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Prozess gegen ROTE ZORA

Am 11.04.2007 beginnt in Berlin der Prozess gegen Adrienne G., die vor 20 Jahren Mitglied der feministisch-militanten Organisation Rote Zora war.

Adrienne wird beschuldigt, 2 Wecker gekauft zu haben, die von der Roten Zora als Zündzeitverzögerer in 2 Sprengsätzen benutzt wurden. Sie soll im Oktober 1986 an einem Anschlag auf das Berliner Gentechnologie-Zentrum und im Juni 1987 an einem Anschlag auf das Verwaltungsgebäude des deutschen Textilmultis ADLER in Haibach bei Aschaffenburg beteiligt gewesen sein.

Seit einer großangelegten bundesweiten Hausdurchsuchung am 18. Dezember 1987 gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützerinnen der Roten Zora sowie der Revolutionären Zellen war Adrienne zusammen mit Thomas K. untergetaucht. Letzterer wird der Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen beschuldigt. Nach 19 Jahren des Exils hatten beide entschieden, wieder nach Deutschland zurückzukommen. Für sie war der Zeitpunkt gekommen, wieder am sozialen und politischen Leben in der BRD teilzunehmen.

Wir wollen im Folgenden die Ereignisse von damals kurz nachzeichnen, weil sie mehr oder weniger in Vergessenheit geraten sind.

Die beiden Anschläge waren auf zwei langjährige Schwerpunkte feministischer Inhalte bezogen:

1. die Gen- und Reproduktionstechnologien - mit der Humangenetik in den industriellen Zentren und der sog. Bevölkerungspolitik in den Ländern der 3 Kontinente - in Weiterentwicklung der NS-Auslese- und Ausmerze-Eugenik auf der einen, und der sog. grünen Gentechnologie/Biogenetik auf der anderen Seite. Gegen diese Technologien hatte sich breiter, weltweiter Widerstand entwickelt, in der BRD überwiegend von damaligen "Krüppel-" und Frauengruppen getragen. Es entstand eine öffentliche grundsätzliche Ablehnung. Diese gesellschaftlich spürbare Ablehnung trug zusammen mit vielfältigen, oft bundesweit vernetzten Aktionen von FrauenLesbengruppen sowie einer ganzen Reihe von Aktionen der Roten Zora dazu bei, dass die Interessen der Betreiber damals erheblich behindert und in der Durchsetzung jedenfalls verzögert werden konnten.

Der Sprengstoffanschlag der Roten Zora auf das Berliner Genzentrum vom 17.10.1986, das als viertes und letztes bundesdeutsches Biogenetikzentrum zur Grundlagenforschung in Pflanzentechnologie kurz vor seiner Einweihung stand, verstand sich im Zusammenhang mit dem vielfältigem (nicht nur, aber oft von Frauen getragenen) Widerstand in den Ländern der sog. 3.Welt gegen die Zerstörung ihrer Produktionsweisen, gegen die Enteignung ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und ihres Landes durch Agrarmultis und neuerdings Biogenetikfirmen. Deren Interessen hätten "noch nie zur Abschaffung von Hunger und Elend in der Welt beigetragen, sondern diese Probleme gerade erst verursacht. Ihre angebliche Lösung mithilfe der Biotechnologie soll nun den Verursachern wiederum Nutzen und Profit bringen...Gentechnologie ist eine Herrschaftstechnologie an und für sich. Alle ihre Facetten tragen Herrschaft bzw. Unterdrückung in sich, denn dazu werden sie überhaupt entwickelt", schrieb die Rote Zora in ihrer Erklärung zu diesem Anschlag, den sie als "Ausdruck unserer radikalen Ablehnung" der Gentechnologie verstanden wissen wollte. Zora meinte, "dass die Gentechnologie in ihrer Gesamtheit bekämpft werden muss" - eine damals von sehr vielen Frauen international geteilte Haltung.

2. die internationale Frauensolidarität gegen die Gewalt und Ausbeutung von Frauen in Ländern der 3 Kontinente (der sog. 3.Welt) durch die in den Metropolen ansässigen multinationalen Konzerne und die Bezugnahme auf deren Widerstand und sozialen Bewegungen.

