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2. Prozesstag: 18. Mai 2001
VerteidigerInnen verlangen Verbesserungen
- Sabine E. verhandlungsunfähig - Prozess stagniert
Verhandlungsbeginn am 2. Prozesstag sollte eigentlich um 9.15 Uhr sein.
Sabine E. konnte allerdings nicht erscheinen. Als JustizbeamtInnen sie in
das Kriminalgericht Moabit bringen wollten, weigerte sie sich, weil sie
unter einem schweren Migräneanfall litt. Während der dann in
ihrer Abwesenheit gegen 13.20 Uhr einberufenen Verhandlung, bescheinigte
ihr ein als Zeuge anwesender Gerichtsmediziner
Verhandlungsunfähigkeit. Bereits am ersten Prozesstag am 22. März
war der Gesundheitszustand von Sabine E. während der Verhandlung
thematisiert worden. Damals war die für die JVA Pankow zuständige
Anstaltsärztin geladen. Sie bestätigte, dass Sabine E. seit
Jahren von starken, immer wiederkehrenden Migräneanfällen
betroffen sei, die mit starken Kopfschmerzen, Erbrechen und Übelkeit
einhergingen. Wenn überhaupt, ließe sich die Migräne nur
bekämpfen, wenn sofort nach den ersten Anzeichen eines Anfalls starke
Schmerzmittel und Medikamente gegen Erbrechen eingenommen würden. Eine
vorbeugende medikamentöse Behandlung sei unmöglich. Die
Anstaltsärztin attestierte Sabine E. im Falle eines
Migräneanfalls Verhandlungsunfähigkeit, weil dadurch die
Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit enorm eingeschränkt
sei.
Gerichtsmediziner bestätig
Verhandlungsunfähigkeit
Der heute hinzugezogene Gerichtsmediziner, der erst gegen 12.00-
12.30 Uhr die Angeklagte untersucht hatte, stand nach eigenem Bekunden
vor dem Problem, dass Migräne neben dem subjektivem Schmerzempfinden
des Patienten keine objektiven Krankheitssymptome zeige. Da allerdings
aus der Krankengeschichte von Sabine E. bekannt sei, dass sie unter
Migräne leide, und von ihm zudem allgemeine Schmerzsymptome
(gerötete Augen, erhöhter Blutdruck) festgestellt worden
seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Angeklagte
einen akuten Migräneanfall habe. Sabine E. hatte ihm berichtet,
dass sie seit der gestrigen Verhandlung starke Kopfschmerzen habe
und seitdem fünf Mal erbrochen hätte. Weiterhin klagte
sie über Übelkeit und Schwindel. Der Mediziner diagnostizierte
deshalb einem schweren Migräneanfall, bezeichnete sich jedoch
als Nicht-Experte auf diesem Gebiet.
Verteidigung verlangt Abhilfe
Die Verteidigung von Sabine E. appellierte eindringlich an den Senat,
seine gestrige Entscheidung, eine mündlichen Haftprüfungstermin
abzulehnen, zu revidieren. "Ich bitte den Senat", so Rechtsanwalt
Eisenberg, "unter diesen besonderen Umständen zu überlegen,
ob er nicht Bedingungen schaffen könnte, in denen sich meine Mandantin
in eine therapeutische Heilbehandlung begeben könnte."
Migräne sei keine eingebildetes Leiden überkandidelter
Persönlichkeiten, sondern eine ernstzunehmende Krankheit, die durch
Stressfaktoren befördert werde. Damit eine weitere Verzögerung
des Prozesses durch den labilen Gesundheitszustand seiner Mandantin in
Zukunft ausgeschlossen werden könnte, müsse der Senat zu einer
"vernünftigen Haftentscheidung" kommen. Mit Verweis auf den
am gestrigen Prozesstag gestellten Befangenheitsantrag gegen sie,
erklärte sich die Vorsitzende Richterin Hennig allerdings momentan
für nicht zuständig.
Die Verteidigung habe schon im ersten Prozessanlauf daraufhingewiesen,
dass wegen der Erkrankung ihrer Mandantin die Anwesenheit eines Arztes
während der Verhandlung vernünftig sei, so Rechtsanwalt Becker.
Allerdings seien alle Hinweise auf die Krankheit von Sabine E. und alle
Vorschläge, wie damit umzugehen sei, beim Senat auf taube Ohren
gestoßen. "Der Senat hat nichts getan, damit sich der
Gesundheitszustand von Sabine E. verbessern kann." Rechtsanwalt Becker
in Richtung der Vorsitzenden Richterin: "Außer einer gewissen
mütterlichen Gutmütigkeit ist nichts passiert. Sie müssen
etwas ernsthaftes tun."
Angeklagte kritisieren Unterbringung
Rechtsanwalt Dr. König bat das Gericht um einen pragmatischen
Umgang in dieser Sache. Weder den Angeklagten, noch den anderen
Verfahrensbeteiligten könne ein Prozesstag wie heute noch einmal
zugemutet werden. Stundenlang mussten sich alle Angeklagte,
Bundesanwälte, RichterInnen und VerteidigerInnen wartend im
Gerichtsgebäude aufhalten.
Harald G. und Axel H. hatten sich zuvor massiv darüber beschwert,
dass sie stundenlang in den Vorführzellen des Kriminalgerichts
ausharren mussten, obwohl ein anderslautender Beschluss des Gerichts
vorlag. Ein dreckiges, stinkendes Rattenloch seien diese Zellen, so Harald
G. In diesem Zusammenhang wies Rechtsanwalt Kaleck daraufhin, dass er
bereits vor geraumer Zeit auf die unhaltbaren Zustände in diesen
Zellen das Gericht aufmerksam gemacht habe. Diese Zellen seien nur 2 qm
groß, schlecht belichtet, schlecht belüftet und erheblich
verdreckt.
Die Vorsitzende Richterin, die über die Nicht- Umsetzung ihrer
Anordnung nicht informiert war, verlangte von der Saalaufsicht
Aufklärung. Angeblich habe der Leiter der U-Haft-Anstalt wegen akutem
Personalmangel eine Verlegung abgelehnt. Die Anregung von Rechtsanwalt
Kaleck, unter diesen Umständen die Angeklagten in Zukunft im
Gerichtssaal warten zu lassen, bleibt unbeantwortet.
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