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Erklärungen BGH/GBA

Beschluss des 2. Strafsenats des Kammergerichts Berlin vom 17.10.2001 zum Befangenheitsantrag der Verteidigung

(1) 2 StE 11/00 (4/00)

In der Strafsache gegen Sabine E[...] und andere,
hier nur gegen
Rudolf Sch[...],
Harald G[...],
Matthias B[...],
Axel H[...],

wegen Bildung terroristischer Vereinigungen u.a.

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin [im Original heißt es, der "1. Strafsenat" - dann aber hätte ein und derselbe Senat über seine Befangenheit entschieden...; Gruß an die Justizangestellt R.] am 17. Oktober 2001 beschlossen:

Die Ablehnungsgesuche der Angeklagten gegen die Vorsitzende Richterin im Kammergericht, Hennig, die Richter am Kammergericht Alban, Genthe und Lechner sowie den Richter am Landgericht, Hanschke, werden verworfen.

Gründe:

Gegen die Angeklagten findet seit dem 17. Mai 2001 vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts die Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung pp. statt. Mit Beschluss vom 11. Oktober 2001 hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts "die Anträge der Verteidigung vom 13. September 2001 auf Aussetzung der Hauptverhandlung... abgelehnt." Daraufhin haben die Angeklagten die an diesem Beschluss beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Ablehnungsgesuche sind unbegründet:

Weder der Beschluss vom 11. Oktober 2001 noch seine Begründung bieten Anhaltspunkte für die Annahme, die beteiligten Richter könnten gegenüber den Angeklagten voreingenommen sein.

Der Senat hatte bereits in seinem - ein früheres Ablehnungsgesuch der Angeklagten verwerfenden - Beschluss vom 5. Juli 2001 ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine Zwischenentscheidung in einem anhängigen Verfahren die Ablehnung der daran beteiligten Richter rechtfertigen könnte. Dass diese vorliegen, lässt sich den Ablehnungsgesuchen, über die nunmehr zu befinden ist, nicht entnehmen. Die abgelehnten Richter haben in ihrem Beschluss vom 11. Oktober 2001 im Einzelnen erörtert, aus welchen Gründen sie die wegen des zu sichtenden neuen TÜ-Materials [TÜ = Telefonüberwachung] beantragte Aussetzung des Verfahrens ablehnen. Ihren Erwägungen, die entgegen der Ansicht der Angeklagten durchaus auf die Belange der Verteidigung Rücksicht nehmen, haftet weder der Makel der Willkür noch der einer völlig abwegigen Ansicht an. Dies gilt auch für die Einschätzung, das Abhören der TÜ-Bänder könne den Verteidigern der Angeklagten neben der Hauptverhandlung zugemutet werden.

Demgegenüber erschöpfen sich die Ausführungen der Angeklagten in Angriffen gegen diesen - einer isolierten Anfechtung nicht zugänglichen - Beschluss und werten allein die von ihrer Ansicht abweichende Entscheidung der abgelehnten Richter als Ausdruck deren Parteilichkeit. Konkrete Umstände, die vom Standpunkt eines vernünftigen Prozessbeteiligten und auf Grund der ihm zumutbaren ruhigen Prüfung der Sachlage geeignet sein könnten, den Eindruck der Voreingenommenheit zu rechtfertigen, zeigen sie nicht auf. So steht ihrer Ansicht, die abgelehnten Richter hätten "- in vorweggenommener Beweiswürdigung - die Einschätzung des BKA zur Relevanz der TÜ-Protokolle... offensichtlich ohne wesentliche eigene Prüfung" unternommen, bereits die Begründung des Beschlusses vom 11. Oktober 2001 entgegen, der - ohne eine endgültige Bewertung vorzunehmen - lediglich von der bisherigen Sichtung des TÜ-Materials ausgeht und ausdrücklich zu erkennen gibt, dass die Beweisaufnahme, sollte die weitere Sichtung für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage Relevantes ergeben, darauf erstreckt werden könnte. Diese unter dem Vorbehalt der weiteren Prüfung durch Gericht und Verteidigung stehende vorläufige Beurteilung als Ausdruck der Befangenheit anzusehen, ist einem unbeteiligtem Dritten (vgl. BGH JR 1957, 68; BGH NJW 1961, 2069) nicht zu vermitteln. Dass die abgelehnten Richter "trotz der bereits zum jetzigen Zeitpunkt feststehenden Widersprüche und Unwahrheiten in der Aussage Mousli... von sich aus den aufgetauchten Beweismitteln keine besondere Relevanz" (B.[...]) eingeräumt und sich "der Behauptung des Bundeskriminalamtes... (angeschlossen hätten), das gesamte jetzt anfallende Beweismaterial sei verfahrensunerheblich, dies vor Sichtung des gesamten Materials" (Sch[...]), ist danach bei verständiger Würdigung nicht nachvollziehbar. Ebensowenig erschließt sich, weshalb die Prüfung und Sichtung des TÜ-Materials durch die Verteidiger einer Umkehr der Beweislast gleichkommen oder die Vernehmung von unmittelbaren Zeugen "zum Komplex Hollenberg" für die "Bewertung der Angaben des Zeugen Mousli... ohne Relevanz" und der Förderung des Verfahrens abträglich sein soll.

Eine reine, durch keine Tatsachen gestützte Unterstellung und damit kein Ablehnungsgrund ist hingegen die Behauptung des Angeklagten Sch[...], die abgelehnten Richter würden mit ihrem Schweigen einen "Unterschlagungsvorgang bemänteln", dessen er das "Bundeskriminalamt und/ oder die Bundesanwaltschaft" verdächtigt. Dass darüber hinaus die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter, an dem Beschluss vom 11. Oktober 2001 mitgewirkt zu haben, den erfordernissen des § 26 Abs. 3 StPO genügen und die Ablehnung durch den Angeklagten Sch[...] nicht zu begründen vermögen, ist offensichtlich (vgl. KG, Beschluss vom 5. Juli 2001 - (1) 2 StE 11/00 (4/00)).

Paetzelt - Schuchter - Schaaf

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http://www.freilassung.de/prozess/bgh_gba/kam171001.htm