Solidarität ist die Militanz der Stunde
Axel arbeitete von Anfang an im Initiativkreis gegen den
Schlußstrich mit. Er wurde am 19. Dezember 1999 aufgrund des Vorwurfs
der Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen (RZ) verhaftet. Wer
waren und was wollten diese RZ? Was veranlaßte die Bundesanwaltschaft
noch Jahre nach der letzten Aktion der RZ 1995 zu mehreren Festnahmen im
Winter '99 sowie einer groß angelegten Durchsuchungsaktion im
Mehringhof und mehreren Privatwohnungen?
Die Revolutionären Zellen waren eine bundesweite Organisation, die
1973 begonnen hatte, soziale Bewegungen in Deutschland sowie im sogenannten
Trikont mit illegalen und militanten Aktionen zu unterstützen. Einer
der ersten Anschläge richtete sich beispielsweise gegen den US-Konzern
ITT, der den rechten Putsch in Chile unterstützte. Zur Erinnerung: Die
sozialistische Regierung unter Salvador Allende wurde durch einen
Militärputsch gestürzt und Pinochets Schergen ermordeten
innerhalb von 6 Monaten mehr als 30.000 ChilenInnen.
Außer solchen internationalistisch ausgerichteten Aktionen
führten die RZ auch solche durch, die sich auf den Alltag in der BRD
bezogen: z. B. gegen Fahrpreiserhöhungen (verteilen von
gefälschten Fahrscheinen) oder Anschläge auf Gebäude der
Industrie- und Handelskammer, der Ausländerbehörde und des
Bundesverbandes der deutschen Industrie.
Ein wichtiger Bestandteil der militanten Politik der RZ war auch der von
ihnen selbst als antizionistisch bezeichnete Kampf gegen Israel und die
Solidarität mit Teilen der palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO).
Die RZ selbst fassten ihre Themenfelder in drei Bereichen zusammen:
Antizionismus, Antiimperialis-mus und die Unterstützung der
Kämpfe von ArbeiterInnen, Jugendlichen und Frauen. 1977 bildete sich
innerhalb der RZ die Frauenorganisation Rote Zora, die sich 1984
endgültig von den RZ trennte.
Das Konzept der RZ war es, militante und bewaffnete Widerstandsformen in
den Teilbereichsbewegungen der Linken als Bestandteil deren
Widerstandskultur zu verankern und zu verbreitern. Ende der 70er Jahre
legten sie ihren Schwerpunkt auf die sozialen Bewegungen in der BRD
(Anti-AKW-, Friedens-, Frauen- und Klassen-Bewegung, Häuserkampf und
Kampf gegen die Startbahn West am Frankfurter Flughafen).
Aktionen mit internationalistischem Bezug blieben aber immer Teil ihrer
Politik.
Die Idee hinter dem Konzept der RZ/ Rote Zora war es, möglichst
viele Zellen (Gruppen) zu organisieren und zu vernetzen, die
eigenverantwortlich handeln sollten. Mit dem Ziel der Nachahmung und
bestenfalls Vermassung der Aktionsformen, wurde die Herstellung der
angewandten Mittel (Brand- und Sprengsätze, Säure etc.) in
veröffentlichten Anleitungen erläutert. Außerdem wurden in
zum Teil ausführlichen Erklärungen die (Hinter-) Gründe der
Aktionen verbreitet und politische Entscheidungsträger an die
Öffentlichkeit gezerrt. Rückblickend kann gesagt werden,
daß es zwar nicht zu einer Vermassung im Sinne des Wortes kam,
daß aber z. B. der Einsatz von militanten Mitteln sich innerhalb der
Linken in den 80ern verbreiterte.
Die RZ/ Rote Zora beschränkten sich jedoch nicht nur auf die
Unterstützung und Flankierung von bereits in der Linken verankerten
Themen und Kämpfen. Sie wollten auch bis dahin in der Linken
vernachlässigte Themen, zusammen mit anderen Gruppen, an die
Öffentlichkeit bringen und Anstöße geben. So beteiligten
sie sich Mitte der 80er Jahre mit ihren Mitteln an den Kampagnen gegen die
Gen- und Reproduktionstechnologien, sowie gegen die rassistische staatliche
Flüchtlingspolitik.
Einige RZ-Gruppen arbeiteten in den 70er Jahren im Rahmen der
Palästina-Solidarität mit linken palästinensischen Gruppen
zusammen. So überfiel ein gemeinsames Kommando Ende 1975 die
OPEC-Konferenz in Wien und nahm elf Ölminister als Geiseln, um
materielle und ideologische Unterstützung für die
palästinensische Befreiungsbewegung zu erreichen. Ein Desaster war die
Entführung eines französischen Flugzeugs aus Tel Aviv im Juni
1976 nach Entebbe mit dem Ziel, Gefangene hauptsächlich aus deutschen
und israelischen Gefängnissen freizupressen. Das vierköpfige
Kommando ließ alle, außer den jüdischen Fluggästen,
frei. Eine Spezialeinheit beendete schließlich die Entführung,
stürmte die Maschine und erschoss alle EntführerInnen.
Spätestens diese Aktion führte zu einer Spaltung/Fraktionierung
innerhalb der RZ. Es bildete sich ein sozial-revolutionärer
Flügel heraus, der seinen Schwerpunkt auf die Vermittelbarkeit von
Aktionen legte und ein internationalistisch/ antiimperialistisch
orientierter Flügel.
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