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Gegen den Schlussstrich

Kurze Chronologie der Holocaust Mahnmal - Diskussion

1989

Die Initiative für ein "zentrales" deutsches Mahnmal in Berlin zur Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden geht auf das Jahr 1989 zurück. Die Idee ist Lea Rosh und Eberhard Jäckel, MitgründerInnen des Förderkreises für die Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, bei einem Besuch der israelischen Holocaust- Gedenkstätte "Yad Vashem" in Jerusalem gekommen.

1992

Im Frühjahr 1992 erklärte der Bund seine Bereitschaft, gemeinsam mit dem Land Berlin die Trägerschaft für das Mahnmal zu übernehmen, woraufhin im November desselben Jahres der Ort festgelegt wurde: Das Mahnmal soll südlich des Brandenburger Tores auf dem Gelände des ehemaligen "Führerbunkers" in direkter Nähe zur ehemaligen Reichskanzlei und zum Reichssicherheitshauptamt, von denen aus der Mord an den Juden und Jüdinnen konzipiert und dirigiert wurde, errichtet werden.

1994

Der Wettbewerb wurde erstmals 1994 öffentlich ausgeschrieben, 528 Entwürfe wurden eingereicht. Die Jury vergab zunächst zwei erste Preise. Der letztlich favorisierte Entwurf stellte eine 100 mal 100 Meter große, leicht geneigte Betonplatte dar, in die die Namen der ermordeten Juden und Jüdinnen eingemeißelt werden sollten. Den Vorschlag des Förderkreises, für die eingemeißelten Namen Spenden zu sammeln, nannte Ignatz Bubis einen "Ablaßhandel". Nachdem der damalige Bundeskanzler Kohl sein Veto gegen den Entwurf eingelegt hatte, wurde dieser wieder fallengelassen. Parallel zur versuchten Entscheidungsfindung fand eine Debatte über die Opfergruppen, derer gedacht werden soll, statt. Der Zentralrat der Sinti und Roma forderte die Einbeziehung der von ihm vertretenen Opfergruppen, was der Förderkreis aufgrund der "Einzigartigkeit der Judenverfolgung" ablehnte. Daraufhin einigte man sich auf ein eigenes nationales Roma und Sinti - Mahnmal, das seitdem immer wieder erfolglos eingefordert wurde.

1995/96

Die 1995/96 in den Medien geführte Debatte drehte sich um die Frage, ob und inwiefern schon bestehende Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager die Greuel des Holocaust nicht viel direkter vermitteln könnten, als das geplante, abstrakte Mahnmal. Dabei wurde auf deren zum Teil katastrophale finanzielle Lage hingewiesen.

1997

Schließlich wurden 1997 - nach drei internationalen Kolloquien und zwei weiteren Wettbewerben - vier Siegerentwürfe präsentiert. An den Kolloquien nahmen zwar einige wenige Überlebende des Holocaust teil, hatten aber weder hier noch bei den Wettbewerben ein institutionalisiertes Mitspracherecht. Aus den vier Siegerentwürfen kristallisierte sich schließlich der des Architekten Eisenman und des Bildhauers Serra heraus. Der Entwurf sah ursprünglich ein riesiges begehbares Labyrinth von 4000 bis zu 7.50 Meter hohen Betonstelen vor, die an Grabsteine erinnern und beim Betreten das Gefühl der Enge und Ausweglosigkeit hervorrufen sollen.

Nachdem Ex-Bundeskanzler Kohl Eisenman dazu gebracht hatte, den Entwurf auf 2700 nur noch halb so hohe Stelen zu verkleinern, stieg Eisenmans Kollege Serra aus dem Projekt aus. Später warf Serra der deutschen Öffentlichkeit vor, "daß sie das Denkmal sowieso nur aus Gründen der political correctness wolle" (FR 18.11.1998).

Plakatwand

1998

... Frühjahr

Der Regierende Bürgermeister Diepgen äußerte Zweifel an dem Eisenman-Entwurf, da im Zentrum der Hauptstadt keine "Mahnmalsmeile" entstehen dürfe, die Berlin zu einer "Hauptstadt der Reue" werden ließe.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama, forderte eine Denkpause vor einer endgültigen Entscheidung über das Mahnmal. Ein Konzept, das nicht überzeuge, wäre eine Katastrophe.

