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Verteidigung

25.09.2002

In der Strafsache

g e g e n

Rudolf Schindler u.a.

  1. 2 StE 11/00 (4/00)

wird zum Beweis dafür, dass der Zeuge Tarek Mousli gelogen hat, als er zunächst behauptete, er habe im Jahr 1995 nach einem Einbruch im Keller seiner Wohnung in Berlin Reste von nicht gestohlenem Sprengstoff, verpackt in blauer Plastikhülle, in den Seegraben nördlich der Schönerlinder Chaussee, Ortsteil Buch, Land Berlin, geworfen und er habe bei sich anschließenden Spaziergängen die blaue Plastikhülle im Wasser an der Einwurfstelle "durchschimmern" sehen, um in der Folge zu behaupten, es sei möglich, dass er sich bei seiner Erstangabe geirrt habe, denn möglicherweise habe er den blauen Plastiksack, der den Sprengstoff enthielt, nicht in der Höhe des Parkplatzes am Seegraben, sondern im weiteren Verlauf des Seegrabens in Richtung Norden in diesen geworfen.

beantragt,

1. eine Ortsbesichtigung am Seegraben nördlich der Schönerlinder Chaussee, Ortsteil Buch, Land Berli, entlang des Parkplatzes neben dem Seegraben und entlang des vom Parkplatz wegführenden Gehwegs bis zum tatsächlichen Auffindeort des Sprengstoffpakets in Höhe 195,7 m vom Handlauf des Nordrandes der Brücke über den Seegraben an der Schönerlinder Chaussee durchzuführen;

2. zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag zu 1. die in der Anlage beigefügten Lichtbilder in Augenschein zu nehmen.

Begründung:

1. Die Grundüberlegung ist so schlicht wie einfach:

Wenn jemand wie Tarek Mousli, den die Verteidigung für einen mindestens durchschnittlich intelligenten Mann erachtet, einmalig in seinem Leben ein Paket mit mehreren Kilogramm Sprengstoff, den er illegal in Besitz hat, in den allseits bekannten Seegraben werfen würde, dann könnte er nicht vergessen, wo die Einwurfstelle war, denn:

  • Tarek Mousli behauptet, den Seegraben schon vor der Entsorgung des Sprengstoffpaketes im Frühjahr 1995 gekannt zu haben, weil er dort mit oder ohne Hunde spazieren gegangen sei,
  • nach eigenem Bekunden will er nach einigem Überlegen sich für den Seegraben als Entsorgungsort entschlossen haben,
  • angeblich ist er bewusst mit einem Pkw aus Berlin-Stadt kommend über die Schönerlinder Chaussee auf den Parkplatz neben den Seegraben gefahren, dort ausgestiegen und hat das Sprengstoffpaket ohne etwa im Dunkeln zu tappen oder durch Dritte irgendwie irritiert zu sein weggeworfen.

Wenn er dann, nachdem er im Jahre 1999 2 Monate lang Zeit hatte (1. Festnahme: 14.04.1999; Bd. 14, Bl. 268), sich Gedanken über eine Aussage zu dem angeblich bereits 4 Jahre zuvor entsorgten Sprengstoff zu machen, angibt, er habe das Sprengstoffpaket im Frühjahr 1995 neben dem Parkplatz in den Seegraben geworfen und auch noch eine Skizze anfertigt, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt, und darauf die Einwurfstelle markiert, kann er später - vernünftigerweise - nicht damit gehört werden, die Einwurfstelle liege möglicherweise außerhalb des Parkplatzes, womöglich über 100 m weit entfernt, denn:

  • wie die Kollegin Lunnebach bereits in ihrem Antrag auf Inaugenscheinnahme des Seegrabens vom 10.07.2002 formuliert hat: Der Parkplatz neben dem Seegraben ist im Verhältnis zu seiner Umgebung außerhalb ein unverwechselbarer Ort,
  • wer den ca. 8 m breiten Parkplatz in Richtung Norden verlässt, bemerkt dies, denn er geht an einer Sperrschranke vorbei und ab dieser Stelle auf einem schmalen Pfad, der sich nach einigen Metern auf unter 50 cm Breite verjüngt,
  • der Gras-, Baum- und Strauchbewuchs entlang des Pfades wechselt auf der linken (westlichen) Seite ständig in Formation, Intensität und Entfernung zum Pfad, was nicht zu übersehen ist,
  • mit anderen Worten: Parkplatz und sich anschließender Weg entlang des Seegrabens gleichen nicht etwa einem Tunnel, in den man "eintaucht" und später nicht mehr genau abschätzen kann, wie tief man fortgeschritten ist.

