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44. Prozesstag: 14. Dezember 2001

Trostloser Trede und das Tête-à-tête mit der BAW

Der heutige Verhandlungstag wurde mit der Zeugenvernehmung des BKA-Beamten Ralf Trede (41) durch die Verteidigung fortgesetzt.

Dem Zeugen Trede wurden Auszüge verschiedener Vernehmungsprotokolle Tarek Mouslis vorgehalten, wobei drei Themenkomplexe im Zentrum des heutige Prozesstages standen: Ungereimtheiten bei der Sprengstoffsuche; Einschätzung zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Karmen T. und die Frage, wann Mousli erstmals die Kronzeugenregelung angeboten wurde.

Auch heute konnte nicht geklärt werden, warum die ersten beiden Suchaktionen nach dem Sprengstoff mit Einsatz von Spezialkräften der Berliner Polizei erfolglos geblieben waren. Mouslis Vermutung, es könne sich bei dem Versteck "eventuell um einen ähnlichen Graben" gehandelt haben, sei vom Bundeskriminalamt (BKA) aus nicht nachgegangen worden, weil Trede schon seit Juni 1999 "tausend Prozent" davon überzeugt gewesen sei, den gesuchten Sprengstoff in genau diesem Seegraben zu finden. Während gestern festgestellt wurde, dass die Spezialtaucher jede Menge Diebesgut im Graben entdeckt hatten, es also durchaus ernsthafte Bemühungen der Berliner Spezialisten gegeben hatte, wollte Trede das Übersehen des Sprengstoffes und eines Weckers damit erklären, sie hätten "ja nur die Oberfläche des Schlicks" absuchen können. Entsprechend sah das BKA auch keine Veranlassung, den vielen Eventualitäten und Unklarheiten bei der Sprengstoffsuche nachzugehen oder überhaupt in Frage zu stellen, dass in genau diesem Graben Sprengstoff zu finden sein müsse.

Auf die Frage, wie die Glaubwürdigkeit der Zeugin Karmen T. zur damaligen Zeit eingeschätzt wurde, konnte der Zeuge nur seine persönliche Meinung äußern, nämlich, dass er im großen und ganzen vom Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen überzeugt war. Zwei spätere Haftbefehle gegen Tarek Mousli basierten ja auch tatsächlich auf Aussagen der Zeugin Karmen T. und wurden mit deren Glaubwürdigkeit begründet.

Kronzeuge von Anfang an...

Immerhin konnte heute auch mit Trede geklärt werden, dass aus den Protokollen der Vernehmung vom 15.04.99 zu Recht hervorgehe, dass man Mousli die Kronzeugenregelung schon bei seiner ersten Vernehmung angeboten hatte. Trede, der stets nur unter Druck bereit war, sich überhaupt konkret an etwas zu erinnern und insgesamt den Eindruck machte, gezielt renitent an den Fragen vorbei zu reden, erwiderte in diesem Falle, dass, "wenn es so in der Akte steht, dann stimmt das auch." Wie angespannt die Situation bei der Zeugenbefragung schon bereits seit gestern Nachmittag war, zeigte sich bei einer Intervention des Bundesstaatsanwalts Volker Bruns, der Rechtsanwalt Euler vorwarf, "Beweisverfälschung" zu betreiben, weil dieser energisch versucht hatte, den Zeugen Trede dazu zu bringen, auf die Fragen der Verteidigung konkret und präzise zu antworten

... Sprengstoff ganz am Ende

Geklärt werden sollte auch, wie oft nach dem 24. August 1999, dem Tag des nun auf einmal möglichen Sprengstofffundes, und Oktober 1999 Gespräche zwischen Mousli und Trede stattgefunden hatten - keine Antwort, keine Erinnerung. Wie oft sie sich zwischen der ersten vergeblichen Sprengstoffsuche und dem 24. August 1999 gesehen hätten - keine Antwort, keine Erinnerung. Obwohl also die Staatsanwaltschaft und BKA-Mann Trede als leitender Beamter in Sachen "Revolutionäre Zellen" davon ausgehen mussten, mit Tarek Mousli einen mutmaßlichen Rädelsführer einer "terroristischen Vereinigung" vor sich zu haben, wollte Trede sich nicht daran erinnern können, wann und wie oft er Kontakt zu Mousli gehabt habe.

Nicht viel besser sah es aus, als es um ein zwischen Bruns und Trede geführtes Telefongespräch "vor etwa drei bis vier Wochen" ging. Dieses Gespräch war schon Gegenstand der gestrigen Verhandlung gewesen und musste heute wieder aufgegriffen werden, weil klar war, dass Trede mit seiner Behauptung, er habe keinen Kontakt zu Bruns vor seiner Verhandlung gehabt, gezielt auf eine Lüge zugesteuert war - Bruns hatte gestern hektisch interveniert, und so diesen Meineid seines BKA-Mannes abgewendet. Die Verteidigung stellte daher den Antrag, zunächst Bruns aufzufordern den Raum zu verlassen, um so Trede getrennt vernehmen zu können. Nur so hätte sich durch eine Vernehmung von Bundesanwalt Volker Bruns dann klären lassen, ob Trede die Wahrheit sagte.

Ferngespräch in Bogotá...

