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Verteidigung
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Kammergericht
Elßholzstraße 30/33
10781 Berlin
In der Strafsache gegen
Borgmann, Matthias
(1) 2 StE 11/00 (4/00)
wird zu der Vernehmung der beiden Sachverständigen Dr. Kolla
und Prof. Gumlich sowie des Zeugen Golde gemäß § 257
Abs. 1 StPO wie folgt Stellung genommen.
1.)
Neben Ausführungen zu Gutachten aus den Jahren 1991 referierte
der Sachverständige Dr. Kolla seine Gutachten zur Sinkfähigkeit
des Sprengstoffpaketes im Seegraben und wiederholte dabei seine
Feststellungen aus seinem Gutachten vom 15.07.2002. Er sei von einem
Gewicht des Sprengstoffpaketes von 4.800 g ausgegangen (abzüglich
5 % Verdampfung plus 200g Verpackungsgewicht) und habe als Durchmesser
des Paketes 14,5 cm selbst ermittelt. Dabei sei er von den Fotographien
des Sprengstoffpaketes aus der Bildermappe des LKA PTU (Bd. 40,
Bl. 31 ff.) ausgegangen. Vor allem bei den Lichtbildern auf Blatt
33 sei das Sprengstoffpaket auf der gleichen Abbildungsebene wie
das auf dem Bild befindliche Maßband zu sehen. Er habe dann,
um Abbildungsfehler auszuschließen, anhand dieses Bildes den
Durchmesser des Sprengstoffpaktes mit 14,5 cm bemessen. Er habe
dabei eine repräsentative Stelle und zwar nicht die dickste
und auch nicht die dünnste Stelle genommen. Die Bundesanwaltschaft
hielt ihm daraufhin das Bild in der Lichtbildmappe des Bundesgrenzschutzes
vom Tatort (Bd. 40, Bl. 10 ff d. A., dort Bild 10) vor, auf dem
ein Maßband und dahinter das Sprengstoffpaket zu sehen ist
sowie die Untertitelung "Aufgefundenes Paket. Durchmesser ca.
10 bis 12 cm". Dazu meinte Dr. Kolla, dass bei diesem Bild
die Gefahr von Perspektiv- bzw. Verzerrungsfehler bestehe, da sich
Maßband und Paket nicht auf der gleichen Abbildungsebene befänden.
Die Laboraufnahmen des Landeskriminalamtes (Bildmappe Bl. 31 ff)
würde wohl der professionellen Regel folgen, dass die gleiche
Abbildungsebene der abgebildeten Gegenstände zu wählen
sei. Dagegen sei bei der Aufnahme des Sprengstoffpaketes im Gras
davon auszugehen, dass dabei nicht so sehr darauf geachtet wurde,
da diese Aufnahme von einem Tatortexperten vom BGS gemacht worden
sei. Letztlich müsse man aber, um sicherzugehen, einen Fotogrametrie-
Experten heranziehen. Dann könne man aufgrund der Lichtbilder
den Durchmesser genauer bestimmen.
Angesichts dieser Aussagen von Dr. Kolla verbleibt es bei dem Ergebnis,
das dieser in seinem Gutachten vom 15.07.2002 festgestellt hatte,
dass nämlich das Sprengstoffpaket bei einem Volumen von ca.
7.950 cm³ schwimmen würde, da eine Differenz zum Paketgewicht
von etwa 3.100 g bestünden und sich somit ein Auftrieb ergäbe.
Selbst wenn man entsprechend der in der Hauptverhandlung erfolgten
Monierung der Bundesanwaltschaft die Länge des Sprengstoffpaketes
statt wie bisher angenommen von 45 cm auf etwa 42 cm verkürze,
würde dies das Verdrängungsgewicht nur unwesentlich nach
unten reduzieren. Das Sprengstoffpaket würde angesichts der
von ihm angenommen 14,5cm bzw. 15 cm Durchmesser auf jeden Fall
schwimmen.
2.)
