27.06.2003
In der Strafsache
./. Harald Glöde u.a.
- 2 StE 11/00 (4/2000)
wird beantragt,
die Ermittlungen zu dem Sprengstofffund am 1.5.1998 in Kempen/
NW, Engerstraße 6
beizuziehen.
Aus der Ermittlungsakte wird sich folgendes ergeben:
1.
Unter der angegebenen Adresse wurde Sprengstoff aus dem Diebstahl
in Salzhemmendorf (4.7.1987) am 1.5.98 aufgefunden.
2.
Nachdem die Sprengstoffsofortmeldung abgesetzt war, meldete das
BKA, daß Sprengstoff mit dieser Bezeichnung dem Sprengstoffdiebstahl
von Salzhemmendorf zuzuordnen sei und ein RZ- Bezug bestehe.
Daraufhin übernahm das BKA - St 13 - und zwar die zuständigen
Beamten EKHK Schulzke und KOK Trede die Ermittlungen.
Begründung:
Der Sachstandsbericht vom 22.9.1998 ist unterzeichnet von KOK Trede
und EKHK Schulzke mit dem Stellenzeichen St 13. In diesem Sachstandsbericht
werden auf Seite 3-5 als Sprengstoffunde aus dem Diebstahl in Salzhemmendorf
der Fund vom 2.12.1992 in Duisburg, das Depot in Bielefeld vom 21.9.1988
und der Fund bei S. 1995 aufgeführt.
Im Sachstandsbericht vom 20.8.1999, unterzeichnet von KOK Trede
und kontrolliert von EKHK Schulzke werden auf den Seiten 5-8 ebenfalls
nur diese drei Funde genannt.
Die Nachlieferung des BfV vom 27.5.2003 enthält einen wöchentlichen
Lagebericht des BKA (Nr. 21/99) vom 28.Mai 1999, der erstmals einen
weiteren Sprengstofffund aus Mai 1998 in Kempen aufführt.
Inhalt dieses Lageberichts ist ein Bericht über die Festnahme
Tarek Mouslis am 19.5.1999, den Sprengstofffund bei S. am 6.4.1995
und der bisherigen Sprengstofffunde aus dem Diebstahl Salzhemmendorf.
Aufgelistet werden im einzelnen:
"Sprengstoff aus dem o.g. Diebstahl wurden später auch
in folgenden Depots aufgefunden:
- am 21.9.1988 in einem Erddepot in einem Waldstück bei Bielefeld
- am 02.12.1992 in Duisburg (geschwärzt) Keller des (geschwärzt)
- am 01.05.1998 in Kempen/NW, Engerstraße 6 (Keller des
Wohnobjektes des (geschwärzt)"
Der wöchentliche Lagebericht (Bl. 93) nennt ausdrücklich
als Quelle BKA- ST 13.
Bei BKA ST 13 sind seit Anfang 1998 federführend EKHK Schulzke
und KHK Trede tätig.
Außer in diesem jetzt übersandten wöchentlichen
Lagebericht tauchte der letzgenannte Fund weder in den hiesigen
Ermittlungsakten, noch in den Zeugenvernehmungen der Zeugen Schulzke
und Trede, noch in deren Sachstandsberichten, noch in der Anklage
auf.
Dies obwohl sich die hiesige Beweisaufnahme mit sämtlichen
Sprengstofffunden aus dem Diebstahl in Salzhemmendorf beschäftigt
hat.
Der Zeuge Schulzke gab in seiner Vernehmung am 7.6.2001 in der
Hauptverhandlung auf die Frage nach Tatmitteln der RZ folgendes
an:
" 1987 wurden 110 kg Gelamon und 22,5 kg Hablastit in Salzhemmendorf
gestohlen.
Dieser Sprengstoff befand sich in Bielefeld, Duisburg und bei Mousli.
Eingesetzt wurde er in Braunschweig, bei den Anschlägen auf
die Siegessäule in Berlin und die Staatskanzlei in Düsseldorf"
Die Beiziehung der Akte ist für die Beurteilung der Schuld-
und Straffrage erheblich.
Mousli behauptete, es habe sich ein Sprengstoffdepot im Mehringhof
befunden und aus diesem Depot habe er ca. 10 kg von Sigi 1995 erhalten.
Die Beweisaufnahme hat bisher erbracht, daß weder Spuren von
Sprengstoff im Mehringhof nachweisbar waren, noch sich bei der Durchsuchung
ein geeigneter Ort für ein Depot fand, noch eine Grube im Fahrstuhlschacht
oder den umliegenden Räumen entdeckt wurde, wie von Mousli
beschrieben. Damit deutet alles darauf hin, daß es ein solches
Depot im Mehringhof nie gegeben hat.
Es drängt sich auf, daß der bei Mousli entwendete und
der im Seegraben aufgefundene Sprengstoff nicht aus dem Mehringhofdepot
stammt, sondern aus Kempen.