Eine der damals zahlreichen Widerstands- und Streikaktionen von Frauen und Männern gegen ihre Ausbeutung durch multinationale Konzerne in den boomenden sog. freien Produktionszonen Asiens war 1986 der Streik von Textilarbeiterinnen gegen den deutschen Textilmulti ADLER, der die Herstellung von Billigkleidung für deutsche Konsument/inn/en zu seiner Tochterfirma Flair Fashion in Südkorea und nach Sri Lanka ausgelagert hatte. Durch die Medien hierzulande wurde zunächst nichts darüber berichtet, während ein militanter Dauerstreik von Autoarbeitern in Südkorea immer wieder die Spalten der Zeitungen füllte. Die deutsche Leitung bei Flair Fashion ("Fürchtegott Adler" hieß der Chef so treffend) hatte gegen die streikenden 1600 Textilarbeiterinnen in Südkoreas Freihandelszone IRI Militärpolizei und private Schlägertrupps einsetzen lassen, die den Aufstand brutal niederschlugen, und mit der Auslagerung ihrer Produktion in ein anderes Billiglohnland gedroht. 69 Arbeiterinnen waren verhaftet und 13 Wortführerinnen von "Fürchtegott" fristlos entlassen worden.

Mit ihrer Wiederaufnahme des Streiks im April 87 forderten die Arbeiterinnen neben erheblich höheren Löhnen, Überstundenbezahlung, weniger Akkordhetze, Stop von Schikanen und sexistischen Erpressungen durch deutsche Vorgesetzte, die Freilassung aller Festgenommen und die Wiedereinstellung aller Entlassenen. Und sie riefen dazu auf, ihren Streik in Deutschland zu unterstützen. So begannen in der BRD zahlreiche Menschen und Gruppen, in Veranstaltungen und mit Kundgebungen vor ADLER-Märkten gegen die Ausbeutung der Textilarbeiterinnen in Südkorea zu protestieren. Im Juni 1987 legte die Rote Zora bei der Hauptverwaltung von Adler in Haibach bei Aschaffenburg eine Bombe ab, um durch die Zerstörung eines Teils des ADLER-Verwaltungsapparats den Forderungen der Streikenden Nachdruck zu verleihen. Die Bombe detonierte jedoch nicht. Dennoch gelang schon durch die Veröffentlichung des Anschlags und die anhaltenden öffentlichen Protestaktionen, der Konzernleitung wegen ihres üblen und sexistischen Ausbeuterverhaltens gegenüber ihren koreanischen Arbeiterinnen einen empfindlichen Imageschaden zuzufügen.

2 Monate später folgte eine Serie von Brandanschlägen der Zoras gegen ADLER: In neun ihrer Discount-Verkaufsmärkte (Hamburg, Bremen, Oldenburg, Hannover-Isernhagen, Kassel, Dortmund-Holzwickede, Neuss, Aachen und Frankfurt/Main) begann es zu später Stunde fast zeitgleich zu brennen und zu qualmen. Da die Verkaufsmärkte zu dieser Zeit geschlossen waren, kam niemand zu Schaden. Jedoch entstand neben dem ideellen auch ein enorm hoher (-zig Millionen DM) Sachschaden nicht nur durch Feuer und Rauch, sondern mehr durch die Sprinkleranlagen, so dass viele Märkte lange geschlossen blieben und später ihre Textilien zu Schnäppchenpreisen an die Kund/inn/en verhökert werden mussten.

Nach diesen Anschlägen auf ihre Filialen in Deutschland, die im September 87 mit einem weiteren Brandanschlag auf ADLER durch Berliner "Amazonen" ergänzt wurden, gab die Konzernleitung endlich nach: Die Entlassenen wurden wieder eingestellt und die Löhne erhöht. Der Preis: sie wurden von der Konzernleitung gezwungen, in einem Offenen Brief sich von den militanten Aktionen in Deutschland zu distanzieren.

Dennoch: in den linksautonomen und Frauen-Lesben-Zusammenhängen wurden die Anschläge der Zoras gegen ADLER 1987 als Beispiel einer gelungenen internationalen(Frauen-) Solidarität gefeiert - von NGO's jedoch auch vehement abgelehnt.

Wer war die Rote Zora?