... Sommer

Eisenman stellt einen neuen, modifizierten Entwurf vor. Das Entwurfsmodell wurde in das Deutsche Historische Museum nach Berlin gebracht, wo es keiner, nicht einmal der Generaldirektor des Museums, betrachten durfte.

Der von der SPD für das Amt des Staatsministers für Kultur vorgesehene Verleger Michael Naumann kritisierte die Idee eines Mahnmals grundsätzlich. Naumann sprach von "Albert-Speerhafter Monumentalität" und glaubte, ein "elegantes, ästhetisch befriedigendes Denkmal" könne angesichts der Verbrechen, für die es stehe, den Vorwurf der "Schamlosigkeit" provozieren. Auch hielt er die vorhandenen KZ-Gedenkstätten für authentischere Orte des Gedenkens. Bubis widersprach Naumann scharf.

Der Berliner Senat wollte sich am 18. August mit den Modellen für das Mahnmal befassen. In einem vertraulichem Gespräch einigten sich Kohl und Diepgen zuvor auf eine Verschiebung der Entscheidung bis nach der Bundestagswahl.

Unterdessen wurde der Entwurf des Mahnmals weiter öffentlich kritisiert. So sprach sich u.a. der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel gegen ein Mahnmal und für ein Lernzentrum aus.

... Herbst

Während bis zu den Wahlen eine prinzipielle Zustimmung zur Idee eines Mahnmals die Diskussion bestimmte, begann spätestens mit der rot-grünen Regierung, eine "differenzierte" Ablehnung und Relativierung deutlich zu werden. Begleitet wurde die Debatte von dem rechtskonservativen Schriftsteller Walser und dem Spiegelherausgeber Rudolf Augstein, die sich zum Teil mit antisemitischen Argumenten gegen ein "Schandmal" bzw. "steinernes Brandmal" in Berlin aussprachen.

Nachdem Naumann für seinen Vorschlag, das Mahnmal durch einen Park für eine Niederlassung der von Steven Spielberg gegründeten "Shoah-Foundation" zu nutzen, Kritik geerntet hatte, setzte er sich in dem vom Bundestag eingesetzten Ausschuß für Kultur und Medien für eine Erweiterung des Denkmals um erzieherische Elemente ein.

1999

... Jahreswechsel

Nauman entwickelte mit dem Architekten Eisenman ein Konzept, welches über das Denkmal hinaus ein Museum, eine Forschungsstätte und eine Bibliothek enthalten sollte.

Der Bundestagsausschuß beschloß eine baldige Anhörung durch das Parlament und eine schnelle Entscheidung über die Grundsatzfrage: Mahnmal oder ein um erzieherische Elemente erweitertes Mahnmal?

Durch alle Reihen herrschte Einigkeit darüber, zügig zu einer Entscheidung zu kommen. Es sollte kein neuer Wettbewerb erfolgen (der alte wurde offiziell nicht abgeschlossen). Insgeheim wurde der überarbeitete Entwurf von Eisenman (Eisenman 3) von vornherein als Siegerentwurf favorisiert.

... Frühjahr

Im März beschloß der Berliner Senat, den Wettbewerb auszusetzen.

Ein Vorschlag des SPD-Politikers Richard Schröder, ein einfaches Mahnmal mit der auf hebräisch verfassten Inschrift "Du sollst nicht morden" zu errichten, wurde heftig diskutiert.

Kulturstaatsminister Naumann legte in Berlin einen Plan vor, nach dem die ursprünglich geplante große Bibliothek wegfallen und das "Haus der Erinnerung" verkleinert werden sollte.

Im Rahmen einer Anhörung zum Holocaust- Mahnmal wurde von Vertretern und Vertreterinnen bereits vorhandener Erinnerungsstätten auf die große Gefahr hingewiesen, daß diese finanziell ausgetrocknet und in ihrer Wirkung marginalisiert werden könnten. Schon zu dieser Zeit lehnte die Lottostiftung alle Anträge der Gedenkstätten im Hinblick auf die Kosten für das Jüdische Museum und das erwartete Großprojekt Holocaust- Mahnmal ab. Somit wurde ein Verteilungskampf um die öffentlichen Mittel unvermeidlich.