Der Sachverständige Prof. Gumlich bezeichnete in seinem Gutachten
zunächst alle Annahmen von Dr. Kolla als plausibel. Er führte
ergänzend aus, dass er aufgrund eines Experimentes mit 24 kreisförmigen
Scheiben von 2,2 cm Durchmessern (entspricht dem Durchmesser der
Gelamon 40-Sprengstoffstangen) als kleinste geometrische Form, bei
der bei dichtester Packung der Stangen als kleinstmöglichsten
Durchmesser 12,2 cm errechnet habe. Alle anderen in frage kommenden
geometrischen Formen wie Ellipsen, Quadrate oder quaderförmige
Verpackungen des Sprengstoffes würden zu wesentlich größeren
Volumen, das heißt zu erhöhter Schwimmfähigkeit
führen.
3.)
Von einzelnen Richtern und Bundesanwälten wurden dann beide
Sachverständige befragt, inwieweit sich das Volumen des Sprengstoffpaktes
ändere, wenn man berücksichtige, dass das Paket nicht
aus starren Körpern aufgebaut sei, sondern aus knet- und verformbaren
Sprengstoffstangen. Die extremste Variante wollte der Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Walenta, errechnet wissen. Prof. Gumlich
sollte in seinen Berechnungen nunmehr davon ausgehen, dass die Sprengstoffstangen
so verformt wären, dass sie rechteckig würden und damit
die Freiräume zwischen den Sprengstoffstangen mit dem entsprechenden
Lufteinschluss verschwinden würden. Bei dieser extremsten Variante
errechnete Prof. Gumlich noch in der Hauptverhandlung ein 4.234
cm³ großes Volumen der Sprengstoffstäbe und als kleinstmöglichen
umschließenden Kreis, inklusive also der die Stangen umhüllenden
Verpackung, dann ein Gesamtvolumen des Sprengstoffpaketes von 6.927
cm². Selbst auf Grundlage dieser Rechnung würde also das Sprengstoffpaket
angesichts der nach wie bestehenden grossen Differenz zum Gewicht
des Paketes von nach wie vor 4800 Gramm schwimmen.
Abgesehen davon, dass selbst bei dieser extremen Berechnung Prof.
Gumlich zu dem Ergebnis kam, dass das Paket schwimmen würde,
waren die entsprechenden Fragen des Gerichts und vor allem der Bundesanwaltschaft
mit den bisherigen Feststellungen zu Form und Beschaffenheit des
Sprengstoffpaketes nicht in Einklang zu bringen. Denn der Zeuge
Mousli hatte mehrfach ausgeführt, dass er das Sprengstoffpaket
in einem blauen Müllbeutel aufbewahrt hielt und es dann in
einen weiteren blauen Müllsack gewickelt habe. Diese Müllsäcke
hatte er dann mit Klebeband umwickelt und das Paket in den Seegraben
geworden. Der Zeuge Mousli hatte zu keinem Zeitpunkt ausgeführt,
dass er sich irgendwann einmal die Mühe gegeben hatte, die
Sprengstoffstangen mittels mehr oder weniger großer Kraftanstrengung
so zusammenzudrücken, dass keine Freiräume mehr zwischen
ihnen bestanden und eventueller Lufteinschluss ausgeschlossen sei.
Dazu hatte auch aus seiner Sicht keine Notwendigkeit bestanden und
vor allem war auch keine Zeit dazu, da Mousli nach seiner Aussage
das Paket im März 1995 sehr spontan zusammen gepackt hatte
und im Anschluss an den Einbruchsdiebstahl in seinen Keller in der
Schönhauser Allee das Paket entsorgen wollte. Die entsprechenden
Fragen der Bundesanwaltschaft hatten auch nicht berücksichtigt,
dass lediglich das äußere Paket, nämlich der Müllsack
mit Klebebändern umwickelt war. Der Klarsichtbeutel, in dem
sich die eigentlichen Sprengstoffstangen befanden, war zu keinem
Zeitpunkt von Klebebändern umwickelt. Schon allein deswegen
ließ sich der von Herrn Walenta skizzierte theoretische Zustand
des Paketes nicht mit den Äußerungen von Mousli in Einklang
bringen.
Im übrigen waren auch die Lichtbilder auf Bl. 33 und 35 (Bd.