Ohne die zu Beginn der 70er Jahre erstarkenden autonomen und feministischen Widerstandsbewegungen ist auch die Entstehung der Roten Zora nicht vorstellbar. Von ihrer ersten (1975, Sprengstoffanschlag der "Frauen der Revolutionären Zelle" auf das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem breiten Frauenkampf zur Abschaffung des §218) bis zu ihrer letzten Aktion (1995, Sprengstoffanschlag auf die Lürssen-Werft in Solidarität mit dem kurdischen Frauenwiderstand gegen die Repression des türkischen Staates) verstand sie sich immer als militanter Teil der links-autonomen FrauenLesbenbewegung.

So müssen die Aussagen der Zora, die wir im Folgenden zitieren, auf dem Hintergrund der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse und politischer Auseinandersetzungen und Selbstverständnisse gesehen werden.

Die Rote Zora hielt den militanten Widerstand, der nicht an den gesetzlichen Grenzen der "bürgerlichen UNRechtsordnung" halt macht, sondern die Gesetze bewusst übertritt, für unverzichtbar zur Durchsetzung der Ziele der FrauenLesbenbewegungen. Diese verstanden sich nicht als Teilbewegung, sondern wollten die Aufhebung aller gesellschaftlichen Widersprüche erreichen:

"Die Frauenbewegung bezieht sich auf die Totalität patriarchaler Strukturen, auf deren Technologie, deren Arbeitsorganisation, deren Verhältnis zur Natur, und ist damit ein Phänomen, das nicht mit der Beseitigung einzelner Auswüchse verschwindet, sondern erst in dem langen Prozess der sozialen Revolution...eine Frauenbefreiungsbewegung, die die Hoffnung auf Revolution nicht nur zu einem schönen Traum verkommen lässt..." (aus einem Interview mit der Roten Zora in der Frauenzeitschrift "Emma" 1984)

Dazu sei es notwendig, die den Frauen gesellschaftlich auferlegten Fesseln und Rollenmuster zu sprengen und zugleich mit den Legalitätsschranken zu brechen:

"...Der legale Weg ist nicht ausreichend, denn die gewöhnlichen Unterdrückungs- und Gewaltstrukturen sind ja die Legalität: wenn Ehemänner ihre Frauen schlagen und vergewaltigen, dann ist das legal. Wenn Frauenhändler unsere Schwestern aus der »3. Welt« kaufen und an deutsche Biedermänner weiterverkaufen, dann ist das legal. Wenn Frauen für ein Existenzminimum eintönigste Arbeit machen müssen und dabei ihre Gesundheit ruinieren, dann ist das legal. Alles Gewaltverhältnisse, die wir nicht länger bereit sind zu ertragen und hinzunehmen, die nicht allein dadurch abzuschaffen sind, daß wir sie anprangern. Die öffentliche Bewusstmachung des Ausmaßes an Gewalt gegen Frauen ist ein wichtiger Schritt, der aber nicht dazu geführt hat, sie zu verhindern..."

Über die nicht erst im Kapitalismus, sondern bereits allen früheren Klassengesellschaften zugrunde liegende Frauenunterdrückung sagte die Rote Zora,

"dass nämlich Frauenunterdrückung und geschlechtliche Arbeitsteilung Voraussetzung und Grundlage für Ausbeutung und Herrschaft in jeglicher Form sind - gegenüber anderen Rassen, Minderheiten, Alten und Kranken und vor allem gegenüber Aufständischen und Unbezähmbaren...".

Und weil der sog. Friede und vergleichsweise Reichtum hier von der Ausplünderung und Vernichtung der Menschen und Ressourcen in den Ländern der sog. 3.Welt lebt, muss sich der Frauenwiderstand hier auch auf die weltweiten sozialen und Befreiungskämpfe beziehen:

"Es geht nicht, die Unterdrückung von Frauen hier in der BRD zum alleinigen Dreh- und Angelpunkt von Politik zu machen und andere Herrschafts- und Gewaltverhältnisse wie Klassenausbeutung, Rassismus, die Ausrottung ganzer Völker durch den Imperialismus dabei auszublenden...
Unterdrückung wird erst sichtbar durch Widerstand...