Nur eine Ortsbesichtigung kann beweisen, dass die Örtlichkeiten so aussehen und gelegen sind, wie oben skizziert und dass die gezogenen Schlussfolgerungen zwingend sind.

Fragen oder Kommentare zu Fragen von Prozessbeteiligten, die den Parkplatz und den Seegraben betreffen, zeigen immer wieder, dass eine zutreffende Vorstellung von den dortigen tatsächlichen Gegebenheiten nicht besteht und offenbar auch - entgegen dem Beschluss des Senats über den genannten Antrag der Kollegin Lunnebach - nicht durch Zeugenaussagen und in den Akten befindliche Fotos und Skizzen hergestellt werden kann.

Die in der Anlage überreichten Fotos verschaffen unter Berücksichtigung der beigefügten Legende zumindest einen besseren Eindruck von dem tatsächlichen Aussehen des Parkplatzes und seiner Umgebung und den "Sichtverhältnissen" entlang des Weges parallel zum Seegraben.

2.

Tarek Mousli hat in der Hauptverhandlung vom 03.01.02 bestätigt, was KOK Trede bereits in seiner Zeugenvernehmung vom 13. und 14.12.01 erstaunlicherweise präzise angegeben hatte, dass man nämlich schon bei der Ausführung mit Tarek Mousli am 16.06.1999 über die Fließrichtung des Seegraben, nämlich von Norden nach Süden, gesprochen hat. Danach war also eindeutig, dass vom Parkplatz als Einwurfstelle sich nichts von selbst nach Norden bewegen konnte.

Hätte Tarek Mousli also am 17.06.1999 - über die negative Absuche des Seegrabens neben dem Parkplatz vom 16.06.1999 informiert - gesagt: "Wenn das so ist, muss jemand das Paket da rausgenommen haben oder es ist in Richtung Süden 'abgeschwemmt' worden", und : wenn er dabei geblieben wäre(!), hätte man ihm schwerlich beweisen können, dass er lügt.

Jedes Abrücken aber von der Erstaussage "in Richtung Norden", gar über den Parkplatz hinaus, über die Staustufe hinweg und ohne Begrenzung in Richtung Norden, musste angesichts der oben skizzierten objektiven Gegebenheiten von vornherein aussagepsychologisch als Beweis dafür gewertet werden, dass bereits die Erstaussage eine Lüge war.

Das Motiv für eine solche Lüge ist naheliegend:

  • Tarek Mousli wollte vortäuschen, er habe den nicht gestohlenen Restsprengstoff - wenn es ihn denn tatsächlich gegeben hat - beseitigt und:
  • er wollte kooperatives Verhalten vortäuschen.

Dass man ihm in seinen ständig wechselnden Angaben nach dem 16.06.1999 kritiklos gefolgt ist, dass man ihn nach dem Auffinden des Sprengstoffs, ca. 140 m von der erstbezeichneten Einwurfstelle entfernt ohne weitere Fragen und Vorhalte zu seiner Erstaussage "zurückfinden" lässt, kann aus der Sicht der Verteidigung nur als kriminalistisches Desaster bezeichnet werden.

3.