Außerdem wurde bekannt, daß ein Teil der vermutlichen Baukosten in Höhe von 180 Millionen DM aus dem Entschädigungsfonds abgezweigt werden sollte.

... Sommer

Nachdem im Kultur- und Medienausschuß nach langwieriger Debatte eine Beschlussvorlage für die Bundestagsentscheidung am 25. Juni verabschiedet wurde, mobilisierte Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen noch einmal alle Kräfte, um das Holocaust-Mahnmal zu verhindern. Für den Fall einer Entscheidung des Bundestages zugunsten 'Eisenman 3' kündigte er Widerstand an. Diepgen betonte, daß eine Umsetzung nicht ohne Berlin zu machen sei. Die Vorsitzende des Förderkreises, Lea Rosh, drängte unterdessen auf einen Konsens: "Es geht nicht mehr um das Mahnmal, sondern nur noch um Gesichtswahrung".

Am 25. Juni beschloß der Bundestag mit großer Mehrheit die Errichtung eines Holocaust- Mahnmals in Berlin. Die Abgeordneten stimmten für die Realisierung des Eisenman-Entwurfes, ergänzt durch einen "Ort der Information". Baubeginn für das Mahnmal sollte der 27. Januar 2000 sein.

Austellung

2000

21. Januar

Der Regierende Bürgermeister Diepgen beschloß bei einer Parlamentssitzung, nicht an dem Festakt auf dem zukünftigen Gelände des Holocaust- Mahnmals teilzunehmen.

27. Januar

Im Bundestag wurde mit einer Gedenkstunde an die Opfer des Holocaust erinnert. Die Gedenkrede hielt Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Auf dem Gelände des Holocaust- Mahnmals wurden Informationstafeln enthüllt, die den symbolischen Auftakt des Baubeginnes darstellen sollten. Die gesamte Berliner CDU-Spitze war nicht anwesend.

12. Mai

Der "Ort der Information", der das Holocaust-Mahnmal ergänzen wird, soll möglicherweise unterirdisch gebaut werden. Der Architekt Eisenman wurde gebeten, bis Anfang Juli eine architektonische und technische Expertise für eine derartige Lösung vorzulegen.

19. Mai

Die Bundesregierung entschied, ein Mahnmal für die 500 000 von den Nazis ermordeten Sinti und Roma im Zentrum der Stadt zu errichten. Kulturstaatsminister Naumann hatte dem Zentralrat der Sinti und Roma bei einem Treffen die Entscheidung zugesichert. Der Senat und vor allem der Regierende Bürgermeister Diepgen lehnen ein weiteres Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus in der Mitte Berlins jedoch ab. Vor sechs Jahren hatten zwei Senatoren dies zugesagt, der Senat bestreitet dies jedoch seit Jahren.

Der Bundestag hatte, als er den Bau des Holocaust- Mahnmals für die ermordeten Juden und Jüdinnen Europas im Juni 1999 beschloß, zugleich festgelegt, daß auch der anderen Opfergruppen, der Sinti und Roma, der Homosexuellen und der Euthanasie-Opfer, angemessen zu gedenken sei.

6. Juni

Der Bezirk Tiergarten erklärt sich bereit, ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, auf dem ein Mahnmal für die 500.000 ermordeten Sinti und Roma errichtet werden kann. Es soll am Simsonweg liegen, knapp 200 Meter vom Südportal des Reichstages entfernt. An dieser Stelle veranstaltet der Zentralrat der Sinti und Roma bereits seit mehreren Jahren Feierstunden, um der ermordeten Opfer zu gedenken.

28. Juli

Das Mahnmal für die Holocaust-Opfer der Sinti und Roma kann gebaut werden. Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen hat seinen Widerstand gegen das Denkmal südlich des Reichstages aufgegeben. Stadtentwicklungssenator Strieder hat schon ein Modell für die Gestaltung des Denkmals bei dem Pariser Künstler Dani Karavan in Auftrag gegeben.

Diepgen macht trotz seiner Zusage keinen Hehl daraus, dass er das Mahnmal noch immer lieber nach Marzahn ausgesondert sähe. In Marzahn hatten die Nazis 1936 Sinti und Roma eingepfercht, um die Olympia-Stadt "zigeunerfrei" zu halten. Sie kamen alle in Auschwitz zu Tode.

14. August

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, unterstützt die Forderung nach einem Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Homosexuellen.

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