Kammergericht
Berlin, den 9. Januar 2003
In der Strafsache
./. Harald Glöde u.a.
2 StE 11/00 (4/2000)
wird beantragt,
- KOK Trede
- EKHK Schulzke
- KHK Binz
- KK Grünke
- KK zA Wiedebach
- KHK Robert Mayer
- Jutta H., N.str. x, Berlin
als Zeugin zu vernehmen.
Die Zeugen 1.-6. sind zu laden über das BKA.
8.
- die Lichtbildmappe Bd. 18, 623 - 652
- die Lichtbildmappe Bd. 18, 871-893
in Augenschein zu nehmen.
Begründung:
1.
Am 20.1.00 stellten die Zeugen Schulzke und Trede dem Zeugen Mousli
folgende Fragen:
" Herr Mousli, sagt Ihnen der Name "Sean S." etwas?
Antwort:
" So fällt mir erst mal nichts dazu ein."
Frage:
"Herr Mousli, ist Ihnen eine männliche Person aus dem
linksautonomen Spektrum in Berlin bekannt, die als Mediziner arbeitet?"
Antwort:
"Mir fällt derzeit niemand ein."
Im Anschluß daran legen die Zeugen Binz, Grünke und
KK zA Wiedebach dem Zeugen Mousli eine Lichtbildmappe (Bd. 18, Bl.
623-652) mit 30 Lichtbildern vor. Er machte Angaben zu 14 Personen,
die er mit Namen oder vom Sehen kennt.
Zu den Lichtbildern Nr. 24 und 25, auf denen Sean S. abgebildet
ist, äußert sich der Zeuge Mousli nicht.
Am 23.2.00 wird dem Zeugen Mousli eine weitere Lichtbildmappe (Bd.
18, 871-893) mit 20 Fotos vorgelegt, wieder mit der Aufforderung,
sich zu den ihm bekannten Personen zu äußern.
Nach zweimaliger Durchschau äußert sich der Zeuge zu
sieben Fotos. Auf Bild Nr. 17 ist wiederum Sean S. zu sehen. Zu
diesem Bild sagt der Zeuge Mousli:
" Die Person auf dem Bild Nr. 17 ist mir ebenfalls nicht bekannt."
Daran anschließend wird der Zeuge vernommen:
Frage:
Ist Ihnen bekannt, daß H. B. zur Zeit in der M.straße
x wohnt?
Antwort:
Nein.
Frage:
Herr Mousli, können Sie mit dem Namen Sean S. etwas anfangen?
Herr S. ist von Beruf Arzt. Er wohnt in der Wohngemeinschaft mit
H. B. und U. V. zusammen.
Antwort:
Ich kenne Herrn S. nicht.
Wohl aber erinnere ich mich an ein Gespräch mit Harald Glöde,
das wahrscheinlich Ende der 80 er Jahre stattgefunden hat. In diesem
Gespräch ging es um einen Arzt, der ihm persönlich aus
der linksradikalen Szene bekannt ist, zu dem auch illegale Leute
gehen können. Diese Diskussion stand u.a. im Zusammenhang mit
einer historischen Reflexion des Sanitätsdienstes der uruguayschen
Stadtguerilla "Tupamaro", die für die linksradikale
Szene eine große Vorbildfunktion hatte."
Am 24.3.2000 suchten die Zeugen Schulzke und Robert Mayer den Zeugen
Mousli auf und legen ihm erneut 20 Lichtbilder von Personen vor,
die ihm bereits früher gezeigt wurden.
Die Lichtbilder sind nicht Aktenbestandteil.
Bei der Lichtbildvorlage erklärt der Zeuge Mousli nun zu Sean
S., das sei der Arzt, von dem "Sigi" behauptet hätte,
zu ihm könne man bei "problematischen Fällen"
gehen. Er habe mal in der M.str. x in Berlin gewohnt.
2.
Vernehmung vom 20.1.00, Zeugen Schulzke und Trede
Am 9.12.99 legten die Zeugen Schäfer und Schulzke dem Zeugen
Mousli eine Lichtbildmappe vor, auf der auf dem Lichtbild Nr. 24
Jutta H. abgebildet ist.
Der Zeuge Mousli äußert sich gegenüber den Vernehmungsbeamten
dazu wie folgt: ( Bd. 17, Bl. 305)
" Zu Lichtbild Nr. 24: Bei der weiblichen Person handelt es
sich um eine Szenefrau aus Berlin, die zusammen mit Rosa, Bummi
und anderen Frauen in der Selbstverteidigungsgruppe war. Zeitweilig
war sie Mitglied des Ex- Kollektivs. Da mir der Vorname nicht einfiel,
bat ich darum, ihn mir nennen. Als mir Jutta genannt wurde, war
mir klar, das ist Jutta."
Die als Zeugen benannten Vernehmungsbeamten werden bestätigen,
daß sich der Zeuge Mousli entsprechend der Vernehmungsniederschriften
geäußert hat.
Die Zeugin H. wird bekunden, daß sie zu keinem Zeitpunkt
in der genannten Selbstverteidigungsgruppe trainiert hat und nie
Mitglied des Ex-Kollektivs war und auch nie dort gearbeitet hat.
Die Beweiserhebung ist erforderlich, denn sie demonstriert anschaulich,
wie der Zeuge Mousli eine Person, die er noch am 20.1.00 und am
23.2 .00 nicht kennt, weder auf vorgelegten Fotos noch sonst irgendwelche
Angaben dazu machen kann und schon eine weiteren Monat später
mit den vom BKA gelieferten Informationen, nun als Sean S. angeblich
wieder erkennt und sogar Angaben zu seinem Beruf und seinem Wohnort
macht, als wisse er sie selbst. Dabei stammen sämtliche dieser
Informationen vom BKA.
Der Zeuge Mousli schreckt aber auch nicht davor zurück, Sean
S. damit in Verbindung zu bringen, "problematische Fälle"
zu behandeln, womit gemeint sein soll, illegale Personen zu behandeln.
Dabei macht der Zeuge Mousli nicht kenntlich, daß es sich
nicht um seine Erinnerung handelt, sondern eine Wiedergabe der vom
BKA gelieferten Informationen ist. Denn er merkt, daß die
Vernehmungsbeamten immer wieder nach dieser Person Sean S. fragen
und ein Ermittlungsinteresse an diesem haben.
Die Behauptung, Harald Glöde habe ihm von Sean S. erzählt,
dies sei ein Arzt für "problematische Fälle",
hängt also völlig in der Luft, denn der Zeuge Mousli kennt
diese Person gerade nicht, sondern gibt lediglich BKA- Informationen
wieder und phantasiert zur Befriedigung des Ermittlungsinteresses
noch etwas hinzu.
Ähnlich verhält es sich mit seinen Angaben zu Jutta H..
Zunächst gibt er - ohne den Namen zu wissen an, diese Frau
sei in der Selbstverteidigungsgruppe gewesen und im Ex-Kollektiv.
Nachdem ihm die Zeugen Schulzke und Schäfer den Vornamen "Jutta"
sagen, bestätigt er diesen.
Diese Mal landet er zumindest mit der Bestätigung des Vornamens
einen Treffer, allerdings stimmen die restlichen Angaben zu der
Zeugin Jutta H. ganz und gar nicht.
Wieder einmal zeigt sich, daß sich das angeblich eigene Wissen
des Zeugen Mousli in Wirklichkeit aus BKA und Verfassungsschutzinformationen
und dem was der Zeuge Mousli irgendwo gehört oder gelesen oder
ganz frei phantasiert hat.
Würdinger, Rechtsanwältin
Studzinsky, Rechtsanwältin
|