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Datum:
28.09.2000
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Zeitung:
ak - analyse & kritik
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Titel:
Wenn schlampen zum Verhängnis wird
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Wenn schlampen zum Verhängnis wird
Beugehaft gegen Werner R. ist nicht rechtmäßig
Die letzten Monate hinweg stand Werner R. mit einem Bein im
Gefängnis, weil er einen Pass verloren hat, der später bei einem
mutmaßlichen RZ-Mitglied in Paris gefunden wurde. Zuerst
verhängte die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen ihn als Zeugen ein
Ordnungsgeld von 1.000 DM. Dann drohte sie schließlich mit Beugehaft.
In einem Eilverfahren hat allerdings das Bundesverfassungsgericht Ende
August die Beschlüsse des Landgerichts Frankfurt am Main aufgehoben,
mit denen die Beugehaft gegen Werner R. verhängt worden waren.
Werner R., Künstler, Mitglied der IG Medien und der
KünstlerInnen-Kooperative K., geriet buchstäblich
über Nacht ins Blickfeld des Bundeskriminalamtes (BKA). Ausgangspunkt
war die Festnahme der beiden mutmaßlichen RZ-Mitglieder Sonja S. und
Christian G. am 16. Januar in Paris. Christian G. wurde dabei mit einem
schweizer Pass festgenommen, der auf den Namen von Werner R. ausgestellt
war. Am nächsten Tag fand sich Werner R. nach einer Durchsuchung
seiner WG und Atelierräume zu einer Vernehmung auf dem Polizeirevier
wieder. (vgl. ak 439)
Werner R. besitzt einen deutschen und einen schweizer Pass, da seine
Mutter Schweizerin ist. Bei der Hausdurchsuchung konnte der Pass
tatsächlich nicht gefunden werden. Werner R. war der Verlust
allerdings nicht aufgefallen, weil er den Pass seit Jahren schon nicht mehr
benutzt hatte. Wie der Pass abhanden gekommen ist, weiß er nicht.
Theoretisch hätte jeder, der in den vergangenen Jahren in den
verschiedenen WGs, in denen er lebte, aus- und einging, den Pass an sich
nehmen können.
Für den Staatschutz keine glaubhafte Begründung. Mehrfach
wurde Werner R. von der Frankfurter Staatsanwaltschaft vorgeladen und nach
Kontakten zur "terroristischen Szene" befragt. Werner R.
verweigerte schließlich die Aussage, da offensichtlich war, dass er
von einem normalen Zeugen zu einem "tatverdächtigen Zeugen"
geworden war. Zuvor war ihm bei einer Vernehmung durch BKA-Beamte offen
gedroht worden, dass er zwar jetzt noch Zeuge sei, aber dass sich dies
schnell ändern könnte. Ein deutlicher Hinweis, dass die
Ermittlungsbehörden Werner R. keinen Glauben schenken. Offensichtlich
besteht gegen ihn der Verdacht der Strafvereitlung bzw. der
"Unterstützung einer terroristischen Organisation" nach
§129a.
Nachdem er für sich das Recht der Aussageverweigerung in Anspruch
genommen hatte, verhängte die Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld von
1.000 DM, das Werner R. auch zahlte. Daraufhin drohte sie mit Beugehaft,
die bis zu sechs Monate dauern kann. Vor dem Amtsgericht kam die
Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag allerdings nicht durch. Der
zuständige Ermittlungsrichter lehnte ihn als
"unverhältnismäßig" ab. Das Landgericht jedoch
hob diesen Beschluss auf und verhängte die Beugehaft. Nun rief die
Anwältin von Werner R., Anne Mayer, das Bundesverfassungsgericht an.
Dieses hob schließlich - unanfechtbar - den Beschluss des Landgericht
auf, da er gegen Art. 2 (Die Freiheit der Person ist unverletzlich) und
Art. 104 GG (Die Freiheit einer Person kann nur auf Grund eines
förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen
Formen beschränkt werden) verstieß. Damit gestand das
Bundesverfassunggericht Werner R. ein Schweigerecht zu.
So erfreulich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auch ist,
sie ist kein Grund zur Entwarnung. Das Schweigerecht wurde Werner R. ja nur
deshalb zuerkannt, weil das Bundesverfassungsgericht in Kenntnis der
Verdächtigungen, die die Staatsschutzbehörden gegen Werner R.
vorbringen, ihm den Status als "tatverdächtigen Zeugen"
zuerkannte. Wie und ob die Ermittlungen gegen Werner R. von BKA und
Staatsanwaltschaft weiter verfolgt werden, muss nun abgewartet werden.
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