www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  

Übersicht

Berichte
Vorschau
Hintergrund

Mailingliste
Mail
Suche

2. Prozesstag

Ganz im Zeichen der Strafprozessordnung

Nachdem die gestrigen Hauptverhandlung nicht einmal zwei Stunden gedauert hatte, konnte heute ein nahezu "richtiger" Prozesstag verfolgt werden. Beginn: Neun Uhr, zwei Unterbrechungen inklusive Mittagspause, Ende: 13.07 Uhr. Allerdings stand der Tag ganz im Zeichen der Strafprozessordnung, müsste doch deren Vorgabe formal genüge getan werden, auch wenn es sich hier nicht um ein "strittiges Verfahren handelt".

Also wurde nach und nach jedes Beweisthema eingeführt. Den Anfang machte Karlheinz Halfter. Der 74-jährige Kriminalbeamte im Ruhestand wurden zu den polizeilichen Ermittlungen zum Sprengstoffanschlag auf die "Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber" (ZSA) in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1987 befragt, die er mit Hilfe von Vorhalten des 1. Strafsenats und unter Inaugenscheinnahme von "Lichtbildern" und "Tatortskizzen" referierte. Zu diesem Komplex wurden verlesen:

  • ein Behördengutachten zum Aufbau und der Funktionsweise der beim Anschlag verwendeten Sprengvorrichtung auf Grundlage einer entsprechenden kriminaltechnischen Untersuchung;
  • das Bekennerschreiben "Unser Angriff auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) in Berlin richtet sich gegen die Asylpolitik der rassistischen Sonderbehörde" (plus "Inaugenscheinnahme").

Da der nächste Zeuge, der für 10.30 Uhr geladen war, noch nicht im Gericht war, folgte die Verlesung eines "Sachstandberichts" des Bundeskriminalamts vom 6. April 1988 über die RZ, in dem das BKA zur Entwicklung, Ideologie, Strategie und Taktik sowie zu den publizistischen Aktivitäten der Revolutionären Zellen/ Rote Zora Stellung nahm.

Nach einer fünfzehnminütigen Pause berichtete Harald Brelow (59), Kriminalbeamte i.R., über die polizeilichen Ermittlungen zum Knieschussattentat auf den Leiter der Berliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg. Diese Bestrafungsaktion führte die RZ am 28. Oktober 1986 aus. Auch ihm wurde mit Hilfe von Vorhalten des 1. Strafsenats das Referieren erleichtert.

So wurde zu diesem Komplex verlesen:

  • die Sterbeurkunde von Harald Heinrich Hollenberg;
  • ein ärztliches Gutachten von Prof. Dr. Saternus vom Institut für Rechtsmedizin an der FU Berlin über die Schussverletzungen an beiden Waden des Leiters der Ausländerpolizei;
  • das Bekennerschreiben "Warum wir dem Leiter der Berliner Ausländerpolizei Harald Hollenberg in die Beine geschossen haben".

Bevor die Mittagspause eingeläutet wurde (11.30-12.45 Uhr), ging man zum nächsten Beweisthema über, das Knieschussattentat auf den Asylrichter Dr. Günther Korbmacher am 1. September 1987. Verlesen wurden zu diesem Komplex:

  • ein ärztliche Gutachten von Prof. Dr. Saternus vom Institut für Rechtsmedizin an der FU Berlin über die Schussverletzungen am linken Bein des Asylrichters;
  • das Bekennerschreiben "Warum wir dem Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Günther Korbmacher in die Beine geschossen haben".

Hatte die BAW eher amüsiert der Verlesung gelauscht und das Gehörte tuschelnd kommentiert, veränderte sich das Verhalten von Oberstaatsanwalt Dr. Diemer und Staatsanwalt Heine schlagartig bei der Verlesung des Bekennerschreibens zu Korbmacher: Mit Schaudern und wohl tief empfundener Klassensolidarität lauschten sie den Ausführungen zur "Hinrichtung des Menschenjägers Buback": "Mit ihm ist ein allgemein verhasster und gefürchteter Volksfeind gefallen, dessen Tod ein Gefühl der Befreiung und Ermutigung ausgelöst hat", stellten die RZ in ihrer Erklärung fest. "Einzig und allein diese Wirkung rechtfertigt etwas dermaßen Schwerwiegendes wie die politische Tötung eines Menschen, dieses äußerste und extremste Mittel im Klassenkampf, das sich durch seinen inflationären Gebrauch selbst entwertet. Eine Guerilla, die leichtfertig gegen diese absolut verpflichtenden Gesetze der politischen Moral und Verantwortung verstößt, die zunehmend ihre Skrupel - dieses wesentliche Merkmal, das revolutionäre Frauen und Männer vom Klassenfeind unterscheidet - über Bord wirft, verspielt und verliert damit auch ihren eigentlichen Kredit und Anspruch: einen Klassenkampf mit dem Volk und für das Volk zu führen, in dem die Ziele einer freien, egalitären, menschlichen Gesellschaft aufscheinen."

Nach der Mittagspause war dieser Anflug von Empörung auch schon verflogen und der letzte Polizeizeuge konnte gehört werden. Der Kriminalbeamte i.R. Joachim Meiser (67) referierte auch hier unter Zuhilfenahme von Vorhalten des Senats die polizeilichen Ermittlungen zum Knieschussattentat auf Dr. Korbmacher. Damit war das heutige Programm abgearbeitet. Morgen werden die Plädoyers gehalten. Am kommenden Donnerstag folgt der Urteilsspruch.

Suche     Mail
http://www.freilassung.de/prozess/ticker/berichte_e/080704.htm