Um diese Wertung nachvollziehen zu können, muss der Weg entlang des "Glaubens", den die Beamten des Bundeskriminalamtes Trede und Barbian Tarek Mousli geschenkt haben, noch einmal nachgezeichnet werden.

a) Tarek Mousli hat in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 16.06.1999 (Bd. XIV, B. 304 ff) folgendes angegeben:
"Nach dem bekannten Einbruchsdiebstahl in meinem Keller, habe ich den restlichen Sprengstoff, den der Einbrecher im Keller zurückgelassen hatte, an einen bestimmten Ort verbracht. Ich will gerne versuchen, mit ihnen zusammen den Lageort dieses restlichen Sprengstoffes aufzufinden. Ich meine mich noch sehr gut erinnern zu können, wo ich ihn hingebracht habe...Herr Staatsanwalt Monka hat mir soeben einen Stadtplan von Berlin zur Verfügung gestellt. Anhand dieses Stadtplanes...kann ich den Lageort sehr präzise beschreiben. Es handelt sich um einen etwas Wasser führenden Graben quer zur Schönerlinder Chaussee. Ich habe auch aus meiner Erinnerung eine handschriftliche Skizze während der Vernehmung angefertigt, aus der sich der mutmaßliche Fundort ergibt...Ich habe natürlich überlegt, wohin damit. Diese Stelle kannte ich." (a.a.O305,306)

Die angefertigte Skizze befindet sich zwar nicht in der Anlage der Beschuldigtenvernehmung vom 16.06.1999, die Akte enthält sie aber als Anlage zu einer Vernehmung der Zeugin Karmen Tollkühn vom 06.07.1999. Sie ist in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden und befindet sich beim Protokoll der Hauptverhandlung. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen, sie wird zum Gegenstand dieses Antrags gemacht. Der Einfachheit halber füge ich sie noch einmal in der Anlage in Kopie bei. Auf der Skizze ist neben dem Seegraben in Höhe der Mitte des oben genannten Parkplatzes ein Zeichen zu sehen, das die Einwurfstelle bezeichnen soll. Tarek Mousli hat die Skizze in der Hauptverhandlung vom 03.01.2002 als von ihm angefertigt anerkannt. Nach vielen Wechseln in seiner Aussage hat er am 03.01.02 auch die Interpretation des genannten Zeichens als richtig bezeichnet.

b) Aufgrund der Angaben Tarek Mouslis am Morgen des 16.06.1999 wurde am Nachmittag desselben Tages der Seegraben durchsucht. Darüber ist von den Zeugen des Bundeskriminalamtes Schulzke und Trede am 22.06.1999 ein Bericht erstellt worden, in dem es wie folgt heißt:
"In der Zeit bis 16.30 Uhr führte der Beschuldigte aus, wie er den Sprengstoff wo in den Graben geworfen haben will...gegen 18.45 teilte Herr Achtermeyer fernmündlich mit, dass der Gesamtbereich des Grabens, den der Beschuldigte bezeichnet hatte, durchsucht worden sei, Sprengstoff sei nicht aufgefunden worden.(Bd. XIV, Bl. 316)

In dem Bericht ist erkennbar nicht die Rede davon, der Seegraben sei außerhalb des Bereichs des Parkplatzes durchsucht worden oder Tarek Mousli oder sonst jemand habe sich außerhalb des Bereichs des Parkplatzes etwa entlang des in Richtung Norden verlaufenden Weges bewegt.

Diese Einschätzung hat ausnahmsweise durch Tarek Mousli Bestätigung gefunden, der in der Hauptverhandlung vom 03.01.02 auf eine entsprechende Frage von mir folgendes angegeben hat:
"Wir haben uns an dem Tag der ersten Ausführung zum Seegraben nur am Parkplatz aufgehalten."

c) Am 17.06.1999 gab Tarek Mousli in der JVA Berlin-Moabit gegenüber KOK Trede nach einem Besuch seiner damaligen Lebensgefährtin Jeanette Olbricht und Frank Zampich an,
"er könne nicht ausschließen, dass er nach dem Parken seines Pkw am Schrankenbereich des hinteren Parkplatzes hinter die Absperrung des Weges in den Wald hineingegangen sei und im weiterführenden Bereich des Wassergrabens den restlichen Sprengstoff geworfen habe."(Bd. XIV, 212)

