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1. Prozesstag: 22. März 2001
Der heutige erste Verhandlungstag endete
bereits nach knapp zwei Stunden - zur Verlesung der Anklageschrift
kam es nicht
Nach der obligatorischen Personalienfeststellung der Angeklagten
stellten die Rechtsanwälte Becker und Eisenberg im Namen aller
RechtsanwältInnen einen Antrag auf Unterbrechung der Hauptverhandlung.
Um prüfen zu können, ob tatsächlich die zuständigen
Ergänzungsrichter ihr Amt wahrnehmen - ihnen kommt im Falle der
Erkrankung der Beisitzenden Richter die Aufgabe zu, diese zu vertreten -,
fehlten den StrafverteidigerInnen wesentliche Unterlagen. Erst Freitag vor
Prozessbeginn - so Becker und Eisenberg -sei ihnen von der
Kammergerichtspräsidentin auf Anfrage mitgeteilt worden, dass der
Beisitzende Richter Alaban bereits im Vorfeld des Prozesses die
Zusammensetzung der Ergänzungsrichter in einem Schreiben kritisiert
hat. Dies habe allerdings nicht zur Prüfung geführt. Dieses
Schreiben, das die Vorsitzende Richterin Henning nicht kannte, wurde ihr
von der Verteidigung vorgelegt.
Kern des Problems ist, dass ein nicht ordnungsgemäß
zusammengesetztes Gericht gegen Artikel 19 GG (Jeder Beschuldigte hat das
Recht auf einen gesetzlichen Richter) ebenso verstößt, wie gegen
wesentliche Teile der Strafprozessordnung und das Gerichtsgesetz. Sollten
also nicht rechtmäßig berufene Ergänzungsrichter zum
Einsatz kommen, wäre dies ein Grund, etwaige Gerichtsentscheidungen
anzufechten.
Nach knapp zwei Stunden Verhandlungsdauer entschied die Vorsitzende
Richterin, die Hauptverhandlung bis zum 29.3. zu unterbrechen. Bis dahin
sollen der Verteidigung die notwendigen Unterlagen zur Verfügung
gestellt werden, damit diese eine Rüge gegen die Besetzung des
Gerichts formulieren kann.
Bevor die Vorsitzende Richterin Hennig die Unterbrechung der
Hauptverhandlung bekannt gab, wurde der Gesundheitszustand von Frau Eckle
erörtert. Frau Eckle führte aus, dass sie seit Jahren an
Migräneanfällen leide, die im Normalfall zwei bis drei Tage
andauern. Ihr Gesundheitszustand hätte sich durch die Haft deutlich
verschlimmert. Sie führte aus, dass schwere Anfälle inzwischen
acht bis zehn Tage andauerten und mit unerträglichen Kopfschmerzen und
Erbrechen einhergingen. Inzwischen wiege sie noch 43 Kilogramm.
Diese Angaben wurden von der Gefängnisärztin Frau Dr.
Friedmann bestätigt. Diese machte als Sachverständige durch ihre
Ausführungen deutlich, dass eine ausreichende Behandlung unter den
angeordneten Haftbedingungen nicht gewährleistet ist. So
bestätigte die Ärztin, die für verschiedenen Haftanstalten
zuständig ist, dass Frau Eckle bei ihrem letzten Anfall drei Stunden
auf Medikamente warten musste. Außerdem führte sie aus, dass
Frau Eckle auf Grund der notwendigen Medikamente zudem an
Konzentrationsstörungen leide. Zwar wurde heute noch kein Antrag auf
Haftverschonung gestellt, dies ist jedoch für den nächsten
Verhandlungstag zu erwarten.
Den Ausführungen zu Frau Eckles Gesundheitszustand folgte die
"Gegenvorstellung" der Rechtsanwältin Edith Lunnebach
bezüglich der vom Gericht angeordneten
"Sicherheitsvorschriften". Dabei konzentrierte sie sich auf zwei
Punkte: das Ablichten der Ausweispapiere der ProzessbesucherInnen und die
Verfügung, dass die Personenschützer des Bundeskriminalamtes
(BKA) für den Kronzeugen Mousli zu dessen Schutz im Gerichtssaal
Waffen tragen dürften. Im ersten Fall - so führte Frau Lunnebach
aus - sei das Ablichten der Ausweise von allen ProzessbesucherInnen weder
als notwendig noch als verhältnismäßig anzusehen. Was die
Frage der bewaffneten Vorführung von Tarek Mousli betrifft, so sehe
die Verteidigung hier keinerlei Notwendigkeit. Das erste und letzte Mal, so
Frau Lunnebach, dass sie bewaffnete Kräfte in einem Gerichtssaal
erlebt habe, sei vor einem Militärgericht in der Türkei
gewesen.
