Datum:
21.12.1999
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Zeitung:
Tagesspiegel
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Titel:
Nach der Razzia
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Nach der Razzia
1995 - der letzte Anschlag der "Roten Zora"
Die "Rote Zora" war früher bundesweit unterwegs. Die
jüngste bekannte Aktion traf im Juli 1995 die Lürssen-Werft in
Lemwerder an der Weser-Mündung, wo eine Bombe in einer Werkshalle
detonierte: Weil hier Schiffe für die türkische Marine gebaut
würden, "mit denen KurdInnen angegriffen werden". Die mit
der Zora verbandelten Revolutionären Zellen waren zuletzt zwei Jahre
vorher aufgefallen. Im Oktober 1993 sprengten sie ein Trafohäuschen
auf dem Gelände des Grenzschutzamtes Frankfurt in die Luft.
Angebliches Motiv der Terroristen: das neue Asylrecht. Danach wurde es
still. Der Berliner Verfassungsschutzbericht von 1997 erwähnt beide
Gruppen nur noch am Rande.
Das war früher ganz anders. 1990 ging das Schöneberger
Möbelhaus "Wohnen 2001" in Flammen auf. Revolutionäre
Zellen erklärten, sie hätten "Yuppies und Reiche"
treffen wollen, "nie wieder Deutschland - nie wieder Hauptstadt".
Der Kreuzberger Reflex gegen die Wiedervereinigung tauchte auch bei einem
Anschlag auf den Reichstag auf. Breitgefasster waren 1991 die Motive bei
dem spektakulären Bombenanschlag auf die Siegessäule -
"Symbol für Nationalismus, Rassismus, Sexismus und
Patriarchat". Die Linksterroristen schreckten auch vor Anschlägen
auf Menschen nicht zurück, Morde werden ihnen aber im Gegensatz zur
RAF nicht vorgeworfen. Im Oktober 1986 schossen Aktivisten dem Leiter der
Berliner Ausländerbehörde Harald Hollenberg gezielt in die Beine.
Ein Jahr später wurde der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof
Günter Korbmacher ebenfalls durch Schüsse am Unterschenkel
verletzt. Den jetzt verhafteten mutmaßlichen beiden Terroristen
können diese Bluttaten nicht mehr vorgeworfen werden. Als
Körperverletzung waren sie nach fünf Jahre verjährt. Eine
Verjährungsunterbrechung ist nicht eingetreten, weil gegen die beiden
damals noch keine Fahndungsmaßnahmen liefen. Ihnen wird aber
Mitgliedschaft in einer terroristichen Vereinigung angelastet.
Begonnen hatten die Revolutionären Zellen ihre Berliner Tätigkeit
1973 mit einem Anschlag auf ein Bürohaus der Firma ITT-Schaub
Lorenz. Der Verfassungschutz betrachtet sie neben der RAF und dem
"2. Juni" als dritte eigenständige Gruppe im Linksterrorismus.
Die Mitglieder gelten als "Feierabendterroristen", die
ihren normalen Lebensrhythmus anders als die Illegalen der RAF nur
für ihre Aktionen verließen.
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