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Lothar Ebke

Extradition Hearing (Auslieferungsverfahren) gegen Lothar in Yellowknife

Bericht Erster Tag

Anwalt: Wes Wilson, Toronto
Staatsanwältinnen: Sheilagh Creagh, Edmonton, Deborah Robinson, Yellowknife,  Sue Kendall, Yellowknife
Richter: John Vertes, Yellowknife
Sie hatten eine Telefonkonferenz im Vorfeld und trafen sich vor Verhandlungsbeginn, um über den Verfahrensablauf zu diskutieren.

Im Gerichtssaal einige Polizeibeamte aus Yellowknife, etwa 4 Mitglieder der Presse und einige Freunde, also kein Allgemeinpublikum, obwohl beide lokalen Radiosender die Tatsache des Beginns des Hearing zur ersten Topmeldung gemacht hatten.

Beginn 14:00    Ende 14:40

Verfahrensgegenstand heute vor allem die Einführung von Dokumenten, die Korrektur von fehlerhaften Angaben, und die Interpretation eines Berichtsverbots der Presse über beweisrelevante Dinge, die im Gerichtssaal vorgebracht werden.

Dazu sei gesagt, dass in einem separaten Verfahren Ende Oktober der Richter einen Antrag der CBC (nationale Radio- und Fernsehgesellschaft) um die Aufhebung des "Publication Ban" abgelehnt hatte - mit Hinweis auf andere anhängige Verfahren, in denen Juroren durch zu breite Berichterstattung beeinflusst werden könnten.

Der Richter blieb bei seiner eigenen Entscheidung, fand einen weitergehenden Antrag der "Krone" nicht plausibel, weil auch das Recht der Presse, vom Prozess zu berichten, berücksichtigt werden müsse. Man wolle aber ein waches Auge auf die Berichterstattung haben.

Für die Zeit des Prozesses muss sich Lothar an den Verhandlungstagen
nicht bei der Polizei melden

Der Verhandlungstag für Freitag, 15.12., wird ausfallen um allen Beteiligten Zeit zu geben, sich in neu vorgelegtes Begleitmaterial einzulesen.

In der kommenden Woche wird es darum gehen,

  • weitere Akteneinsicht zu bekommen
  • die Frage zu klären, was weiter mit dem bei Lothars Festnahme und Durchsuchung des Hauses beschlagnahmten Material geschehen soll
  • die juristische Zuständigkeit für die Entscheidung der Verfassungsmäßigkeit von Lothars Verhaftung zu klären
  • die mögliche Verbesserung der Meldeauflagen zu diskutieren.

Das Hearing wird auf jeden fall Montag, 18.12., bis Donnerstag, 21.12., dauern. Danach haben die Gerichtsangestellten Weihnachtsurlaub und der Rest des Hearings wird  neu terminiert werden. Der Rest des Hearings wird für Frühjahr - Sommer 2001 neu terminiert werden.

Bericht Zweiter Tag

Heute ziemlich allein im Saal
lokale Presse schaut ab und zu mal rein
eine Frau repräsentiert die RCMP (Polizei)

Wes Wilson, Lothars Verteidiger referiert morgens zum Fall
Schwerpunkte:
- vollständige Offenlegung der Polizeinotizen, besonders die zu Lothars Festnahme, die einem unberechtigten körperlichen Angriff beinhaltet und evtl. auf Video festgehalten wurde
- Offenlegung des diplomatischen Schriftverkehrs zwischen der BRD und Kanada, da wir ohne den nicht rauskriegen können, ob der gesamte Vorgang auf fehlerhaften oder unvollständigen Informationen von Seiten Deutschlands beruht
- Offenlegung der Hintergründe der Kriterien nach denen Sachen beschlagnahmt wurden
- Kritik, dass in Kanada niemand im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens festgenommen werden kann (wohl aber im Falle einer Anklage), in der BRD sei aber bisher keine Anklage erhoben worden.

Schlussfolgerung:
wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, war die Verhaftung nicht rechtmäßig, der Richter müsste seine Unterzeichnung des Haftbefehls revidieren, auch die Beschlagnahme sei im Groben zu weitläufig und die Sachen seien zurückzugeben.