Eine Vernehmung zu diesem Abgehen von seiner Aussage vom Vortag fand nicht statt, Überlegungen, die irgendwelche Vorhalte ermöglicht hätten, hat es offensichtlich nicht gegeben. Dabei lag die von Tarek Mousli gefertigte Skizze mit der markierten Auffindestelle doch vor.

d) Daraufhin wurde am 17.06.1999 "der zusätzliche Graben" durch die Taucher der 1. TEE von 14.10 Uhr bis 16.55, also immerhin mehr als 2,5 Stunden, mit negativem Ergebnis durchsucht. (Bd. XIV, Bl. 317).

Auch im Anschluss an dieses Ereignis fahndet man vergeblich nach einer weiteren Vernehmung und ggf. entsprechenden Vorhalten aufgrund von Überlegungen, die sich an die veränderte Aussage und das Durchsuchungsergebnis hätten anschließen müssen.

e) Am Abend des 06.07.1999 erfuhren die Beamten des Bundeskriminalamtes Trede und Barbian von der Zeugin Karmen Tolkühn, einer weiteren früheren Lebensgefährtin von Tarek Mousli, dass dieser zum Zeitpunkt des von ihm behaupteten Wegwerfens des Sprengstoffes in den Seegraben diesen noch gar nicht kannte. Karmen Tollkühn wurde von 20.45 Uhr bis 23.30 Uhr vernommen. Das Protokoll über ihre Vernehmung enthält folgende Passage:

"Frage:
Frau Tollkühn, Ihnen wurde mitgeteilt, dass der letzte Vorladungstermin ausgefallen sei aufgrund eines Einsatzes hinsichtlich der Suche des von Tarek Mousli beiseite geschafften Restsprengstoffes. Über dieses Thema kam es noch einmal zu einem Gespräch mit Ihnen, in dem Sie angaben, dass die Suche nach diesem Sprengstoff umsonst gewesen sein müsste, da er die Stelle im Waldgebiet in Buch zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte. Können Sie dies noch einmal genauer erläutern?

Antwort:
Hierzu muss ich anmerken, dass dies alles mit dem Hund Laika' zu tun hatte, den wir im Juli 1995 gekauft hatten...Bis ca. September 1995 hatte der Hund aufgrund seines Vorlebens' starke Angst vor Männern und somit auch vor Tarek, sodass ein alleiniges Ausführen des Hundes durch Tarek nicht möglich war. Dieses Ausführen geschah in allernächster Umgebung zu unserer damaligen Wohnanschrift in der Schönhäuser Allee 46 a. Nachdem sich im Herbst 1995 der Hund an Tarek gewöhnt hatte wurde dieses Ausführen auch in die weitere Region um unseren Wohnort verlegt. Aufgrund der Tatsache, dass meine Eltern am nordöstlichen Stadtrand von Berlin, in Buchholz wohnen, haben wir uns auch in diese Region begeben. Tarek lernte in dieser Region erst nach und nach das Waldwegenetz und die Parkplätze kennen. Er führte den Hund immer öfter allein aus...Als Anlage wurde mir eine Kopie der Straßenkarte...von Berlin-Buch sowie eine Kopie einer handgefertigten Wegbeschreibung (Anlage 5) zur besseren Erklärung vorgelegt. Sowohl in der Kopie der Straßenkarte wie auch in der Kopie der Wegbeschreibung wurde von mir der Parkplatz wiedergefunden und markiert. Parallel dieses Waldparkplatzes befindet sich ein Wassergraben, der sich in den Wald weiter fortsetzt. Weitere Besonderheiten zu diesem Parkplatz sind eine hölzerne Umzäunung sowie eine Schranke zum weiteren Verlauf der Waldwege.
Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, dass Tarek diesen Parkplatz zum Zeitpunkt des Beiseiteschaffens des Sprengstoffes im Frühjahr 1995 bereits kannte." (Bd. XIV, Bl. 199 ff, 201, 202)

Die der Zeugin Tollkühn vorgelegte handgefertigte Wegbeschreibung ist die von Tarek Mousli erstellte Skizze. Auf ihr ist die Markierung durch die Zeugin Tollkühn mit einem "X Parkplatz" zu sehen sowie die Unterschrift der Zeugin daneben. Sie hat bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung diese Markierung als von ihr gefertigt anerkannt.

f) Am darauffolgenden 07. Juli.1999 hat Tarek Mousli im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung in Gegenwart der Zeugen Trede und Barbian erneut Angaben zu der angeblichen Entsorgung des Sprengstoffs im Jahr 1995 gemacht (Bd. XIV, Bl. 241 ff).

