Kammergericht
Berlin, den 10.04.03
In der Strafsache
./. Harald Glöde u.a. 2 StE 11/00 (4/2000)
wird der Vernehmung des Zeugen Mousli widersprochen.
Begründung:
Der Zeuge Mousli wurde zum 10.4.2003 erneut als Zeuge geladen.
Die Ladung ist mit folgendem Zusatz versehen:
Sie sollen zu der Frage vernommen werden, wo der Sprengsatz,
hergestellt wurde, der nach Ihren Angaben bei dem Anschlag auf die
ZSA verwendet wurde; ferner zu den von Ihnen in Ihrem Ermittlungsverfahren
und in Ihrer Hauptverhandlung hierzu gemachten Angaben. Sie sollen
auch zu "Bäcker-Wolle" befragt werden.- Ihre Vernehmung
könnte sich ferner auf "Drogentod" sowie die von Ihnen
im Ermittlungsverfahren und in Ihrer Hauptverhandlung über "Drogentod"
gemachten Angaben erstrecken.
Der Zeuge Mousli wurde bis zum 31.10.2002 abschließend vernommen
und von der Vorsitzenden an diesem Tag unvereidigt entlassen. Seitdem
wurden diverse Anträge der Verteidigung gestellt, die darauf
abzielten, Angaben des Zeugen Mouslis zu widerlegen und damit seine
Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu erschüttern.
Einige Beispiele:
Zur Zusammensetzung und Herkunft von 60.000,- DM, die der Zeuge
an Harald Glöde für die RZ gezahlt haben will
Der Zeuge gab in den Hauptverhandlungen am 21. und 22.3.2002 an,
zur Stückelung des Geldes könne er nichts mehr sagen,
alles sei ein fließender Prozeß gewesen. Nachdem ihm
aus seinen Vernehmungen beim BKA Vorhalte gemacht wurden, hatte
der Zeuge daran entweder keine Erinnerung mehr, diese Angaben gemacht
zu haben bzw. erklärte widersprüchliche später gemachte
Angaben gegenüber dem BKA folgendermaßen :
"Wir haben das später präzisiert und ausdifferenziert."
(HVT am 22.3.03) Mit "wir" ist das BKA und der Zeuge gemeint.
Am 26.4.2002 beantragte die Verteidigung, die Vernehmungsbeamten
zu den insgesamt sechs Vernehmungen zu den 60.000 DM zu hören.
Dem Beweisantrag wurde stattgegeben, da die Angaben des Zeugen Mousli
nicht mit seinen Angaben im Ermittlungsverfahren in Einklang zu
bringen waren. Insoweit wird auf den Beweisantrag vom 26.04.02 bezug
genommen. Der Zeuge Schulzke wurde am 24.5.02 und der Zeuge Trede
am 06.9.02 vernommen. Sie bestätigten die Beweisbehauptungen
aus dem Beweisantrag.
Im Nachgang hierzu wurde der Zeuge Mousli vom Senat erneut zu diesem
Thema geladen und am 31.10.02 vernommen. Jetzt erklärte der
Zeuge Mousli zu den Fehlbeträgen von mehreren 10.000 DM, er
habe ja schon vor Jahren einen Orderscheck von seinem Bruder Talal
Mousli in Höhe von 25.000 DM erhalten, könne jedoch nicht
mehr sagen wann, bei welcher Bank und auf welches Konto er diesen
eingelöst habe Diese 25.000 DM hätte er über Jahre
aufbewahrt und sie dann Ende 1994 für die Snoopseinlage und
Lebenshaltungskosten verwendet, nachdem der Zeuge immer mehr in
Erklärungsnot geriet, wie er seinen Lebensunterhalt und seine
Einlagen bei Snoops sowie Anschaffung eines Autos, Kaufpreis ca.
20.000 DM finanzierte.
Zur ZSA
Nachdem der Zeuge Mousli im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung
ausführlich Angaben zum Bau des beim Anschlag auf die ZSA verwendeten
Sprengsatzes gemacht hatte, wurde durch die Verteidigung am 28.3.02
ein Beweisantrag gestellt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens
durch den SV Ibisch mit der Beweisbehauptung, dass der vom Zeugen
geschilderte Aufbau des Sprengsatzes überhaupt nicht funktionieren
kann und bei dem Anschlag der ZSA auch nicht verwendet worden sei.