Nach der Mittagspause erwiderte die Staatsanwältin:

  • einige weitere Polizeiprotokolle wurden übergeben
  • die Offenlegung des diplomatischen Schriftverkehrs wäre unüblich und hätte mit dem Verfahren nichts zu tun
  • die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Lothars Verhaftung sei bereits durch die Kautionsverhandlung geschehen (Anmerkung: in Kanada ist die Kautionsverhandlung eine öffentliche Gerichtsverhandlung, die sich in Lothars Fall über 1,5 Tage hinzog)
  • auf Nachfrage erklärte die Polizei, die Verhaftung sei nicht gefilmt worden, dieses Material gebe es also nicht
  • ebenfalls nachgereicht wurden Aufzeichnungen des deutschen Beamten Trede und der Hintergrund der Beschlagnahmeliste
  • in einem Auslieferungsfall gebe es andere Kriterien als in einem normalen Kriminalfall, hier heißt das: zur Verhaftung reicht aus:
    - Strafbarkeit der Delikte in beiden Ländern
    - Identität des Täters muss klar sein und
    - es muss Beweise geben, nach denen eine Jury einen Schuldspruch fällen könnte

Schlussargument Wes Wilson:
Richter (als Ermittlungsrichter), Staatsanwaltschaft und Polizei können nicht allein die Institution sein, die über eine Haft entscheidet; dass muss vor einem öffentlichen Gericht entschieden werden (mit Verteidiger). Da diese Passage im Auslieferungsgesetz Kanadas möglicherweise verfassungswidrig sei und einige Verfahren vorm Verfassungsgericht anhängig sind, schließen wir uns denen an.

Bericht Dritter Tag

Beteiligte wie immer, Presse schaut ab und zu mal rein, andere auch, der Saal ist weitgehend leer

Vorbemerkung:
Offensichtlich ist in Kanada in den letzten Jahren die Auslieferungsregelung einige Male revidiert worden. Dies hauptsächlich mit dem Ziel, die Verfahren abzukürzen und zu vereinfachen. Dabei ist vor allem die Pflicht zur Vorlage und Bewertung von
Beweismitteln revidiert worden. Diese Abschnitte der Regulierung sind derzeit vor hohen Gerichten zwecks Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit anhängig, da durch sie individuelle Rechte beeinträchtigt würden.

Da eine Auslieferung über das Außenministerium läuft und somit eine diplomatische Angelegenheit ist, gibt es beim Ministerium in Ottawa eine Gruppe von Staatsanwälten, die Auslieferungsverfahren zentral vorbereitet und u.a. der örtlichen Staatsanwaltschaft zuarbeitet. Ebenso reist diese Gruppe in die Antragsländer, damit der Ursprungsantrag durch die Länder auch richtig gestellt wird und nicht gleich von kanadischen Gerichten wegen Fehlern bei der Antragstellung verworfen wird.

Die Argumentation des Verteidigers Wes Wilson:

  • Die Vorlage von Beweismitteln und deren Würdigung vor Gericht ist zentraler Punkt des kanadischen Rechts für alle Bürger. Ein Kernstück des Auslieferungsantrags, nämlich das Verhör von Mousli vom April 2000, würde  hier in einem kanadischen Strafverfahren als Beweismittel nicht gewürdigt, da der Zeuge Mousli noch nicht einmal vereidigt wurde.
  • Ein  Vorwurf sei, dass vor Gericht  Auslieferungsverfahren in die Länge gezogen würden, da das Gericht häufig länger forschen müsse, weil lückenhafte Anträge vorgelegt würden. Dieser Vorwurf sei zurückzuweisen.
  • Die Auslieferung zu einem Verwaltungsakt durch das Ministerium zu machen, bedeute eine Einschränkung der Rechte der Bürger.
  • Vor Änderung der Regelung habe das alte System gut funktioniert.
  • Eine Zulässigkeit von Beweismitteln in beiden Ländern sei Voraussetzung einer zügigen  Bearbeitung, nicht aber die "Abschaffung" des Richters und dessen Ersatz durch die Verwaltung.

Entscheidungen:
Das Verfahren wegen Verletzung der Einwanderungsbestimmungen wurde auf den 3.4.2001 verlegt (Voranhörung der Beweismittel der Staatsanwaltschaft)

Der zweite Teil des Auslieferungsverfahrens wurde für die Zeit vom 22.5 bis 2.6.2001 terminiert.

