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Prozessbeobachtung

Knastbesuch

Von Alejandra Ancheita, Rechtsanwältin / Mexiko

Vergangenen 23. Mai war ich in der JVA Moabit in Berlin zu Besuch, um mich mit Harald G. und Axel H. zu treffen, die der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, illegalen Benutzung von Sprengstoff und eines Anschlages auf die ZSA angeklagt werden. Beide werden in einem politischen Verfahren vor dem Kriminalgericht in Berlin angeklagt und sind als politische Gefangene im Berliner Knast zu betrachten.

Ich traf mich um 9:30 vor dem BesucherInnentor der JVA Berlin-Moabit mit einer offiziell anerkannten Dolmetscherin. Wir mussten zuerst eine Reihe Kontrollen und Durchsuchungen über uns ergehen lassen, bevor wir direkt mit den Angeklagten sprechen konnten. Der Knast hat ein striktes Kontrollsystem, vor allem in den Fällen, in denen der Staat ein starkes politisches Interesse hat. Nachdem wir einige Formulare ausfüllen mussten, darüber wer wir sind und wen wir besuchen, und unsere Identität überprüft wurde, wurden wir in einen ersten Saal geführt. Dort warteten wir einige Minuten und dann kam es zur nächsten Kontrolle, wo wir unsere persönliche Habe abgeben mussten, wie etwa die Taschen oder auch jeden anderen Gegenstand, der nicht als unabdingbar angesehen wird. Danach kamen wir in einen Saal der als Café genutzt wird. Er ist mit Berlin-Fotos geschmückt und enthält einen Kaffee- und einen Getränkeautomaten. Allerdings funktionieren beide nicht. Schließlich wurden wir über einen Lautsprecher aufgerufen und begaben uns in einen etwa 4m x 4m kleinen, weiß gestrichenen Raum, der in der Mitte durch einen Holztisch geteilt wurde, dem vorrangig die Funktion zukommt, eine Barriere zwischen Angeklagtem und Besuch zu bilden.

Axel wurde durch einen Schließer bewacht, der sich von Anfang an als sehr respektvoll erwies. Axel und ich unterhielten uns über die allgemeinen Haftbedingungen. Diese sind seiner Ansicht nach "nicht schlecht", auch wenn sie natürlich niemals als "gut" bezeichnet werden können. Es sind nur zwei Besuche monatlich à 30 Minuten erlaubt und für seine persönlichen Ausgaben bekommt er monatlich nur 50,- DM . Theoretisch haben sie alle das Recht zu arbeiten, welches aber faktisch außer Kraft gesetzt ist, da die Angeklagten untereinander keinen Kontakt haben dürfen und einer bereits arbeitet. Deshalb dürfen die anderen nicht arbeiten.

Die Anwesenheit des BKA bei den Familienbesuchen verursachte für seine neunjährige Tochter eine traumatische Situation , die dazu geführt hat, daß sie ihn nicht mehr besuchen will. Für das Kind ist schon die Situation ihres Vaters an sich hart, dazu kommt die Anwesenheit von zwei fremden Männern, die darüber entscheiden, über welche Themen gesprochen werden darf und über welche nicht, und das Berührungsverbot.

In diesem Sinne wurde ich von Anfang an darauf hingewiesen, daß ich keinerlei Fragen bezüglich des Verfahrens stellen darf. Axel erläuterte, daß die Situation, in der sie sich aktuell befinden, auf eine immer repressivere und kontrollierendere Politik des deutschen Staates zurückzuführen ist, dessen Ausrichtung es ist, an diesem Fall exemplarisch darzustellen, daß das, was sie "terroristische Praxis" nennen, früher oder später bestraft wird. Er erzählte auch, daß sich die Behandlung der politischen Gefangenen stark von der während der 70er und 80er Jahre unterscheidet. Die meiste Zeit konnten wir auf Spanisch reden und der Schließer hatte nichts dagegen. Die Übersetzerin half nur in einigen wenigen Fällen, so daß eine fließende Unterhaltung möglich war, ohne den Druck des BKA, das ausnahmsweise nicht anwesend war.

Harald sprach ebenfalls über die Haftbedingungen. Er hat eine Einzelzelle und besitzt dort Kopien der Prozessakten, so daß er sich dem Studium seines Falles widmen kann. Er berichtete, daß etwa 75 % der Knastinsassen Migranten sind, eine Zahl die vom wachhabenden Schließer bestätigt wurde. Die Möglichkeit einer Arbeit nachzugehen stellt - wie bereits erläutert - eigentlich ein Recht der Gefangenen dar; dass Harald nicht arbeitet, liegt nicht nur daran, dass es ihm unmöglich ist zu arbeiten, weil es schon ein anderer der Mitangeklagten tut, sondern er möchte es auch ausdrücklich nicht . Harald berichtete von einer exzessiven Kontrolle in Deutschland: nicht nur seitens der Knastangestellten und des Strafsystems, die Kontrolle geht viel weiter und ist in der Gesellschaftsstruktur verwurzelt, in der es scheinbar eine gewisse Meinungsfreiheit für die deutschen BürgerInnen gibt, jedoch nur solange die Machtstrukturen nicht in Frage gestellt werden. Daher stellt das gegen sie angestrengte Verfahren eine Farce des Staates dar, um den gesellschaftlichen Konsens zu erhalten. Harald bekommt ebenfalls Besuch von seiner Familie und sagt ihm gehe es - im Rahmen der Umstände, denen er sich unterworfen sieht, - gut.

Nachdem die jeweils 30 Minuten Besuchszeit mit den beiden vergangen sind, ist die Prozedur, um den Knast zu verlassen, einfacher. Es werden bei einem anderen Schließer die persönlichen Gegenstände abgeholt und eine andere Wache übergibt dir wieder deinen Ausweis und öffnet die Ausgangstür. Bleibt noch darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, Axel und Harald ohne die Anwesenheit des BKA zu besuchen, einen positiven Schritt hin zu einer realen Kommunikation bedeutete.

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