Richterin Hennig wollte diesen Antrag schon im Alleingang ablehnen, als ihr vom Kollegen Hanschke zugeflüstert wurde, dass - wenigstens pro forma - sich das Gericht erst zur Beratung zurückziehen müsse. Nach kurzer Beratung und etwas längerer Kaffeepause wurde der Antrag abgelehnt und Bundesstaatsanwalt Bruns durfte im Saal bleiben. Trede, jetzt in einer ähnlichen Situation wie sein damaliger Vorgesetzter, BKA-Kollege Schulzke, der von der Bundesanwaltschaft wegen seines schlechten Erinnerungsvermögens gerügt worden war, entschuldigte sich langatmig. Es täte ihm "wirklich leid", gestern nicht mehr an dieses Telefonat gedacht bzw. es "verdrängt" zu haben. Ja, er hätte diesen Anruf in Bogotá erhalten, Themen wären die Kosten des Telefonats, die Kosten für seine Reise, seine große Bedeutung hier in Bogotá und auch kurz seine bevorstehende Aussage im Gerichtsverfahren gewesen.

Bruns teilte ihm nicht nur mit, dass er vorgeladen werde, weil sein Kollege Schulzke "keine gute Figur" bei seinen Aussagen gemacht hätte. Dieser habe "sich nur schwer erinnern" können. Bruns nannte ihm auch die Schwerpunkte der anstehenden Vernehmung in diesem Hauptverfahren: den "Fundort Wassergraben", die Telefonüberwachungsbänder und den Großeinsatz im MehringHof.

... Steuergelder in Berlin

Trede behauptete, sich selbstständig auf diese Verhandlungstage vorbereitet zu haben, ohne von jemandem eingewiesen worden zu sein. Auf wiederholte Nachfragen meinte er sodann, sich an den Inhalt dieses Telefongesprächs mit Bundesanwalt Bruns nicht mehr genau erinnern zu können, denn er sei zu diesem Zeitpunkt "in einer extremen Situation" gewesen. Was ihm zu dem Komplex Wassergraben gesagt worden sei, daran wollte er sich nach "drei bis vier Wochen" nicht mehr erinnern können. Bei den Telefonüberwachungsbändern sei es um die Kosten der Kopien gegangen - "die 20.000 Mark Kopierkosten haben auch mich empört" -, aber um nichts Inhaltliches. Das habe ihn aber ohnehin nicht interessiert, denn er habe sich "aus der Telefonüberwachungsgeschichte heraus gehalten", so allen Ernstes einer der beiden leitenden Kriminalbeamten in Sachen Berliner "RZ".

Plaudern und Speisen am Savignyplatz...

Gefragt, ob er denn seit gestern Nachmittag noch Unterstützung erhalten habe, um sich besser zu erinnern, wich Trede erneut aus. Er habe sich, weil es ihm "sehr peinlich und unangenehm" gewesen sei, bei Bruns nach Prozessende um 17.00 Uhr dafür entschuldigt, dieses Telefonat vergessen zu haben - und sei dann mit ihm und Bundesanwalt Maegerle per Taxi zum Savignyplatz gefahren, um dort zu Abend zu essen. "Bis etwa 23.00 Uhr" hätten sie dort gegessen und geplaudert. Allerdings habe er seine Erinnerung, das Telefonat mit Bruns und den Fahndungsverlauf in Sachen "RZ" betreffend, "alleine wiederhergestellt."

Bei dem gemeinsamen Essen sei es zwar "auch um die Hauptverhandlung" gegangen, man habe sich über einige Verteidiger unterhalten, die einem von Zeit zu Zeit das Gefühl vermittelten, "im Kasperletheater" zu sein. "Ich hatte nicht das Gefühl", so Trede, sein Aussageverhalten sei von den Bundesstaatsanwälten bewertet worden. Auch sei er am Ende der gestrigen Hauptverhandlung schon "müde und etwas unkonzentriert" gewesen. Er hätte jedoch noch erwähnt, dass damals "im Juni 1999 die Situation beim BKA schon ins Chaotische ging", was er in seiner Vernehmung aber nicht habe sagen wollen. Das sei aber die einzige Sache gewesen, die über das hinausging, was er im Gerichtssaal gesagt habe. Auch sonst hätten weder er, noch Bruns oder Maegerle in irgendeiner Form den Verlauf des Prozesstages inhaltlich kommentiert.

... und Schweigen im Kammergerichtssaal 500

Vollständig verweigerte Trede Aussagen dazu, wie denn nach zwei vergeblichen Versuchen, Sprengstoff in dem Wassergraben zu finden, seine Kollegen vom BKA und der damalige Leitende Bundesstaatsanwalt Monka darauf reagiert hätten, dass Mouslis Angaben nicht zu einem Fund geführt hatten. Mehrmals schwieg er minutenlang, um dann wieder keine Antwort auf die Fragen der Verteidigung zu geben.

Wann ihm bekannt geworden sei, dass Überwachungsbänder nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden waren, konnte er ebenfalls nicht mehr erinnern, meinte nur: "Ich wusste das vorher nicht, ich habe mich aber auch nicht darüber gewundert, dass die vergessen wurden."

Nächster Verhandlungstag ist Donnerstag, der 20. Dezember 2001. Es wird ein weiterer Versuch unternommen, den Zeugen Trede zu befragen.

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