40 d. A.) aus der Mappe des LKA-PTU insoweit eindeutig. Auf keinem
der Bilder ließ sich auch nur annähernd ein Zustand erkennen,
der der theoretischen Variante, wie sie in den Fragen anklang, auch
nur annähernd abzulesen war. Hierzu äußerte sich
der Sachverständige Dr. Kolla auf entsprechende Befragung von
Rechtsanwalt Euler. Auf Bild 33 seien die Sprengstoffstangen so
gestapelt, dass er nicht den Eindruck habe, dass diese zusammengedrückt
seien. Auf Bild 35 sage ihm sein gesunder Menschenverstand, dass
die Stangen zwar zusammengelegt, aber nicht zusammengedrückt
seien. Die Ablichtungen, die er gesehen habe, ließen relativ
viele Freiräume offen.
Sowohl nach den Aussagen des Mousli, als nach den Lichtbildern,
die teilweise interpretiert wurden vom Sachverständigen Dr.
Kolla, muss also davon ausgegangen werden, dass die Sprengstoffstangen
in dem Klarsichtbeutel zusammengelegt gestapelt waren und relativ
eng anliegend eine blaue Mülltüte in sechs Lagen herumgewickelt
worden ist. Es gibt kein Indiz dafür, dass die Stangen so zusammengedrückt
worden sind, dass der Befund von Prof. Gumlich, dass auch anhand
mathematischer Berechnungen auszuschließen sei, dass das Sprengstoffpaket
sofort gesunken sei, durch die nachfolgende Befragung erschüttert
werden konnte.
4.)
Vor den beiden Sachverständigen hatte der Bundesgrenzschutzbeamte,
der Zeuge Golde darüber berichtet, wie er das Sprengstoffpaket
im Seegraben gefunden habe. Er habe gemeinsam mit anderen Angehörigen
seines Trupps die gesamte Breite des Seegrabens abgesucht. Das Wasser
sei vollkommen abgelassen gewesen. Man habe den Schlick mit Mistforken
in der Weise durchsucht, dass man die Forke im Schlick langsam nach
vorne bewegt habe, um so den Schlick gleichsam zu durchsieben oder
zu durchkämmen. Man habe lediglich den Auftrag bekommen, den
Graben genaustens abzusuchen, eine Größe der aufzufindenden
Gegenstände war ihm und seinen Kollegen nicht vorgegeben worden.
Deswegen habe er so durchsucht, dass auch kleinere Gegenstände
hätten gefunden werden können. Irgendwann habe er dann
das Paket hochgehoben, es habe auf der Mistforke gelegen. Auf ausdrückliches
Befragen von Rechtsanwalt Eisenberg konnte er sich daran erinnern,
dass er nicht zweimal mit der Forke nach dem Paket gefingert habe.
Die Forke sei mit dem Paket zusammen beim ersten Mal nach oben gekommen.
Nach dieser Aussage des Zeugen Golde kann ausgeschlossen werden,
dass die Beschädigungen am seitlichen Ende des Sprengstoffpaketes
bei der Bergung des selben verursacht wurden. Abgesehen davon, dass
jede Untersuchung ergeben würde, dass eine Mistforke mit ihren
dünnen, runden und biegsamen Metallstäben gar nicht geeignet
ist, einen derartigen Einriss in dem Sprengstoffpaket zu verursachen,
hat auch der Zeuge Golde keinerlei Ausführungen darüber
gemacht, dass er mit der Forke beispielsweise an dem Paket hängen
geblieben sei, dass er zweimal hätte nachfassen müssen,
dass er auf Widerstand gestoßen sei oder ähnliches. Vielmehr
hat er in sehr einleuchtender Weise den Durchsuchungsvorgang des
Schlicks beschrieben und gezeigt wie das Paket auf der Forke lag.
Aufgrund der plastischen Erinnerung, die der Zeuge an den gesamten
Vorgang hatte, er erinnerte sich u.a. daran, wie unangenehm es ihm
war, so tief im Schlick zu stehen,kann ausgeschlossen werden, dass
er bei dem Durchsuchungsvorgang das Sprengstoffpaket in irgendeiner
Weise beschädigt hatte.
Darüber hinaus ist nach dieser Aussage ist ausgeschlossen,
dass bei der Bergung das Paket eingerissen und erst dann das Wasser
in das Sprengstoffpaket gelangte. Denn bei der Absuche des Seegrabens
und der Bergung war der Seegraben trockengelegt. Das Paket lag im
Schlick. Die von allen Sachverständigen konstatierte Wirkung
des eingedrungenen Wassers auf den Sprengstoff wäre daher nie
aufgetreten.