Rechtsanwalt Becker forderte das Gericht ebenfalls auf, die erlassenen
Sicherheitsvorschriften zu überdenken. Der Bundesanwaltschaft warf er
vor, sie würde als Teil einer Inszenierung auf das bewaffnete
Erscheinen der BKA-Beamten beharren. Für die Öffentlichkeit solle
die Atmosphäre von Terroristenprozessen der 70er Jahre entstehen.
Gleichzeitig erinnerte er daran, dass der Kronzeuge Tarek Mousli der
einzige war, der bei seinen Prozessauftritten in Berlin und Frankfurt am
Main ein Schuss sichere Weste getragen habe. Von einer angeblichen
Bedrohungssituation für den Kronzeugen Tarek Mousli könne keine
Rede sein. "Die Hauptbedrohung geht von ihm selber aus", so
Becker.
Bundesanwalt Bruns wies die Ausführungen der Verteidigung weit von
sich. Die Bundesanwaltschaft habe kein Interesse an einem klassischen
Terroristenprozess, so Bruns. Auch seiner Behörde sei an einem
normalen Strafverfahren gelegen. Er kam allerdings nicht umhin, der
Gegenseite ein "Inszenierungs"-Interesse zu unterstellen. In
Veröffentlichungen und bei Veranstaltungen hätte es
"zumindest versteckte Drohungen" gegen den Kronzeugen Mousli
gegeben.
Rechtsanwältin Würdinger stellte die Frage, ob eine Situation
im Gerichtssaal überhaupt vorstellbar sei, die einen
Schusswaffeneinsatz durch die BKA-Beamten verhältnismässig
erscheinen lasse.
Die Frage der "Sicherheitsvorschriften" wurde angesichts der
Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht weiter verfolgt.
Kurz vor Beendigung der Verhandlung monierte Rechtsanwalt Wolfgang
Kaleck, dass einigen ProzessbesucherInnen der Eintritt in den Saal 500
verwehrt worden sei, obwohl noch genügend Plätze zur
Verfügung standen. Außerdem sei es auch einer Delegation
internationaler ProzessbeobachterInnen nicht gestattet worden, Schreibzeug
und Papier mit in den Gerichtssaal zu nehmen. Das galt im übrigen auch
für alle anderen ProzessbesucherInnen. Auf die Frage der Vorsitzenden
Richterin Hennig, wer denn zu dieser Delegation gehöre, erhoben sich
die aus dem Ausland kommenden BesucherInnen von ihren Plätzen, um sich
vorzustellen und gegen diese Behandlung zu protestieren. Auch dieser Punkt
wurde auf Grund des vorzeitigen Endes des Prozesses nicht weiter
thematisiert.
Die Verfahrensbeteiligten:
RichterInnen am 1. Strafsenat des Berliner Kammergerichts
Frau Hennig, Vorsitzende Richterin
Herr Alban, Beisitzender Richter
Herr Weisbrodt, Beisitzender Richter
Herr Lechner, Beisitzender Richter
Herr Hanschke, Beisitzender Richter
Bundesanwälte
Oberbundesanwalt Bruns
Bundesanwalt Mägerle
Bundesanwalt Hohmann
VerteidigerInnen
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Matthias Borgmann
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Rechtsanwalt Kaleck, Berlin
Rechtsanwalt Lunnebach, Köln
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Sabine Eckle
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Rechtsanwalt Becker, Berlin
Rechtsanwalt Eisenberg, Berlin
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Harald Glöde
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Rechtsanwältin Studzinsky, Berlin
Rechtsanwältin Würdinger, Berlin
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Axel Haug
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Rechtsanwalt von Schlieffen, Berlin
Rechtsanwalt Geimecke, Berlin
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