Der SV Ibisch bestätigte am 5.7.02 in der Hauptverhandlung
genau die Beweisbehauptung.
Im Anschluß an diese Beweisergebnisse lud der Senat erneut
den Zeugen Mousli mit Thema "Sprengsatz ZSA", wobei der
Zeuge Mousli in der Vernehmung am 31.10.02 nichts erhellendes mehr
ergänzen konnte.
Zur KW
Nachdem der Zeuge Mousli im Ermittlungsverfahren und in seiner
eigenen Hauptverhandlung angegeben hat, der Sprengsatz für
die ZSA sei in einer konspirativen Wohnung in der Oranienstraße
7 oder 9 gefertigt und diese Wohnung sei von dem Zeugen Behling
angemietet und der RZ wissentlich zur Verfügung gestellt worden,
wurde von der Verteidigung der Beweisantrag vom 20.02.03 gestellt.
Gegenstand des Antrages war die Beweisbehauptung, der Zeuge Behling
habe in diesem Zeitraum keine Wohnung dort angemietet. Nicht nur,
dass im Zuge dieses Beweisantrages vorenthaltene Ermittlungsergebnisse
des BKA zu Tage gefördert wurden, konnte auch das BKA im Jahre
2001 schon nicht die Angaben Mouslis erarbeiten und bestätigen.
Darüber hinaus bestätigte auch der Zeuge Behling in der
Hauptverhandlung, dass er im besagten Zeitraum eine Wohnung dort
nicht angemietet habe, und weder dort noch sonstwo der RZ eine konspirative
Wohnung zu Verfügung gestellt habe. Vielmehr hat der Zeuge
Behling zu einem viel späteren Zeitpunkt und zwar 2 ½ Jahre
später nach dem Bau des Sprengsatzes dort gewohnt.
Nunmehr lädt der Senat den Zeugen Mousli erneut zu einem Beweisthema
zu dem sich der Zeuge bereits festgelegt hat und widerlegt wurde.
Es drängt sich auf, dass der Senat erneut dem Zeugen lediglich
die Möglichkeit geben will, seine bereits gemachten Angaben
mit Erinnerungslücken zu versehen oder anderweitig zu relativieren
oder von ihnen abzurücken.
Diese Verfahrensweise dient nicht der Förderung der Beweisaufnahme
und Aufklärung sondern ist ein Versuch des Senats, die vorhandenen
Widersprüche abzumildern. Angesichts der zahlreichen unzutreffenden
und widersprüchlichen Aussagen des Zeugen Mousli, sowohl in
dem Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung sollte
der Senat die Gelegenheit wahrnehmen und den Prozeßbeteiligten
den Hinweis geben, dass auf die Aussagen Mousli keine Verurteilung
gestützt wird.
Vor einer weiteren Vernehmung Mouslis, wenn der Senat an ihm als
belastendes Beweismittel festhalten will, sind der Verteidigung
wie bereits beantragt, zunächst sämtliche Ermittlungsvorgänge
zur Verfügung zu stellen. Nicht einmal zu den angekündigten
Beweisthemen liegen die Ermittlungsakten vollständig vor und
werden nach der Stellungnahme der Bundesanwaltschaft vom 28.3.03
weiterhin verweigert.
Sollte der Senat vor einer weiteren Vernehmung Mousli nicht für
die vollständigen Akten sorgen, liegt in einer Vernehmung zum
jetzigen Zeitpunkt eine Behinderung der Verteidigung vor. Diese
kann auch nicht durch eine mögliche erneute Ladung des Zeugen
Mousli beseitigt werden, denn die Verteidigung muß in der
Lage sein, bei der Vernehmung des Zeugen über sämtliche
Ermittlungsergebnisse die im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen
Mousli geführt wurden, verfügen, um ihm auch abweichende
Ermittlungsergebnisse vorhalten zu können.
Dass gerade entlastende Ermittlungen vorenthalten und in Strukturakten
abgelegt werden, hat sich bereits mehrfach erwiesen.
Würdinger, Rechtsanwältin Studzinsky,
Rechtsanwältin
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