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80. Prozesstag: 13. Juni 2002
"Karlsruher Reihenhausperspektive" oder: Wie aus
70.000 Euro Sachschaden eine "verhältnismäßige Maßnahme"
wurde
Erneut ging es um die Durchsuchung des MehringHofes am 19. Dezember
1999. Als erster Zeuge wurde Bundesanwalt Volker Homann (53), der
die Durchsuchung im MehringHof seinerzeit gemeinsam mit den Bundesanwälten
Monka und Griesbaum leitete. Sein Durchsuchungsbegehren hätte
er "umfassend und unbeschränkt" beantragt. Als besondere Schwierigkeit
bezeichnete er es, dass der Komplex - "immerhin 5.000 qm Wohnfläche"
- den Behörden völlig unbekannt gewesen sei. Man hätte
sich die Baupläne und ein Buch über den MehringHof besorgt
und sodann auf der Grundlage der Aussagen Tarek Mouslis die Durchsuchung
geplant. Aus "Verhältnismäßigkeitsgründen"
sei später der Durchsuchungsantrag auf Schächte und die
daran angrenzenden Räumlichkeiten eingeschränkt worden.
Es sei Eile geboten gewesen, weil der Sprengstoff, den man dort
vermutete, als so abgelagert galt, dass er hätte detonieren
können. "Um den Betrieb des MehringHofes nicht zu stören",
so allen Ernstes Kamerad Homann, habe man sich darauf verständigt,
"den Komplex an einem Sonntag zu durchsuchen."
Die GSG 9 - sie führte den "ersten Angriff" durch - habe das
Objekt gesichert, "weil wir, ehrlich gesagt, nicht wussten, was
sich in diesen Räumlichkeiten abspielt." Er habe versucht,
"auf den Kommandeur einzuwirken, dass der auf eine Person mit Schlüsselgewalt
wartet und nicht so viele Türen zerstört werden." Die
Polizei habe das aber abgelehnt. Die "Sache" sei "sehr aufwendig
gewesen" und habe "einiges handwerkliches Geschick erfordert."
Homann versuchte den Eindruck zu vermitteln, man habe gar nicht
richtig nach Sprengstoff und Waffen gesucht, weil das "eh zu lang
gedauert hätte." Zwar hätte sich die Beamten "sich viel
Mühe gegeben, aber das war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Das wäre Zufall gewesen, wenn wir Sprengstoff gefunden hätten.
[...] Die Sache der Unvollständigkeit war schon vom Beschluss
her angelegt. Man hätte alle Räume durchsuchen müssen"
und so fort...
Noch heute sei er fest davon überzeugt, "dass im MehringHof
sich ein Sprengstoff- und Waffendepot befunden" habe. Dies nicht
zuletzt, weil der Kronzeuge Mousli mit dem Sprengstofffund im Seegraben
seine Glaubwürdigkeit unter Beweis gestellt hätte. Insgesamt
wollte Homann die Durchsuchungsaktion als "Glücksspiel" verstanden
wissen, dass er leider verloren habe.
Fast 1.000 Beamte von Bundeskriminalamt (BKA), GSG 9, des Bundesgrenzschutzes
(BGS), der Berliner Polizei, des Landeskriminalamtes Berlin, Sprengstoffexperten,
Schlosser, Elektriker, Beamte des Bundesinnenministeriums, Hundeführer
und Sprengstoffhunde hätten demnach keine Chance gehabt. Die
Aktion habe man "aus Verhältnismäßigkeitgründen
dann abgebrochen", so Homann, der jedoch zugeben musste, dass er
eine solche Begründung nie schriftlich fixierte. Auch wisse
er nicht, ob er überhaupt jemandem gegenüber von "Verhältnismäßigkeit"
und "Glücksspiel" gesprochen habe.
Dafür war ihm erinnerlich, dass er den MehringHof "von der
Qualifikation her wie die Hafenstraße in Hamburg eingeschätzt"
habe, "dass einem da Balken auf den Kopf fallen, dass da ja jahrelang
keine Polizei drin war - ich war dann angenehm enttäuscht."
Eine "angenehme Enttäuschung", die Rechtsanwalt Becker dazu
veranlasste, Homanns Wahrnehmungsvermögen und Realitätstüchtigkeit
mitleidig als "angenehme Enttäuschung aus Karlsruher Reihenhausperspektive"
zu bezeichnen. Auf dessen Frage, ob man vielleicht deshalb nicht
genau gesucht habe, damit der Kronzeuge Mousli weiter glaubwürdig
bleiben konnte, erwiderte Homann, dass aus seiner Sicht drei bis
vier Tage notwendig gewesen wären, um alles zu durchsuchen,
was aber "aus Gründen der Verhältnismäßigkeit"
und "politischen Umständen" nicht möglich gewesen sei.
Wie es sich dann, so fragte die Verteidigung mehrfach, mit der angeblichen
Gefährdung durch den abgelagerten Sprengstoff verhalten habe,
der doch als so gefährlich von ihm eingeschätzt worden
sei. Darauf blieb Homann - verrannt in sein Wunschdenken zum Terrortreffpunkt
MehringHof - die Antwort schuldig.