Morgen - Mittwoch - kommt die Stellungnahme der Staatsanwältin zu den angesprochenen grundsätzlichen Bedenken, danach ein Antrag zu den Kautionsbedingungen. Je nach Ablauf  wird das Verfahren dann am Nachmittag oder am Donnerstag Vormittag bis zum Mai unterbrochen werden.

Bericht Vierter Tag

Am Mittwoch wurden die Beteiligten von einer Personalverschiebung überrascht
Zu Beginn der Verhandlung verkündete Richter Vertes, dass Staatsanwältin Sheilagh Creagh aus Edmonton sich aus dem Verfahren verabschiede und Debra Robinson die weitere Argumentation übernehmen werde. Gründe wurden nicht genannt

Dann führte der Richter aus, dass er auf einen Widerspruch zwischen der Deutsch-Kanadischen Vereinbarung und des kanadischen Auslieferungsgesetzes gestoßen sei. Dieser Widerspruch  betrifft die Würdigung und Bewertung von Beweismitteln. Selbst für Verteidiger Wilson war dieser Widerspruch neu, aber doch sehr interessant. Für die Staatsanwaltschaft war dieser Wiederspruch uninteressant, da Auslieferung auch ohne Beweiswürdigung möglich sei, und das Gericht nicht zur Bewertung verpflichtet sei.
Die Staatsanwaltschaft sieht eine Verpflichtung Kanadas gegenüber den Vertragspartnern als höchstes Gut an, und da nun alles vom Parlament verabschiedet worden sei, sei auch alles rechtens. Außerdem wolle Kanada nicht zum Zufluchtsort fremder Straftäter werden ("safe haven").
Die Vorprüfung durch das Ministerium sei rechtstaatlich und daher die Rolle der Gerichte bereits überbewertet.
Hier unterbrach der Richter häufig zur Klarstellung und brachte diverse Beispiele ein, z.B. habe man mit Ungarn seit 100 Jahren ein Auslieferungsabkommen, die ungarische Regierungsform aber habe sich in dieser Zeit mehrmals dramatisch geändert. Wenn nun aber das nachfragende Ungarn bei einem Auslieferungsbegehren sich immer selbst Rechtsstaatlichkeit bescheinigen könne, dann sei das aber doch aus kanadischer Sicht überprüfenswert. Die Staatsanwältin verneinte, der
Richter runzelte die Stirn.
Auch das zur Auslieferung vorgelegte Material ("record of the case") des nachfragenden Staates werde ja zunächst dem kanadischen Ministerium vorgelegt und dort Überprüft. Verlaufe die Überprüfung dort positiv, sei das Verfahren damit praktisch abzuschließen, und die Auslieferung könne angeordnet werden. Ebenso könne man  keine kanadischen Kriterien an ausländisches Beweismaterial anlegen, da viele Staaten ein unterschiedliches Rechtssystem hätten und es nur zu Verzögerungen komme. Dazu gehöre auch die Frage der Vereidigung von Zeugen und die Einschätzung von deren Glaubwürdigkeit.

Nach einer kurzen Erwiderung seitens der Verteidigung vertagte sich das Gericht auf morgen (Donnerstag) früh , um über eine beantragte Änderung der Kautionsbedingungen zu beraten.

Da keine weiteren inhaltlichen Argumente erwartet werden, dürfte die Verhandlungsdauer kurz sein.

Bericht Fünfter Tag

Staatsanwältin Creagh zog sich gestern aus den Verfahren zurück, da sie eine Richter(innen)stelle annahm.

Lothars Kautionsbedingungen wurden insofern geändert, dass er nun auch zum Arbeiten die Stadt auf dem Ingraham Trail (das ist die Strasse, die in den Busch geht, wo auch einige Leute wohnen) verlassen darf. Allerdings muss er das  vorher bei der Polizei anmelden und nach der Rückkehr auch wieder Bescheid sagen (per Anruf).

Das Begehren, die Regelung zum täglichen Einschreiben bei der örtliche Polizeidienststelle zu ändern, wurde vom Richter abgelehnt, da die Staatsanwältin dem nicht zustimmen wollte.

Der Richter kündigte an, seine Entscheidungen würden getrennt fallen.
Zunächst werde er sich zur beantragten Akteneinsicht äußern, später würde dann die Entscheidung zu den angesprochenen Grundsatzentscheidungen kommen, aber rechtzeitig vor dem nächsten Gerichtstermin am 22.5.2001.

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http://www.freilassung.de/prozess/kanada/hearing1.htm