Damit wäre dies ein weiterer Beleg, daß die Aussage
des Zeugen Mousli zum Mehringhofdepot unzutreffend ist.
Geht man darüberhinaus von der Aussage S. aus, dass er den
gesamten Sprengstoff aus dem Keller in der Sporttasche entwendet
hat, bleibt bisher offen, woher der Sprengstoff stammt, den Mousli
entsorgt haben will. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der
im Seegraben aufgefundene Sprengstoff mit dem festgestellten Fund
in Kempen identisch ist.
Entlastende Ermittlungen vom BKA wurden auch in der Vergangenheit
entweder unterschlagen oder erst gar nicht geführt:
- Erst im März 2003 tauchten die Ermittlungen in Bezug auf
die konspirative Wohnung in der Oranienstraße vom Februar
und März 2001 auf.
- Serien von Telefonüberwachungen wurden systematisch aus
der Ermittlungsakte herausgehalten und es wurde durch Aufzählung
der vorhandenen TÜs suggeriert, die Auflistung sei abschließend
und vollständig.
In den verschwiegenen Telefonüberwachungen befand sich z.B.
das Telefonat, in dem der Zeugenschützer Torsten, informiert
über die laufenden Ermittlungen, der Zeugin Janet Olbrich mitteilt,
"jetzt brauche sie nicht mehr zu lügen" und das Telefonat
Mouslis mit seiner Mutter vom 19.9.1999, in dem dieser erwähnt,
er sei dreimal mit dem BKA beim Seegraben gewesen, obwohl in der
Akte nur ein Seegrabengang dokumentiert ist und zufällig in
der Hauptverhandlung ein zweiter zusammen mit Trede nach der Freilassungs
Mouslis zu Tage trat.
Ein dritter Gang wurde von Trede nicht ausgeschlossen.
- Fotos vom Diebstahlsort des Tatfahrzeuges vom Anschlag Korbmacher
in der Bernhardstraße wurden Mousli nicht vorgehalten.
- die Beschreibung des Baus des Sprengsatzes bei der ZSA wurde
phantasievoll geglättet. Erst auf Antrag der Verteidigung
konnte nachgewiesen werden, daß eine Kombination von Unkraut-Ex
und TNT ausgeschlossen ist.
Da als Quelle der Erkenntnis im Lagebericht des BKA ausdrücklich
aufgelistet wurde "BKA ST 13" und EKHK Schulzke und KOK
Trede als zentrale Ermittlungsbeamte in dieser Abteilung gemeinsam
seit Anfang 1998 tätig waren, drängt sich die Frage auf,
warum der Sprengstofffund vom 1.5.1998 in Kempen bis jetzt unterschlagen
wurde.
Die Beweisaufnahme hat bisher noch keine Erklärung folgender
Ungereimtheiten ergeben:
Trotz zweimaliger intensiver Suche am Seegraben wurde an den von
Mousli beschriebenen Einwurfstellen kein Sprengstoff gefunden. Erst
nach seiner Haftentlassung am 7.7.1999 und einem nicht aktenkundig
gemachten Seegrabenbesuch mit KOK Trede wurde das Sprengstoffpaket
hinter einem Wehr, entgegen der Fließrichtung 68 m vom eigentlichen
Einwurfort entfernt am 24.8.1999 sichergestellt. Die Erklärungsversuche
des BKA und der BAW, die Fließrichtung des Gewässers
habe sich geändert oder es habe eine Überschwemmung gegeben,
konnten durch die Beweisaufnahme widerlegt werden.
- Daß der Sprengstoff erst sehr viel später als von
Mousli behauptet in den Seegraben eingeworfen worden ist, ergibt
sich u.a. aus den Gutachten von Dr. Kolla und Dr. Hartwig.
- Karmen T. bekundete, daß der Zeuge Mousli den Seegraben
zum angeblichen Wegwerfzeitpunkt, 28.3.1995, noch nicht gekannt
habe.
- Tarek Mousli stand im Sommer 1999 unter erheblichem Druck, seine
Glaubwürdigkeit zu beweisen und diese hing ganz offensichtlich
davon ab, daß man Sprengstoff findet.
Es wird beantragt,
nach der Beiziehung der Ermittlungsakte zum Sprengstoffund Kempen
die Zeugen EKHK Schulzke und KOK Trede
erneut zu laden und zu hören.
Trotz Belehrung machten beide Zeugen in der Hauptverhandlung unvollständige
und damit falsche Angaben, indem sie den ihnen bekannten Sprengstofffund
in Kempen nicht erwähnten, obwohl er ihnen bekannt war.
Die Aussagegenehmigungen der beiden Zeugen geben keinen Hinweis
darauf, daß sie nur eingeschränkt hätten aussagen
dürfen.
Würdinger, Rechtsanwältin
Studzinsky, Rechtsanwältin
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