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Datum:
26.03.2001
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Zeitung:
Süddeutsche Zeitung
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Titel:
Aufruf zu Gunsten mutmaßlicher Terroristen
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Aufruf zu Gunsten mutmaßlicher Terroristen
Grüne setzen sich für Angeklagte ein
Roth und Künast: Mitglieder Revolutionärer Zellen freilassen
Berlin - Zwei Spitzenpolitikerinnen der Grünen haben sich für
die Freilassung von vier mutmaßlichen Mitgliedern der
"Revolutionären Zellen" ausgesprochen. Die drei Männer
und eine Frau stehen gegenwärtig in Berlin vor Gericht und sitzen seit
mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft. Zu den Unterzeichnern des
Papiers, das im Herbst 2000 verfasst wurde, gehören unter anderem
Renate Künast, die damals Parteichefin war, und Claudia Roth, die
damalige Vorsitzende im Bundestagsausschuss für Menschenrechte und
heutige Parteivorsitzende der Grünen.
Ein Parteisprecher sagte am Sonntag, in dem Aufruf gehe es vor allem um
die Kritik am Vorgehen des Staatsschutzes. Die Taten, die den Beschuldigten
zur Last gelegt werden, seien im Wesentlichen verjährt. Die Anklage
basiere hauptsächlich auf den Aussagen eines einzigen Kronzeugen.
Trotzdem seien die Angeklagten immer noch in Untersuchungshaft. Die
Unterzeichner forderten außerdem die Abschaffung des Paragrafen 129a
des Strafgesetzbuches zur Bildung einer terroristischen Vereinigung. Den
Angeklagten werde die Mitgliedschaft in einer "bereits vor Jahren
aufgelösten" terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Der
Paragraf sei ein "politischer Ausforschungsparagraf, dessen Tradition
bis zu den Sozialistenverfolgungen Bismarcks zurückreicht."
Zu den Unterzeichnern gehören auch die Bundestagsabgeordneten
Christian Ströbele (Grüne), Gregor Gysi (PDS) und der Vorsitzende
der Humanistischen Union, Till Müller-Heidelberg. Der Sprecher der
Grünen erklärte, Künast und Roth legten Wert auf die
Feststellung, dass sie nicht dagegen seien, die Angeklagten zu bestrafen,
wenn ihnen die Vorwürfe nachgewiesen werden könnten. Beide
lehnten es jedoch ab, dass jemand aufgrund einer bloßen
Kronzeugenaussage so lange in Untersuchungshaft sitzen müsse. Die
Grünen fordern seit Jahren die Abschaffung des Paragrafen 129a.
Den vier Angeklagten wird ein Anschlag auf einen Bundesverwaltungsrichter
im Jahr 1987 vorgeworfen. Drei der Beschuldigten sollen außerdem
1986 ein Attentat auf den damaligen Leiter der Berliner Ausländerbehörde
verübt haben. Der Strafprozess hatte vergangene Woche begonnen.
Philip Grassmann
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