Zunächst muss er dieselben Angaben wie bei seiner Vernehmung vom 16. Juni 1999 durch Staatsanwalt Monka von der Bundesanwaltschaft gemacht haben, denn dies ist in dem Protokoll so festgehalten (Bl. 243). Darauf ist ihm die Niederschrift dieser Vernehmung noch einmal vorgelesen worden und er hat nach dem Protokoll erklärt:
"Was ich damals gesagt habe ist richtig. Ich mache es auch zum Gegenstand meiner heutigen Vernehmung.
Hinzufügen möchte ich allerdings etwas zu dem Ort, an welchem ich den Sprengstoff weggeworfen habe. Am 16. Juni 1999, im Anschluss an die vorhin genannte Vernehmung, hatten die Beamten des Bundeskriminalamtes mich an den von mir bezeichneten Ort geführt. Ich hatte den besagten Grabenverlauf gezeigt und mich schon etwas gewundert, dass ich den Sprengstoff nicht selbst sehen konnte. Sowohl Herr Staatsanwalt Monka als auch ich kehrten noch vor Abschluss der Suche zurück. Am nächsten Tag wurde mir gesagt, dass in dem Graben kein Sprengstoff gefunden werden konnte. Ich habe dann damals, und das entspricht auch meiner heutigen Ansicht, gemeint, dann müsse man eben den Grabenverlauf noch weiter verfolgen bis in den Wald hinein. Natürlich könnte es auch möglich sein, dass unbekannte Dritte das Material zwischenzeitlich entfernt haben...Nochmals zu dem Ort, an dem ich mich des Sprengstoffs entledigt habe: es ist richtig, ich wohnte damals noch Prenzlauer Berg und ich hatte auch damals meine Hunde nicht. Dennoch bleibe ich dabei, dass ich dort das Material weggeworfen habe. Ich war auch schon vor dem Besitz meiner Hunde viel spazierengegangen. Wenn man aus Prenzlauerberg hinausfährt, liegt der Graben bei Buch relativ nahe. Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich auch mit Karmen Tollkühn dort einmal spazieren gegangen bin.
Wie mir gerade erklärt wurde, ist der von mir bezeichnete Graben bereits intensiv erfolglos abgesucht worden. Mir ist das ein Rätsel, welches ich nicht lösen kann. Zwar gibt es noch einen ähnlichen Graben, doch glaube ich nicht, dass der ernsthaft in Betracht kommt. Vielleicht ist aber einen Suche dort dennoch sinnvoll." (a.a.O Bl. 243, 246).

Auch angesichts der geradezu grotesken "Erwägung" Tarek Mouslis, eine Suche nach dem Sprengstoff an einem ähnlichen Graben könne sinnvoll sein - womöglich meinte er den nun wirklich entfernt liegenden Lietzengraben - , erfolgte eine Vernehmung zu dieser Aussage ebenso wenig wie zu den Angaben von Karmen Tollkühn, wenn diese auch Gegenstand von Fragen gewesen sein müssen. Die Aussage von Karmen Tollkühn, dass Tarek Mousli zu dem von ihm bezeichneten Zeitpunkt den Seegraben noch gar nicht kennen konnte, wurde zwar ernst genommen, denn sie führte zu einem Kontaktverbot Tarek Mouslis zu ihr (a.a.O, Bl. 247) aber nicht zu Folgerungen für die Interpretation der Aussage von Tarek Mousli.

