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3.Prozesstag

Der vorletzte Tag - Plädoyers von "erheblicher krimineller Energie" bis zum "Verfall der politischen Moral"

Nach einer Stunde und fünfzehn Minuten waren heute im zweiten Berliner "RZ-Verfahren" die Plädoyers gesprochen. Alles lief nach Plan.

Zuvor hatte der Vorsitzende Richter am Kammergericht Libera erneut darauf hingewiesen, dass nach Vorabsprachen zwischen den Prozessbeteiligten, die Anklage gegen Lothar E. auf die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion beschränkt sei. Sodann verkündete das Gericht einen entsprechenden Beschluss.

Erhebliche kriminelle Energie

Dem folgte ohne viel Pathos das Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BAW). Fast wortgetreu wiederholte der Vertreter des Generalbundesanwalts längere Passagen der Einlassung des Angeklagten Lothar E. Allerdings nahm die BAW in den Schlussfolgerungen bezüglich des Anschlages auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) eine eigene Gewichtung vor. Hatte Lothar E. in seiner Einlassung das Ziel des Anschlages dahingehend beschrieben, dass der Betrieb für "einige Tage" hätte lahm gelegt werden sollte", so behauptete der Vertreter der Anklage, das Ziel sei gewesen eine "Kettenreaktion auszulösen" und dadurch das "ganze Gebäude, ganz erheblich zu gefährden". Die dadurch zum Ausdruck gebrachte " erhebliche kriminelle Energie" sei bei einem gegeben Strafrahmen von einem bis 15 Jahren besonders negativ zu bewerten. Hinzu käme die "maßgebliche Beteiligung" des Angeklagten. Positiv zu bewerten - so der Vertreter der Anklage - sei, dass Lothar E. "das Unrecht seiner Tat eingesehen" habe, sich dem Gericht und dem Staatschutz anvertraut und praktisch "die Seiten gewechselt" habe. Außerdem hätte er durch seine "Kooperationsbereitschaft" zu einer "ganz erheblichen Verkürzung des Verfahrens" beigetragen. Aufgrund der "günstigen Sozialprognose" plädierte die BAW - wenig überraschend - zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf drei Jahre Bewährung.

"Wenn Tarek Mousli hier ausgesagt hätte, hätten wir seinen Lügen widersprechen müssen".

Der Anwalt des Angeklagten Christof Kliesing erinnerte in seinem Plädoyer an die "traumatischen Erfahrungen" aus dem Parallelverfahren, in dem die Anklage auf den Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli basierte. Es sei "sinnvoll und vernünftig" gewesen "eine Verständigung zu finden. Nicht nur, weil niemand Lust auf ein mehrjähriges Verfahren hatte sondern auch, weil dies Verfahren keinen aktuellen Hintergrund mehr hat sondern nur noch als historische Auswirkung aus den 80er Jahre" anzusehen sei. "Wenn Tarek Mousli hier ausgesagt hätte, hätten wir seinen Lügen widersprechen müssen". Die Vereinbarung mit der BAW sei gewesen die von Mousli behauptet Beteiligung von Lothar E. am Anschlag auf die Siegessäule und damit auch die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" fallen zu lassen. Übrig geblieben sei die Mitwirkung von Lothar E. am Anschlag auf die ZSA. Er widersprach der Darstellung der BAW, dass es bei diesem Anschlag darum gegangen sei einen großen Schaden anzurichten. Es sei immer das Ziel der Revolutionären Zellen (RZ) gewesen vor allem symbolischen Schaden anzurichten. Dies sei auch Ziel des Anschlages auf die ZSA gewesen.

Dr. Korbmacher - "ein Symbol für den Verfall der politischen Moral"

Kliesing plädierte dafür die Handlungen der RZ im Kontext der politischen Bewegungen der 80er Jahre zu verorten und zu beurteilen. Die Politik der RZ sei gescheitert, allerdings seien diese Gruppen auch durch Analysen hervorgetreten, die "so falsch nicht sind" und "in anderer Form heute noch diskutiert werden". Die Aktionen gegen Herrn Hollenberg und Dr. Korbmacher seien von einem rechtsstaatlichen Gesichtspunkt her illegal gewesen. Es dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass Herr Hollenberg zum damaligen Zeitpunkt "das Symbol für eine extreme ausländerrechtliche Praxis" und Dr. Korbmacher "das Symbol für den Verfall der politischen Moral" gewesen sei.

Lothar E. habe - so Kliesing - nicht die Seiten gewechselt; vielmehr zeige sein Weggehen nach Kanada, dass er zu der Einschätzung gelangt sei in einem anderen Land "etwas anderes zu machen" zu wollen. Der zweite Verteidiger von Lothar E., Martin Ruppert, erinnerte in einem kurzen abschließenden Statement daran, dass es die RZ nicht mehr gibt und es sich daher um ein Verfahren handele, mit dem lediglich in historischen Zusammenhängen gewühlt werde.

Das Urteil wird am Donnerstag, den 15. Juli um 14:00 Uhr erwartet.

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