So wie Zora betonte, dass die patriarchale Gewalt und Herrschaft nicht nur auf der des einzelnen Mannes gegenüber der einzelnen Frau beruht, sondern sich durch alle gesellschaftlichen Strukturen hindurch zieht - staatlich, institutionell, ökonomisch, sozial, kulturell -, so wichtig war ihr die Betonung, dass der Widerstand von Frauen keine hierarchischen Unterschiede machen dürfe zwischen den Zielen des Gegenangriffs. Es ging nicht um eine Konfrontation mit dem staatlichen Gewaltmonopol: "Ihr habt die Macht - uns gehört die Nacht" war stattdessen ein oft benutzter Slogan autonomer Frauen und Lesben wie auch der Zoras. Entsprechend wichtig blieb es, das "normale" Leben in der Legalität nicht aufzugeben, um sich dem staatlichen Zugriff zu entziehen, sondern "legal" zu leben und "illegal" zu handeln.

Zitate aus Zoras Erklärung zu ADLER

"Seit 1978 lässt der Adler-Konzern einen Großteil seiner Produktion in südostasiatischen freien Produktionszonen unter den miesesten Bedingungen für die dort arbeitenden Frauen und natürlich mit maximalen Gewinnen herstellen. Für die Frauen bei Flair Fashion bedeutet das:

Arbeit bis zu 12 Stunden täglich, 6-Tage-Woche, manchmal auch sonntags, Zwang zu unbezahlten Überstunden, Stundenlohn von 35 bis 80 Pfennigen, was weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 450.-DM liegt, dauernde Zeitmessungen zur optimalen Leistungssteigerung, häufige Arbeitsunfälle ohne finanzielle Absicherung durch die Firma, erniedrigende Leibesvisitationen beim Verlassen der Fabrik.

Diese Lohnsklaverei basiert auf sexistischer und rassistischer Ausbeutung von Frauen: nur sexuelle Beziehungen zu deutschen Vorarbeitern sichern ihnen kleine Verbesserungen. Mit patriarchalem Gestus und nach weißer HERRENrasse-Manier äußert sich der Firmenchef Fürchtegott Adler :

'Ohne die schwarzhaarigen, mandeläugigen Koreanerinnen wäre der steile Aufstieg des ADLER-Unternehmens kaum möglich gewesen', und lobt ihre Lernfähigkeit in deutschem Volksgut, die sie bei den Firmenveranstaltungen zur Schau stellen müssen. In Übereinkunft mit anderen BRD-Konzernen sowie japanischen und US-amerikanischen Unternehmen nutzt Adler das ‚überaus günstige Investitionsklima' und das ‚fantastische Lohnniveau' in Südkorea und anderen Ländern der 3 Kontinente (Afrika, Asien, Lateinamerika), um seine Profite zu sichern...

Obwohl sich auch in den Metropolen die Lebensbedingungen verschärfen, dürfen wir ...auf keinen Fall außer Acht lassen: Unsere Privilegien, wovon der Konsum eines ist, beruhen auf der Ausbeutung, Verwertung und Vernichtung von Menschen in den 3 Kontinenten...

...Selbst dem Sozialhilfeempfänger soll hier vermittelt werden, für ein paar Mark noch bunte modische Ware kaufen zu können, und zusätzlich das Gefühl, noch seinen Platz in der Konsumgesellschaft zu haben...

... ‚Wir sind wütend, dass ein Unternehmen aus einem der reichsten Länder der Welt mit solcher Brutalität auf unsere Forderungen reagiert...', schreiben die streikenden Frauen in einem Flugblatt

Trotz Versammlungs- und Streikverbot haben sie sich in dem ebenfalls verbotenen Gewerkschaftsverband ‚Korea Demokracy Labour Movement' organisiert, kämpfen sie...für die Verwirklichung der fundamentalsten Menschenrechte..."

"...Wir sehen unseren Kampf hier nicht losgelöst von den Verhältnissen, die der Imperialismus in den 3 Kontinenten bewirkt, sondern als konkreten, praktischen Anti-Imperialismus, indem wir versuchen, den reibungslosen Ablauf der Kapitalstrategien hier zu behindern, in Solidarität mit allen Kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

FÜR EINE STARKE INTERNATIONALE FRAUENBEFREIUNGSBEWEGUNG! KAMPF DEM IMPERIALISTISCH-PATRIARCHALEN SYSTEM!

Prozess-Unterstützerinnen-Gruppe im Mehringhof Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin

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