Dass der BKA-Gesamteinsatzleiter Kröschel - er hatte ausgesagt,
dass "wir Sprengstoff gefunden hätten, wenn da welcher gewesen
wäre" - ebenso wie die Stuttgarter Staatsanwältin Ritzert
- "wir haben nicht im geringsten unter Zeitdruck gestanden" - weder
Beschränkungen noch Defizite bei der Durchsuchung erkennen
konnten, bezeichnete ein sichtlich abgehalfterter Homann als "eine
Frage der Einschätzung." Er wurde sodann, religiös vereidigt,
in den ihm eigenen Verfolgungswahn - und sein Reihenhaus - entlassen.
Neues von der Neinsager-Front
Noch vor der Mittagspause lehnten sodann die Bundesanwälte
Maegerle, Bruns und Wallenta - erstmals durfte auch Zwergnase, er
ist der Nachfolger Homanns auf der Bank der Ankläger, drei
vollständige Sätze sagen - in Anträgen insgesamt
sieben Beweisanträge der Verteidigung ab, die sich alle auf
die Herkunft und Zusammensetzung des Sprengstoffes und den Umgang
der Polizeibehörden mit der entsprechenden Sprengstoffsofortmeldung
nach dessen Auftauchen bezogen. Während Maegerle der Verteidigung
vorwarf, sie ginge offenbar von "Geheimermittlungen" in Zusammenhang
mit dem Sprengstoff 'Gelamon 40' aus, spricht einiges dafür,
dass die Bundesanwaltschaft ein Interesse daran hat, sämtliche
ungeklärten Fragen auch ungeklärt zu belassen.
BKA- Beamte rücken Homanns Wahrnehmung zurecht
(Teil 1)
Der weitere Prozessverlauf ergab eindeutig, dass die um 06.15 Uhr
begonnene Aktion gegen 17.30 Uhr beendet wurde, weil man die Durchsuchung
abgeschlossen hatte - ohne Sprengstoff oder Waffen zu finden. Entsprechendes
betonten alle befragten BKA-Beamten.
Klaus W. (34), als Durchsuchungsleiter des BKA-Meckenheim für
ein Team bei der Durchsuchung eingeteilt, betonte, seine Leute hätten
"alles von unten nach oben systematisch durchsucht." Man habe bei
Verdacht Löcher gebohrt und mit Hilfe von Endoskopen, die von
Fachkräften bedient worden seien, alle Hohlräume inspiziert.
Es habe keine Vorgaben über die Dauer der Durchsuchung gegeben,
man habe auch den Fahrstuhl durchsucht, insgesamt habe man vier
Stunden "den Bereich abgearbeitet" und aufgehört, als "wir
fertig mit der Durchsuchung waren. Wir haben nichts sichergestellt."
Martin V. (35) - er wohnt, wie wir nun wissen, in Rheinbach, weil
ihm der Standardspruch für BKA-Beamte "ladungsfähige Adresse
über BKA-Meckenheim" nicht einfiel - war ebenfalls als Teamleiter
im Einsatz. Zuständig war sein achtköpfiges Team "für
den südwestlichen Gebäudekomplex mit sechs Etagen, das
'Café Ex', den Aufzugschacht und einen Lastenaufzug. Gefunden
haben wir nichts." Auch hier kamen Endoskope, die Spezialisten der
'Tatortgruppe' sowie die Sprengstoff- und Brandgruppe zum Einsatz.
Seine Kräfte, so V., waren "motiviert und haben für meine
Begriffe sehr gründlich durchsucht." Von "unübersichtlichen
Räumlichkeiten", nach denen der Beisitzende Richter Alban immer
wieder fragte, könne er nicht berichten, denn "wenn man sich
das dann 'mal ansieht, dann waren das drei klare Bereiche." Er habe
selbstverständlich "auch die angrenzenden Räume auf Hohlräume
und Schächte durchsucht", sei aber nicht fündig geworden,
so dass er "auch keine Wischproben nehmen musste."
ABC-Waffen und eine aufmerksame Vorsitzende
Der größte Feind für die Wahrheitsfindung in diesem
Verfahren ist neben dem unbedingten Verurteilungswillen der Bundesanwaltschaft
das weitgehende Desinteresse des Gerichts, das selbst das allergrößte
Bemühen der Verteidigung zum 'caput mortuum', zum 'wertlosen
Zeug' zu machen droht. Heute zeigte sich für die Vorsitzende
Richterin, Gisela Hennig, dass in dem Verhalten des sich bereits
auf eine Verurteilung festgelegt habenden Beisitzenden Richters
Alban (A) und dem nicht minder entschlossenen Bundesanwalt Bruns
(B) für sie auch eine Chance (C) mit einigem Sprengwert liegt.
