Datum:
23.12.1999
|
AutorIn:
PDS- Fraktion im Thüringer Landtag, Innenpolitischer
Sprecher
|
Anschrift: Arnstädterstr. 51 99096 Erfurt
|
Solidaritätserklärung
Am 19.12.1999 wurde in Berlin mit einem Großaufgebot von GSG 9,
Polizei und BKA und anderen Spezialeinheiten im Auftrag der
Generalbundesanwaltschaft das alternative Projekt Mehringhof durchsucht.
Gesucht wurde nach Sprengstoff und Waffen, gefunden wurde aber nichts.
Zeitgleich wurden zwei Mitarbeiter des Mehringhofes und eine weitere
Frau in Frankfurt am Main in ihren Wohnungen unter dem Vorwurf der
Mitgliedschaft in den sogenannten Revolutionären Zellen bzw. der Roten
Zora verhaftet.
Bei verschiedensten Projekten, die sich im Kulturzentrum Mehringhof
befinden, entstand im Rahmen der Durchsuchung ein Sachschaden von mehr als
100 000 DM, BesucherInnen eines dort stattfindenden Festes wurden massiv
von Polizeikräften eingeschüchtert und gegen grundlegende
persönliche Rechte der anwesenden Personen verstoßen. Wir
betrachten den Mehringhof als einen Ort vielfältiger oppositioneller
Strukturen in Berlin, dessen Bedeutung auch für ein breites Spektrum
linker Gruppierungen bundesweit nicht zu unterschätzen ist. Wir
verstehen diese polizeiliche Großaktion auch als einen
Einschüchterungsversuch gegenüber einer unbequemen linken
Opposition in der Logik einer neuen Hauptstadt und erklären unsere
Solidarität mit dem Kulturzentrum.
Nach erster Akteneinsicht kann angenommen werden, dass die
Anschuldigungen gegen Harald G. auf Anschuldigungen einer Person aus Berlin
zurückgehen. Hier ist anzunehmen, dass es sich um Aussagen in
Zusammenhang mit der sogenannten Kronzeugenregelung handelt. Sollte diese
Annahme zutreffen, so wurde hier auf eine rechtspolitisch, sowohl
strafrechtlich wie auch verfassungsrechtlich höchst bedenkliche
Regelung zurückgegriffen. Diese Regelung ist mit einem Rechtsstaat
nicht zu vereinbaren, sie degradiert richterliche Aufgaben zu einem
Geschäft mit einem durch ein Strafverfahren enorm unter Druck
stehenden Belastungszeugen. Hierbei ist grundsätzlich der Beweiswert
der so erhaltenen Aussagen in Relation zu den entsprechenden offerierten
Vergünstigungen zu setzen.
Es ist zu befürchtwen, dass mit der Verhaftung von Harald G.
bedeutende Teile antirassistischer Arbeit wie zum Beispiel die der
"Forschungsgesellschaft Flucht und Migration" und des
Flüchtlingsrates Brandenburg verunmöglicht wird. Harald G. hat in
den vergangenen 5 Jahren an unzähligen Publikationen zur Festung
Europa und deren Auswirkungen auf die Flüchtlingssituation in Europa
und an den Grenzen gearbeitet. Ebenso hat er mit der Beobachtung der
Prozesse gegen TaxifahrerInnen im Grenzgebiet und des Prozesses gegen
Noenazis in Guben, die einen algerischen Flüchtling in den Tod gehetzt
hatten, unersetzliche Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Auch wir haben
in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Recherche- und
Öffentlichkeitsarbeit der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration
zurückgegriffen. Wir befürchten nun, dass hier antirassistische
Arbeit grundsätzlich kriminalisiert wird.
Wir fordern die ersatzlose Abschaffung der im Rahmen der
Anti-Terror-Gesetzgebung Ende der Siebziger Jahre eingeführten
Sonderstraftatbestände und Sonderregelungen, bspw. der
Kronzeugenregelung, und die sofortige Freilassung der auf dieser Grundlage
Inhaftierten.
Steffen Dittes Barbara Schäuble MdL Mitarbeiterin der Fraktion
|