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Lothar Ebke

Berufungsgericht

Der Stand des Verfahrens

Am Freitag 17.1. 2003 "endet" die vorübergehende Freilassung mit Kautionsbedingungen von Lothar und er muss in'n Knast, um sich seine Berufungsverhandlung anzuhören, die am Dienstag 21. und Mittwoch 22.1. stattfinden wird. Es ist hier ein "normaler" Vorgang, dass man dafür wieder in den Knast geht, die Provinzen haben aber unterschiedliche Regelungen, wie viele Tage vorher man da rein muss. Zur Verhandlung wird Lothar dann vorgeführt. Die Verhandlung ist für 2 Tage angesetzt. Das Berufungsgericht trifft sich 4 mal im Jahr (Januar,April,Juni,Oktober) und wird aus drei Richtern bestehen, einer wird von hier sein (Nordwest Territorien), einer aus Alberta und einer ausm Yukon (Amtshilfe), Vorsitz wird kurzfristig geregelt.

Lothar's Anwalt John Norris hat Anfang Dezember eine schriftliche Begründung (factum) eingereicht, das haben nun die Staatsanwaltschaft und evtl. die Richter schon gelesen. Die Staatsanwaltschaft (hier "die Krone" genannt, weil die ja die englische Königin representiert) hatte vor einigen Tagen auch Abgabetermin für ihre Gegenargumente gehabt, und das haben dann die Richter auch evtl. schon gelesen wenn es nächste Woche los geht.

Vor Gericht findet dann quasi die mündliche Verhandlung statt, bestehend aus einer Präsentation von John Norris (Antragsteller), Fragen der Richter, der Gegenpräsentation der Krone, Fragen der Richter und einer nochmaligen Antwort von John Norris auf die Krone, Fragen der Richter.

Am Ende werden sich dann die Richter zurückziehen zur Beratung ( Kaffeepause) und kurz danach ihre Entscheidung verkünden. Es wird allgemein erwartet, dass sie sich vertagen werden und nicht schon eine Entscheidung parat haben werden, da es um mehrere komplizierte Fragen gehen wird, die auch Verfassungsrechte betreffen. Sie können zwar sagen, dass sie schon alles klar haben und sofort eine Entscheidung verkünden, aber es wird mit einer Beratungszeit von ca. 3 Monaten gerechnet, sodass die Entscheidung auf dem nächsten regelmässigen Termin im April verkündet werden könnte.

Diese Gericht ist ein Berufungsgericht der Provinzen (Supreme Court of the Northwest Territories), falls die Berufung verloren wird, besteht die Möglichkeit bestimmte Fragen (die von nationaler Bedeutung) vom Obersten Gericht Kanadas (ähnlich dem Bundesverfassungsgericht) hier genannt "Supreme Court of Canada" klären zu lassen.

Zum besseren Verständniss ein Beispiel: Drogenhändler wird vom lokalen Gericht zu 2 Jahren verdonnert, der findet die Strafe zu hoch und geht vors Berufungsgericht. Dessen Verfahren endet hier, das Gericht kann das Strafmass bestätigen oder verändern, falls in dem Falle aber von Anfang an behauptet wurde, dass das Drogengesetz fehlerhaft ist, könnte das vorm obersten Gericht enden.

In Lothar's Verfahren sind bereits zu Beginn verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen worden, dieses Verfahren kann dann nach ganz oben gehen wegen der nationalen Bedeutung.

Parallel dazu taucht die Frage nach Lothar's Freilassung (auf Kaution) wieder auf.

Entscheidet das Gericht jetzt sofort:

  • zu Lothar's Gunsten: Lothar wird freigelassen und die Krone kann vors Bundesgericht ziehen
  • zu Lothar's Ungunsten: automatisch neür Haftbefehl und Lothar fährt wieder ein bis er vors Bundesgericht zieht (max 30 Tage nach der Berufungsentscheidung), dann gibt es die Möglichkeit erneuter Haftprüfung.

Die andere Möglichkeit: das Berufungsgericht reserviert Zeit für seine Entscheidung:

Falls die Staatsanwaltschaft einer Haftverschonung zustimmt, dürfte es nur ein formaler Akt sein, dann wird wohl der alte Haftverschonungsbeschluss einfach verlängert/ wieder in Kraft gesetzt.

Falls die Staatsanwaltschaft nicht zustimmt, das Gericht sich aber ja Zeit nimmt für seine Entscheidung, kann Lothar so ne Art Zwischenhaftverschonung (interim release) beantragen. Dieses ist dann ein formales Verfahren, kostet wieder ein paar Tausender und findet ca. eine Woche nach der Berufungsverhandlung statt, von wegen Vorbereitung und so.

Eine ähnliche Situation kommt dann wieder nach der Verkündung der Entscheidung des Berufungsgerichts, nehmen wir mal an, die Richter entscheiden im April.

