"Berliner Bündnis für Freilassung"
AG Internationale Prozessbeobachtung
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Presseerklärung zum 45. Verhandlungstag des
Berliner RZ-Verfahrens
Zwei Jahre sind zwei Jahre zuviel!
Der 45. Verhandlungstag im sog. Berliner RZ- Verfahren markiert
gleichzeitig den zweiten Jahrestag der Verhaftungen Harald Glöde,
Axel Haug und Sabine Eckle. Am 19.12.1999 stürmte ein martialisches
Polizeiaufgebot ihre Wohnungen in Berlin und Frankfurt/M. sowie
das alternative Kulturzentrum MehringHof. Alleinige Grundlage der
Haftbefehle der Bundesanwaltschaft (BAW) (u.a. Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung nach § 129a) waren die Aussagen
von Tarek Mousli, der nach seiner Verhaftung im November 1999 Kronzeuge
der BAW wurde. Seine Aussagen führten des weiteren zur Verhaftung
von Matthias Borgmann im April 2000 und zur Festsetzung von Lothar
Ebke in Yellowknife/ Kanada im Mai 2000, der gegenwärtig auf
das Berufungsverfahren seiner Auslieferung wartet. Rudolf Schindler,
seit Oktober 1999 in Haft, wurde Mitte April 2001 in das Verfahren
einbezogen.
Nach langen 16 Monaten Untersuchungshaft wurde den Angeklagten
am 22. März 2001, bzw. Mitte April 2001 vor dem Berliner Kammergericht
der Prozess eröffnet. Neben der Mitgliedschaft in den Revolutionären
Zellen (RZ) werden ihnen die Sprengstoffanschläge auf die Zentralen
Sozialhilfestelle für Asylbewerber (1987) und die Siegessäule
(1991) vorgeworfen.
Nach 44 Verhandlungstagen lässt sich eine ernüchternde
und erschreckende Bilanz hinsichtlich der Rechtstaatlichkeit des
Verfahrens und des politischen Verfolgungswillens ziehen:
Der von der Bundesanwaltschaft aufgebaute Kronzeuge verwickelte
sich mehrfach in Widersprüche zu früheren Aussagen und
korrigierte auf Befragung der Verteidiger/innen mehrmals seine Wahrnehmung.
Die vielen geladenen Zeug/innen zu den unterschiedlichen Tatkomplexen
konnten in keinem Fall entscheidend zur Erhärtung der Anklage
beitragen. Andererseits scheinen die Angeklagten entlastenden Aussagen,
z.B. die von der ehemaligen Lebensgefährtin des Kronzeugen,
vom Gericht nicht ernsthaft gewürdigt zu werden. Fast alle
Anträge der Verteidiger/innen, die der rechtsstaatlichen Wahrheitsfindung
oder einer Beschleunigung des Verfahrens dienten, wurden vom Gericht
zurückgewiesen. Ebenso scheiterten die Bemühungen der
Anwält/innen Haftverschonung für die unter schwerster
Migräne leidenden Sabine Eckle oder Aufhebung der U-Haft für
die Angeklagten zu erreichen.
Nicht nur dies, die gesamte Art der Verhandlungsführung unter
der Vorsitzenden Richterin Hennig legen die Vermutung nahe, dass
das Gericht nicht gewillt ist, unabhängig zu prozessieren.
Das Gericht folgt weitgehend dem Willen der BAW.
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