Und das kam so:
Der Rechtsanwalt Graf von Schlieffen wollte vom BKA-Zeugen wissen,
ob er, hätte er einen Verdacht auf ein mögliches Sprengstoffdepot
gehabt, dort auch das Nehmen einer Wischprobe veranlasst hätte.
Das wiederum veranlasste die B-Waffe Bruns zu vehementem Widerspruch,
er wollte die Frage als hypothetische Frage nicht zulassen und pöbelte
aufbrausend in den Saal. Während sonst die Vorsitzende Richterin
eher auf Zuruf der BAW reagiert, ließ sie diesmal die Frage
zu, was nicht nur Bruns (B), sondern auch den ob ihrer eigenständigen
Handlungsweise sichtlich schockierten Alban (A) verärgerte.
Die A-Waffe hat es sich seit langem zur Aufgabe gemacht, jeden Versuch
auf ein rechtsstaatliches Verfahren zu torpedieren. Bruns, solch
Unterstützung dankbar aufgreifend, forderte sodann einen Gerichtsbeschluss
zur Zulässigkeit der Frage. Hennig unterbrach daraufhin die
Verhandlung zur Beratung, und fand dort eine Chance (C), sich zu
profilieren: Die gute Frau ließ die Frage zu.
BKA-Beamte rücken Homanns Wahrnehmung zurecht
(Teil 2)
BKA-Mann Martin V. konnte so berichten, dass er nur dann Wischproben
genommen hätte, wenn ihm etwas Verdachterregendes untergekommen
wäre, aber das fand sich weder in den Räumen, noch im
Fahrstuhl und auch nicht im Fahrstuhlschacht. Um 13.45 Uhr habe
er die Durchsuchung abschließen können, ohne dass etwas
gefunden wurde: "Ich habe die Durchsuchung abgeschlossen, denn ich
war fertig in meinem Bereich. Eine Weisung dazu hat es nicht gegeben."
Mit Nikole B. (31) kam erstmals eine BKA-Beamtin als Zeugin zu
Wort, die sich die Hände schmutzig machen musste, denn sie
war einem Durchsuchungsteam als Unterstützungskraft zugeteilt.
Sie hatte Lager- und Ausstellungsräume sowie Keller zu durchsuchen,
konnte bis zum Mittag jedoch ebenfalls "keine beweiserheblichen
Gegenstände sicherstellen" und wurde sodann dem Team zugeteilt,
dass den von Mousli eigentlich 'mal als angebliches Versteck bezeichneten
Fahrstuhl mitsamt dem dazugehörigen Schacht durchsuchte. Dort
habe man zwar eine Metallplatte auf dem Boden gefunden, aber kein
Depot. Vielmehr hätten sich darunter Kabel befunden, und auch
die zum Einsatz gebrachten Sprengstoffspürhunde hätten
dort ebenso wenig angeschlagen wie im Fahrradladen, der zu ihrem
ersten Einsatzbereich gehörte. Etwas irritierend antwortete
sie sodann auf die Frage, ob sie sagen könne, wie groß
etwa der Raum gewesen sei, in dem sie die Metallplatte gefunden
habe, "ich kann das jetzt nicht in Quadratmetern schätzen,
das geht zu weit." Unvereidigt konnte sie sodann - wie schon zuvor
ihre Kollegen - abtreten.
Martin Sch. (34), unser BKA-Mann aus dem schönen Städtchen
Wenden, war "Durchsuchungsleiter für den Unterabschnitt 6,
also den südöstlichen Teil des MehringHofes", hatte mit
12 Leuten das größte Team und von 07.15 Uhr bis 11.00
Uhr durchsucht, aber ebenfalls "nichts sichergestellt." Zwar habe
es in dem Komplex "grundsätzlich geeignete Räumlichkeiten"
für etwaige Sprengstoff- und Waffendepots gegeben, doch hätten
er und seine Kollegen keinen Ort gefunden, der dafür tatsächlich
in Frage gekommen wäre: Wir haben sehr genau durchsucht, waren
zügig fertig, weil in den Räumen nur wenig Inventar war,
und haben nichts gefunden." Er habe mit "durchweg erfahrenen Kollegen"
gearbeitet und - anders als der noch immer murrende Alban (A) zu
fragen müssen meinte - "keine Musik-, sondern eine Karateschule
durchsucht."
Zeitliche Vorgaben habe es vor Ort nicht gegeben, die Bundesanwälte
seien zwar anwesend gewesen, hätten aber solche Anweisungen
ebenfalls nicht gegeben. Das sei auch nicht der Fall gewesen bei
der Vorbesprechung zur Durchsuchung, die am Abend des 18. Dezember
1999 im 'Hotel Estrel' stattgefunden hatte. Bei dieser Einweisung
mit "fast allen Beteiligten" habe man auf Schächte und Platten
hingewiesen, die besonders zu beachten seien, er habe "auch etwas
zu Lesen bekommen", aber zeitliche Beschränkungen habe es nicht
gegeben: "Wir haben aufgehört, denn wir waren da durch."
So war es dann auch an diesem Prozesstag - er hörte auf, denn
man 'war da jetzt durch.'
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