g) Für den darauffolgenden 08. Juli 1999 haben sich offenbar die Zeugen Trede und Barbian vom Bundeskriminalamt mit dem Beschuldigten Tarek Mousli verabredet, zum Seegraben zu fahren. Nach Angaben von KK Barbian in der Hauptverhandlung haben er und KOK Trede Tarek Mousli am 08.07.1999 um 9.00 Uhr in Berlin abgeholt und ihn gegen 14.00 Uhr nach dort zurückgebracht. Zwischendurch war man offenbar am Seegraben und lief diesen länger als 10 Minuten entlang, also nicht nur weit über den Bereich des Parkplatzes, sondern auch über den späteren Sprengstoffauffindeort hinaus: Tarek Mousli mit KOK Trede vornweg, KK Barbian immer in einem Abstand dahinter, dass er die Gespräche zwischen Tarek Mousli und Trede nicht mithören konnte - so seine Angaben in der Hauptverhandlung vom 19.09.2002 - und später hat KK Barbian darüber auch nichts erfahren, was er heute noch erinnern könnte. Hinter ihm lief ein Beamter des Forstamtes Buch, über dessen Wahrnehmungen bisher nichts bekannt ist.

KOK Trede erwähnte diese Begehung des Seegrabens vom 08.07.1999 in seiner Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung am 13. und 14.12.01 überhaupt nicht, wird daran dann unter bislang nicht aufgeklärten Umständen wieder "erinnert", um dann in den Hauptverhandlungen vom 29. 08. und 06.09.2002 zu erklären, sich an Gespräche, die er am 08.07.1999 mit Tarek Mousli geführt hat, nicht erinnern zu können.

Tarek Mousli hat in der Hauptverhandlung vom 03.01.2002 auf Fragen der Vorsitzenden nach meinen Mitschriften zu der Begehung vom 08. Juli 1999 folgendes ausgesagt:
"Ich bin mit Herrn Trede etwa 10 bis 20 Minuten am Graben entlanggelaufen. Wir haben nichts gesehen. Wir sind auch noch einen anderen Graben entlanggelaufen, ich habe mich dann aber auf den ersten Graben festgelegt."

Über die Ereignisse vom 08. Juli 1999 existieren weder Aktenvermerke noch ist Tarek Mousli zu den Ereignissen dieses Tages vernommen worden, was aber erkennbar nahegelegen hätte: läuft man nur 5 Minuten vom Parkplatz am Seegraben in Richtung Norden entlang, hat man sich derartig weit von dem Parkplatz und damit der erstbezeichneten Wegwerfstelle entfernt, dass auch dem letzten durchschnittlich gebildeten Kriminalisten klar sein muss, was von der Glaubwürdigkeit eines Tarek Mousli zu halten ist, ganz zu schweigen von dessen offenbar tatsächlich angestellter Erwägung, ein anderer als der Seegraben komme in Betracht.

Am 24. 08.1999 wurde dann "im Seegraben...vom Fixpunkt, Handlauf der Brücke über den Seegraben (Schönerlinder Chaussee) in Richtung Norden (Lietzengraben) 195,7m entfernt unter der Dünnschlickschicht mittig im Seegraben" ein Paket mit 24 Stangen Gelamon 40 Sprengstoff gefunden (vgl. Bericht KOK Trede vom 20.09.1999, S. 2).

h) Am 05.10.1999 ergab sich im Rahmen einer Vernehmung Tarek Mouslis durch KOK Trede und EKHK Schulzke folgender Vorgang:

"Vorhalt:
Herr Mousli, in Ihrer letzten Vernehmung führten Sie aus, dass Sie 1995 Sprengstoff in einen Graben in der Nähe von Buch geworfen hätten. Sie begaben sich am 16.06.1999 mit uns zu dem angeblichen Einwurfort. Die ersten Überprüfungen an der Einwurfstelle verliefen negativ. Sie führten weiter aus, dass Sie den Sprengstoff möglicherweise auch in einen Teil des Grabens geworfen haben könnten, der etwas weiter im Wald liegt. Bei späteren Durchsuchungsmaßnahmen wurden auch diese Bereiche mit einbezogen.
Herr Mousli, Ihnen werden Lichtbilder eines Pakets vorgelegt, das bei einer dieser Aktionen aufgefunden werden konnte.
Kann es sich um das Paket handeln, das Sie in den Graben eingeworfen haben?...

