige
Struktur zu, da wir so wenige militante Feministinnen waren. Außerdem
waren die militanten Kräfte (Ende der 70er/Anfang der 80er
Jahre) innerhalb der Linken insgesamt so gering, daß wir meinten,
Frauen und Männer müßten sich gegenseitig stärken.
Wir waren eng verbunden mit einer linken Geschichte und den entsprechenden
Denkstrukturen und Handlungsmustern. In den Anfängen unserer
militanten Frauenorganisierung gelang es uns noch sehr wenig, uns
von diesen zu lösen und unsere Befreiungsvorstellungen und
-wege auf feministisch- revolutionäre Füße zu stellen.
Dafür gab und gibt es bis heute kein umfassendes Konzept. An
diesem mitzustricken, haben wir uns seitdem vorgenommen.
Einige von uns hatten zudem die Illusion, daß in der existentiellen
Verbundenheit des gemeinsamen Kampfes die Geschlechtergegensätze
nicht so krass seien, die Radikalität "unserer" Genossen
sich auch in einer radikalen Infragestellung ihrer patriarchalen
Identität ausdrücken müsse/könne; daß
die Männer ihre Chance zur Erweiterung ihres Horizontes und
Handlungsrahmens erkennen würden, indem sie sich an unserem
feministischen Kampf orientierten. Diese Illusion wurde mit Sicherheit
durch die heterosexuelle Orientierung der meisten Roten Zoras genährt.
Die zermürbenden, nie enden wollenden Streitereien, in denen
wir begreiflich zu machen und durchzusetzen versuchten, daß
Frauenkampf kein Teilbereichskampf sein kann, sondern daß
die Befreiung vom Patriarchat grundlegend für jede Befreiung
ist, und das Hinzukommen neuer FrauenLesben, die sich ganz bewußt
in Frauenzusammenhängen organisieren wollten und nicht einsahen,
warum wir irgendwelche Energien in Diskussionen mit Männern
steckten, führten endgültig zur organisatorischen Trennung.
Erst in der Trennungsphase begriffen wir, daß nicht nur "unsere"
patriarchal denkenden und handelnden Männer in ihrer Unfähigkeit
und Borniertheit eine fruchtbare Zusammenarbeit verhinderten, sondern
daß autonome FrauenLesbenorganisierung für uns hier und
heute - auch im militanten Kampf - eine grundsätzliche politische
Notwendigkeit ist. Gemeinsame Organisierung mit Männern bindet
nicht nur unsere Energien in der ständigen Auseinandersetzung
um die Behauptung von FrauenLesbenpositionen, sondern sie bindet
uns auch in von Männern gesetzte Diskussionsprozesse ein, bringt
uns immer wieder auf das Gleis der Orientierung an männlichen
Normen, die wir selbst oft tief verinnerlicht haben. Sie blockiert
uns damit in unserem Denken und unserer Entwicklung und steht der
Herausbildung einer revolutionär- ferninistischen Perspektive
ständig im Wege.
Mit dieser klaren politischen und organisatorischen Trennung der
Roten Zora von den RZ brachen wir mit der sonst von uns Frauen -
um den Preis unserer Selbstverleugnung - wie selbstverständlich
erwarteten Solidarität. Damit verweigerten wir uns der Vereinnahmung,
die in der Behauptung liegt, Feminismus sei in ein linkes Konzept
einzuordnen, was immer darauf hinausläuft, Frauenkampf einer
"umfassenderen linken Zielsetzung" unterzuordnen. Mit
dieser völlig veränderten Voraussetzung und politischen
Klarheit, die erstmal nicht von gemeinsamen Zielsetzungen ausgeht,
sind punktuelle Bündnisse oder solidarische Verhältnisse
mit Männern oder gemischten Gruppen nicht ausgeschlossen, werden
so aber von uns bestimmt.
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