5.)
Kombiniert man die Feststellungen der beiden Sachverständigen,
dass nach ihren Berechnungen das Sprengstoffpaket hätte schwimmen
müssen, sowie die Beschreibung der Bergung des Sprengstoffpaketes
durch den Zeugen Golde kommt man zu folgenden Ergebnissen:
Der Zeuge Mousli hatte seinerseits den Vorgang des Einwerfens des
Sprengstoffpaketes in den Seegraben so beschrieben, dass das Paket
eingeworfen und dieses nach relativ kurzer Zeit untergegangen sei.
Er beschrieb wie die auf dem Wasser befindliche Entengrützenschicht
sich nach dem Einwerfen des Paketes öffnete und gleich darauf
wieder schloss. (Angemerkt sei an dieser Stelle nochmals, dass sich
zum von Mousli genannten Einwurfdatum März keine Entengrützenschicht
auf dem Seegraben befindet, diese sich vielmehr erst im Sommer bildet.
Seine Aussage ist daher schon insoweit unglaubhaft). In keiner seiner
bisherigen Aussagen hatte er erwähnt, dass das Paket möglicherweise
von ihm selbst vor dem Einwerfen in den Seegraben eingerissen worden
sei, um ein schnelleres Untergehen des Paketes sowie ein schnelleres
Eindringen des Wassers in das Paket zu gewährleisten. Diese
Aussage des Zeugen Mousli kann nach den gestrigen Beweisergebnissen
als widergelegt angesehen werden. Denn es kann schlechterdings ausgeschlossen
werden, dass Mousli das Paket in den Seegraben geworfen hat, um
dann zuzusehen, wie das Paket auf der Oberfläche des Seegrabens
schwimmt. Der Zeuge Mousli hat selber beschrieben, wie er das Paket
eingeworfen hat. Sein klares Interesse bestand darin, das Paket
umgehend zu entsorgen. Diesem Zweck hätte es in keiner Weise
entsprochen, wenn das Paket über längere Zeit an der Wasseroberfläche
geschwommen wäre. Kein Mensch, der einen Gegenstand in einem
Gewässer entsorgen will, wirft diesen hinein und vergewissert
sich dann nicht, dass dieser auch tatsächlich untergeht. Da
aber das Sprengstoffpaket nicht ohne Manipulationen durch Mousli
selbst hätte untergehen können, spricht alles dafür,
dass Mousli das Paket selber an der Seite beschädigt und damit
das Eindringen des Wassers ermöglicht hat.
Dies entspräche auch der Zeugenaussage des Zeugen Golde.
Damit käme aber dem Behördengutachten von Dr. Kolla vom
24.01.2002, das er in der Hauptverhandlung vom 23.05.2002 mündlich
vorgetragen und beeidigt hat, eine neue Bedeutung zu. Denn seinerzeit
hatte der Sachverständige Dr. Kolla sein Gutachten noch unter
der Prämisse erstattet, dass es aus den bisher vorliegenden
Unterlagen nicht klärbar sei, "ob das Paket bei der Bergung
aus dem Seegraben beschädigt wurde oder bereits während
der Liegezeit unter Wasser bzw. sogar schon beim Einbringen in den
Seegraben Beschädigungen auswies". Für den Fall,
dass das Paket beim Einbringen in den Seegraben bereits einseitig
geöffnet worden war, hatte der Sachverständige Dr. Kolla
klar belegt, dass der Sprengstoff nach sechs Wochen bis drei Monaten
fast vollständig gelöst hätte sein müssen. Da
das Paket erst am 24.08.1999 geborgen wurde, hätte die Einbringung
des Paketes in den Seegraben durch den Zeugen Mousli zwischen dem
08.07.1999, dem Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft,
und dem tatsächlichen Auffindedatum erfolgen müssen und
es wäre ausgeschlossen, dass das Paket bereits im März
1995, wie es der Zeuge Mousli bislang geschildert, in den Seegraben
geworfen worden ist. Damit ist erwiesen, dass Mousli an einem zentralen
Punkt seiner Aussage gelogen hat.
Kaleck
Rechtsanwalt
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