Antwort:
Ich glaube ja. Ich kann mich daran erinnern, dass es sich um ein Paket gehandelt hat, das in eine blaue Plastiktüte eingewickelt war. An die hier erkennbaren Klebestreifen vermag ich mich nicht zu erinnern...

Vorhalt:
Herr Mousli, an der Stelle des Seegrabens, die Sie zuerst bezeichneten, wurde der Sprengstoff nicht aufgefunden. Entgegen der Fließrichtung des Seegrabens lag der Sprengstoff ca. 168 m von der Brücke an der Schönerlinder Chaussee entfernt. An der Stelle, die Sie als Einwurfstelle bezeichneten, konnte dieser mit Plastikstreifen umwickelte Wecker aufgefunden werden. Herr Mousli, Ihnen werden die Lichtbilder 14 und 15 der Lichtbildmappe vorgelegt. Haben Sie diesen Wecker in den Graben geworfen?

Antwort:
Ich kann mich daran erinnern, dass es eine Tasche war, die mir in den Keller gestellt worden ist. Nach dem Einbruchsdiebstahl war diese Tasche weg und Gegenstände aus dieser Tasche z.B. ein blaues Paket und blaue Plastiksäcke, die im Gang lagen, lagen im und vorm Keller herum. Diese Gegenstände packte ich ein und entsorgte sie an der erstbezeichneten Stelle. Ich bin mir da sicher, weil ich bei späteren Spaziergängen das Blau des Plastiksackes aus dem Wasser durchschimmern sah. An diesen Wecker, der auf den beiden Lichtbildern abgebildet ist, kann ich mich nicht erinnern." (Bd. XIV, Bl. 322 ff).

Aus diesem Protokoll ergibt sich also mit hinreichender Deutlichkeit, dass Tarek Mousli am 05. Oktober 1999 zu seiner Aussage vom 16.06.1999 "zurückgekehrt" ist. Vorhalte über frühere Abweichungen davon, die bis zu der Alternative "anderer Graben" reichten, werden ihm nicht gemacht. Bei diesem Verhalten der Kriminalisten des Bundeskriminalamtes mag Herr Mousli gedacht haben, jetzt könne er ja wohl zu der Erwägung zurückkommen, dass jemand an der erstbezeichneten Wegwerfstelle den Sprengstoff herausgenommen und ihn an der Auffindestelle seinerseits entsorgt hat.

Dass dieses Hin und Her sich bis in die Hauptverhandlung fortgesetzt hat, ergab sich nicht nur aus einer Aussage Tarek Mouslis darüber, dass er sich angeblich plötzlich wieder daran erinnerte, die Klebestreifen auf der Plastikumhüllung des Sprengstoffpakets angebracht zu haben.

Auf eine entsprechende Frage der Frau Vorsitzenden antwortete er in der Hauptverhandlung vom 03.01.2002
"Ich habe die aufgefundenen Teile im Keller in eine neue Plastiktüte getan. Am frühen Abend bin ich zum Seegraben gefahren und von dort ein Stück gelaufen."
Um dann auf eine entsprechende Frage von mir gegen Ende der Hauptverhandlung auszuführen:
"Ich habe die Skizze an der Stelle markiert, an der ich den Sprengstoff in den Seegraben geworfen habe."

Ich versichere mit meiner Unterschrift unter diesen Schriftsatz, dass sämtliche Aussagen von Tarek Mousli so gemacht worden sind, wie ich sie hier zitiert habe.

4.

Mit dem Wissen über dieses beschriebene Aussageverhallten des sogenannten Kronzeugen Tarek Mousli ausgestattet, wird die Ortsbesichtigung das oben bezeichnete Ergebnis haben.

Euler, Rechtsanwalt

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