Mit der Entscheidung des Gerichts - wie auch immer - endet die derzeitige Haftverschonung (bail pending appeal) (Haftverschonung abhängig von der Berufung). Verliert Lothar, entscheidet sich aber, vor den Supreme Court of Canada zu ziehen, ergibt sich wiederum die Möglichkeit, Haftverschonung zu erhalten , bis das Gericht über die Zulasung des Antrages entschieden hat, was angeblich ca. 3 Monate daürn könnte. Falls der Supreme Court of Canada es ablehnt, das Verfahren zu hören (keine grundsätzlich wichtige Rechtsfrage), endet das Verfahren, Lothar kommt in Haft und man sieht sich in Deutschland wieder, also keine weitere Einspruchsmöglichkeit, Gnadengesuche gibts hier nicht.

Lässt der Oberste Gerichtshof das Verfahren zu, kann Lothar wiederum Haftverschonung beantragen, bis dieser diew Hauptsache entschieden hat, ca. 12-18 Monate später. Evtl wird dann die Haftverschonung einfach verlängert, falls die schon während der Prüfungsphase gewährt wurde.

Also es gibt immer wieder die Möglichkeit der Haftprüfung, falls man eine Stufe weitergeht/ kommt.

Es ist wahrscheinlich, dass die Krone (natürlich nicht beeinflusst von irgendwelchen deutschen Staatsanwälten) immer wieder gegen Haftverschonung auftreten wird. Tatsächlich sitzen viele menschen während des Auslieferungsverfahrens im Knast und geben dann irgendwann den Rechtsweg auf, weil sie hier längere Zeit im Knast sitze, als das Strafmass wäre, dass sie im anderen Land erwartet. Es erhöht den Druck und es gibt viele Verfahren die abgebrochen werden, weil Leute der Abschiebung zustimmen.

Die Mitspieler: Lothar's Anwalt John Norris (Strafverteidiger) hat diverse Fälle von Auslieferungsverfahren geführt und sitzt in einer Kanzlei namens (Clayton) Ruby and (Marlies) Edwardh, den wohl bekanntesten Menschenrechtsanwälten Kanadas, die Kanzlei ist in Toronto.

Die Krone: Staatsanwalt dürfte Wes Smart aus Edmonton sein, wohl begleitet von einer zweiten Person (die hiesige Statsanwältin ist versetzt worden, könnte aber auch wieder mit dabei sein) und die werden "geführt/ beraten" von einer Gruppe von Anwälten, die sich "International Assistance Group" nennt und beim Kanadischen Justizministerium sitzt und Auslieferungsverfahren vorbereitet/ begleitet. Die Gegenseite ist also gut ausgestattet.

Die deutsche Staatsanwaltschaft wird nicht (offiziell) vertreten sein, ist bisher auch nicht sichtbar in Erscheinung getreten.

Anbei eine Kopie der schriftlichen Berufungsbegründung, das ist hier ein öffentliches Dokument.

Grundsätzlich wird berufen gegen etwas, was schon mal gesagt/ geschrieben wurde, aber von Richter Vertes in der ersten Runde oder dem Kanadischen Justizminister nicht richtig verstanden wurde (error in judgement). Grundlage der Berufung ist also das Wortprotokoll der ersten Verhandlungsrunde und die Eingaben zum Minister sowie die dazugehörigen (fehlerhaften) Entscheidungen.

Es wird schwierig werden, das deutsche Verfahren hier einzuführen weil die kanadischen Behörden nur schaün, was war der deutsche Antrag und wie sind wir damit umgegangen, was in Deutschland passiert ist oder in der Zwischenzeit sich entwickelt hal, lässt man (am liebsten) aussen vor.

Stimmung hier ist normal, viele "good luck" Begrüssungen und weiterhin Sympathie.

Das mit dem Kommentieren ist sehr beschränkt:

Das juristische Verfahren ist sehr abgehoben, weil es mit der eigentlichen Beweisführung/ würdigung nichts zu tun hat, es wird also zu einer art Verwaltungsgerichtsverfahren, wo es nicht um den Inhalt geht, sondern um die Frage, wer unterschrieben hat und ob die Person berechtigt war usw.

Gleichzeitig hat das hiesige Gerichtssystem andere Grundsätze, als normaler Angeklagter kannst du wählen ob du vor einem Einzelrichter erscheinen willst, oder vor einer Jury. Wäre diese Möglichkeit auch vor deutschen Gerichten gegeben oder hier eine Option für das Auslieferungsverfahren, dann wäre sicherlich Einiges schon längst erledgit und man müsste sich nicht ständig son Kopp machen.

Auf der anderen Seite sehen einfach viele Leute (und das geht weit über den Bekanntenkreis hinaus) dieses Verfahren als äusserst merkwürdig an und verhalten sich danach. Da Lothar's Photo ständig in den Medien erscheint, kennen ihn viele Leute und so passiert es dann häufiger, dass völlig unbekannte Leute anhalten und "viel Glück" wünschen. Auch in der öffentlichkeit scheün sich Persönlichkeiten (Politiker, Geschäftsleute, Nachbarn) nicht, ihm demonstrativ auf die Schulter zu klopfen, sich mit an den Tisch zu setzen, mit ihm zu reden oder auch schriftlich Referenzen abzugeben. Das hinterlässt ein gutes Gefühl.

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http://www.freilassung.de/prozess/kanada/beruf180103.htm